Aufhebung eines gegen einen Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum Termin im sozialgerichtlichen Verfahren;
Unwirksamkeit einer Ersatzzustellung des Ordnungsgeldbeschlusses
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn als Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum
Termin.
Das Sozialgericht Magdeburg (SG) hat den Beschwerdeführer in einem Rechtshilfeersuchen des Landesversorgungsamtes zur Erstattung eines Befundberichts am
1. Juli 2010 zum Termin am 24. August 2010 geladen. Die Ladung wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch
Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Mit der Ladung ist der Beschwerdeführer auf die
Folgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Termin (Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Wochen) hingewiesen worden. Zur Verhandlung am 24. August 2010 ist der Beschwerdeführer
nicht erschienen.
Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24. August 2010 aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe
von 250,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft für die Dauer von zwei
Tagen festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei aufgrund des zu vermutenden Einkommens und nach den hier vorliegenden
Umständen (unentschuldigtes Nichterscheinen trotz zeitlich weiträumiger Ladung) die Festlegung der Höhe von 250,00 EUR angemessen.
Gegen den ihm am 30. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 6. September 2010 Beschwerde beim SG erhoben und diese wie folgt begründet: Eine Vorladung sei nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Er sei nicht das Schmerzzentrum
B. selbst, sondern ein Angestellter dieser relativ großen Einrichtung. Die gerichtlichen Schreiben seien von irgendjemandem
entgegengenommen worden, nur niemals von ihm selbst, wie eine Unterschriftenprobe zeigen würde. Er sei durchaus in der Lage
zu erkennen, dass er einer gerichtlichen Vorladung Folge leisten müsse, da dies strafbewehrt sei. Dies gelte umso mehr, da
er dies in seiner bisherigen Tätigkeit bereits schon mehrfach erlebt habe. Insofern erscheine es nicht einleuchtend, warum
er jetzt auf einmal wissentlich eine Ordnungsgeldstrafe riskieren solle. Er habe die Ladung nicht persönlich erhalten. Derartige
Post müsse an ihn "persönlich/vertraulich" über das Schmerzzentrum B. zugestellt werden.
Das SG hat die Sache dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats, wer Inhaber des Schmerzzentrums
und in welcher Rechtsform der Beschwerdeführer tätig sei, hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des ärztlichen Leiters des
MVZ Schmerzzentrum B. vom 15. November 2010, Dr. J., vorgelegt. Dr. J. hat mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei im Angestelltenverhältnis
tätig. Er sei nicht mit leiteten oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfüge nicht über die arbeitsorganisatorische
Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung.
II.
Nach §
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §
380 Abs.
1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen
und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.
Die Ladung des Beschwerdeführers zum Termin am 24. August 2010 wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch
Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Diese Zustellung ist nicht wirksam, weil sie nicht
den Vorschriften des §
63 SGG i.V.m. §§
176 ff.
ZPO entspricht und auch keine Heilung eingetreten ist. Zwar kann eine Ersatzzustellung auch in Geschäfträumen vorgenommen werden.
Nach §
178 Abs.
1 Nr.
2 ZPO gilt insoweit aber Folgendes: Wird die Person, der zugestellt werden soll, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das
Schriftstück einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person zugestellt werden. Dabei muss es sich um einen Geschäftsraum
des Zustellungsadressaten handeln. Für Angestellte kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort einer Ersatzzustellung sein (Zöller-Stöber,
28. Auflage 2010, § 178 Rn. 16; OLG Celle, Beschluss vom 12. August 2011, 322 SsBs 167/11, zitiert nach juris). Danach konnte
keine Ersatzzustellung durch die Übergabe an Herrn G. erfolgen, da der Beschwerdeführer nach dem Schreiben des Ärztlichen
Leiters des Schmerzzentrums B. Dr. J. in diesem lediglich in einem Angestelltenverhältnis tätig ist. Er ist nicht mit leitenden
oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfügt nicht über eine arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den
anderen Angestellten der Einrichtung. Es handelt sich beim Schmerzzentrum B. also nicht um seinen Geschäftsraum.
Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung nach §
189 ZPO ist nicht erfolgt, da dies den tatsächlichen Zugang voraussetzt. Nach dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. September
2010 ist ihm die Ladung zum Termin nicht zur Kenntnis gelangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des §
197a SGG. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum begünstigten Personenkreis des §
183 SGG, nach dem nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger
von den Gerichtskosten befreit sind, wenn sie als Kläger oder Beklagte an einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht beteiligt
sind. Als Zeuge gehört der Beschwerdeführer nicht zu diesem Personenkreis (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
176 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerde ist in vollem Umfang erfolgreich. Entsprechend hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer
die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet für die Durchführung einer erfolgreichen
Beschwerde §
467 Abs.
1 der
Strafprozessordnung entsprechend an (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Juni 2011 - L 7 SB 29/11, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2010, L 2 AS 708/10 B, beide zitiert nach juris). Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 21 des Gerichtskostengesetzes abzusehen (Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage 2012, §
155 Rn. 24).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§177
SGG).