Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des von der Antragsgegnerin zu gewährenden Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
der Antragstellerin streitig.
Die 1948 geborene Antragstellerin bezieht seit dem 09.06.2009 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung
für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie war in den vergangenen Jahren selbständig tätig und privat kranken- und pflegeversichert.
Zum 01.08.2008 stellte der F. Krankenversicherungsverein a. G. die Versicherung auf den Basistarif nach § 12 Abs. 1 a Versicherungsaufsichtsgesetz
(VAG) um. Seitdem hat die Antragstellerin für die Krankenversicherung monatlich 284,81 EUR und für die Pflegeversicherung
monatlich 35,83 EUR, mithin monatlich insgesamt 320,84 EUR zu entrichten. Hierbei handelt es sich um den aufgrund der nachgewiesenen
Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II auf die Hälfte reduzierten Beitragssatz des Basistarifs gem. § 12 Abs. 1 c S. 4 und 6 VAG
(Versicherungsschein vom 05.10.2009).
Mit Bescheid vom 30.06.2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragsstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
als Darlehen für die Zeit vom 09.06.2009 bis 31.12.2009. Dabei wurden für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2009 monatliche
Leistungen in Höhe von insgesamt 965,59 EUR bewilligt. Dieser Betrag setzt sich aus der Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR,
Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 464,48 EUR sowie aus einem Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe
von 142,11 EUR zusammen. Die Bewilligung erfolgte im Hinblick auf vorhandenes Vermögen (vermietete Eigentumswohnung) auf Darlehensbasis.
Dabei wurden die Mieteinnahmen nicht als Einkommen angerechnet, da sie die laufenden Kosten nicht deckten. Dem hiergegen erhobenen
Widerspruch half die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2009 insoweit ab, als die Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nunmehr als Zuschuss gewährt wurden. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin würde im Falle eines
Verkaufs der Eigentumswohnung zum höchstmöglichen Preis von 65.000,00 EUR nach Abzug der Kreditverbindlichkeiten in Höhe von
54.207,75 EUR und einer Vorfälligkeitsentschädigung lediglich ein maximaler Erlös von 6.300,00 EUR verbleiben. Dieser Betrag
bewege sich innerhalb der Vermögensfreigrenzen (Aktenvermerk vom 30.07.2009). Mit Datum vom 10.08.2009 erteilte die Antragsgegnerin
einen entsprechenden Ausführungsbescheid. Hinsichtlich der Höhe des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung wies die
Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1 c S. 6 VAG könne
der Antragstellerin nur ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe des Beitrages gewährt werden, der auch im Falle
einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu entrichten wäre. Dieser Betrag belaufe sich derzeit
auf 142,11 EUR monatlich (einschließlich Pflegeversicherung). Die Differenz zum halben Basistarif könne auch nicht im Rahmen
eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II übernommen werden.
Die Antragstellerin hat am 17.08.2009 Klage erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur
Begründung hat sie vorgetragen, aufgrund der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen sei sie trotz des
Bezuges von Arbeitslosengeld II nicht gesetzlich versichert. Sie sei nicht in der Lage, die Differenz zwischen dem von der
Antragsgegnerin gezahlten Zuschuss und dem von der F. geforderten Beitrag aus der Regelleistung zu tragen. Ihr laufender Lebensunterhalt
sei nicht mehr gesichert. Sie verfüge über keinerlei Rücklagen und ihr Konto sei erheblich überzogen. Von der verbleibenden
Regelleistung i. H. v. knapp 200,00 EUR monatlich könne sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Die Nichtzahlung von Beiträgen
zur Privatversicherung würde zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.
Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass die Rechtslage eine Abdeckung des Differenzbetrags zwischen dem gesetzlichen
Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung und dem von der Antragstellerin tatsächlich zu entrichtenden Beitrag weder im
Rahmen eines Zuschusses noch im Rahmen eines Darlehens zulasse.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.09.2009 hat das Sozialgericht (SG) Bremen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bereits ein Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht worden. Nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens sei die Antragstellerin nicht von der Versicherungspflicht
in der Krankenversicherung befreit. Insofern stelle sich die Frage, ob sie nicht regulär als Leistungsbezieherin gesetzlich
krankenversichert sei. In diesem Fall könnte sie ihr privates Krankenversicherungsverhältnis kündigen; dann würde sich weder
die Frage des Zuschusses gem. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II stellen noch die Problematik der von der Antragstellerin angesprochenen
Differenz zwischen Zuschuss und Beitragshöhe.
Gegen den ihr am 05.09.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 15.09.2009 Beschwerde erhoben. Sie verweist
auf die zum 01.01.2009 eingefügte Vorschrift des §
5 Abs.
5 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V), wonach Versicherungspflicht nicht eintrete, wenn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld eine private Krankenversicherung
bestanden habe. Sie sei seit dem Jahr 2002 Mitglied einer privaten Krankenversicherung aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit.
