Kosten für die häusliche Pflege
Übernahme nach § 13 SGB XII durch Sozialhilfeträger
Kostentragung für ambulante Versorgung in Form "persönlicher Assistenz" anstatt der Heimunterbringung wegen damit verbundener
Unzumutbarkeit für den Hilfebedürftigen
Tatbestand:
Der schwerstbehinderte Kläger begehrt die Feststellung, dass seine gegenwärtige Pflege und Betreuung in einer stationären
Einrichtung ihm unzumutbar ist und der Beklagte daher verpflichtet ist, die Kosten für seine ambulante häusliche Pflege in
einer eigenen Wohnung in Gestalt des so genannten Assistenz-Modells zu übernehmen.
Der 1955 in Hitzacker geborene Kläger litt seit seiner Geburt an einem spastischen Syndrom im Sinne einer infantilen Cerebralparese.
Nach dem Erwerb der mittleren Reife und anschließender Ausbildung zum Bürokaufmann war er bis 1994 als Verwaltungsangestellter
bei der Stadt Hitzacker beschäftigt. Er war eigenständig gehfähig, konnte seiner Berufstätigkeit geordnet nachgehen und lebte
im eigenen Haus. Bei einem Sturz im Sommer 1994 zog er sich eine Fraktur des obersten Halswirbels zu. Eine zunächst erfolgreich
verlaufende Stabilisierungsoperation im März 1995 schlug im Ergebnis fehl, weil es zu einem Abbruch der Dens-Verschraubung
und einer Lockerung der Drahtcerclage kam. Aufgrund seiner schweren Erkrankung musste der Kläger seinen Beruf aufgeben. Er
war nicht mehr in der Lage, ein selbständiges Leben zu führen. Seit Oktober 1995 lebt er in Hamburg im F. für schwerstbehinderte
Menschen. Auch während dieser Zeit hat seine Behinderung noch zugenommen. Jetzt besteht eine hochgradige Tetraspastik, er
kann die Extremitäten nicht mehr benutzen und ist bei allen im Ablauf des täglichen Lebens ständig wiederkehrenden Verrichtungen
in erheblichem Ausmaß auf fremde Hilfe angewiesen. Im November 2006 wurde folgender allgemeinsummarischer Untersuchungsbefund
erhoben:
"51-jähriger Patient in stark reduziertem Allgemeinzustand und stark reduziertem kachektischem, ausgemergelten Ernährungszustand.
Der Patient sitzt aufgrund einer schweren Tetraspastik bewegungslos in einem speziellen Pflegerollstuhl. Arme und Hände beidseits
weisen ausgeprägte fixierte Beugekontrakturen auf. Keine Ödeme. Ausgeprägte Muskelatrophien. Der Kopf weist eine eingeschränkte
Beweglichkeit auf. Er kann nur um cirka 5° rotiert werden. Es besteht eine Rotation nach links bei ca. 20°, die weitgehend
fixiert ist. Der Kopf wird mit Kopfstützen stabilisiert. Oberkörperneigung nach rechts in sitzender Position. In sitzender
Position zeigt sich eine globale Kyphose der Wirbelsäule mit Beckenkippung nach dorsal und rechts-konvexer Seitabweichung.
Eine Mobilität des Kopfes, der Schulter und der Extremitäten ist nicht möglich. Bis zum Hals besteht eine komplette Gefühllosigkeit
für alle Qualitäten."
Folgender psychopathologischer Befund wurde erhoben:
"Herr L. ist bewusstseinsklar und allseits orientiert. Er ist in der Lage, Sinn und Zweck der durchgeführten Untersuchung
zu erfassen und ist kooperativ. Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis sind erhalten. Die Stimmungslage ist
weitestgehend ausgeglichen. Die affektive Stimmungsfähigkeit ist voll erhalten. Hinweise für inhaltliche Denkstörungen, des
Ich-Erlebens oder der Wahrnehmung können nicht festgestellt werden."
Des Weiteren leidet der Kläger unter starken Schmerzen, ist in der verbalen Kommunikation schwerst beeinträchtigt und in jüngster
Zeit auch erblindet. Diagnostiziert wurde bei dem Kläger im Wesentlichen ein nunmehr nahezu komplettes Querschnittssyndrom
HWK 1/HWK 2 und HWK 2/HWK 3 durch Myelonkompression bei Retrolysthesis Dens/Altas mit fixiertem anterograden Torticollis nach
links, schwerer Dysarthrie, schwerer Tretraspastik mit Beugekontrakturen und Pallanästhesie am C2 und schwerem chronischen
Schmerzsyndrom.
