Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 20.7.2021 ist begründet. Der angefochtene Beschluss des SG wird aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den
Bescheid vom 18.1.2021 abgelehnt.
Gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung
über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers
einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v.
21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 S. 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter
1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen
lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen
zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen
die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 4; Beschl. v. 12.2.2020 - L 8 BA 157/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen, da dessen Erfolg nicht wahrscheinlich
ist. Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür
als dagegen, dass sich der angefochtene Bescheid vom 18.1.2021, mit dem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den
Zeitraum vom 1.1.2016 bis 31.12.2019 Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen
in Höhe von insgesamt 68.790,58 Euro für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) (B) nachfordert, im Hauptsacheverfahren als
rechtswidrig erweisen wird.
Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung
ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (
SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und
Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide erlassen.
a) Der Bescheid vom 18.1.2021 ist formell rechtmäßig ergangen; insbesondere ist die Antragstellerin vor dessen Erlass mit
Schreiben vom 23.9.2020 gemäß § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) angehört worden.
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben.
aa) Gem. §
28e Abs.
1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigten , d.h. die
für diese zu zahlenden Beiträge u.a. zur Renten- und Arbeitslosenversicherung (§
28d S. 1 und 2
SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen Personen,
die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch [SGB III]).
Nach §
7 Abs.
1 S. 1
SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung
sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§
7 Abs.
1 S. 2
SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - insbesondere
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild
der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R - juris Rn. 12 m.w.N.; Senatsurt. v. 15.12.2021- L 8 R 13/15 - juris Rn. 150; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG
Beschl. v. 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - juris Rn. 6 ff).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch
zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten
Vereinbarungen zu ermitteln. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen
ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen
und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig
machen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R - juris Rn. 13 m.w.N.; Senatsurt. v. 15.12.2021 - L 8 R 13/15 - juris Rn. 154, Urt. v. 10.6.2020 - L 8 BA 6/18 - juris Rn. 36).
Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich sowohl für die Geschäftsführer einer GmbH ("Gesellschafter-Geschäftsführer")
als auch für in einer GmbH angestellte Gesellschafter ("mitarbeitende Gesellschafter") (vgl. z.B. BSG Urt. v. 29.6.2021 - B 12 R 8/19 R - juris Rn. 12 m.w.N.). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer (aber)
in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht
genehmeWeisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (BSG Urt. v. 12.5.2020 - B 12 R 5/18 R - juris Rn. 13; BSG Urt. v. 19.9.2019- B 12 R 25/18 R - juris Rn. 14 mwN). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig
tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die
Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können.
Eine solche Rechtsmacht - und damit eine anzunehmende Selbstständigkeit - besteht bei einem mitarbeitenden Gesellschafter,
der zugleich zum Geschäftsführer der GmbH bestellt ist, wenn er über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 v.H. verfügt
oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"),
die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist, die es ihm zumindest ermöglicht, ihm nicht genehme
Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können(st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 12.5.2020 - B 12 R 5/18 R - juris Rn. 14; Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 15 m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 - L 8 BA 153/19 - juris Rn. 51).
Abweichend hiervon ist ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt
ist ("mitarbeitender Gesellschafter"), regelmäßig abhängig beschäftigt. Er besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte
grundsätzlich nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben
oder abzuschwächen. Seine Rechtsmacht erschöpft sich vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern
zu können. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über
die Angestellten der Gesellschaft Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (st. Rspr.,
vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.11.2015 - B 12 KR 2/14 R - juris Rn. 37 m.w.N.; Urt. v. 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 21; Urt. v. 19.8.2015 - B 12 KR 9/14 R - juris Rn. 28 m.w.N.). Erst wenn Gesellschafter kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztlich auch die Leitungsmacht
gegenüber der Geschäftsführung haben, unterliegen sie nicht mehr deren Weisungsrecht (vgl. BSG Urt. v. 29.6.2021 - B 12 R 8/19 R - juris Rn. 12 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Abgrenzungskriterien ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen
summarischen Prüfung davon auszugehen, dass B im streitigen Zeitraum nicht über eine hinreichende Rechtsmacht verfügt hat,
ihr ungenehme Weisungen zu vermeiden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des SG kann sie nicht als Geschäftsführerin angesehen werden (hierzu unter (1), sondern war als mitarbeitende Gesellschafterin (weisungs-)abhängig
beschäftigt (hierzu unter (2). Wesentliche Aspekte für eine Selbstständigkeit sind nicht ersichtlich (hierzu unter (3), so
dass in der gebotenen Gesamtabwägung von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist (hierzu unter (4).