Sie habe ihren Betrieb aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Seit Oktober 2007 sei sie krank und befinde
sich zurzeit in ärztlicher Behandlung. Ihre Krankenversicherungsbeiträge würden regelmäßig und vollständig gezahlt, allerdings
von ihrem Dispokredit, für den sie hohe Zinsen zu zahlen habe. In diesem Zusammenhang legt die Antragstellerin einen Kontoauszug
der G. vom 05.11.2009 vor. Ferner macht sie geltend, dass sie weiterhin auf ärztliche Behandlungen angewiesen sei, so dass
ihr Krankenversicherungsschutz gewährleistet sein müsse. Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Antragstellerin ergänzend
telefonisch mitgeteilt, dass sie ihre Eigentumswohnung bislang nicht verkauft habe. Dies sei auch zurzeit nicht möglich, da
die Mieterin, die im Übrigen ihre Miete seit fünf Monaten nicht gezahlt habe, keinen Zutritt zur Wohnung gewähre.
Die Antragsgegnerin hält an ihrer bisherigen Auffassung fest. Die Antragstellerin könne aufgrund der Regelung in § 12 Abs.
1 c S. 6 VAG keinen höheren Zuschuss beanspruchen. Hierdurch entstehende Deckungslücken könnten nicht auf der Grundlage des
SGB II ausgeglichen werden.
II. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes,
wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Maßgeblich ist hier die Berufungssumme gem. §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG i. H. v. 750,00 EUR. Die monatliche Differenz zwischen dem von der Antragsgegnerin bewilligten Zuschuss in Höhe von 142,11
EUR und dem von der Antragstellerin zu zahlenden Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 320,64 EUR beträgt 178,53
EUR. Damit übersteigt der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes streitige Gesamtbetrag für die Zeit vom
17.08.2009 (Eingang des Eilantrags) bis zum 31.12.2009 (Ende des Bewilligungszeitraums) die Berufungssumme des §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG deutlich.
Die Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor,
so dass der anderslautende Beschluss des SG Bremen vom 02.09.2009 aufzuheben ist.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung
setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die
Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als
auch der Anordnungsgrund sind gemäß §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) i. V. m. §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG glaubhaft zu machen. Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen
entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen,
wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten
Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum
nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren
erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden. Der elementare Bedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick
befriedigt werden, in dem er entsteht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage in einem solchen
Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse
vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 19, 26 und vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09, Rn. 11, jeweils zitiert nach juris).
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin die einschlägigen einfachgesetzlichen Regelungen zutreffend angewendet
hat. Die Antragstellerin ist nach dem durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung vom 01.01.2009 neu eingefügten Absatz
5 a des §
5 SGB V von der Versicherungspflicht als Bezieherin von ALG II gem. Abs. 1 Nr. 2 a ausgenommen, weil sie unmittelbar vor dem Bezug von ALG II privat krankenversichert war. Da mithin für die Antragstellerin mit dem Bezug von ALG II seit dem 9. Juni 2009 anders als nach früherem Recht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
eingetreten ist, war für sie auch die vom SG angesprochene Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht gem. §
8 Abs.
1 Nr.
1 a SGB V nicht einschlägig. Ebenfalls zum 1. Januar 2009 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 26 Abs. 2 SGB II über den Beitragszuschuss für Bezieher von ALG II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind, neu geregelt.
Für Versicherte eines privaten Krankenversicherungsunternehmens verweist § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II nunmehr auf § 12 Abs. 1
c S. 5 u. 6 VAG. Aus diesen Regelungen ergibt sich für den hier vorliegenden Fall der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II unabhängig
von der Höhe des zu zahlenden Beitrags zur privaten Krankenversicherung eine Verminderung des Beitrags für den Basistarif
für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Dabei zahlt der zuständige Träger den Beitrag, der auch für einen Bezieher
von ALG II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs. 1 c S. 6 Halbsatz 2 VAG). Nach dem Wortlaut dieser Regelungen ist danach der Zuschuss des Grundsicherungsträgers zu
den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung der Höhe nach auf den für einen Bezieher von ALG II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag beschränkt. Nach den Beitragsregelungen des
SGB V bemisst sich dieser Beitrag nach den beitragspflichtigen Einnahmen (§
223 Abs.
2 S. 1
SGB V). Für Bezieher von ALG II gilt gemäß §
232 a Abs.
1 Nr.
2 SGB V der 30. Teil des 0,3450fachen der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme. Die monatliche Bezugsgröße beläuft
sich gemäß §
18 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (
SGB IV) i. V. m. § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 auf 2.520,00 EUR. Für ALG II-Bezieher sind danach beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 869,40 EUR monatlich zugrunde zu legen (2.520,00 x 0,345).
