Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen.
Die bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte mit Schreiben vom 19. Dezember 2015, bei der Beklagten eingegangen am
29. Dezember 2015, unter Beifügung eines Gutachtens und Kostenvoranschlages des Chirurgen Dr. I, Praxis für Lipödem-Chirurgie
- Klinik I- vom 1. Dezember 2015 sowie einer Bescheinigung der Psychologin J vom 7. Dezember 2015 die Übernahme der Kosten
für Liposuktionen an Ober- und Unterschenkeln sowie an den Oberarmen. Sie bat um "Kostenübernahme der medizinisch notwendigen
Liposuction".
Nach Einholen eines Gutachtens nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 2. Februar
2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Februar 2016 den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin am 11.
März 2016 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2016 als unbegründet zurückwies.
Mit der am 6. April 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Kostenübernahmeantrag weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen,
ihr Antrag gelte nach §
13 Abs.
3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) als genehmigt. Die Beklagte habe nicht innerhalb der vorgesehenen Fünfwochenfrist, die am 2. Februar 2016 abgelaufen sei,
entschieden. Außerdem habe die Beklagte ihr weder mitgeteilt, dass der MDK eingeschaltet worden sei, noch sonst Gründe, aus
denen sich die Entscheidung verzögere. Die Beklagte sei mit materiell-rechtlichen Einwendungen präkludiert. Die Fiktionswirkung
beschränke sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht auf Leistungen, die bereits Gegenstand des Leistungskatalogs
der gesetzlichen Krankenversicherungen seien, oder auf zugelassene Leistungserbringer.
Nachdem sie die Liposuktionen am 25. April 2016, 15. Juni 2016 und 10. August 2016 in der Klinik I hat durchführen lassen,
hat sie die Honorarvereinbarung, die Rechnungen und Zahlungsbelege vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird.
Sie hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2016 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, die für die Durchführung der Liposuktionen an den Ober- und Unterschenkeln sowie Oberarmen am 25.
April, 15. Juni und 10. August 2016 in der Klinik I entstandenen Kosten in Höhe von 14.985,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Genehmigungsfiktion des §
13 Abs.
3a SGB V sei auf Sachleistungsansprüche und durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Für "neue Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden" wie die der Liposuktion gelte die Genehmigungsfiktion daher nicht. Sachverhalte, in denen der Versicherte
- wie hier - aus dem Kostenübernahmeantrag erkennen könne, dass eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht bestehe, fielen nicht unter die Fiktion. Im Übrigen sei die Klägerin mangels einer den Vorgaben der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) entsprechenden Rechnung keinen Honoraransprüchen ausgesetzt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2018 antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 14.985,00 EUR als Kostenerstattung für die
selbstbeschafften Liposuktionen aus §
13 Abs.
3a SGB V zu. Die von der Klägerin beantragte Leistung gelte wegen Fristablaufs als genehmigt.
Aufgrund der fachärztlichen Befürwortung ihres Antrages habe die Klägerin Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems für
geeignet und erforderlich halten dürfen. Durch die Selbstbeschaffung seien ihr Kosten in Höhe von 14.985,00 EUR entstanden,
die sie beglichen habe. Die diesbezüglichen Rechnungen begründeten auch einen rechtswirksamen Vergütungsanspruch Dr. I. Sie
unterfiel dem Anwendungsbereich der GOÄ. Diesbezügliche Ziffern seien im Kostenvoranschlag im Einzelnen aufgeführt und auch in der Honorarvereinbarung benannt.
Gegen das am 18. Juni 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 9. Juli 2018, zu deren Begründung
sie ausführt, §
13 Abs.
3a SGB V sei nicht anwendbar, denn die Klägerin habe von Anfang an die Kostenübernahme für die Behandlung in einer Privatpraxis beantragt,
indem sie ausdrücklich die Kostenübernahme gemäß beigefügtem fachärztlichen Gutachten der Klinik Dr. I mit Kostenvoranschlägen
beantragt habe. Ausführliche Rechnungen mit einer Auflistung der GOÄ-Ziffern fehlten. Die Rechnungslegung durch Dr. I entspreche auch in keiner Weise der Konzeption der GOÄ. Der Arzt dürfe eine Ziffer für eine Leistung (ggf. pro Körperteil) in Ansatz bringen. Dr. I habe aber im Kostenvoranschlag
die Gebührenziffer 491 der GOÄ je 18 mal und die Gebührenziffer 2454 je 25 mal aufgelistet. Zur Bemessung eines erhöhten Aufwands habe allenfalls ein abweichender
Steigerungsfaktor gewählt werden dürfen. Die Nachbetreuung habe bei ärztlicher Aufsicht ebenfalls nach GOÄ abgerechnet werden müssen. Die Pauschale könne keine wirksame zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung begründen. Die von Dr.
