Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss wegen Nichterscheinens zu einer mündlichen Verhandlung
Unterbliebene Mitteilung eines Umzuges
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR. Dieses wurde gegen die Klägerin zu 1. mit Beschluss
des Sozialgerichts vom 07. März 2016 festgesetzt, weil sie zur mündlichen Verhandlung am 07. März 2016 nicht erschienen war.
Mit weiterem Beschluss des Sozialgerichts vom 20. Juni 2016 hat dieses die Aufhebung des Ordnungsbeschlusses vom 07. März
2016 abgelehnt.
Die Klägerin zu 1. wurde im Hauptsacheverfahren S 31 AS 3175/13 am 18. Januar 2016 zur mündlichen Verhandlung am 07. März 2016 per Postzustellungsurkunde geladen. Die Ladung erfolgte an
die Anschrift " ". Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ladung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt.
Zum Verhandlungstermin erschien die Klägerin zu 1. nicht. Ihr Prozessbevollmächtigter teilte auf Nachfrage mit, dass sie Kenntnis
vom Termin habe, Gründe für ihr Ausbleiben seien ihm nicht bekannt. Darauf setzte die 31. Kammer des Sozialgerichts am 07.
März 2016 gegen die Klägerin zu 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR fest. Der Beschluss wurde verkündet und ohne Rechtsmittelbelehrung
in die Sitzungsniederschrift aufgenommen. Im weiteren Termin am 20. Juni 2016 erklärte die Klägerin, sie sei seit dem 01.
September 2014 in " " wohnhaft und habe keine Kenntnis vom vorangegangenen Verhandlungstermin gehabt. Ferner beantragte sie
die Überprüfung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 07. März 2016.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2016 lehnte das Sozialgericht die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses ab. Die Klägerin zu 1.
sei gehalten gewesen, die Änderung ihrer Anschrift dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen. Indem sie dies nicht getan habe, habe
sie schuldhaft gehandelt. Am 26. August 2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger "namens und im Auftrag der Kläger Beschwerde
gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 20.06.2016 eingelegt". Er hat die Beschwerde nicht begründet.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin zu 1. gegen den Beschluss vom 20. Juni 2016 ist unzulässig (a.); soweit sich die Beschwerde
- im Wege der Auslegung - zugleich auch gegen den Beschluss vom 07. März 2016 richtet, ist sie unbegründet (b.). Bleibt ein
Beteiligter im Termin aus, so kann gegen ihn ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen
festgesetzt werden (§
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO i.V.m. §
202 Satz 1
SGG). Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben
verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden
kann, Ordnungshaft festgesetzt (§
380 Abs.
1 ZPO i.V.m. §
202 Satz 1
SGG). Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig
genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die
Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung
kein Verschulden trifft. Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung nachträglich, so werden die getroffenen
Anordnungen aufgehoben (§
381 Abs.
1 ZPO i.V.m. §
202 Satz 1
SGG). Bei der Beschlussfassung über die Verhängung des Ordnungsgeldes wirken die ehrenamtlichen Richter mit (vgl. Thüringer Landessozialgericht,
Beschluss vom 20. April 2005 - Az.: L 6 B 3/04 RJ). a. Soweit sich die Beschwerde der Klägerin zu 1. gegen den Beschluss vom 20. Juni 2016 (Ablehnung der Aufhebung des
Ordnungsgeldbeschlusses) richtet, ist sie bereits unstatthaft.
Gegen die Entscheidung über die Aufhebung des Ordnungsmittels sieht §
381 ZPO - im Unterschied zu §
380 ZPO - kein Rechtsmittel vor (vgl. Damrau in: Münchener Kommentar zur
Zivilprozessordnung, §
381 Rn. 16; ferner: Greger in: Zöller,
ZPO, §
381 Rn. 6). Dem Betroffenen steht bereits hinreichender Rechtschutz gegen den vorangegangenen Ordnungsmittelbeschluss zur Seite,
denn gegen diesen ist die Beschwerde statthaft (§
380 Abs.
3 ZPO i.V.m. §
198 Abs.
3 SGG). Andernfalls würde auch die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den vorangegangenen Ordnungsgeldbeschluss ins Leere
laufen.
b. Die Beschwerde der Klägerin zu 1. ist jedoch im Wege der Auslegung zugleich als Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.
März 2016 (Beschluss über die Festsetzung des Ordnungsgeldes) zu sehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist,
im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. Für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich
der Anträge ist §
133 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) entsprechend anzuwenden. Es ist nicht am Wortlaut einer Erklärung zu haften. Vielmehr ist der wirkliche Wille zu erforschen
und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht erkennbar ist. Die Auslegung von Anträgen richtet sich danach, was als Leistung
möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und
keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 119/10 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 21 Rdnr. 29 m.w.N.).
In der Sache richtet sich das Begehren der Klägerin zu 1. auf Beseitigung ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Ordnungsgeldes.
Diese könnte sie jedenfalls mit einer erfolgreichen Anfechtung des Beschlusses vom 07. März 2016 erreichen, sodass ihre Beschwerde
gegen den Beschluss vom 20. Juni 2016 zugleich als Beschwerde gegen den Beschluss vom 07. März 2016 gesehen werden kann sehen
(vgl. auch Damrau in: Münchener Kommentar zur
Zivilprozessordnung, §
381 Rn. 16).
Diese Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht verfristet. Gemäß §
380 Abs.
3 ZPO i.V.m. §§
198 Abs.
3,
173 SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats zu erheben.
Der Beschluss des Sozialgerichts wurde in der mündlichen Verhandlung am 07. März 2016 verkündet und in die Sitzungsniederschrift
aufgenommen (§§
142 Abs.
1,
132 SGG). Gemäß §
142 Abs.
2 Satz 1
SGG ist der Beschluss zu begründen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. An der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung
fehlt es vorliegend, sodass gemäß §
66 Abs.
2 SGG die Jahresfrist gilt. Daraus folgt, dass die Klägerin zu 1. noch am 26. August 2016 in zulässiger Weise Beschwerde gegen
den Beschluss vom 07. März 2016 erheben konnte.