(1) Soweit die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen vom 13.6.2002 datierenden Gesellschafterbeschluss
vorgelegt hat, ausweislich dessen B an diesem Tag zur (weiteren) Geschäftsführerin bestellt worden sein soll, genügt dieser
nicht, um B bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung als Geschäftsführerin anzusehen. Vielmehr wäre hierfür
eine - gem. § 39 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verpflichtende - Eintragung im Handelsregister erforderlich. Ihrer entsprechenden gesetzlichen Pflicht zur Anmeldung der
Eintragung ist die Antragstellerin - nach ihren Angaben aufgrund von Versehen - sowohl nach der behaupteten Bestellung 2002
wie auch anlässlich der Sitzverlegungen in den Jahren 2006 und 2008 nicht nachgekommen. Vielmehr ist die Eintragung - trotz
Offenkundigkeit des Versehens spätestens im Jahr 2020 anlässlich des Prüfverfahrens - erst im März 2022 erfolgt.
Offenlassen kann der Senat in diesem Zusammenhang, ob das vorgelegte Dokument über die Beschlussfassung in der Zusammenschau
mit den sonstigen Umständen gesellschaftsrechtlichen Beweisgrundsätzen an eine ordnungsgemäße Bestellung der B zur Geschäftsführerin
genügen würde und ob die fehlende Eintragung im Handelsregister - wie die Antragstellerin geltend macht - die Begründung der
Geschäftsführerfunktion gesellschaftsrechtlich nicht hindert. Ebenso kann für die Statusbeurteilung dahinstehen, ob die von
der Antragsgegnerin mit guten Gründen untermauerten Bedenken jedenfalls zumindest hinsichtlich einer tatsächlichen Umsetzung
dieses Beschlusses bestehen. Insoweit hat die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unabhängig von einer etwaigen gesellschaftsrechtlichen
Würdigung zu erfolgen.
Gesellschaftsrechtliche Wertungen und Gestaltungen sind für die sozialversicherungsrechtliche Abwägungsentscheidung nach §
7 Abs.
1 SGB IV nicht strikt zu übernehmen. Eine uneingeschränkte Parallelität sozialversicherungs- und gesellschaftsrechtlicher Beziehungen
liegt von vornherein nicht vor. Zwar fordert das Gebot der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung durchaus die Schaffung von
Kohärenz, in seiner schwächeren Erscheinungsform jedenfalls die Herstellung von Konsistenz und (inhaltlicher) Widerspruchsfreiheit
(von Teilbereichen) der Gesamtrechtsordnung. Jedoch ist es unabdingbar, den Sonderrechtsbereich, an dessen Begrifflichkeiten,
Strukturmerkmale und konstruktive (dogmatische) Eigenheiten in concreto angeknüpft werden soll - hier an das Gesellschaftsrecht
-, daraufhin zu untersuchen, an welchen praktischen Bedürfnissen die dortigen Regelungen ausgerichtet sind, und ob für deren
Übernahme in das andere Rechtsgebiet - hier das Versicherungsrecht der Sozialversicherung - tragfähige Gemeinsamkeiten oder
Überschneidungen in den grundsätzlichen Wertungen bestehen (vgl. BSG Urt. v. 11.11.2015- B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 24 m.w.N.).
Dem (behaupteten) Gesellschafterbeschluss vom 13.6.2002 kommt im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
der Tätigkeit der B nicht die vom SG beigemessene Bedeutung zu. Bei der Statuszuordnung ist dem Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs-
und beitragsrechtlicher Tatbestände Genüge zu tun. Dieses Postulat prägt die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer
Tätigkeit und unterscheidet sich damit ggf. auch von den Wertungen des - an anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten
- Gesellschaftsrechts (vgl. BSG Urt. v. 8.7.2020 - B 12 R 1/19 R - juris Rn. 28). Ein Gesellschafterbeschluss, der weder Eingang in den Gesellschaftsvertrag gefunden hat noch notariell
beurkundet und in das Handelsregister eingetragen wurde, vermag die erforderliche Klarheit und Vorhersehbarkeit nicht zu gewährleisten.
