Anspruch auf höheres Elterngeld
Schwangerschaftsbedingte Einkommensnachteile
Verfassungsrechtlicher Schutzauftrag nach Art. 6 Abs. 4 GG
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihres zweiten Kindes, d.h. des am 23. Februar 2018 geborenen Sohnes
I..
Ärztlicherseits festgestellt wurde die Schwangerschaft erstmals am 11. August 2017. Vor der Geburt ihres Kindes hatte die
Klägerin seit dem 10. Januar 2018 Mutterschaftsgeld bezogen.
Die Klägerin arbeitet seit 2001 als Kameraassistentin insbesondere bei Filmproduktionen (vgl. insbesondere auch die Aufstellung
der Projekte, an denen sie als Kameraassistentin mitgewirkt hat, auf Bl. 121 ff. GA). Nach einem berufsbegleitenden Studium
hat sie 2007 den Bachelor of Arts im Studiengang „Filmmaking“ erworben.
Entsprechend den branchenüblichen Gepflogenheiten schließt sie bei einem entsprechenden Engagement mit dem Produktionsunternehmen
jeweils einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer der vorgesehenen Filmaufnahmen ab. Dementsprechend setzt sich ihr beruflicher
Lebenslauf aus einer Vielzahl befristeter abhängiger Beschäftigungsverhältnisse zusammen, zwischen denen jeweils Zeiten der
Arbeitslosigkeit liegen (vgl. wegen der Einzelheiten insbesondere die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 10. Januar
2022 und namentlich den dort enthaltenen Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers vom 4. Februar 2021). Neben den
Lohnzahlungen aus abhängiger Beschäftigung hatte die Klägerin 2016 und 2017 keine Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit.
Im Einzelnen war die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 während folgender Zeiträume ab Kameraassistentin abhängig beschäftigt
(vgl. den o.g. Versicherungsverlauf):
Beschäftigungszeitraum
|
Arbeitsentgelt laut Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers, wobei nur das Entgelt bis zur jeweils maßgeblichen
rentenrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze, welche sich 2017 auf kalendertäglich 216,67 € belief, berücksichtigt worden sind
|
3.3. bis 15.4.2016
|
7.560 €
|
1. bis 15.6.2016
|
1.739 €
|
19.7. bis 14.9.2016
|
9.720 €
|
21. bis 24.9.2016
|
827 €
|
10. bis 18.10.2016
|
1.560 €
|
22.10. bis 18.11.2016
|
1.855 €
|
7. bis 8.11.2016
|
413 €
|
10.11.2016 und 17.11.2016
|
Jeweils 207 €
|
16.12.2016
|
207 €
|
16. bis 19.1.2017
|
847 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 1.040 € aus, Bl. 64 VV
|
15. bis 17.2.2017
|
635 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 780 € aus, Bl. 65 VV
|
2. bis 3.3.2017
|
413 €
|
7.3.2017
|
212 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 380 € aus, Bl. 67 VV
|
10.3.2017
|
212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 587,25 € aus, Bl. 68 VV
|
21. bis 23.3.2017
|
635 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 732,25 € aus, Bl. 69 f. VV
|
20.4.2017
|
212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 260 € aus, Bl. 71 VV
|
6.6.2017
|
212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 260 € aus, Bl. 72 VV
|
8.6. bis 27.7.2017
|
10.334 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 10.577,74 € aus, Bl. 73, 78 VV
|
Dem Grunde nach antragsgemäß bewilligte der beklagte Landkreis der Klägerin mit Bescheid vom 3. Mai 2018 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2019 Basiselterngeld für die ersten beiden Lebensmonate, für den 6. sowie für den 9.
bis 14. Lebensmonat und zudem Elterngeld Plus für den 3. bis 5., für den 7. und 8. sowie für den 15. Lebensmonat des am 23.
Februar 2018 geborenen Sohnes, und zwar (für die ersten Wochen unter Anrechnung bezogener Mutterschutzleistungen) in Höhe
von 651,39 € für die Monate mit Basiselterngeld und in Höhe von 325,70 € für die Monate mit Elterngeld Plus. Die Klägerin
hatte im Antragsverfahren mitgeteilt, dass sie für die Dauer des vorgesehenen Elterngeldbezuges keine Erwerbstätigkeit ausüben
werde.
Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens hatte der Beklagte die Monate Januar bis Dezember
2017 herangezogen. Dabei hatte er die – entsprechend den vorstehend dargelegten Gehaltsbescheinigungen ausgewiesenen – Entgeltbeträge
für die Monate Januar bis Juli 2017 zugrunde gelegt:
Monat des Jahres 2017
|
Berücksichtigtes Entgelt aus abhängiger Beschäftigung
|
Januar
|
1.040,00 €
|
Februar
|
780,00 €
|
März
|
2113,38 €
|
April
|
260,00 €
|
Mai
|
0,00 €
|
Juni
|
5191,67 €
|
Juli
|
5562,74 €
|
Für die Monate Juli bis Dezember 2017 hatte der Beklagte jeweils ein Einkommen von 0 Euro in Ansatz gebracht.
Nach Reduzierung der vorstehend aufgeführten Monatsbeträge um monatlich 83,33 € für jeden Monat mit positiven Einkünften für
die pauschale Berücksichtigung von Werbungskosten nach § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG (in der 2018 maßgeblichen Fassung der Bek. v. 27.1.2015, BGBl. I, 33) ergab sich ein durchschnittliches Einkommen in Höhe
von 1.210,92 €. Nach Abzug pauschaliert ermittelter Beträge für Steuern gemäß § 2e BEEG in Höhe von monatlich 33 € und für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 2f BEEG in Höhe von 263,04 € verblieb ein Betrag von 914,88 €. Unter Heranziehung des sich aus § 2 Abs. 2 BEEG ergebenden Bemessungssatzes von 71,2 % ergab sich dabei ein monatlicher Basiselterngeldbetrag von 651,39 € (wobei sich für
Monate der Inanspruchnahme von Elterngeld Plus eine Leistung in Höhe der Hälfte dieses Betrages gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG ergab). Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und auf die Berechnung
auf Bl. 84 ff. VV verwiesen.
Mit der am 12. Februar 2019 erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Berechnung des Elterngeldes gewandt und geltend
gemacht, dass anstelle der mit einem Einkommen von jeweils 0 Euro in die Berechnung des vorgeburtlichen Durchschnittseinkommens
berücksichtigten Monate August bis Dezember 2017 richtigerweise die Monate August bis Dezember 2016 heranzuziehen gewesen
wären, während derer sie Arbeitsentgelt verdient habe. Die Nichtausübung einer beruflichen Tätigkeit in den Monaten August
bis Dezember 2017 sei durch die damalige Schwangerschaft bedingt gewesen. Ihre dadurch hervorgerufene Arbeitslosigkeit dürfte
unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes der schwangeren Frauen nicht zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden,
zumal damit eine mittelbare Diskriminierung wegen ihres Geschlechts verbunden sei.
Die Ausübung des Berufes einer Kameraassistentin bringe es mit sich, dass bei jeder neuen Einstellung die schwere Kamera und
das Stativ neu aufgebaut und umgestellt werden müssten. Solche Tragebelastungen seien einer Schwangeren aus medizinischer
Sicht nicht zuzumuten. Auch müsse die Arbeit dauerhaft im Stehen verrichtet werden. In der Filmbranche seien Nacht-, Sonntags-
und Feiertagsarbeit üblich. Der Manteltarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende verpflichte die Beschäftigten für die jeweilige
Produktionszeit zu täglichen Arbeitszeiten von bis zu 13 Stunden.
Dies habe auch der Betriebsarzt Dr. J. in seiner – anlässlich der damaligen Schwangerschaft der Klägerin mit ihrem ersten
Kind erstellten – Stellungnahme vom 12. Februar 2014 (Bl. 102 VV) festgehalten. Er habe im Einzelnen festgehalten, dass für
die Tätigkeit einer Kameraassistentin für die Zeit der Schwangerschaft ein generelles Beschäftigungsverbot bestehe.
Die Rechtsauffassung des Beklagten habe in ihrem Fall im Ergebnis zur Folge, dass in die Berechnung nicht – wie vom Gesetzgeber
vorgesehen – dass in zwölf Monaten erzielte vorgeburtliche Einkommen, sondern lediglich das in sieben Monaten bezogene Einkommen
in die Elterngeldberechnung eingeflossen sei. Dementsprechend erhalte sie letztlich nur 7/12 des ihr eigentlich zustehenden
Elterngeldes. Damit werde der vom Gesetzgeber angestrebte Ausgleich für das durch die Betreuung des Kindes ausgefallene Erwerbseinkommen
nur unzulänglich realisiert.
