Prozesskostenhilfe, Sozialhilfe: Beschleunigungsgebot; Erfolgsaussichten; Entscheidungsreife; faires Verfahren; Familiengemeinschaft
im Sozialhilfeprozess
Gründe:
Die - allein von der Klägerin eingelegte - Beschwerde hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Nach der ständigen
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat jeder Hilfebedürftige einen eigenständigen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt,
so dass bei einer Familiengemeinschaft alle Mitglieder, die betroffen sind, klagen müssen, wobei minderjährige Kinder durch
die Sorgeberechtigten vertreten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.1972, BVerwGE 39, 314; Urteil vom 15.12.1977, BVerwGE 55, 148; LPK-BSHG, 6. Aufl., Anhang III RdNr. 92). Da hier die Beschwerde eindeutig und ausschließlich nur von der Klägerin eingelegt worden
ist, kommt es für die Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen (§
166 VwGO i.V.m. §
114 ZPO), nur auf die Rechtsverfolgung durch die Klägerin an. Diese kann jedoch - wie ausgeführt - mangels Klagebefugnis (§
42 Abs.
2 VwGO) nicht zulässigerweise im eigenen Namen Sozialhilfeansprüche ihrer Kinder prozessual geltend machen (vgl. ferner Kopp/Schenke,
VwGO, 13. Aufl., Vorb. §
40 RdNr. 25).
Soweit die Klägerin mit ihrer Klage eigene Sozialhilfeansprüche geltend gemacht hat, hätte das Verwaltungsgericht dem Antrag
vom 08.07.2003 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechen müssen, weil insoweit die Voraussetzungen für die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe gegeben sind. Die erforderliche Erfolgsaussicht ist schon dann zu bejahen, wenn und soweit ein Obsiegen
der Klägerin ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Unterliegen. Der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist hier der Erkenntnisstand
zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages, die schon bei dessen Einreichung am 08.07.2003 gegeben
war, zu Grunde zu legen und nicht der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, die
hier erst n a c h Verkündung des Urteils vom 01.12.2003 getroffen worden ist.
Die verfassungsrechtlich fundierte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.03.1988, BVerfGE 78, 88; Beschluss vom 26.04.1988, BVerfGE 78, 104; Beschluss vom 13.03.1990, BVerfGE 81, 347) Funktion der Prozesskostenhilfe macht nicht nur die Beschleunigung des Prozesskostenhilfeverfahrens durch das Gericht notwendig
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.10.2003, NVwZ 2004, 334), sondern ist auch bei der Beantwortung der Frage von Bedeutung, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten
der Rechtsverfolgung durch das Gericht maßgebend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2004 - 7 S 908/03 - m.w.N.). Trägt ein Gericht, das über einen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden hat, dem Beschleunigungsgebot - aus
welchen Gründen auch immer - nicht hinreichend Rechnung, so kann dies keinen sachlichen Grund bilden, um den Anspruch des
Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu schmälern und ihn schlechter zu stellen als im Falle einer rechtzeitigen
Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch.
Bezogen auf die im vorliegenden Fall erfolgte Sachbehandlung des Prozesskostenhilfeantrags ist in diesem Zusammenhang anzumerken,
dass eine Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zeitgleich mit dem Urteil oder sogar danach gegen den Grundsatz des
fairen Verfahrens und gegen das Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung (Art.
19 Abs.
4 Satz 1
GG) verstößt, sofern hierdurch dem Antragsteller Nachteile entstehen können (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 13. Aufl., §
166 RdNr. 11; Bader/Funke-Kaiser/ Kuntze/von Albedyll,
VwGO, 2. Aufl., §
166 RdNrn. 30, 60). Im vorliegenden Fall hätten bei einer rechtzeitigen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch möglicherweise
nicht nur weitere außergerichtliche Kosten vermieden werden können, sondern es hätten im Rahmen eines der Urteilsfällung vorausgehenden
Beschwerdeverfahrens wegen Prozesskostenhilfe möglicherweise auch die Folgen abgewendet werden können, die aufgrund des fehlerhaft
formulierten gerichtlichen Hinweises vom 08.09.2003 dann eingetreten sind und wodurch der Anspruch auf eine umfassende gerichtliche
Nachprüfung der geltend gemachten Ansprüche möglicherweise verkürzt worden ist. Ohne Weiteres hätte der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin im Zeitpunkt des richterlichen Hinweises vom 08.09.2003 klarstellen können, dass außer der Klägerin auch deren
Kinder klagen; zu einem entsprechenden - sachdienlichen - Hinweis wäre das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen (vgl. BVerwG,
Urteile vom 16.02.1972 und vom 15.12.1977, jeweils a.a.O.; LPK-BSHG a.a.O. Anhang III RdNr. 93; Kopp/Schenke a.a.O. § 82 RdNr. 3 [insbesondere Fußnote 4]; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll a.a.O. § 82 RdNr. 4). Der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin vom 19.09.2003, wonach die Klägerin allein berechtigt sei, die Aufhebung der streitigen Bescheide und die Verpflichtung
zur Neubescheidung zu verlangen, wäre bei einem ordnungsgemäßen Hinweis seitens des Verwaltungsgerichts in dieser Form kaum
denkbar.
Dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum maßgeblichen Zeitpunkt (im o.g. Umfang) nicht ohne hinreichende
Erfolgsaussicht war, ergibt sich aus der umfangreichen Aufklärungsverfügung des Verwaltungsgerichts in der ersten mündlichen
Verhandlung am 26.08.2003, den zwar nicht dokumentierten, jedoch seitens des Beklagten bestätigten Vergleichsgesprächen, die
vom Verwaltungsgericht angeregt worden sind, sowie aus dem Umstand, dass das zur Förderung der Familie gezahlte Kindergeld
nach §§ 76 ff. BSHG zwar grundsätzlich anrechenbares Einkommen des Kindergeldberechtigten ist, hiervon es jedoch im Einzelfall Ausnahmen geben
kann.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass das Verwaltungsgericht in dem später ergangenen Urteil aufgrund der dort
getroffenen Feststellungen zu Recht eigene Sozialhilfeansprüche der Klägerin verneint haben dürfte; mit der vorliegenden Entscheidung
des Senats ist auch nichts darüber gesagt, ob den Kindern der Klägerin die damals geltend gemachten Sozialhilfeansprüche zugestanden
haben oder nicht.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§
188 Satz 2
VwGO); die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§
166 VwGO i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).