Der Kläger beantragte am 22. März 2005 bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für eine häusliche Pflege rund um die Uhr
in einer eigenen Wohnung in Hamburg durch die G ... Es sei ihm seit langem ein dringliches Anliegen, wieder ein möglichst
eigenverantwortliches Leben zu führen. Aufgrund seiner starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei ihm mit den Dienstleistungen
der allgemeinen ambulanten Pflegedienste nicht geholfen. Vielmehr benötige er "persönliche Assistenz", die in Hamburg fast
nur von der G. angeboten werde. Sein Hilfebedarf sei von Tag zu Tag verschieden und nicht in einzelne, regelmäßig wiederkehrende
Handreichungen, Hilfen im Haushalt, Pflege oder bloße Anwesenheit aufzuteilen. Aufgrund seiner Sprachprobleme und seiner ständigen
Schmerzen sei er auf ein hohes Maß an Kontinuität und Zuverlässigkeit bei seinen Assistenten angewiesen. Der ständige Wechsel
oder der unvorbereitete Einsatz von ihn nicht kennenden Pflegekräften wie dies bei den herkömmlichen Pflegediensten üblich
sei werde seinem Hilfebedarf nicht gerecht.
Die Hamburger Landesärztin für Körperbehinderte nahm unter dem 17. Juni 2005 auf Veranlassung des Beklagten zum Antrag des
Klägers im Wesentlichen dahingehend Stellung, aus sozialmedizinischer Sicht spreche bei Betreuung über die G. nichts gegen
den Einzug in eine eigene Wohnung.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 5. Juli 2005 ab. Rechtsgrundlage für den Antrag sei § 13 Abs 1 SGB XII. Dem Kläger sei der Verbleib in der stationären Betreuung zumutbar. Für die stationäre Betreuung des Klägers im F. werde
seit März 1997 Eingliederungshilfe geleistet. Diese Hilfe trage seinem Bedarf auf möglichst individuelle und selbstbestimmte
Hilfe Rechnung. Die Einrichtung verstehe sich nach ihrer Konzeption nicht als stationäre Einrichtung im klassischen Sinne.
Die eingerichteten Wohngruppen böten ein Höchstmaß an individueller und selbstbestimmter Lebensführung durch die Möglichkeit,
den persönlichen Bereich selbst zu gestalten, im Rahmen der individuellen Möglichkeiten an den Alltagsverrichtungen teilzuhaben,
den Tagesablauf und -inhalt individuell zu bestimmen, die pflegerischen und pädagogischen Hilfen als persönliche, individuelle
und kommunikative Zuwendung zu erleben und als Heimbeirat verantwortlich das Leben in der Einrichtung mit zu gestalten. Die
gewährte stationäre Eingliederungshilfe sei aufgrund der Hilfeart, der Bewohnerstruktur der Einrichtung, dem Alter des Klägers
und seiner familiären und örtlichen Umstände angemessen und geeignet, seinen Hilfebedarf angemessen zu decken. Die vom Kläger
beantragte ambulante Leistung führe nach dem vorgelegten Kostenvoranschlag mit monatlich 16.521,20 EUR gegenüber den Kosten
der stationären Betreuung des Klägers in Höhe von monatlich rund 6.000,00 EUR auch zu unverhältnismäßigen Mehrkosten. Den
gegen diesen ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September
2005 zugestellt am 5. Oktober 2005 zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 4. November 2005 bei dem Sozialgericht Lüneburg Klage erhoben, mit der er begehrt hat, den Beklagten
unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, die Kosten für die häusliche Pflege in Form der "persönlichen
Assistenz" zu übernehmen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, es sei ihm nicht im Sinne von § 13 Abs 1 Satz 3 SGB XII zumutbar, weiterhin stationäre Hilfe in Anspruch zu nehmen. § 13 SGB XII sei verfassungsrechtlich nicht unproblematisch. Bei Menschen mit einem geringen Pflegebedarf könne eine Verweisung auf stationäre
Versorgung möglicherweise weniger schwerwiegende Folgen haben, weil sie oftmals in der Lage seien, sich einen eigenen Lebensraum
zu organisieren und so trotz der durch die Institution geschaffenen Zwänge ihren grundrechtlich geschützten Bereich an Privatheit
und Entfaltung der Persönlichkeit zu erhalten. Diese Möglichkeit hätten Menschen - wie er mit hohem Hilfebedarf hingegen nicht.
Sie müssten sich den institutionellen Organisationsabläufen vollständig anpassen und verlören so nahezu jeden individuellen
Entfaltungsspielraum. Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm müsse daher im Bereich der "Zumutbarkeit" ausschließlich
und streng auf die individuellen Aspekte abstellen und dürfe hier nicht fiskalischen Erwägungen verdeckt Gewicht beimessen.