Mit Urteil vom 26. November 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung insbesondere darauf abgestellt,
dass das Gesetz in § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG (in der 2018 maßgeblichen Fassung des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 G v. 23.5.2017, BGBl. I, 1228) eine Nichtberücksichtigung einzelner Kalendermonate bei der Festlegung des zwölfmonatigen
Bemessungszeitraums nur für Fallgestaltungen einer Krankheit vorsehe, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war
und eine Minderung des Erwerbseinkommens zur Folge hatte. Die Klägerin sei in den streitbetroffenen Monaten von August bis
Dezember 2017 jedoch nicht krank, sondern lediglich arbeitslos gewesen. Sie hätte in diesen Monaten zwar nicht als Kameraassistentin
arbeiten können, sie hätte jedoch andere Tätigkeiten mit geringeren körperlichen Beanspruchungen ausüben können.
Mit der am 21. Dezember 2020 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, dass § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG auf Fallgestaltungen der vorliegend zu beurteilenden Art entsprechend anzuwenden sei. Es sei eine planwidrige Unvollständigkeit
der gesetzlichen Regelung, dass diese keine explizite Regelung zum Ausgleich entsprechender schwangerschaftsbedingter Nachteile
vorsehe.
Ohne Eintritt der Schwangerschaft hätte sie auch in den Monaten August bis Dezember 2017 wie in den vorausgegangenen Jahren
ein Einkommen als Kameraassistentin im Rahmen jeweils befristeter Beschäftigungsverhältnisse erzielt.
Die Klägerin hat eine Stellungnahme des Berufsverbandes Kinematografie vom 1. März 2021 beigebracht, in der insbesondere dargelegt
wird, dass in der Film- und Fernsehproduktion Arbeitstage mit de facto 12 bis 13 Arbeitsstunden regelmäßig vorgesehen seien.
Für eine Kameraassistentin sei ein Drehtag mit erheblichen körperlichen Anstrengungen verbunden. Die zu bewegenden Ausrüstungsteile
wögen häufig mehr als 10 kg. 30 bis 60 Kameraumbauten pro Drehtag seien üblich. Erforderlich sei ein Arbeiten „unter ergonomisch
schwierigen bis abenteuerlichen Umständen“. Die Filmarbeiten würden häufig auch nachts und/oder am Wochenende durchgeführt.
Zudem seien hohe elektromagnetische Belastungen am Set üblich.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. November 2020 aufzuheben und
2. den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 3. Mai 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar
2019 zu verpflichten, ihren Elterngeldanspruch unter Zugrundelegung des Zeitraums August 2016 bis Juli 2017 als Bemessungszeitraum
für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit neu zu berechnen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Angesichts des Fehlens einer planwidrigen Gesetzeslücke sieht er sich an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Der Klägerin
reiche nicht das besondere gesundheitliche Risiko aufgrund der Schwangerschaft zum Nachteil, zu dessen Schutz der Gesetzgeber
die Regelung in § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG normiert habe. Nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen auf Landes- und Bundesebene sehe er auch unter Berücksichtigung
der verfassungsrechtlich in Art.
6 Abs.
4 GG normierten Schutzanspruchs der Schwangeren keine Möglichkeiten zu einer anderen Würdigung.
Die Klägerin habe schon aufgrund ihrer ersten Schwangerschaft deren Auswirkungen auf ihren Berufszweig gekannt und hätte sich
„darauf vorbereiten können“. Ihr sei schon aufgrund der Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind bekannt gewesen sei, dass sie
ihren Beruf während einer Schwangerschaft nicht ausüben könne. Von daher hätte sie nach beruflichen Alternativen suchen müssen,
nachdem die erneute Schwangerschaft bekannt geworden sei. Auch aus Sicht des Beklagten sei allerdings einzuräumen, dass die
Suche nach einer adäquaten und adäquat bezahlten Arbeitsstelle in dem dann in Betracht kommenden ungelernten Sektor sicherlich
sehr schwierig gewesen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf höheres Elterngeld unter Heranziehung der Monate von August
2016 bis Juli 2017 als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens.
1. Die Klägerin hat entsprechend der insoweit übereinstimmenden Einschätzung beider Beteiligten in dem streitbetroffenen Bezugszeitraum
dem Grunde nach Anspruch auf Elterngeld. Sie erfüllte namentlich im Bewilligungszeitraum die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG. Sie hatte ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte mit dem von ihr selbst betreuten und erzogenen Kind in einem Haushalt und
übte keine (und erst recht keine volle) Erwerbstätigkeit aus.