Anzuwenden ist gemäß §
246 SGB V der ermäßigte Beitragssatz des §
243 SGB V. Dieser beträgt seit dem 01.07.2009 14,3 % (§
2 GKV-Beitragssatzverordnung in der Fassung vom 02.03.2009). Es errechnet sich somit ein für Bezieher von ALG II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragender Beitrag in Höhe von 124,32 EUR (869,40 EUR x 14,3%). Dies entspricht
dem von der Antragsgegnerin bewilligten Zuschuss.
Die Antragsgegnerin hat auch zutreffend festgestellt, dass die von der Antragstellerin beantragte Übernahme des streitigen
Differenzbetrages (160,49 EUR allein für die Krankenversicherung) als Darlehen nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II nach dem Wortlaut
dieser Vorschrift daran scheitert, dass es sich bei den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nicht um einen von den
Regelleistungen umfassten Bedarf (vgl. hierzu § 20 Abs. 1 SGB II) handelt. Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit zusätzliche
Leistungen des Grundsicherungsträgers neben der Regelleistung vorgesehen (vgl. §
26 Abs.
2 SGB II, §
251 Abs.
4 SGB V). Bei der Übernahme der Beiträge handelt es sich um eine Annexleistung zu den Leistungen nach dem SGB II (Knickrehm in: Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl., § 26 Rn. 5; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu Abschnitt 2 des SGB II [BT-Drucksache 15/1516, S. 55], wonach
pauschale Regelleistungen zuzüglich der zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung gewährt werden).
Schließlich scheiden auch Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB
XII) aus (vgl. hierzu ausführlich: Urteil des SG Karlsruhe vom 10.08.2009 - S 5 AS 2121/09, Rn. 38 ff., zitiert nach juris), zumal es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
SGB II einerseits und nach dem SGB XII andererseits um sich gegenseitig ausschließende Systeme handelt (vgl. BSG, Urteil vom
6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 8, Rn. 34).
Eine analoge Anwendung anderer Vorschriften, die die Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung in vollem Umfang vorsehen
(§ 12 Abs. 1 c S. 5 VAG, § 26 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 SGB II), kommt nicht in Betracht, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt
(a. A.: SG Karlsruhe, aaO. Rn. 23ff; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B, Rn. 17ff; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009 - S 31 AS 174/09 ER, jeweils zitiert nach juris; vgl. auch: Brünner in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 26 Rn 23). Eine Regelungslücke liegt
nämlich grundsätzlich nur dann vor, wenn das Gesetz, gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und den gesetzesimmanenten
Zwecken, planwidrig unvollständig ist. Demgegenüber hat der Gesetzgeber für die vorliegende Fallkonstellation eine ausdrückliche
Regelung in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1 c S. 6 VAG getroffen. Zwar kann eine planwidrige Regelungslücke
ausnahmsweise auch dann angenommen werden, wenn das Gesetz eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber
nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt bzw. sich in dem System, in dem sie als Teil enthalten ist, als Fremdkörper erweist.
Solche Systemwidrigkeiten können auch nachträglich, z. B. durch Gesetzesänderungen eintreten. Die dadurch entstandene Regelungslücke
ist dann möglicherweise durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand im Gesetz festgelegten Rechtsfolge zu schließen.
Das setzt allerdings voraus, dass der lückenhaft geregelte Sachverhalt dem geregelten ähnlich ist und deshalb rechtlich gleichbehandelt
werden muss und der Gesetzgeber, hätte er die Regelungslücke erkannt, die gebotene Regelung auch getroffen hätte. Eine Gleichsetzung
von Sachverhalten bzw. Tatbeständen darf jedoch nicht erfolgen, wenn dadurch die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt
werden würde (vgl. zum Ganzen: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.10.1998 - B 9 V 7/98 R, Orientierungssatz 1 m. w. N., zitiert nach juris). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar erscheint
die Belastung von Beziehern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mit (anteiligen) Kosten der Krankenversicherung
in der Tat systemwidrig (vgl. hierzu ausführlich: SG Karlsruhe, aaO., Rn. 29ff). Allerdings würde durch die Übertragung einer
anderen Rechtsfolge (Bezuschussung des hälftigen Basistarifs in voller Höhe) auf den vorliegenden Tatbestand (privat krankenversicherte
Leistungsbezieherin nach dem SGB II, die unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags hilfebedürftig ist) die Regelungsabsicht
des Gesetzgebers vereitelt. Denn der Beitrag, den der Versicherungsgeber vom Versicherungsnehmer im Falle der Hilfebedürftigkeit
verlangen kann, wird in § 12 Abs. 1 c S. 4 VAG geregelt. Diese Vorschrift sieht eine Halbierung des Beitrags vor. Der Zuschuss
des Grundsicherungsträgers ist demgegenüber in § 12 Abs. 1 c S. 6 HS 2 VAG geregelt. Durch die in S. 6 angeordnete entsprechende