Es müsse daher darauf abgestellt werden, ob ein vernünftig urteilender Mensch anstelle des Betroffenen billigerweise das Leben
der vom Sozialhilfeträger benannten Einrichtung ablehnen und eine ambulante Hilfe vorziehen würde (VG Würzburg, Beschluss
vom 14. Dezember 1998 W 3 E 98.1458, BtPrax 1999, 119). Für diese Prüfung spiele die Lebenssituation des Betroffenen eine zentrale Rolle, weil erst davon ausgehend beurteilt werden
könne, wie ein vernünftig urteilender Mensch sich in entsprechender Lage verhalten würde. Seine des Klägers Situation sei
dadurch geprägt, dass er ständig unter erheblichen Schmerzen leide, die selbst bei der mittlerweile gerichtlich erstrittenen
Behandlung mit "Dronabinol" nicht vollständig beseitig werden könnten. Außerdem sei er aufgrund seiner Behinderung auf intensive
pflegerische Betreuung angewiesen. Gleichzeitig sei er ein eigenwilliger Mensch, der trotz seiner Situation ein aktives und
eigenständiges Leben führen wolle. Er habe seit Jahren das Ziel, selbständig in einer eigenen Wohnung zu leben. Dieses selbständige
Leben liege für einen Mann in seinem Alter, der klare Vorstellungen von seinem Leben, den individuellen Vorlieben und besonderen
Bedarfslagen habe, auch nahe. So könne er ungleich viel besser als in einem fest strukturierten Heimalltag sein Leben auf
seine eigene Art und Weise leben. Das sei für ihn in besonderem Maße auch deswegen erforderlich, weil er gerade wegen seiner
Krankheit und Schmerzen keinen durch ein festes Schema geprägten Tagesablauf vertragen könne, sondern ein hohes Maß an Flexibilität
benötige, um vor allem in schmerzarmen Phasen aktiv werden und sich in schmerzstärkeren Phasen auch zurückziehen zu können.
Genau dieses hohe Maß an Flexibilität passe aber nicht zu einer Heimstruktur. Dies gelte umso mehr, als sich der Charakter
des F. es stark hin zu einer Pflegeeinrichtung gewandelt habe. Die individuelle Mobilisierung und Selbständigkeit sei in den
Hintergrund getreten. Zur Verdeutlichung, dass ihm das angestrebte selbständige Leben im F. nicht möglich sei, hat der Kläger
mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Dezember 2006 einen Wochenplan mit den von ihm angestrebten Tagesabläufen
und Erläuterungen dazu, warum er in dem Heim seine Privatsphäre, Selbstbestimmtheit und Pflege nicht ausreichend gewährleistet
sieht, vorgelegt. Weiterhin hat er ein neurologisch-schmerztherapeutisches Gutachten des Prof. Dr. H. vom 12. November 2006
vorgelegt. Durch das vom SG zur Frage der Geeignetheit und Zumutbarkeit der Heimbetreuung eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. I. vom 15. März
2007 hat der Kläger sich in seiner Auffassung bestätigt gesehen.
Der Beklagte hat erwidert, das F. sei für den Kläger was von diesem auch nicht in Zweifel gezogen werde eine geeignete Einrichtung.
Das Vorbringen des Klägers, für ihn sei das Leben in der Einrichtung besonders schwer geworden, weil er weniger Möglichkeiten
habe, die Situation dort individuell zu kompensieren, begründe nicht eine Unzumutbarkeit der dortigen Betreuung. Die von ihm
geschilderten Umstände ließen nicht den Schluss auf konkrete Qualitätsmängel zu, die befürchten ließen, er werde bei einem
weiteren Aufenthalt dort Schaden an seiner Gesundheit nehmen. Wolle man mit dem Kläger für die Beurteilung der Frage nach
der Zumutbarkeit nur darauf abstellen, ob ein vernünftig urteilender Mensch anstelle des Betroffenen billigerweise das Leben
in der vom Sozialhilfeträger benannten Einrichtung ablehnen und eine ambulante Hilfe vorziehen würde, käme es wahrscheinlich
nicht mehr zu einer Anwendung des § 13 Abs 1 SGB XII. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein "vernünftig urteilender Mensch" lieber eine stationäre Hilfe in Anspruch nehme statt eine
ambulante, dürfte gegen Null tendieren. Werde nur auf den vom Kläger genannten Prüfungsmaßstab abgestellt, bräuchte es die
Regelung des § 13 Abs 1 Satz 5 SGB XII, wonach bei der Prüfung der Zumutbarkeit die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen
sind, nicht. Der Auffassung des Klägers könne auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es Intention des Gesetzgebers gewesen
sei, die Kosten der Pflege insgesamt zu verringern oder zumindest nicht auszuweiten. Durch die vom Kläger vorgenommene Auslegung
sei aber einer Erhöhung der Pflegekosten Tür und Tor geöffnet. Der Wunsch des Klägers, in einer eigenen Wohnung zu leben,
sei zwar nachvollziehbar. Das allein führe aber nicht dazu, die gegenwärtige stationäre Pflege als unzumutbar erscheinen zu
lassen. Die von ihm angestrebten Aktivitäten seien ihm auch jetzt schon zu einem großen Teil möglich, obwohl er sich in einer