2. Die Berechnung der Höhe des Elterngeldes weist allerdings in dem von Seiten der Klägerin gerügten Punkt einen grundlegenden
Fehler auf (während diese ansonsten nicht zu beanstanden ist, so dass der Senat wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung
auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verweisen kann): Der Beklagte hat den für die Ermittlung des vorgeburtlichen Erwerbseinkommens
und damit des maßgeblichen Faktors für die Bestimmung der Höhe des Elterngeldes ausschlaggebenden Bemessungszeitraum fehlerhaft
zulasten der Klägerin bestimmt.
Ausgehend von den Vorgaben des § 2b Abs. 1 Nr. 1 und 2 BEEG hat der Beklagte für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit (im Sinne von § 2c BEEG) vor der Geburt die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes herangezogen, und zwar mit Ausnahme der Monate
Januar und Februar 2018, während derer die Klägerin bereits Mutterschaftsgeld bezogen hat, so dass diese beiden Monate nach
den Vorgaben des § 2b Abs. 1 Nr. 2 BEEG nicht in den Bemessungszeitraum einzubeziehen sind.
a) Richtigerweise hätte der Beklagte jedoch darüber hinaus auch die Monate August bis Dezember 2017 nicht in den Bemessungszeitraum
einbeziehen dürfen, so dass dieser insgesamt zwölfmonatige Zeitraum im Ergebnis die davor gelegenen zwölf Monate von August
2016 bis Juli 2017 umfasst. Dies hat zugunsten der Klägerin zur Folge, dass in die Berechnung des vorgeburtlichen Durchschnittseinkommens
die Monate August bis Dezember 2017, in welchen die Klägerin nur ein Einkommen von jeweils 0 Euro erzielt hatte, nicht einzubeziehen
sind, sondern dass an Stelle dieser fünf Monate die Monate August bis Dezember 2016 im Rahmen der Berechnung des vorgeburtlichen
Einkommens (zusätzlich zu den weiterhin zu berücksichtigenden Monaten Januar bis Juli 2017) heranzuziehen sind. In diesen
Monaten hat die Klägerin ihre Tätigkeit als Kameraassistentin ausgeübt und dementsprechend auch ein entsprechendes Einkommen
aus abhängigen Beschäftigungen erzielt.
Die Nichteinbeziehung der Monate August bis Dezember 2017 in den Bemessungszeitraum trägt dem vom Gesetzgeber mit der Normierung
des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG verfolgten Regelungsziel Rechnung. Nach dieser Vorschrift haben bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums für die Ermittlung
des vorgeburtlichen Einkommens Kalendermonate unberücksichtigt zu bleiben, in denen die berechtigte Person eine Krankheit
hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war, sofern diese dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit
hatte.
Bei dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber von der Einschätzung leiten lassen, dass das „besondere gesundheitliche Risiko
Schwangerer“ ihnen bei der Berechnung des ihnen zustehenden Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen soll (vgl. die Gesetzesbegründung,
BT-Drs. 16/1889, S. 20 zu der seinerzeit in § 2 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs vorgesehenen Regelung, welche im weiteren Verlauf
des Gesetzgebungsverfahren insbesondere auch aus redaktionellen Erwägungen in den Abs. 7 des früheren § 2 übernommen wurde,
vgl. die Ausschussberatungen BT-Drs. 16/2785, S. 38). Das Gesetz will Nachteile bei der Elterngeldberechnung in Fallgruppen
des besonderen Erwerbsrisikos durch Schwangerschaft und Geburt ausgleichen (BSG, Urteil vom 16. März 2017 – B 10 EG 9/15 R –, BSGE 123, 1-10, SozR 4-7837 § 2b Nr 4, Rn. 28).
Bei der konkreten Umsetzung seines Regelungsansatzes hat der Gesetzgeber allerdings verkannt, dass sich das für maßgeblich
erachtete „gesundheitliche Risiko Schwangerer“ nicht erst in schwangerschaftsbedingten Erkrankungen auswirken kann. Dieses
Risiko drückt sich vielmehr gerade auch darin aus, dass gerade aufgrund seiner und zur Vermeidung seiner Realisierung Schutzmaßnahmen
zu ergreifen sind. Soweit möglich, sollen schwangerschaftsbedingte Erkrankungen bis hin zu Risiken für die Leibesfrucht vermieden
werden. Gerade auch mit dieser Zielrichtung hat der Gesetzgeber die umfänglichen Schutzvorschriften des
Mutterschutzgesetzes normiert.