Dies gilt zunächst schon deshalb, weil - einfache - Schriftstücke über vermeintliche Gesellschafterbeschlüsse jederzeit ohne
Aufwand rückdatierend erstellt werden können und die Gefahr entsprechend falscher Dokumentationen bei häufig im Raum stehenden
hohen Beitragsnachforderungen erheblich ist. Hinzu kommt, dass ein Risiko strafrechtlicher Belangung bei Einigkeit der Gesellschafter
über ein entsprechendes Vorgehen kaum bzw. allenfalls mit unproportional umfangreichen Ermittlungen droht. Unabhängig von
der etwaigen Erstellung falscher Dokumente kann jedoch auch ein tatsächlich gefasster, aber nicht in das Handelsregister eingetragener
Beschluss über eine Geschäftsführerbestellung dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozial- und beitragsrechtlicher Tatbestände
nicht genügen. Andernfalls wäre die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von der Entscheidung der Gesellschafter abhängig,
ob und wann sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in den Verkehr
bringen oder dies je nach Sachlage unterlassen (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 13.11.2020 - L 8 BA 889/20 - juris Rn. 88). Ein prägnantes Beispiel hierfür bietet auch der vorliegende Sachverhalt. So hat die Antragstellerin selbst
angegeben, B im Jahr 2000 von der Geschäftsführertätigkeit entbunden zu haben, um sie in Rechtsstreitigkeiten als Zeugin vernehmen
lassen zu können. Wird dann im Folgenden ein Beschluss über eine Wiederbestellung gefasst, jedoch nicht in das Handelsregister
eingetragen, könnte die Antragstellerin diesen wahlweise - bei der Notwendigkeit, die Zeugenstellung der B in weiteren Verfahren
zu gewähren - ungenutzt lassen oder - bei drohenden Beitragsnachforderungen - wie hier in ein Verfahren einführen. Eine Abhängigkeit
der Statuszuordnung von derart manipulationsanfälligen bzw. der Disposition der Gesellschaft unterliegenden Umständen ist
mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozial- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen.
Hingegen gewährleistet die Eintragung in das Handelsregister und die Offenlegung der Vertretungsverhältnisse Rechtssicherheit
für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft (vgl. BSG Urt. v. 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - juris Rn. 24). Dies spiegelt sich in der Regelung des § 15 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) wieder, wonach nicht eingetragene und bekanntgemachte Tatsachen Dritten nicht entgegengehalten werden können, wenn sie diesem
nicht bekannt waren (sog. negative Publizität, vgl.LSG Baden-Württemberg Urt. v. 13.11.2020 - L 8 BA 889/20 - juris Rn. 89; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 15 Rn. 4 ff.). Die Pflicht zur Eintragung einer Änderung in den Personen der Geschäftsführer folgt unmittelbar aus § 39 Abs. 1 GmbHG. Der (neue) Geschäftsführer hat zudem obligatorisch nach § 39 Abs. 3 GmbHG in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 sowie S. 3 GmbHG entgegenstehen, und dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist.
Der Rechtssicherheit dient des Weiteren auch die Prüfung der Eintragung durch das Registergericht. Es hat darüber zu wachen,
dass Eintragungen im Handelsregister den gesetzlichen Erfordernissen und der tatsächlichen Rechtslage entsprechen. Auch wenn
es sich gesellschaftsrechtlich lediglich um eine deklaratorische Eintragung handeln mag, ist das Registergericht bei begründeten
Zweifeln berechtigt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt aufzuklären (vgl. BGH Beschl. vom 21.6.2011 - II ZB 15/10 - juris Rn. 10).
Nur durch die Eintragung in das Handelsregister ist für den prüfenden Versicherungsträger (und damit auch für die gesamte
Versichertengemeinschaft) sicher erkennbar, ob ein im Unternehmen mitarbeitender Gesellschafter eine Geschäftsführerfunktion
innehat. Entsprechend stellt grundsätzlich (erst) diese Eintragung den für die statusrechtliche Beurteilung der Rechtsmacht
in einer Gesellschaft maßgeblichen Umstand dar. Mit ihr manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines
(neuen) Geschäftsführers in rechtlich anzuerkennender Weise (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 13.11.2020 - L 8 BA 889/20 - juris Rn. 91).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt B mangels Eintragung ihrer (erneuten) Bestellung zur Geschäftsführerin in das
Handelsregister im streitigen Zeitraum vom 1.1.2016 - 31.12.2019 sozialversicherungsrechtlich (nur) die Stellung einer weisungsgebundenen
mitarbeitenden Gesellschafterin zu. Bei Erteilung einer Weisung durch einen der beiden damals bestellten und im Handelsregister
eingetragenen Geschäftsführer hatte sie mit ihrem Gesellschaftsanteil von 50% nicht die Möglichkeit, die in der Gesellschafterversammlung
erforderliche einfache Mehrheit aufzubringen, um die Geschäftsführer zu einer Änderung anzuhalten. Gleichermaßen konnte sie
eine gem. § 46 Nr. 5 GmbHG in der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung liegende Abberufung der Geschäftsführer nicht erwirken.