stationären Einrichtung befinde. Er könne Ausflüge unternehmen und das Heim selber biete umfangreiche Aktivitäten und Veranstaltungen
an, bei denen er frei entscheiden könne, ob er daran teilnehme. Dass die ambulante Hilfe zur Pflege mit unverhältnismäßigen
Mehrkosten (ca 16.000,00 EUR statt 5.500,00 EUR) verbunden sei, dürfte unstreitig sein. Das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. I. sei nicht so zu verstehen, dass dem Kläger ein weiterer Verbleib im F. unzumutbar sei. Maßgeblich
sei, ob es für den Kläger zumutbar ist, Abstriche an Selbständigkeit, Leben in der Gemeinschaft, freier Entfaltung etc. hinzunehmen
oder nicht. Aus dem Gutachten gehe hervor, dass das Heim "im Prinzip" geeignet für den Kläger ist. Auch in einer eigenen Wohnung
werde dem Kläger aufgrund seiner erheblichen Gesundheitsstörungen ein selbstbestimmtes Leben im eigentlichen Sinne nicht möglich
sein.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 15. März 2007 zu der Frage der Geeignetheit des
F. es für den Kläger, und zu anderen Fragen eingeholt. Wegen der Ergebnisse wird auf das Gutachten verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 4. Oktober 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach einer Gesamtabwägung
aller entscheidungserheblichen Umstände insbesondere unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. I. sei dem Kläger die Heimunterbringung
nicht unzumutbar. Dr. I. habe weder erhebliche Pflegemängel noch das völlige Fehlen von Maßnahmen der Eingliederungshilfe
festgestellt. Insbesondere bestehe keine Lebensgefährdung und Beeinträchtigung der Menschenwürde des Klägers. Der 1955 geborene
Kläger werde auch nicht in unzumutbarer Weise auf ein Altersheim verwiesen. Familiäre Aspekte spielten bei dem Wunsch nach
ambulanter Betreuung keine entscheidende Rolle, weil der Kläger bereits seit mehr als zehn Jahren stationär betreut werde.
Das LSG Hamburg stufe eine Verweisung auf eine stationäre Unterbringung im Falle der Beantragung einer ambulanten Versorgung
"rund-um-die-Uhr" nicht als unzumutbar ein, wenn rechtzeitige Nothilfe sichergestellt sei und das Grundbedürfnis des Betroffenen
nach Kontakt und Kommunikation nicht unzumutbar eingeschränkt werde (Beschluss vom 14. Februar 2006 L 4 B 406/05 SO ER). Dabei habe es eine wöchentlich halbstündige ambulante Betreuung und die Möglichkeit, uneingeschränkt Besuche zu empfangen
und fern zu sehen als ausreichend angesehen. So liege es prinzipiell auch im vorliegenden Fall. Es müsse ferner berücksichtigt
werden, dass der Kläger sich im geeignetsten Heim in Hamburg befinde, was in den überdurchschnittlichen Kosten der Unterbringung
zum Ausdruck komme. Die vom Kläger angestrebte ambulante Betreuung verursache auch unverhältnismäßige Mehrkosten für den Beklagten,
sodass dieser zu Recht die begehrte Leistung abgelehnt habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Oktober 2007 zugestellte Urteil am 19. November 2007 (ein Montag) Berufung eingelegt,
mit der er sein Begehren unter Umstellung auf einen Feststellungsantrag weiter verfolgt. Das SG habe die Anforderungen für die Feststellung der Unzumutbarkeit zu hoch angesetzt. Es habe den Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit
nicht in einem am Grundrecht orientierten Sinne ausgelegt. Es habe auch seine gesundheitliche Situation nur unzureichend gewürdigt.
Der Beklagte verkenne, dass dann, wenn ein Pflegebedürftiger, der Pflegeleistungen beantragt habe, auf eine stationäre Versorgung
verwiesen werde, damit seitens des Leistungsträgers erheblich in die Lebensverhältnisse des Leistungsberechtigten eingegriffen
werde. Zudem könne hier ein Verstoß gegen Artikel 19 Buchstabe a) des Übereinkommens (der Vereinten Nationen) über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen vorliegen, wonach Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren
Aufenthaltsort frei zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen
zu leben. Zumindest führe diese (seit 26. März 2009 in Deutschland verbindliche) Vorschrift zu einer engeren Auslegung des
Begriffs der Zumutbarkeit in § 13 Abs 1 SGB XII. Zuletzt sei immer deutlicher geworden, dass er der Kläger insbesondere wegen wechselnder Pflegekräfte und der (auch deshalb)
sehr schwierigen Kommunikation mit dem Pflegepersonal nicht mehr in ihm zumutbarer Weise in einer stationären Einrichtung
gepflegt werden könne.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 4. Oktober 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. September 2005 aufzuheben,
2. festzustellen, dass eine stationäre Pflege und Betreuung für den Kläger unzumutbar und/oder ungeeignet und der Beklagte
daher verpflichtet ist, die Kosten für seine häusliche Pflege in Form der "persönlichen Assistenz" zu übernehmen.
