SG Berlin, Urteil vom 27.02.2006 - S 77 AL 742/05
Sittenwidrigkeit von Stellenangeboten der Bundesagentur für Arbeit, Höhe des Arbeitsentgelts, soziokulturelles Existenzminimum,
Verbot der Diskriminierung von Frauen
1. Die Bundesagentur für Arbeit darf dem Arbeitslosen keine Stellenangebote mit sittenwidrigen Entgeltvereinbarungen unterbreiten.
Ein die Sittenwidrigkeit begründendes auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn der angebotene Lohn bei Vollzeitarbeit unter
dem Sozialhilfeniveau für eine volljährige alleinstehende Person ohne Unterhaltsverpflichtungen, bei sozialhilferechtlich
angemessener Unterkunft und bei uneingeschränkter Erwerbsfähigkeit liegt.
2. Die Sozialhilfe/Grundsicherung bestimmt den Maßstab für die Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums als sozialstaatlich-menschenwürdeorientierten,
für alle Rechtsgebiete bedeutsamen Grenzwert.
3. Für 2004 ist von einem Betrag des arbeitsrechtlich maßgeblichen Existenzminimums für alleinstehende Erwerbstätige in Berlin
in Höhe von 780,20 Euro (2006: 795 Euro) auszugehen.
4. Steigern alleinerziehende Mütter ihre Erwerbstätigkeit von einer Teilzeitbeschäftigung auf Vollzeitbeschäftigung, so ist
zur Vermeidung indirekter Diskriminierung von Frauen nach §
121 Abs.
3 S. 3 iVm S. 1
SGB III ein fiktiver Leistungsbezug unter Zugrundelegung einer vollschichtigen Vorbeschäftigung mit den Bedingungen der angebotenen
Vollzeit-Tätigkeit zu vergleichen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Fundstellen: AuR 2006, 374, AuR 2007, 54
Normenkette: ,
BSHG § 12 § 22 Abs. 4 § 76 Abs. 2 § 76 Abs. 2a
,
EuSC Art. 4 Nr. 1
,
GG Art.
1 Art.
2 Abs.
1 Art.
20 Abs.
1 Art.
9 Abs.
3
,
MiArbG § 1 § 8
,
SGB XII § 28 Abs. 4 § 82 Abs. 3
,
SGB II § 30
,
,
TVG