Anwendung des S. 4 wird klargestellt, dass durch die betragsmäßige Begrenzung des Zuschusses die Beitragsschuld des Versicherungsnehmers
gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht reduziert wird (vgl. BT-Drucksache 16/4247 zu Abs. 1 c, S. 69: "Es bleibt bei
der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen
der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen."). Zwar war die Bezugnahme auf S. 4 in dem ursprünglichen Entwurf des § 12
Abs. 1 c S. 6 VAG nicht enthalten, so dass die ursprüngliche Regelung auch so hätte verstanden werden können, dass eine Beitragspflicht
in der privaten Krankenversicherung nur in Höhe des Beitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung für Bezieher von ALG II bestehen sollte (vgl. Gegenüberstellung in der BT-Drucksache 16/4200, S. 209). Die auf Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Gesundheit erfolgte Klarstellung in S. 6 macht jedoch deutlich, dass die nur anteilige Bezuschussung des hälftigen Beitrags
im Basistarif der Regelungsabsicht des Gesetzgebers entspricht. Wenn das LSG Baden-Württemberg dementsprechend in seinem Beschluss
vom 30.06.2009 (Az.: L 2 SO 2529/09 ER-B, Rn. 19, zitiert nach juris) zutreffend darauf hinweist, dass die Regelung des §
12 Abs. 1 c S. 6 VAG "politisch entschieden" worden und eine abschließende Lösung der Problematik in den Verhandlungen nicht
zu erreichen gewesen sei, ist bei dieser Sachlage für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum (ebenso: SG
Dresden, Beschluss vom 18. September 2009 - S 29 AS 4051/09 ER; vgl. auch Brünner, aaO. Rn. 21: "bewusst in Kauf genommen"). Vielmehr bedarf es insoweit einer Korrektur durch den Gesetzgeber
(vgl. hierzu die bereits vorliegenden vielfältigen Vorschläge etwa in der "Position des Deutschen Vereins zur Beitragslücke
gem. § 12 Abs. 1 c S. 6 VAG" [www.deutscher-verein.de], des Bundesrates [BT-Drucksache 16/12677, S. 17], der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege e.V. [Ausschussdrucksache 16(14)0514(41)] und des Deutschen Städtetages [Erwartungen und Forderungen
des Deutschen Städtetages an den neuen Bundestag und die neue Bundesregierung, S. 25/26, www.staedtetag.de] sowie die entsprechende
Diskussion im Ausschuss für Gesundheit [BT-Drucksache 16/13260]). In der abgelaufenen Legislaturperiode wurden die Regelungen
des § 26 SGB II zwecks Schließung einer Regelungslücke zwar noch dahingehend ergänzt, dass für Versicherungspflichtige in
der gesetzlichen Krankenversicherung der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen wird, wenn allein durch den Krankenversicherungsbeitrag
Hilfebedürftigkeit entsteht (§ 26 Abs. 2 S. 2 SGB II, neu eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2009 durch das Gesetz zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Dagegen ist es nicht gelungen, für Mitglieder einer privaten Krankenversicherung, die ihre Beiträge nicht zahlen können,
eine konsensfähige Regelung zu finden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucksache 16/13428, S. 83), obwohl auch die damalige
Bundesregierung insoweit Handlungsbedarf sah [vgl. BT-Drucksache 16/13965, S. 25f])).
Da die Antragstellerin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei ist, besteht für die Zeit des Leistungsbezugs
auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, §
20 Abs.
1 S 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI). Den Beitragszuschuss des Grundsicherungsträgers zur privaten Pflegeversicherung regelt § 26 Abs. 3 S. 1 SGB II. Danach werden für Bezieher von ALG II, die in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind, für die Dauer
des Leistungsbezugs die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen. Hierzu
bestimmt §
110 Abs.
2 S. 3 bis 5
SGB XI ergänzend, dass für Personen, die im Basistarif nach §
12 VAG versichert sind und deren Beitrag zur Krankenversicherung sich nach § 12 Abs. 1 c S. 4 oder 6 VAG vermindert, der Beitrag
50 % des sich nach Abs. 1 Nr. 2 e ergebenden Beitrags (Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung) nicht übersteigen darf.
Für die Aufbringung der nach S. 3 verminderten Beiträge wird die entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 1 c S. 5 o. 6 VAG angeordnet.
Dabei gilt S. 6 mit der Maßgabe, dass der zuständige Träger den Beitrag zahlt, der auch für einen Bezieher von ALG II in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen ist. Hieraus ergibt sich, dass auch hinsichtlich der Beiträge zur privaten
Pflegeversicherung der Zuschuss des Grundsicherungsträgers auf den Betrag begrenzt ist, der für einen Bezieher von ALG II in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen ist. Bei der Berechnung dieses Beitrags ist nach §
57 Abs.
2 SGB XI abweichend von §
232a Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGB V der 30. Teil des 0,3620fachen der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme zugrunde zu legen, mithin 912,24
EUR (2.520 x 0,3620). Der Beitragssatz beträgt 1,95 % (§
55 Abs.
1 S. 1
SGB XI), so dass sich danach für ALG II-Bezieher ein Beitrag von 17,79 EUR errechnet. Dieses entspricht ebenfalls dem von der Antragsgegnerin bewilligten Zuschuss.