Der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung, dass die vollstationäre Betreuung dem Kläger zumutbar sei und die von ihm begehrte ambulante
Pflege mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei, fest. Der vom Kläger kritisierte (normale) systemimmanente Unterschied
zwischen einer intensiven Heimbetreuung in einer Wohngruppe und einer 24-stündigen Rund-um-Betreuung durch eine exklusive
Pflegeperson sei weder rechtlich noch tatsächlich ein entscheidungserhebliches Kriterium zur Beurteilung der Zumutbarkeit
nach § 13 Abs 1 Satz 3 SGB XII. Der Gesetzgeber habe die vom Kläger geforderte Wunschfreiheit ausgeschlossen. Bei einer anderen Auslegung würden wie der
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 25. Februar 2000 7 S 2920/99) zutreffend festgestellt habe die das Wahlrecht einschränkenden Kriterien in § 13 Abs 1 Satz 3 SGB XII völlig ins Leere laufen. Hintergrund sei die Finanzierbarkeit des Sozialsystems. Darüber hinaus gebe der Kläger den Systemunterschied
zwischen einer ambulanten 24-stündigen Einzelbetreuung exklusiv nur für ihn und der intensiven Betreuung bei Pflegestufe III
im Heim sehr subjektiv gefärbt und lückenhaft wider. Er werde wie die im Vergleich zu einem normalen Pflegeheim deutlichen
höheren Kosten verdeutlichten im F. sehr intensiv betreut. Sowohl das Heimprospekt als auch der Internetauftritt des Heimes
verdeutlichten, dass die Einrichtung nach wie vor ein Pflegeheim und eine Einrichtung der Eingliederungshilfe sei. Es sei
in Wohngruppen mit 10 bis 14 Personen gegliedert. Der Kläger bewohne ein Einzelzimmer, in das er sich jederzeit zurückziehen
könne. Die Einrichtung gehe von ihrem Konzept her intensiv auf die individuellen Bedürfnisse des Klägers ein. Die Zumutbarkeit
im Sinne von § 13 Abs 1 Satz 3 SGB XII sei nicht so wie vom Kläger vorgenommen (verfassungskonform) auszulegen. In seiner Einschränkung des Wahlrechts liege nicht
die von ihm behauptete spezifische Benachteiligung schwerbehinderter und pflegebedürftiger Menschen. Vielmehr handele es sich
um die Konkretisierung des allgemeinen mit dem
Grundgesetz im Einklang stehenden Grundprinzips der Sozialhilfe, lediglich das sozio-kulturelle Existenzminimum sicherzustellen. Das
Kriterium der Unzumutbarkeit stelle zwar in weitem Umfang einen Schutz des Klägers vor einer Veränderung seiner sozialen Bezugspunkte
dar, um einen Schaden von ihm durch eine vom Sozialhilfeträger veranlasste Änderung der sozialen Bezugspunkte zu verhindern.
Dieses eingrenzende Kriterium der Unzumutbarkeit dokumentiere aber zugleich, dass eben nicht der freie Wille des Klägers entscheide
und auch nicht die vom medizinischen Gutachter Dr. I. für wünschenswert empfohlene Maßnahme ausreiche. Das Gesetz schütze
nur vor "Schaden" durch Veränderung, ermögliche aber nicht ein Optimum einer Betreuung ohne jegliche Kostenbasis. Bloße Wünsche
einer optimierten Betreuung in ihrer idealsten Form reichten für die Annahme einer Unzumutbarkeit der bisherigen Betreuung
nicht aus. Aus Artikel 19 Buchstabe a) des Übereinkommens (der Vereinten Nationen) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
ergebe sich weder ein Anspruch auf eine Sozialleistung noch eine engere Auslegung des Begriffs der Zumutbarkeit. Auch nach
dem Ergebnis der Zeugenbefragung sei dem Kläger eine Fortdauer der stationären Pflege und Betreuung zumutbar.
Der Senat hat zu der Pflege- und Betreuung des Klägers im F. eine Freundin (zugleich Vorsorgebevollmächtigte und Prozessbeistand)
Frau J. K. sowie die Zeugen Frau L. M. (Wohnbereichsleiterin) und Herrn N. O. (Pflegedienstleiter) befragt. Wegen der Ergebnisse
wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet, nachdem der Kläger auf Anregung des Senats von seiner ursprünglichen kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG) gemäß §
99 Abs
1 SGG durch eine zulässige sowohl sachdienliche, als auch mit anzunehmender Einwilligung des Beklagten erfolgte Klageänderung auf
einen Feststellungsantrag (§
55 Abs
1 Nr
1 SGG) übergegangen ist.
Die vom SG Lüneburg zu Unrecht angenommene Zuständigkeit (wegen des Wohnsitzes des Klägers in Hamburg, vgl §
