Sozialhilferecht (einschließlich Grundsicherung und Verfahren zu pauschaliertem Wohngeld): Sozialhilfe, Kostenerstattung,
Begriff der Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG (Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept in S.)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Übernahme der Kosten für die Unterbringung des 1958 geborenen und mittlerweile verstorbenen Hilfeempfängers
Dr. P. (HE) in der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH in S., im Bereich des Beigeladenen zu 2., im Zeitraum
vom 1. August 2003 bis 30. April 2004.
1. Der HE war aufgrund einer Multiplen Sklerose-Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt und erhielt Leistungen entsprechend
Pflegestufe II nach den Bestimmungen des
SGB XI. Vor der streitigen Unterbringung lebte er in A., im Bereich der Beigeladenen zu 1., der erforderliche Pflegebedarf wurde
dort durch einen ambulanten Pflegedienst sichergestellt.
Am 2. Oktober 2001 verzog der HE in die Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH, wo er bis zu seinem Tode lebte.
Betreut wurde er durch den Pflegedienst Wohnforum Coburg gGmbH.
2. Mit Bescheid vom 2. April 2002 übernahm die Beigeladene zu 1 vorläufig im Rahmen des §
43 Abs.
1 SGB I die weiterhin notwendige Hilfe zur Pflege in Form von Pflegesachleistungen, soweit nicht vorrangige Leistungen der Pflegekasse
gewährt wurden, da der Beigeladene zu 2 seine Leistungspflicht verneinte. Aufgrund vorhandenen nicht verwertbaren Vermögens
wurde die Hilfe darlehensweise geleistet.
3. Zum 1. August 2003 schloss die Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH mit dem Kläger eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung gemäß
§ 93 Abs. 2 BSHG ab. Daraufhin stellte die Beigeladene zu 1 mit Bescheid vom 23. September 2003 die Hilfegewährung unter Hinweis auf die sachliche
Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zum 31. Juli 2003 ein und meldete gegenüber dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2 Kostenerstattungsansprüche für die Zeit
vom 2. Oktober 2001 bis 31. Juli 2003 an. Über eine insoweit beim Verwaltungsgericht Bayreuth anhängige Klage ist bislang
noch nicht entschieden.
4. Der mit Schreiben der Betreuerin des HE vom 31. Oktober 2003 an den Beklagten gerichtete Kostenübernahmeantrag für die
Zeit ab 1. August 2003 wurde von diesem am 25. November 2003 an den Kläger weitergereicht mit der Begründung, dass mit dem
Einzug des HE in die Wohngemeinschaft am 2. Oktober 2001 der gewöhnliche Aufenthalt in Mittelfranken aufgegeben und in S.
neu begründet worden sei. Den Einrichtungscharakter im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG habe die Wohngemeinschaft in S. erst mit dem Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung erlangt.
Nach weiterem Schriftverkehr übernahm der Kläger vorläufig und ebenfalls darlehensweise die Kosten für die Unterbringung des
HE in S.. Ab dem 1. August 2003 ergänzend auch die Aufwendungen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung, Barbetrag
und Behindertenfahrdienst. Gleichzeitig machte er Kostenerstattung beim Beklagten geltend, die dieser mit Schreiben vom 8.
März 2004 ablehnte.
5. Die Klage des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, die Aufwendungen für die stationäre Unterbringung des HE samt Nebenkosten
für die Zeit vom 1. August 2003 bis 30. April 2004 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit
zu erstatten, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juli 2005 abgewiesen. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch
ergebe sich vor allem nicht aus § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG. Die Wohngemeinschaft Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH sei zum Zeitpunkt des Umzugs des HE am 2. Oktober 2001 von A. nach S. keine
"Einrichtung" im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG gewesen, so dass dieser dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt habe begründen können. Die Frage, ob eine Einrichtung im
Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG vorliege, sei grundsätzlich objektbezogen und nicht individuell hinsichtlich jedes einzelnen Bewohners zu entscheiden. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum identischen Begriff der Einrichtung nach § 100 Abs. 1 BSHG sei unter einer Einrichtung ein für die genannten Hilfen in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung
zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für
einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt sei. Das bedeute, dass der Einrichtungsträger die "Gesamtverantwortung
für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers" übernimmt. Das sei hinsichtlich der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH im Zeitpunkt
des Umzugs des HE jedoch nicht der Fall gewesen. Der HE habe ausweislich der am 1. Oktober 2001 mit der Rollstuhl-Wohnkonzept
gGmbH geschlossenen Vereinbarung eine mietvertragliche Regelung hinsichtlich der Überlassung eines Appartements einschließlich
der Mitbenutzung der Gemeinschaftsanlagen geschlossen. Die für ihn erforderliche pflegerische Betreuung werde durch den eigenständigen
Pflege- und Betreuungsvertrag, den er mit dem Pflegedienst Wohnforum Coburg gGmbH am 8. Oktober 2001 abgeschlossen habe, sichergestellt.