Die danach in den einfachgesetzlichen Regelungen vorgesehene lediglich anteilige Bezuschussung der Beiträge zur privaten Kranken-
und Pflegeversicherung führt in dem Zeitraum seit dem 01.07.2009 bei den privat versicherten Beziehern von ALG II zu einer monatlichen Deckungslücke von 178,53 EUR. Dabei entsprechen die in dem vorliegenden Versicherungsschein der F.
vom 05.10.2009 ausgewiesenen hälftigen Beiträge im Basistarif der Krankenversicherung (284,81 EUR) und der Pflegeversicherung
(35,83 EUR) den gesetzlichen Regelungen. Für die Krankenversicherung gilt insoweit § 12 Abs. 1 c S. 1 VAG, wonach der Basistarif
den Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen darf. Dabei wird im Jahr 2009 zur Berechnung des
Höchstbeitrags der allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen vom 01.01.2009 zugrunde gelegt. Dieser betrug 15,5 % (§ 1 GKV-BSV
in der Fassung vom 29.10.2008). Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt ab 01.01.2009 bei
monatlich 3.675,00 EUR, so dass sich der Höchstbeitrag auf 569,62 EUR (3.675 x 15,5 %) beläuft. Der um die Hälfte reduzierte
Beitrag im Basistarif beträgt danach 284,81 EUR. Der gemäß § 110 Abs. 2 S. 3 i. V. m. Abs.
1 Nr.
2 Buchst. e
SGB XI maßgebliche Höchstbeitrag in der sozialen Pflegeversicherung beläuft sich auf 71,66 EUR (3.675 x 1,95 %). Hieraus errechnet
sich ein um die Hälfte reduzierter Beitrag von 35,83 EUR.
Im Hinblick auf die durch die nur anteilige Bezuschussung entstehende erhebliche Deckungslücke in Höhe von 178,53 EUR monatlich
sind § 12 Abs. 1 c S. 6 HS 2 VAG sowie §
110 Abs.
2 S. 4 HS 2
SGB XI zur Überzeugung des Senats verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Sicherstellung
des Existenzminimums, welche aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde i. V. m. dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60, 80). Nach den Verfassungsnormen des Art.
1 Abs.
1 GG i. V. m. Art.
20 Abs.
1 GG ist der Staat verpflichtet, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein durch Sozialleistungen
zu sichern. Hierzu gehört auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung (BVerfG, Beschluss vom 31.
Oktober 1984 - 1 BvR 35/82 u.a., BVerfGE 68, 193, 209; BSG, Urteil vom 22 April 2008 - B 1 KR 10/07 R, SozR 4-2500 § 62 Nr 6 Rn 31).
Die in § 12 Abs 1 c S. 6 HS 2 VAG vorgesehene Beschränkung der Zuschüsse auf die Beträge, die für einen in der gesetzlichen
Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versicherten Leistungsbezieher anfallen, führt zu einer existenzgefährdenden
Bedarfsunterdeckung, da die Differenz zwischen den Zuschüssen und den tatsächlich zu zahlenden Beiträgen nicht aus der Regelleistung
bestritten werden kann. Denn obwohl der Gesetzgeber auf der einen Seite für Leistungsbezieher nach dem SGB II, die privat
versichert sind, keine ausreichenden Leistungen zur Deckung des Bedarfs bereitstellt, hat er diesem Personenkreis auf der
anderen Seite durch die gesetzlichen Neuregelungen zum 01.01.2009 die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer privaten Kranken-
und Pflegeversicherung zu gesetzlich festgelegten Beiträgen auferlegt. So wurde durch das GKV-WSG vom 26.03.2007 mit Wirkung vom 01.01.2009 für alle Einwohner Deutschlands eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen oder
der privaten Krankenversicherung eingeführt, um durch gesetzliche und private Krankenversicherungen als jeweils eigene Säule
für die ihnen zugewiesenen Personenkreise einen dauerhaften und ausreichenden Versicherungsschutz gegen das Risiko der Krankheit
auch in sozialen Bedarfssituationen sicherzustellen. Hierzu wurden zahlreiche Vorschriften des
SGB V, des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und des VAG sowie der Kalkulationsverordnung geändert (vgl. zum Regelungskonzept im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 10.06.2009
- 1 BvR 706/08 u. a., Rn 13ff., zitiert nach juris). Danach besteht für alle Personen, die weder gesetzlich krankenversichert sind noch
einem dritten Sicherungssystem angehören, eine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer Krankheitskostenversicherung
bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (§ 193 Abs. 3 VVG). Entsprechendes gilt für die private Pflegeversicherung, §
23 Abs.
1 S. 1
SGB XI.