57 Abs
1 Satz 1
SGG), ist im Berufungsverfahren nicht zu prüfen (§
98 Satz 1
SGG iVm 17a Abs
5 GVG).
Eine Feststellungsklage ist zwar grundsätzlich gegenüber einer Leistungsklage subsidiär. Der Kläger kann aber gegenwärtig
eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nicht erreichen, weil
die von ihm erstrebte ambulante häusliche Pflege in einer eigenen Wohnung erst in Zukunft einsetzen soll. Solange er noch
keine Wohnung angemietet und einen Pflegedienst nicht beauftragt hat, kommt ein Leistungsanspruch und somit eine Verurteilung
des Beklagten selbst dem Grunde nach gemäß §
130 Abs
1 SGG nicht in Betracht. Auf wie hier Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klagen sind zwar im
Allgemeinen unzulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, §
55 Rdnr 9). Eine Elementenfeststellungsklage ist aber ausnahmsweise dann zulässig, wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie
der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (BSG, Urteil vom 25. September 2007 B 3 KR 13/00 R, juris). Das ist hier der Fall. Die Beteiligten streiten nur darüber, ob die stationäre Pflege (und Betreuung) für den Kläger
unzumutbar und/oder ungeeignet ist. Der Streitfall würde dies wurde so auch mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung
erörtert durch die begehrte gerichtliche Feststellung endgültig geklärt werden, weil es bei festgestellter Unzumutbarkeit
oder Ungeeignetheit der stationären Pflege nicht mehr auf die Frage, ob eine ambulante Pflege zu unverhältnismäßigen Mehrkosten
führt (dem wäre zweifellos - auch nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten - so) nicht mehr ankommt. Die weiterhin
begehrte und ausgesprochene Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die häusliche Pflege des Klägers
in Form der "persönlichen Assistenz" zu übernehmen, hat lediglich die Rechtsfolgen der Feststellung der Unzumutbarkeit stationärer
Pflege klarstellenden Charakter.
Der Kläger hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, weil ihm nicht zuzumuten ist, die zur Konkretisierung der erstrebten
Leistungen notwendigen und mit hohen Kosten verbundenen Verpflichtungen (insbesondere Anmietung einer Wohnung und Abschluss
von Arbeitsverträgen mit den erforderlichen Pflegekräften) einzugehen, bevor nicht geklärt ist, ob der Beklagte die begehrte
Hilfe zur häuslichen Pflege mit der von ihm gegebenen Begründung versagen darf (vgl OVG Lüneburg, Urteil vom 28. August 1996
4 L 1845/96, juris). Vor der Klageerhebung hat auch ein Verwaltungsverfahren stattgefunden. Der Beklagte hat zwar mit seinem ablehnenden
Bescheid vom 5. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2005 einen Leistungs- und nicht einen Feststellungsantrag
des Klägers abgelehnt. Im Rahmen seiner Prüfung ist er jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die stationäre Pflege für den
Kläger zumutbar und geeignet ist. Eines erneuten ausdrücklichen Feststellungsantrags bei dem Beklagten bedurfte es daher nicht.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass ihm eine stationäre Pflege und Betreuung nicht zumutbar
ist.
Der von § 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII bestimmte grundsätzliche Vorrang ambulanter Leistungen (wie sie der Kläger letztlich in Gestalt ambulanter Pflege- und Eingliederungshilfeleistungen
gemäß § 61 iVm § 63 und § 65 Abs 1 Satz 2 (sowie § 66 Abs 4 Sätze 2 und 3 "Arbeitgebermodell") SGB XII bzw. § 53 iVm § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII und §
55 SGB IX erstrebt) gilt gemäß § 13 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen
Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen (Satz 4 der Vorschrift). Das zeigt,
dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit Kostenerwägungen grundsätzlich keine Rolle spielen dürfen, es hierbei vielmehr maßgeblich
auf die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände ankommt (Satz 5 der Vorschrift). Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich
nicht vorzunehmen (Satz 6).
Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der (Un-) Zumutbarkeit kommt individuellen Aspekten eine erhebliche
Bedeutung zu. Denn nach § 13 Abs 1 Satz 5 SGB XII sind bei der Prüfung der Zumutbarkeit unter anderem die persönlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Die von dem
Kläger unter Berufung auf den Beschluss des VG Würzburg vom 14. Dezember 1998 vertretene Auffassung, es sei darauf abzustellen,
ob ein vernünftig urteilender Mensch anstelle des Betroffenen billigerweise das Leben in der stationären Einrichtung ablehnen
und eine ambulante Hilfe vorziehen würde, misst dem Willen und den Wünschen des Betroffenen wohl zu großes Gewicht bei. Denn
für die Zumutbarkeit stationärer Leistungen ist die Wunschäußerung da die Zumutbarkeit keine Gestaltungsfrage (vgl § 9 Abs 2 Satz 1 SGB XII), sondern Rechtsfrage ist ohne Bedeutung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 13 Rdnr 11). Jedenfalls wären über den unbestimmten Begriff "billigerweise" die Vorgaben des § 13 Abs 1 Satz 5 SGB XII zu berücksichtigen und eine Objektivierung vorzunehmen (vgl auch SG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 2007 S 50 SO 584/05
juris Rdnr 36). Da bei der Prüfung der Zumutbarkeit nach § 13 Abs 1 Satz 5 SGB XII die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen sind, kommt es auf das Gewicht der Gründe
an, die gegen eine Betreuung in einer stationären Einrichtung sprechen. Nicht jede denkbare (noch so kleine) Verbesserung
der Betreuungs- und Pflegesituation durch die ambulante Leistungserbringung macht die Betreuung und Pflege in einer stationären
Einrichtung schon unzumutbar. Entscheidend dürfte es wohl darauf ankommen, ob die Betreuung und Pflege in einer vollstationären
Einrichtung und die damit für den Betroffenen einhergehenden Einschränkungen und Belastungen nach allgemeiner Anschauung vertretbar
und für den Betroffenen tragbar sind (so auch SG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 2007, aaO., Rdnr. 36 unter Hinweis auf Lippert
in Mergler/Zink, SGB XII, 7. Aufl., § 13 Rdnr 26). Dem Betroffenen muss in einer stationären Einrichtung die Führung eines Lebens möglich sein, das der Würde des
Menschen entspricht. Dies ergibt sich schon aus der in § 1 Satz 1 SGB XII einfach gesetzlich umgesetzten entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers. Dass dem Sozialhilfeträger
bei der "angemessenen" Berücksichtigung der persönlichen, familiären und örtlichen Umstände ein Beurteilungsspielraum im Hinblick
auf die eventuell hohen Kostenbelastungen zusteht, vermag der Senat entgegen der Auffassung von W. Schellhorn (in Schellhorn/Schellhorn/Hohm,
SGB XII, 17. Auflage 2006, § 13 Rdnr 6 aE) nicht zu erkennen.