(2) Die Bewertung der Tätigkeit der B als Beschäftigungsverhältnis wird durch ihren mit der Antragstellerin geschlossenen
Geschäftsführervertrag untermauert. Dieser enthält verschiedene arbeitnehmertypische Regelungen wie ein festes Monatsgehalt
und Weihnachtsgeld (§ 5 Nr. 1 a und b), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 5 Nr. 3), Anspruch auf Spesenersatz und einen
Dienstwagen (§ 6) sowie auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 8).
(3) Wesentliche Aspekte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, sind nicht ersichtlich.
B verfügte nicht über eine eigene Betriebsstätte. Sie war vielmehr bei der Antragstellerin, die als GmbH eine juristische
Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit darstellt (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG), in einem für sie fremden Betrieb tätig. Die GmbH ist von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen oder natürlichen
Personen unabhängig und von den verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen getrennt zu betrachten (vgl. BSG Urt. v. 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 18).
Auch fehlt es an einem unternehmerischen Risiko. Maßgebendes Kriterium hierfür ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG Urt. v. 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - juris Rn. 24; Urt. v. 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rn. 27), denen sich der Senat in seiner ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurt. v. 22.4.2015
- L 8 R 680/12 - juris Rn. 122), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg
des Einsatzes der sächlichen undpersönlichen Mittel also ungewiss ist (st. Rspr., vgl. zB BSG Urt. v. 18.11.2015 -- B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 36 m.w.N.). Ihre Arbeitskraft musste B angesichts der anstellungsvertraglich vereinbarten Gegenleistung in Form
einer Festvergütung nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzen (vgl. hierzu BSG Urt. v. 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - juris Rn. 26). Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrag- bzw. Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise
(vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 37). Der Zahlung einer Tantieme kommt demgegenüber keine erhebliche Bedeutung zu. Sie ist auch bei Arbeitnehmern
nicht unüblich (vgl. BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 17). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermag auch die Gewährung von Darlehen durch B an sie kein
Unternehmerrisiko hinsichtlich des Verlustes der Arbeitskraft zu begründen, da sie für den Einsatz der Arbeitskraft Entgelt
erhielt (vgl. BSG Urt. v. 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - juris Rn. 26).
(4) In der gebotenen Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte überwiegen deutlich die Kriterien,
die für eine abhängige Beschäftigung der B und damit für ihre Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung sprechen.
bb) Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit der B in den genannten Versicherungszweigen bedingen könnten, sind nicht ersichtlich.
cc) Hinsichtlich der Höhe der Nachforderung sind Unrichtigkeiten nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides
liegt nicht vor.
Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Schuldner verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht
zur Annahme einer unbilligen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (vgl. z.B.
Senatsbeschl. v. 15.9.2021 - L 8 BA 71/20 B ER - juris Rn. 20). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner
gelingt darzustellen und glaubhaft zu machen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung
seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest
nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 27).
Hieran fehlt es. Weder liegt ein - umfassender - Vortrag der Antragstellerin zu ihren aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen
insbesondere einschließlich der Möglichkeiten zur Beschaffung von liquiden Mitteln durch Darlehensaufnahme noch die Glaubhaftmachung
der entsprechenden Tatsachen gem. §
86b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung vor. Soweit die Antragstellerin - zuletzt im Juni 2021 - (allein) darauf hingewiesen hat, sich infolge der Corona Pandemie
"ungeklärten" Außenständen von rund 2.700.000 Euro ausgesetzt zu sehen, hätte es ihr oblegen, die seither erfolgte geschäftliche
Entwicklung vorzutragen und zu belegen. Dies gilt um so mehr als sie selbst angegeben hat, den Außenständen in weiten Teilen
Erstattungsansprüche entgegensetzen zu können. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, weshalb die - im Verhältnis zu den behaupteten
Außenständen ausgesprochen geringfügige - Beitragsforderung die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin grundlegend verändern
könnte. Im Gegenteil drängt sich - sofern tatsächlich hohe Forderungen Dritter beglichen werden müssten, ohne dass dies wirtschaftlich
aufgefangen werden kann - die Befürchtung auf, dass die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache gefährdet
sein könnte.
Hinsichtlich etwaiger mit dem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlicher Härten hat sich die Antragstellerin an die zuständige
Einzugsstelle zu wenden. Diese befindet als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung
des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. §
28h Abs.
1 S. 3
SGB IV) über Fragen des Forderungseinzugs und insoweit über eine etwaige Stundung, einen Erlass oder die Niederschlagung der Beitragsforderung
(§
76 Abs.
3 SGB IV) sowie die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. §
257 Abgabenordnung; vgl. zur Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Beitragseinzugs auch BSG Urt. v. 28.5.2015 - B 12 R 16/13 R - juris Rn. 23).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl.
v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).