Vor diesem Hintergrund wäre der Gesetzgeber zur Überzeugung des Senats von Verfassungs wegen verpflichtet gewesen, die Beitrags-
und Zuschussregelungen so auszugestalten, dass auch die Leistungsbezieher nach dem SGB II, deren Hilfebedürftigkeit - wie
bei der Antragstellerin - unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags besteht (§ 12 Abs. 1 c S. 6 VAG), die Beiträge
zu ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung aus den Leistungen des Grundsicherungsträgers aufbringen können. Denn die
trotz der Halbierung des Beitrags im Basistarif gem. § 12 Abs. 1 c S. 4 VAG entstehende Deckungslücke zwischen dem vom Grundsicherungsträger
gewährten Zuschuss einerseits und dem zu zahlenden hälftigen Basistarif-Beitrag andererseits kann nicht aus der Regelleistung
nach § 20 SGB II bestritten werden. Schließlich ist die Regelleistung so bemessen, dass sie ausreichen soll, um den Lebensunterhalt
zu sichern (insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden
Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben,
§ 20 Abs. 1 SGB II; vgl. im Einzelnen zur Zusammensetzung der aktuell geltenden Regelleistungen im SGB II: Schwabe, ZfF 2009,
145ff.). Wie bereits ausgeführt, dient die Regelleistung dagegen nicht - auch nicht anteilig - der Bestreitung der Kosten
einer Absicherung im Krankheitsfall. Dies belegt auch eine Gegenüberstellung der in der vorliegenden Fallkonstellation einschlägigen
Beträge: So verbliebe bei einer Zahlung der vom Grundsicherungsträger nicht übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
(hier: 178,53 EUR) aus der Regelleistung (hier: 359,00 EUR) lediglich noch ein Betrag von 180,47 EUR pro Monat zur Sicherung
des Lebensunterhalts. Angesichts der aktuell geführten Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung
bedarf es keiner weiterer Begründung, dass mit einer monatlichen Leistung von 180,47 EUR die verfassungsrechtliche Untergrenze
des sozialrechtlich zu sichernden Existenzminimums eines in der Bundesrepublik Deutschland lebenden alleinstehenden Erwachsenen
unterschritten und das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nicht gewährleistet ist (im Ergebnis ebenso: SG Stuttgart, Beschluss
vom 13. August 2009 - S 9 AS 5003/09 ER, Rn 28f; vgl. auch Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., aaO.: "sozialstaatlich unvertretbare Regelungslücke";
zu den verfassungsrechtlichen Untergrenzen des sozialrechtlich zu sichernden Existenzminimums ausführlich: BSG, Urteil vom
22.04.2008 - B 1 KR 10/07 R, Rn. 16ff mit zahlreichen Nachweisen aus Rspr. und Lit.).
Ob daneben auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt, weil § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1 c
S. 6 VAG anders als § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II für freiwillige Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung eine betragsmäßige
Begrenzung der Beitragsübernahme vorsieht (für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift: SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009
- S 5 AS 2121/09, Rn. 56), kann der Senat offen lassen (vgl. zu einem möglichen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz auch: LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 16. September 2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B, Rn. 24ff; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.2009 - L 7 B 334/09 AS).