Davon ausgehend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Kläger nicht im Sinne von § 13 Abs 1 Sätze 3 bis 5 SGB XII zumutbar ist, in der stationären Pflege- und Rehabilitationseinrichtung F. in Hamburg oder der Senat geht mit dem Sachverständigen
Dr. I. und den Beteiligten davon aus, dass es eine für den Kläger geeignetere stationäre Einrichtung nicht gibt in einer anderen
stationären Einrichtung gepflegt und betreut zu werden.
Familiäre und örtliche Umstände, die dem Kläger die weitere Betreuung und Pflege in dem Heim in Hamburg unzumutbar machen
könnten, sind von ihm weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie sich aus den insoweit nicht protokollierten Angaben des
Zeugen O. entnehmen ließ, ist der Kläger allerdings seiner Heimatstadt Hitzacker emotional sehr verbunden (so lässt er sich
aus der dortigen Presse zum lokalen Geschehen vorlesen) und strebt mit der ambulanten Betreuung wohl nunmehr auch seine Rückkehr
dorthin an.
Dem Kläger ist es aus persönlichen Gründen nicht zuzumuten, weiter stationär gepflegt und betreut zu werden. Die im stationären
Rahmen geleistete Pflege bleibt für den Kläger in einem für ihn nicht mehr tragbaren Umfang hinter seinem berechtigten Pflege-
und Selbstbestimmungsbedürfnis zurück. Der wie eingangs des Tatbestandes näher dargestellt schwerstpflegebedürftige und unter
starken Schmerzen leidende Kläger bedarf sehr intensiver Pflege. Dabei ist er darauf angewiesen, dass die Pflegekräfte seine
Bedürfnisse und die pflegerischen Notwendigkeiten schnell erkennen und mit entsprechenden Pflegemaßnahmen darauf reagieren
(zum Beispiel bei dem Auftreten von Schmerzspitzen oder nicht leidensgerechter Positionierung im Rollstuhl). Dies ist jedoch
deshalb, weil der Kläger körperlich fast überhaupt nicht in der Lage ist, auf Pflegemängel und -notwendigkeiten hinzuweisen,
in einer stationären Einrichtung nicht ausreichend gewährleistet. Der Kläger ist massiv in seiner Kommunikationsfähigkeit
eingeschränkt. Er ist stark schwerhörig. Seit seiner vollständigen Erblindung vor ca. zwei Jahren ist die Kommunikation für
ihn nochmals deutlich schwieriger geworden. Man muss wie Frau K. in der mündlichen Verhandlung plausibel erklärt hat nah in
einem bestimmten Winkel in sein Ohr sprechen, um von ihm verstanden zu werden. Um sprechen zu können, muss der Kläger zunächst
etwas trinken. Zudem kann er sich nur schwer verständlich verbal äußern. Er spricht extrem langsam und undeutlich. Um den
Kläger verstehen zu können, ist daher eine Vertrautheit mit ihm sehr hilfreich. Jedenfalls ist große Aufmerksamkeit und Geduld
erforderlich. Der Senat ist auf der Grundlage der Angaben der Frau K. zur Situation des Klägers im Heim sowie der Aussage
der Wohngruppenleiterin des Heimes zu der Überzeugung gelangt, dass dem den Kläger pflegenden Personal in dem Heim weitgehend
die hilfreiche Vertrautheit mit dem Kläger fehlt, weil der Kläger dort strukturell bedingt von (zu) vielen unterschiedlichen
Personen Frau K. sprach von zurzeit ca. 15 Personen betreut wird. Weiterhin hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass das
Pflegepersonal weil es aufgrund des Personalschlüssels dafür nicht genug Zeit hat oftmals nicht die für eine Kommunikation
mit dem Kläger und für ein Verstehen des Klägers erforderliche Aufmerksamkeit und Geduld aufbringen kann. So hat der Kläger
plausibel dargelegt, dass er mit einer hochgradigen Schmerzbelastung bei gleichzeitiger absoluter Unbeweglichkeit dringend
darauf angewiesen ist, dass seine Glieder bei Bedarf regelmäßig auch zwischendurch bewegt werden und dass sie richtig gelagert
werden, damit möglichst wenig Verspannungen die wiederum zu zusätzlichen Schmerzen führen würden auftreten. Dass es wichtig
ist, bei so genannten "Schmerzspitzen" schnell zu reagieren und ihnen entgegenzuwirken, liegt auf der Hand. Weiterhin hat
der Kläger plausibel und bestätigt durch die auch insoweit glaubhaften Angaben der Frau K. dargelegt, dass es wichtig ist,
dass er ausbalanciert und mit festem Halt in den Rollstuhl gesetzt wird, weil andernfalls zB die Schulter wegrutscht und der
ganze Körper sich schmerzverstärkend verspannt. In all diesen exemplarischen Bereichen ist es wegen der mangelnden Kommunikationsfähigkeit
des Klägers gekoppelt mit dem strukturell bedingten Zeitdruck und dem Wechsel der Pflegekräfte häufiger zu Pflegemängeln gekommen.