Es handele sich daher nicht nur um zwei rechtlich selbständige Verträge, vielmehr stellten die Vertragspartner des HE auch
zwei unterschiedliche juristische Personen dar, die voneinander unabhängig seien. Im Hinblick auf die - jedenfalls bis zum
Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung - vorliegende rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der Rollstuhl-Wohnkonzept
gGmbH liege keine stationäre Einrichtung vor, die unter verantwortlicher Trägerschaft der gGmbH der Pflege der Bewohner diene.
Vielmehr mache bereits der Umstand, dass der HE nach den vertraglichen Regelungen mit der Wohngemeinschaft gGmbH den ambulanten
Pflegedienst frei wählen könne, deutlich, dass der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des HE eben
gerade nicht übernehme. Zwar werde nicht verkannt, dass in aller Regel sämtliche Bewohner der Wohngemeinschaft tatsächlich
die ambulanten Pflegeleistungen durch den Pflegedienst Wohnforum Coburg in Anspruch genommen hätten und dieser ausschließlich
in der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH tätig sei. Entscheidend sei aber, dass die zugrundeliegenden rechtlichen Verbindungen voneinander
unabhängig erfolgt seien und keinerlei rechtliche Bindung der Bewohner der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH bestanden habe, gerade
mit diesem Träger den Pflegevertrag abzuschließen. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen Pflegedienst und Wohngemeinschaft eine
gegenseitige vertragliche Bindung bestünde, wonach sich diese gegenseitig verpflichten, nur Hilfeempfänger aufzunehmen bzw.
zu betreuen, die jeweils die Leistungen des anderen in Anspruch nehmen, seien nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass
die Geschäftsführer der Wohngemeinschaft und des Pflegedienstes miteinander verheiratet seien, ändere nichts an der rechtlichen
Unabhängigkeit der beiden Träger einerseits und der freien Wahlmöglichkeit der Bewohner der Wohngemeinschaft hinsichtlich
des ambulanten Pflegedienstes andererseits. Dass die Bewohner der Wohngemeinschaft pflegebedürftig seien, stelle für sich
genommen ebenfalls keinen zwingenden Grund für die Annahme dar, dass eine Einrichtung im Sinne von § 97 BSHG vorliege, da diese Pflege eben gerade nicht durch die Wohngemeinschaft, sondern vielmehr von einem frei wählbaren ambulanten
Pflegedienst, sichergestellt werde. Allein aus dem Umstand der Einstufung der Wohngemeinschaft in S. als "Heim" im Sinne des
Heimgesetzes in dem mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. April 2003 (22 ZB 01.2441) in Rechtskraft
erwachsenen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29. März 2001 (B 6 K 00.914) ergebe sich der Einrichtungscharakter
im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG nicht. Hierfür sprächen bereits die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Gesetze.
6. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen
Antrag weiter verfolgt. Er trägt vor, die Wohngemeinschaft in S. sei schon zum Zeitpunkt des Umzugs des HE nach S. eine Einrichtung
nach § 97 Abs. 4 BSHG gewesen, da sie als stationäre Einrichtung unter verantwortlicher Trägerschaft der genannten Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH
der Pflege des HE gedient habe. Dies sei vom Verwaltungsgericht Würzburg im Beschluss vom 2. Juli 2003 (W 3 S 03.618) bestätigt
worden. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 29. März 2001 rechtskräftig entschieden, dass die
Wohngemeinschaft in S. unter das
Heimgesetz falle. Danach sei nicht zweifelhaft, dass nach der Konzeption der Wohngemeinschaft eine heimmäßige Betreuung der fast ausschließlich
schwer- oder schwerstpflegebedürftigen Bewohner bezweckt sei. Die Mieter würden in der Einrichtung auch pflegerisch betreut
und versorgt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Betreuungsleistungen nicht von der Wohngemeinschaft selbst, sondern vom ambulanten
Pflegedienst erbracht werden und keine formellen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Vermietungs- und Betreuungsanbieter
bestehen, da jedenfalls genügend Indizien für eine tatsächliche Abhängigkeit des Pflegedienstes von der Wohngemeinschaft als
Heimträgerin vorlägen.