So hatten Arbeitgeber bereits nach der 2017 noch maßgeblichen früheren Fassung des
MuSchG bei der Einrichtung und der Unterhaltung des Arbeitsplatzes einschließlich der Maschinen, Werkzeuge und Geräte und bei der
Regelung der Beschäftigung die erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutze von Leben und Gesundheit der werdenden
Mutter zu treffen (§ 2 Abs. 1). Wer eine werdende oder stillende Mutter mit Arbeiten beschäftigte, bei denen sie ständig stehen
oder gehen muss, hatte für sie eine Sitzgelegenheit zum kurzen Ausruhen bereitzustellen (Satz 2). Werdende Mütter durften
nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung
gefährdet ist (§
3 MuSchG a.F.).
Nach §
4 Abs.
2 Ziff. 1 und 2
MuSchG a.F. durften werdende Mütter insbesondere nicht beschäftigt werden mit Arbeiten, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als
fünf Kilogramm Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als zehn Kilogramm Gewicht ohne mechanische Hilfsmittel von Hand
gehoben, bewegt oder befördert werden. Entsprechendes galt nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft mit Arbeiten,
bei denen sie ständig stehen müssen, soweit diese Beschäftigung täglich vier Stunden überschreitet.
Werdende Mütter durften nach §
8 Abs.
1 MuSchG a.F. (vgl. dort auch zu weiteren Einzelheiten) nicht mit Mehrarbeit, nicht in der Nacht zwischen 20 und 6 Uhr und nicht an
Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
Auch diese Schutzvorschriften tragen dem „gesundheitlichen Risiko Schwangerer“ Rechnung. Mit ihnen soll gerade im Rahmen des
Möglichen vermieden werden, dass sich aus diesem Risiko ein Schaden für die Schwangere oder die Leibesfrucht entwickelt.
Der wie erläutert vom Gesetzgeber im Elterngeldrecht verfolgt Ansatz, wonach das „besondere gesundheitliche Risiko Schwangerer“
ihnen bei der Berechnung des ihnen zustehenden Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen soll, impliziert damit zugleich,
dass die aufgrund dieses besonderen gesundheitlichen Risikos zu ergreifenden Schutzmaßnahmen nicht ihrerseits solche Nachteile
auslösen sollen.
Entsprechende Nachteile bei der Berechnung des Elterngeldes sind allerdings nur in atypisch gelagerten Sachverhaltsgestaltungen
wie der vorliegenden zu erwarten. Für den Regelfall eines kontinuierlichen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hat der
Gesetzgeber mit anderen Regelungsmechanismen entsprechende sonst drohende elterngeldrechtliche Nachteile vermieden.
Im Regelfall eines fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses behält die Schwangere auch bei Eintritt eines Beschäftigungsverbotes
nach §
11 MuSchG ihren Anspruch auf Arbeitslohn (inzwischen in Form des in §
18 MuSchG geregelten Mutterschutzlohns); der Arbeitgeber hat seinerseits einen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG. Ein solcher fortzugewährender Arbeitslohn fließt uneingeschränkt in die Berechnung des Elterngeldes ein, und zwar unabhängig
davon, ob die Schwangere aufgrund der besonderen gesundheitlichen Risiken der Schwangerschaft tatsächlich weiterhin wie gewohnt
oder nur mit Einschränkungen oder auch gar nicht arbeiten kann.
Mangels einer damit korrespondierenden Benachteiligung der Schwangeren bestand damit für den Gesetzgeber in Bezug auf den
Regelfall des fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses kein Anlass, Monate eines Beschäftigungsverbotes nach §
11 MuSchG aus dem elterngeldrechtlichen Bemessungszeitraum herauszunehmen.
Soweit die Mutter vor der Geburt des Kindes (jedenfalls auch) Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielt hat, bilden
ohnehin nach der Sonderregelung des § 2b Abs. 2 BEEG nicht die letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes (bzw. vor dem Einsetzen des Mutterschaftsgeldbezuges), sondern vielmehr
der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes den maßgeblichen zwölfmonatigen Bemessungszeitraum.
Dieser regelmäßig zeitlich weiter vor der Geburt zurückliegende Zeitraum wird ohnehin nur eher selten von den besonderen gesundheitlichen
Risiken Schwangerer betroffen.