I verlangte Vorkasse verstoße ebenfalls gegen § 12 GOÄ. Die Klägerin sei daher keinem fälligen Zahlungsanspruch ausgesetzt, so dass ihr auch kein Anspruch auf Kostenerstattung
zustehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.05.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Es könne dahingestellt bleiben, ob sie ihren Antrag auf zugelassene Leistungserbringer
habe beschränken müssen, damit er Gegenstand einer Genehmigungsfiktion sein könne. Dass sie bei Antragstellung die Inanspruchnahme
einer privatärztlichen Behandlung verfolgt habe, sei angesichts der vollständigen Ablehnung der Beklagten unerheblich. Sie
sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass bereits die Auswahl des Leistungserbringers fehlerhaft sein könne. Hätte die
Beklagte sie auf einen anderen Leistungserbringer verwiesen, wäre sie damit einverstanden gewesen. Ihr sei es in erster Linie
auf die Operation selbst angekommen. Sie könne sich nicht daran erinnern, ob ihr bei Antragstellung bewusst gewesen sei, dass
Dr. I kein zugelassener Leistungserbringer sei. Nach Ablehnung der Leistung sei sie nicht auf die Selbstbeschaffung bei einem
zugelassenen Leistungserbringer beschränkt gewesen. Sie sei auch einem rechtswirksamen Vergütungsanspruch von Dr. I ausgesetzt
gewesen. Es könne ihr nicht abverlangt werden, die angesetzten Gebührenziffern auf ihre Richtigkeit hin bzw. auf eventuelle
Verstöße gegen die GOÄ zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere gemäß §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des SG ist abzuändern. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die selbst beschafften Liposuktionen. Der Bescheid
der Beklagten vom 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2016 ist rechtmäßig und beschwert
die Klägerin nicht.
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch sowohl nach §
13 Abs.
3 SGB V als auch nach §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V sind nicht erfüllt. Denn der Klägerin sind keine erstattungsfähigen Kosten entstanden.
Die Erstattung von Kosten setzt sowohl begrifflich wie nach Wortlaut und Zweck von §
13 Abs.
3 SGB V und §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V voraus, dass dem Versicherten Kosten entstanden sind. Geht es - wie hier - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so
besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der GOÄ erteilt worden ist. (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 1/17 R -; BSG, Urteil vom 23.07.1998 - B 1 KR 3/97 R -).
Die Rechnung von Dr. I begründete keinen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Sie unterfiel dem Anwendungsbereich der GOÄ (§ 1 Abs. 1 GOÄ), erfüllt jedoch die für einen fälligen Vergütungsanspruch erforderlichen formellen Voraussetzungen insbesondere der Regelung
des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ nicht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 33/17 R -). Gebührennummern, Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung (einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls
genannten Mindestdauer) sowie der jeweilige Betrag und der Steigerungssatz sind in den Rechnungen nicht angegeben. Ausgewiesen
ist lediglich ein in allen Fällen gleicher Gesamtbetrag, das Leistungsdatum und die "Menge der Absaugung". Es ist keine Bezugnahme
auf die Kostenvoranschläge enthalten. Die Angaben aus den Kostenvoranschlägen können den Mangel auch deshalb nicht heilen,
weil der abgerechnete Betrag - wenn auch geringfügig - von den Kostenvoranschlägen abweicht und nicht ersichtlich ist, ob
die in den Kostenvoranschlägen ausgewiesenen Leistungen den Rechnungen zugrunde liegen.
Eine fällige Forderung ergibt sich auch nicht aus den Behandlungsverträgen. Dort sind zwar die GOÄ-Ziffern, der Faktor und die Leistungsbeschreibung sowie der Gesamtbetrag angegeben. Wie sich letzterer zusammensetzt, insbesondere
ob Ziffern mehrfach angesetzt wurden, lässt sich allein aus diesen Angaben aber nicht ermitteln. Den Anforderungen von § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ genügen die Angaben im Behandlungsvertrag nicht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich aus einem Vergleich der Kostenvoranschläge und Rechnungen für die
drei bei der Klägerin durchgeführten Operationen und dem den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in anonymisierter Form
ausgehändigten Kostenvoranschlag der Klinik I aus dem Verfahren L 11 KR 340/18 ergibt, dass hier entgegen des durch die Kostenvoranschläge erweckten Anscheins jeweils das gleiche Pauschalhonorar für die
Liposuktion abgerechnet wurde.
Versicherten entstehen dann keine Kosten im Rechtssinne, wenn der behandelnde Arzt anstelle der Vergütung von Einzelleistungen
ein Pauschalhonorar ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ in Rechnung stellt und den Auslagenersatz pauschaliert (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 1/17 R -; Urteil vom 02. September 2014 - B 1 KR 11/13 R -; BGH, Urteil vom 23. März 2006 - III ZR 223/05 -). Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern,
wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 1/17 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).