Die Regelungen nach § 12 Abs. 1 c S. 6 HS 2 VAG und nach §
110 Abs.
2 S. 4 HS 2
SGB XI, wonach bei privat Kranken- und Pflegeversicherten, deren Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags
besteht, erhebliche Deckungslücken zwischen der Beitraglast einerseits und dem vom Grundsicherungsträger gewährten Zuschuss
andererseits auftreten, können auch nicht deshalb als verfassungsgemäß angesehen werden, weil mit Inkrafttreten des GKV-WSG zum 1. Januar 2009 für den Fall des Eintritts von Beitragsrückständen zusätzlich auch weitreichende Schutzvorschriften zugunsten
der Versicherten geschaffen wurden. Denn die Antragstellerin kann - entgegen der Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss
vom 12. Oktober 2009 - L 7 B 197/09 AS) - nicht darauf verwiesen werden, eine Gefährdung ihres Existenzminimums dadurch abzuwenden, ihre Beiträge zur privaten
Kranken- und Pflegeversicherung zukünftig nur noch in Höhe des Zuschusses der Antragsgegnerin zu zahlen und dadurch monatliche
Beitragsschulden bei ihrem Krankenversicherungsunternehmen i. H. v. 178,53 EUR anzuhäufen. Zwar würde die Antragstellerin
dadurch ihren Versicherungsschutz jedenfalls nicht unmittelbar gefährden, weil nach § 206 Abs. 1 S. 1 VVG jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die - wie hier - eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. Dies gilt
auch für den Fall des Zahlungsverzugs, in dem unter den in § 193 Abs. 6 VVG näher bestimmten Voraussetzungen das Ruhen des Leistungsanspruchs eintritt. Denn das Ruhen endet unter anderem dann, wenn
der Versicherungsnehmer hilfebedürftig i. S. d. SGB II wird. Nach zutreffender Ansicht (SG Dresden, Beschluss vom 18.09.2009
- S 29 AS 4051/09 ER; Klerks, Der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach
dem SGB II und dem SGB XII, info also 2009, Seite 153, 158) tritt das Ruhen zudem von vornherein dann nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier die Antragstellerin - bereits
im Leistungsbezug nach dem SGB II steht. Auch dürfte eine Aufrechnung rückständiger Beitragsansprüche gegen Erstattungsansprüche
des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein (Klerks, aaO.). Ebenso dürfte eine Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung auch
nicht daran scheitern, dass die Antragstellerin die ärztliche Behandlung zunächst selbst bezahlen muss und möglicherweise
mangels ausreichender finanzieller Mittel hierzu nicht in der Lage sein könnte. Denn nach § 192 Abs. 7 VVG kann bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 12 VAG der Leistungserbringer, also der Arzt, seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen.
Die Antragstellerin kann allerdings vom Gericht nicht darauf verwiesen werden, sich rechtsuntreu zu verhalten und gegen ihre
gesetzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu gesetzlich festgelegten
Beiträgen zu verstoßen. Auch zeigen die von der Sozialgerichtsbarkeit bislang entschiedenen Fälle, dass die gesetzlichen Vorgaben
von den privaten Krankenversicherungsunternehmen durchaus nicht immer eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist es der
nach ihrem glaubhaften Vorbringen bereits seit längerem erkrankten und ärztlich behandlungsbedürftigen Antragstellerin nicht
zuzumuten, ihre Beitragszahlung teilweise einzustellen und damit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie eine Auseinandersetzung
mit ihrer privaten Krankenversicherung über den Umfang ihres Krankenversicherungsschutzes zu provozieren, die ggf. über den
kostenpflichtigen Zivilrechtsweg zu führen wäre (ebenso: SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 2. Oktober 2009 - S 31 AS 174/09 ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juni 2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang
auch, dass die Schutzvorschrift des § 193 Abs. 6 VVG das Ruhen der Leistungen nur solange ausschließt, wie die Antragstellerin im Leistungsbezug nach dem SGB II steht. Sollte
der Leistungsbezug enden, sei es durch Wiederaufnahme einer bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit oder selbständigen Tätigkeit
oder aber durch den Bezug einer Rente, könnte der Versicherer umgehend wegen der bis dahin aufgelaufenen Beitragsrückstände
das Ruhen der Leistungen feststellen mit der Folge, dass er nur noch für Aufwendungen haften würde, die zur Behandlung akuter
Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlich sind (vgl. § 193 Abs. 6 S. 5 VVG). Der Staat kommt seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums nicht mehr hinreichend nach, wenn
er - anstatt selbst die existenzsichernden Kosten zu übernehmen - lediglich Regelungen schafft, nach denen Dritte existenzsichernde
Leistungen zu erbringen haben (hier: Kostenübernahme für medizinische Versorgung bzw. Pflegeleistungen durch die private Kranken-
bzw. Pflegeversicherung), hierdurch zugleich jedoch eine erhebliche Verschuldung des Hilfebedürftigen eintritt (nämlich in
Höhe der o.g. Deckungslücke von 178,53 EUR). Die Verletzung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums
entfällt auch nicht dadurch, dass dem kraft Gesetzes zur Leistung verpflichteten Dritten (hier: private Kranken- und Pflegeversicherung)
für die Zeit der Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II (und auch nur für diese Zeit) untersagt wird, infolge der Störung des gegenseitigen
Vertragsverhältnisses (hier: Aussetzen der Beitragszahlung in Höhe der Deckungslücke von 178,53 EUR) seine Leistungen zu begrenzen
oder einzustellen. Eine solche Verlagerung der Kosten der Existenzsicherung auf Dritte bzw. den Hilfebedürftigen ist von Verfassungs
wegen ausgeschlossen.
Der Senat ist berechtigt und aufgrund seiner Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art.
19 Absatz
4 GG) sogar gehalten, der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgrund des festgestellten Verfassungsverstoßes
zumindest vorläufige Leistungen zuzusprechen. In diesem Zusammenhang hat der Senat die Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigen,
wonach sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen und dieses ganz besonders
dann gilt, wenn es - wie bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende - um die Sicherstellung eines menschenwürdigen
Lebens geht. Aus Art.