Hingegen beeinflussen die besonderen gesundheitlichen Risiken Schwangerer nachdrücklich die Einkommenssituation von Frauen,
die abhängigen Beschäftigungen in Ketten vorübergehender und befristeter Arbeitsverhältnisse nachgehen. Sie werden im Ergebnis
an einer Fortsetzung der Erwerbstätigkeit gehindert, wenn die Aufnahme neuerlicher Beschäftigungen während der Schwangerschaft
aufgrund der während ihrer zu beachtenden Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitsmarktverhältnisse
nicht ernsthaft in Betracht kommt.
Diesen Sonderfall hat der Gesetzgeber bei der Normierung des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG (und bereits bei der vorausgegangenen Regelung in § 2 Abs. 7 BEEG a.F.) übersehen. Hätte der Gesetzgeber diese Problematik erkannt, dann hätte er den ausdrücklich verfolgten Ansatz, das „besondere
gesundheitliche Risiko Schwangerer“ ihnen bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen soll, dahingehend
konkretisiert, dass nicht nur Monate mit einer durch eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung hervorgerufenen Minderung des
Erwerbseinkommens, sondern auch Monate mit einer durch die Schwangerschaft selbst bedingten Einkommensminderung aus dem zwölfmonatigen
Bemessungszeitraum auszuklammern sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist damit eine planwidrige Gesetzeslücke zu konstatieren.
Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass die Schwangeren aufgrund gerade der mit der Schwangerschaft verbundenen gesundheitlichen
Sondersituation und den damit einhergehenden Geboten zur besonderen Umsicht insbesondere im Sinne der Beachtung der besonderen
Schutzmaßnahmen finanzielle Nachteile beim Elterngeld erleiden. Er hat lediglich übersehen, dass der ausdrücklich normierte
Fall einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung nur eine Ausprägung dieses Risikos darstellt, welches aber auch in anderen
Zusammenhängen wirksam werden kann.
b) Darüber hinaus streiten auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Interpretation der erläuterten Vorgaben des §
2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG in dem Sinne, dass auch Monate mit einer durch die Schwangerschaft selbst bedingten Einkommensminderung aus dem zwölfmonatigen
Bemessungszeitraum auszuklammern sind.
Das
Grundgesetz gewährt Schwangeren in Art.
6 Abs.
4 einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (BVerfG, Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 –, BVerfGE 84, 133, Rn. 87).
Der Schutzauftrag aus Art.
6 Abs.
1 und 4
GG verpflichtet die staatliche Gewalt, Problemen und Schwierigkeiten nachzugehen, die der Mutter während und nach der Schwangerschaft
erwachsen können. Art.
6 Abs.
4 GG enthält einen für den gesamten Bereich des privaten und öffentlichen Rechts verbindlichen Schutzauftrag, der sich auch auf
die schwangere Frau erstreckt. Diesem Auftrag entspricht es, Mutterschaft (und Kinderbetreuung) als eine Leistung zu betrachten,
die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt (BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 –, BVerfGE 88, 203, Rn. 178 mwN). In diesem Rahmen schränken die Vorgaben des Art.
6 Abs.
4 GG Mutterschutz den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 BvR 302/96 –, BVerfGE 109, 64, Rn. 204) ein.
Das Schutzgebot aus Art.
6 Abs.
4 GG hat - auch - das Ziel und die Tendenz, den Gesetzgeber zu verpflichten, wirtschaftliche Belastungen der Mütter, die im Zusammenhang
mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen. Insoweit schützt Art.
6 Abs.
4 GG die Mutter in vergleichbarer Weise wie Art.
6 Abs.
1 GG die Ehe und Familie (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1982 – 1 BvL 116/78 –, BVerfGE 60, 68, Rn. 25 mwN und B.v. 28. März 2006 – 1 BvL 10/01 –, BVerfGE 115, 259). Auch wenn der Gesetzgeber nicht gehalten ist, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen
(BVerfG, aaO), so darf er jedenfalls die Schwangere nicht gerade bedingt durch die Schwangerschaft und deren wirtschaftlichen
Auswirkungen ohne Sachgrund benachteiligen.
Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin seinerzeit verständigerweise nur davon Abstand nehmen, nach Feststellung der Schwangerschaft
noch weitere befristete Beschäftigungen als Kameraassistentin anzunehmen. Mit den schwangeren Frauen empfohlenen Schutzmaßnahmen,
wie sie auch vom Gesetzgeber mit den Vorgaben des
MuSchG vorgegeben worden sind, war die Ausübung dieser Tätigkeit in der Schwangerschaft nicht zu vereinbaren. Dies hat bereits der
Betriebsarzt Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2014 einleuchtend dargelegt. Diese betraf im Ausgangspunkt noch
die damalige erste Schwangerschaft der Klägerin, angesichts der unveränderten Gegebenheiten gilt sie sachlich in gleicher
Weise auch für die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende im August 2017 festgestellte erneute Schwangerschaft.