Diese Beschwerde ist aber unbegründet. Der Beschluss vom 07. März 2016 ist zu Recht ergangen.
Die Klägerin zu 1. hat ihre Beschwerde nicht begründet. Es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, was für eine abweichende
Entscheidung spricht. Zwar hat die Klägerin zu 1. am 20. Juni 2016 angegeben, von dem Termin zur mündlichen Verhandlung am
07. März 2016 keine Kenntnis gehabt zu haben. Sie wurde jedoch mit Postzustellungsurkunde vom 18. Januar 2016 ordnungsgemäß
geladen. Die Ladung wurde ausweislich der Urkunde in den Briefkasten der Wohnung " " eingelegt. Die Zustellungsurkunde ist
eine öffentliche Urkunde (§§
415 Abs.
1,
418 ZPO). Sie liefert den vollen Beweis für die Richtigkeit der darin enthaltenen Tatsachen (§
418 Abs.
1 ZPO).
Die Klägerin zu 1. hat lediglich angegeben, sie habe keine Kenntnis von dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 07. März
2016 gehabt. Damit hat sie keinerlei Tatsachen dargetan, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der Zustellungsurkunde (§
418 Abs.
2 ZPO) sprechen. Daraus folgt, dass die Klägerin zu 1. zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 07. März 2016 ordnungsgemäß geladen
worden ist.
Soweit die Klägerin zu 1. angegeben hat, sie sei bereits seit September 2014 " " wohnhaft, so handelt es sich hierbei nicht
um Umstände, die der Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Wege stehen.
Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt (nur dann), wenn den Betroffenen an seinem Ausbleiben kein Verschulden trifft
(§
381 Abs.
1 ZPO). Dies ist hier nicht der Fall.
Vorliegend ist es allein der Sphäre der Klägerin zu 1. zuzuschreiben, dass sie ihren Umzug dem Gericht nicht rechtzeitig mitgeteilt
hat. Sie hätte die Änderung ihrer Anschrift rechtzeitig bekanntgeben müssen, um dafür Sorge zu tragen, dass sie von Ladungen
des Gerichts rechtzeitig Kenntnis erlangt. Dies hat sie nicht getan. Hinsichtlich der weiteren Gründe wird entsprechend §
153 Abs.
2 SGG auf die Gründe des Beschlusses vom 20. Juni 2016 verwiesen.
Auch die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Denn sie liegt mit 150,00 EUR im unteren Bereich des
in Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vorgegebenen Rahmens von 5,00 bis 1.000,00 EUR. Einer besonderen Begründung bedarf eine Festsetzung in dieser Höhe nicht
(vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10. Oktober 2007 - VI B 119/06). Im Übrigen ist die Höhe auch nach der eigenen Prüfung durch den Senat nicht unangemessen. Die Klägerin zu 1. selbst hat
keine weiteren Gesichtspunkte tatsächlicher Art, insbesondere im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, vorgetragen,
die eine Herabsetzung rechtfertigen könnten.
2. Soweit die Beschwerde auch für die Kläger zu 2. und 3. erhoben wurde, ist sie unzulässig.
Die Beschwerde wurde durch den Prozessbevollmächtigten ausdrücklich auch im Namen der Kläger zu 2. und 3. erhoben. Wenn ein
Rechtsanwalt oder ein sonstiger rechtskundiger Bevollmächtigter einen konkreten und klaren Antrag stellt, besteht regelmäßig
keine Veranlassung, diesen Antrag auszulegen. Dies gilt selbst dann, wenn bei objektiver Betrachtung ein engerer, weiterer
oder gänzlich anderer Antrag sachgerecht gewesen wäre. Denn eine bestimmte Fassung eines Antrages ist das Ergebnis von vorangegangenen
Erwägungen, die sich als zutreffend oder unzutreffend erweisen können. Eine Auslegung dient aber nicht dazu, etwaige Irrtümer
oder Missverständnisse bei der Würdigung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auszugleichen, sondern Unklarheiten
in Bezug auf einen Antrag oder eine sonstige Willenserklärung zu beseitigen (vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil
vom 15. Dezember 2011 - L 3 AS 480/09 -, Rn. 45, juris). Die Kläger zu 2. und 3. sind durch den Ordnungsgeldbeschluss vom 07. März 2016 nicht beschwert, da das
Sozialgericht gegen sie kein Ordnungsgeld festgesetzt hat. Zur mündlichen Verhandlung am 07. März 2016 war allein das persönliche
Erscheinen der Klägerin zu 1. angeordnet und von den drei Klägern wurde allein sie geladen. Der Beschluss des Sozialgerichts
nimmt hierauf Bezug und setzte gegen "die Klägerin" ein Ordnungsgeld fest. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass das Ordnungsgeld
allein gegen die Klägerin zu 1. festgesetzt worden ist. Folglich besteht für die Kläger zu 2. und 3. auch keine Beschwer im
Hinblick auf den weiteren Beschluss des Sozialgerichts vom 20. Juni 2016, mit welchem dieses die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses
abgelehnt hat. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Die Entscheidung ist nach §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.