So hat etwa Frau K. geschildert, dass es bei Verwendung eines neuen Rollstuhls häufiger dazu gekommen ist, dass der Kopf des
Klägers unbemerkt nach vorne gekippt ist, was aufgrund seiner Halswirbelverletzung sehr problematisch ist. Der Neurologe und
Psychiater Dr. I. ist in seinem von dem SG eingeholten Sachverständigengutachten vom 15. März 2007 unter anderem zu dem Ergebnis gelangt, das F. verfüge aus Gründen
der Verteilung von Mitteln nicht über die Möglichkeit, den schweren Leidenszustand des Klägers optimal (soweit wie möglich)
zu lindern und seinem Teilhabebedürfnis gerecht zu werden. Wer sich vorstellen könne, wie schwer es sei, in einem Ausmaß wie
der Kläger auf andere angewiesen zu sein und in einem ökonomisch organisierten Räderwerk so gut wie keine Freiräume zu haben,
der werde erkennen müssen, dass man im F. leider nicht "flexibel und einzelfallbezogen genug" auf die Bedürfnisse des Klägers
und vergleichbarer Kranker reagieren könne. Die besondere Situation des Klägers ist dadurch gekennzeichnet, dass er einerseits
körperlich schwerst beeinträchtigt und pflegebedürftig ist, auf der anderen Seite aber geistig "völlig klar" ist, so dass
er die Pflege- und Betreuungsdefizite sehr bewusst leidvoll erfährt. Hinzu kommt sein verständlicher und berechtigter Wunsch,
ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies ist ihm zwar wegen seiner schwersten körperlichen Beeinträchtigungen
nur noch in einem sehr begrenzten Umfang möglich. Aber gerade weil der Kläger nur noch über sehr geringe Selbstbestimmungs-
und Lebensentfaltungsmöglichkeiten verfügt, ist es ihm zur Überzeugung des Senats nicht zumutbar nicht menschenwürdig, dass
er den ihm nur noch verbliebenen kleinen Rest an Selbstbestimmungs- und Lebensentfaltungsmöglichkeiten unter den gegebenen
Bedingungen stationärer Pflege und Betreuung so gut wie nicht realisieren kann. Demgegenüber wäre eine ambulante "Rund-um-die-Uhr-"
Pflege und Betreuung des Klägers in Gestalt des so genannten Assistenz-(Arbeitgeber)-Modells wie der Sachverständige Dr. I.
in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat möglich und für den Kläger mit einer erheblichen qualitativen Pflege- und Betreuungsverbesserung
verbunden. Der Kläger würde ambulant nur von insgesamt ca. 5 Pflegekräften (die jeweils einzeln zeitabschnittsweise tätig
würden) allein individuell ohne Zeitdruck gepflegt. Die Vertrautheit der Pflegekräfte im Umgang und in der Kommunikation mit
dem Kläger, auf die der Kläger so dringend angewiesen ist, wäre ungleich größer als unter stationären Bedingungen. Dadurch
würde der Kläger in die Lage versetzt, seine Pflege zu steuern. So könnte er nicht nur was allein für ihn schon von großer
Bedeutung ist persönliche Dinge wie Nahrungsaufnahme, Toilettengang und Ruhezeit unabhängig von den Zwängen einer Einrichtung
bestimmen, sondern auch (rechtzeitig) auf Pflege- und Betreuungsbedürfnisse aufmerksam machen sowie die ihm verbliebenen geringen
Lebensentfaltungsmöglichkeiten verwirklichen.
Ist dem Kläger nach alledem zur Überzeugung des Senats eine weitere stationäre Pflege und Betreuung nicht zumutbar, so bedarf
es einer Entscheidung, ob es sich bei dem F. um eine geeignete Einrichtung handelt, nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Ein Grund, die Revision gemäß §
160 Abs
2 SGG zuzulassen, besteht nicht.