Auch die Stellungnahme des Berufsverbandes Kinematografie vom 1. März 2021 sowie die Darlegungen der Bundesagentur für Arbeit
im Informationsdienst Berufenet (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/kurzbeschreibung/gesundheitlicheaspekte&dkz=8589&such=Kameramann%2F-frau)
zu den erheblichen körperlichen Belastungen bei der Ausübung des Berufs einer Kamerafrau insbesondere in Form der Notwendigkeit
der Einnahme von Zwangshaltungen und der Anforderungen an die Körperkraft beim Heben und Tragen etwa der (mehr als 10 kg)
schweren Kameraausrüstung machen deutlich, dass eine Ausübung dieser Tätigkeit unter den beim Filmaufnahmen üblichen Bedingungen
für eine schwangere Frau mit unzumutbaren den Vorgaben des
MuSchG widersprechenden Risiken für die eigene Gesundheit und das Wohlergehen des Nasciturus verbunden sind.
Dies gilt auch im Hinblick auf die im Arbeitsleben in großem Umfang erwartete Bereitschaft zur Erbringung von – wiederum den
Vorgaben des
MuSchG widersprechenden – Überstunden. Im streitbetroffenen Zeitraum sah sogar der (zwischen der Allianz Deutscher Produzenten –
Film und Fernsehen e. V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di – ausgehandelte) Tarifvertrag für auf Produktionsdauer
beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TV FFS) vom 1. März 2016 (vgl. etwa Ziffer 5.2.5.2.) an „Drehtagen“ Tageshöchstarbeitszeiten
von bis zu 13 Stunden vor (https://www.produzentenallianz.de/wp-content/uploads/2016/03/TV-FFS-2016.pdf). Auch die von der
Klägerin vorgelegten Arbeitsverträge bringen Erwartungen der Arbeitgeber hinsichtlich längerer als sonst im Wirtschaftsleben
üblicher Tagesarbeitszeiten zum Ausdruck.
Die fehlenden Möglichkeiten zur weiteren Ausübung des Berufs einer Kameraassistentin waren auch dadurch geprägt, dass die
im Arbeitsleben üblichen Formen dieser Arbeit so ausgestaltet sind, dass sie mit den Vorgaben des
MuSchG nicht in Einklang zu bringen sind. Der mit diesen Verboten angestrebte Schutz würde jedoch, gemessen an Art.
6 Abs.
4 GG, unvollständig bleiben, wenn er nicht von Maßnahmen begleitet wird, die die sich daraus ergebende Benachteiligung der Mutter
soweit wie möglich ausgleichen (BVerfG, B.v. 28. März 2006 – 1 BvL 10/01 –, BVerfGE 115, 259, Rn. 55). Der damit verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich umfasst auch die vorstehend erläuterte erweiternde Interpretation
der Vorgaben des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG im Sinne der Analogie.
c) In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen muss der Senat nicht näher auf die Frage eingehen, welche Ausgestaltungen einer
Schwangerschaft aus medizinischer Sicht dazu führen können, dass nicht nur von der Schwangerschaft als solcher, sondern auch
von einer (schwangerschaftsbedingten) „Erkrankung“ gesprochen werden kann.
Unter einer Erkrankung wird im Ausgangspunkt ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder
Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, BSGE 93, 252 mwN). Bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang wäre von diesem Ansatz aus konsequenterweise ein „Leitbild der gesunden Schwangeren“
zu entwickeln und daran der konkrete Körperzustand der betroffenen Schwangeren zu messen. Daran würde sich etwa die Frage
anknüpfen, ob nicht bereits das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft, wie sie üblicherweise schon bei einem Alter der Schwangeren
von mehr als 35 Jahren angenommen wird (vgl. nur beispielsweise https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/schwangerschaft/gesunde-schwangerschaft/risikoschwangerschaft-300368),
eine hinreichend gewichtige Abweichung beinhaltet. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens war im Zeitraum der zu beurteilenden
Schwangerschaft 37 Jahre alt.
d) Im vorliegenden Fall ist auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Schwangerschaft und einer dadurch bedingten
Minderung des Erwerbseinkommens zu bejahen.