1 Abs.
1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip folgt die Pflicht der Rechtsprechung, diese Grundsätze bei der Anwendung des einfachen Rechts
zu beachten. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig
andauert, haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG zu verhindern (Beschlüsse vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 26, und vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09, Rn. 11ff). Zwar hat das dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Verwerfungsmonopol nach Art.
100 GG zur Folge, dass ein Gericht Folgerungen aus einer von ihm angenommenen Verfassungswidrigkeit eines formellen Gesetzes - jedenfalls
im Hauptsacheverfahren - erst nach deren Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht ziehen darf. Die Fachgerichte sind
jedoch durch Art.
100 Abs.
1 GG nicht daran gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf
der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse
eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird (BVerfG,
Beschluss vom 24. Juni 1992 - 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382, Rn 29 - zitiert nach Juris; Beschlüsse vom 19. Juli 1996 - 1 BvL 39/95, vom 16. November 1993 - 2 BvR 1587/92, 12. Oktober 1993 - 2 BvQ 46/93 sowie vom 25. August 1992 - 1 BvR 1502/91; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn 39; Sieckmann in: Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner
Grundgesetz, 4. Auflage, Art.
100 Rn 10f.; ebenso zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung im finanzgerichtlichen Verfahren: BFH, Beschluss vom 3. März 1998
- IV B 49/97, BFHE 185, 418, Rn 16; Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 2.03.2007 - 7 V 21/07, StRE 2007, 547; ebenso zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren: Kuhla in: Posser/Wolff, Beck'scher Online-Kommentar zur
VwGO, §
123 Rn 164ff. mit umfangreichen Nachweisen; ähnlich: Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Auflage, §
123 Rn 16; differenzierend etwa: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn 357 sowie Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand 2008, §
123 Rn 128ff.). Der erkennende Senat nimmt durch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung nur vorläufiger Leistungen
nicht die Hauptsache vorweg, da die vorläufige Leistungsgewährung durch eine Rückabwicklung (Erstattung der nur vorläufig
erhaltenen Leistungen) unschwer auch nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09, Behindertenrecht 2009, 98). Der Anspruch der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 GG) gebietet es, bereits im vorliegenden Eilverfahren zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin eine einstweilige
Anordnung über die Gewährung vorläufiger Leistungen gemäß §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG zu treffen. Gegen eine Vorlage an das BVerfG gem. Art.
100 GG im Rahmen des vorliegend zu entscheidenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sprechen - wie regelmäßig in Eilverfahren
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.1996 - 1 BvL 39/95, Rn. 9; Krodel, aaO., Rn 357 m.w.N.; Sieckmann, aaO., Rn 10, 11) - die akute Notsituation der Antragstellerin und die durch
den hiermit verbundenen Zeitverlust zu befürchtenden weiteren Rechtsbeeinträchtigungen. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG
wiederholt auf die Pflicht der Instanzgerichte hingewiesen, Fragen des Grundrechtsschutzes bereits im Einverfahren umfassend
zu berücksichtigen (vgl. nur Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 25 m. w. N.). Nach alledem fällt die insoweit anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Würde
die einstweilige Anordnung nicht ergehen, wäre das Existenzminimum der Antragstellerin nicht gedeckt. Diese möglicherweise
längere Zeit dauernde, erhebliche Beeinträchtigung kann nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Der Umstand, dass im
Gesetzgebungsverfahren bislang eine Lösung der seit längerem bekannten Problematik nicht gefunden werden konnte, kann nicht
zu Lasten der Antragstellerin gehen, die zur Sicherstellung ihres Existenzminimums auf Grundsicherungsleistungen angewiesen
ist. Vor diesem Hintergrund hat das fiskalische Interesse der Antragsgegnerin zurückzustehen.
Der Zeitraum, für den die Antragsgegnerin die verfassungswidrige Unterdeckung durch Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts abzudecken hat, beginnt am 17.08.2009, dem Tag des Eingangs des Eilantrags beim SG Bremen. Auf diesen
Zeitpunkt ist bei dem Erlass einstweiliger Anordnungen grundsätzlich abzustellen, da diese nach §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG zur Abwendung einer gegenwärtigen Notlage getroffen werden und daher - von hier nicht vorliegenden Ausnahmekonstellationen
abgesehen - für in der Vergangenheit liegende Bedarfslagen nicht in Betracht kommen. Der Senat hat die vorläufige Regelung
auf den 31.12.2009, d. h. auf das Ende des in dem Bescheid vom 30.06.2009 ausgewiesenen Bewilligungszeitraums beschränkt.
Leistungsansprüche der Antragstellerin für den Folgezeitraum wird die Antragsgegnerin zu gegebener Zeit unter Beachtung des
verfassungsrechtlichen Anspruchs der Antragstellerin auf Sicherung des Existenzminimums zu prüfen haben.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar §
177 SGG.