Diese Prüfung bedingt entsprechend der gesetzgeberischen Struktur der entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG einen Vergleich des tatsächlichen durch die Schwangerschaft geprägten Geschehensverlaufs mit dem hypothetischen Geschehensablauf,
der ohne diese zu erwarten gewesen wäre. Die danach vom Gesetzgeber für maßgeblich erklärte Frage nach einem hypothetischen
Verlauf unter Hinwegdenken eines tatsächlich – im vorliegenden Zusammenhang in Form der Schwangerschaft – eingetretenen Umstands,
kann letztlich nur prognostisch im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsabschätzung beantwortet worden. Gesicherte Erkenntnisse,
wie sich ein Geschehen im hypothetischen Fall des Hinwegdenkens eines den tatsächlichen Verlauf prägenden Umstands fortentwickelt
hätte, sind dem Menschen letztlich ebenso wenig möglich wie ein gesicherter Blick in die Zukunft.
Dementsprechend ist von Seiten des Gesetzgebers für die diesbezüglich im Ausgangspunkt vergleichbare Konstellation der Feststellung
eines entgangenen Gewinns, also des Gewinns, den der Geschädigte im hypothetischen Fall des Nichteintritts des tatsächlich
eingetretenen schädigenden Ereignisses gehabt hätte, in §
252 BGB ausdrücklich klargestellt worden, dass als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach
den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen „mit Wahrscheinlichkeit“ erwartet werden
konnte (vgl. zum Vorstehenden auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. August 2018 – L 2 EG 8/18 –, Rn. 34 - 35, juris).
Mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war im vorliegenden Zusammenhang, dass die Klägerin ohne die Schwangerschaft auch in den
Monaten August bis Dezember 2017 – wie in den vorausgegangenen Jahren – Aufträge als Kameraassistentin erhalten und wahrgenommen
hätte und damit einen entsprechenden Verdienst erzielt hätte. Dieser ist nur deshalb ausgeblieben, weil die Klägerin aufgrund
der Schwangerschaft und der dadurch gebotenen Schutzmaßnahmen seinerzeit die Tätigkeit nicht ausüben konnte.
Realistische Möglichkeiten, als Schwangere einen vergleichbaren Verdienst durch die Ausübung einer – dann ungelernten – Hilfstätigkeit
außerhalb des angestammten Berufs erzielen zu können, sind weder von Seiten des Beklagten nachvollziehbar aufgezeigt worden
noch anderweitig ersichtlich.
Entsprechend der vom Gesetzgeber in § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG getroffenen Regelung würde ein solcher anderweitiger Verdienst einer Ausklammerung der betroffenen Monate aus dem Bemessungszeitraum
nur dann entgegenstehen, wenn er das Ausbleiben eines schwangerschaftsbedingten Minderverdienstes zur Folge hätte. Soweit
hingegen lediglich Erwerbsmöglichkeiten mit geringeren als den im angestammten Beruf ohne die Schwangerschaft zu erwartenden
Einkünften in Betracht zu ziehen wären, würde es bei der maßgeblichen Einkommensminderung verbleiben.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in den streitbetroffenen Schwangerschaftsmonaten August bis Dezember 2017
außerhalb des erlernten und im damaligen Zeitraum schwangerschaftsbedingt nicht ausübbaren Berufs einer Kameraassistentin
auf dem Arbeitsmarkt eine anderweitige Erwerbstätigkeit mit vergleichbar hohen Einkünften hätte ausüben können, sind überhaupt
nicht erkennbar. Für eine solche anderweitige Erwerbstätigkeit fehlte der Klägerin eine einschlägige Ausbildung, so dass für
sie letztlich nur ungelernte Tätigkeiten in Betracht gekommen wären. Dabei hätte sie ohnehin nur Tätigkeiten ergreifen können,
die den qualitativen Vorgaben des
MuSchG Rechnung getragen hätten, wobei angesichts der seinerzeit bevorstehenden Niederkunft und der im Anschluss daran vorgesehenen
Elternzeit letztlich auch nur im Wesentlichen befristete Aushilfstätigkeiten in Betracht gekommen wären. Es ist nichts dafür
ersichtlich, dass in diesem Segment ernsthafte Verdienstchancen im maßgeblichen Ausmaß bestanden haben könnten. Auch der Beklagte
hat eingeräumt, dass die Suche nach einer adäquaten und adäquat bezahlten Arbeitsstelle in dem seinerzeit noch in Betracht
kommenden ungelernten Sektor „sicherlich sehr schwierig“ gewesen wäre. Es sind schon keine realistischen Chancen und noch
weniger eine entsprechende Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.