Die angefochtene Entscheidung übersehe, dass der Pflegebedarf des HE die üblichen Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes
übersteige. Die erforderliche zum Teil zeitlich nicht planbare Pflege während der Nacht, täglich zum Essen, bei Toilettengängen
und bei sonstigen täglichen Verrichtungen könne von einem externen ambulanten Dienst nicht erbracht werden. Die Wohnforum
Coburg gGmbH habe u.a. eine Nachtwache vorgehalten und die Kosten neben den Kosten des ununterbrochen vorhandenen Tagdienstes,
wie in einer Einrichtung üblich, auf alle Bewohner nach Pflegeaufwand verteilt. Der Pflegedienst des Wohnforums sei in der
Einrichtung ständig präsent. Die ständige Präsenz entspreche nicht dem üblichen Leistungsspektrum eines ambulanten Dienstes,
der regelmäßig nur einzelne pflegerische Verrichtungen bei Hausbesuchen erbringe. Die Wahl eines eigenen ambulanten Dienstes
sei dem HE nur theoretisch möglich. Ambulantes betreutes Wohnen sei aus Kostengründen für den Personenkreis von schwerpflegebedürftigen
Menschen nicht möglich bzw. ausgeschlossen. Vorliegend sei durch das Betreiberehepaar künstlich der Anschein einer ambulanten
Wohnform erweckt worden, um der Notwendigkeit des Abschlusses einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung mit dem überörtlichen
Sozialhilfeträger zu entgehen. Die über die Leistungen der Pflegekassen für ambulante Pflege hinaus in hohem Umfang erforderlichen
Verrichtungen seien nach den Sätzen der ambulanten Pflege mit den örtlichen Sozialhilfeträgern abgerechnet worden. Die ab
1. August 2003 vereinbarte tägliche Vergütung von 88,81 Euro habe zu einem erheblichen Absinken der Einnahmen der Betreiber
geführt. Die ebenfalls ab 1. August 2003 zwischen dem Kläger und der Wohnforum gGmbH geschlossene Leistungsvereinbarung habe
keine Änderung der vor diesem Zeitpunkt erbrachten Betreuungsform mit sich gebracht, mit der Ausnahme, dass die Wohnforum
Coburg gGmbH ab diesem Zeitpunkt als alleiniger Leistungserbringer auftrete. Das vorhandene Personal sei 1:1 übernommen worden.
An der Betreuung der Bewohner habe sich mit Ausnahme der Finanzierung nach Abschluss der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung
keinerlei Änderung ergeben.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beigeladenen haben keine Anträge
gestellt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten
Bezug genommen (§
125 Abs.
1 Satz 1, §
117 VwGO).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger der
für die Zeit vom 1. August 2003 bis 30. April 2004 geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zusteht.
1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG in Betracht. Danach hat der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige Träger der Sozialhilfe dem Träger, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig,
in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunk der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten
vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch kann schon deshalb nicht auf
§ 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG gestützt werden, weil es sich bei der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH in S. zum Zeitpunkt des Umzugs des
HE am 2. Oktober 2001 von A. nach S. nicht um eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 BSHG handelte und dieser damit in S. einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte. Nach § 97 Abs. 4 BSHG sind Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne des Abs. 2 alle Einrichtungen, die der Pflege, Behandlung
oder sonstigen in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dienen. Dass diese Voraussetzungen bei der vom HE
besuchten Wohngemeinschaft jedenfalls bis zum Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem Kläger nicht vorlagen,
hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf nimmt der Senat Bezug (§
130 b Satz 2
VwGO).
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sei ergänzend ausgeführt: Da die Kostenerstattung nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG an die Zuständigkeitsregeln des § 97 Abs. 2 BSHG anknüpft und dort die Zuständigkeit für die vollstationäre Hilfe (Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen
Einrichtung) geregelt wird, ist die Grundvoraussetzung dieses Kostenerstattungsanspruchs die Hilfe in einer solchen vollstationären
Einrichtung (vgl. Schoch in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 103). Voraussetzung für das Vorliegen einer "Einrichtung" in diesem Sinne ist der unter verantwortlicher Leitung zusammengefasste
Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln, welcher der Pflege, Behandlung oder sonstigen im Bundessozialhilfegesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dient und der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren Wechsel im
Personenkreis bestimmt ist. Ob es sich um eine stationäre oder eine ambulante Einrichtung handelt, hängt von der Art der jeweiligen
Hilfemaßnahme und dem Konzept der in Anspruch genommenen Einrichtung ab (vgl. BVerwG je vom 24.2.1994 BVerwGE 95, 149; FEVS 45, 52 und FEVS 45, 183).
Für die hier in Rede stehende Hilfe setzt eine stationäre Einrichtung zumindest voraus, dass der Einrichtungsträger von der
Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzeptes die Gesamtverantwortung
für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt, wozu eine ständige leitende Kontrolle sowie dem jeweiligen Hilfefall
angemessene Beobachtung gehören. Diese Verantwortung muss auch dann wahrgenommen werden, wenn nach dem Therapiekonzept aktive,
direkte Behandlungsmaßnahmen entsprechend dem erreichten Grad an Selbständigkeit des Hilfeempfängers zurücktreten und andere,
stärker auf Abruf angelegte Hilfen in den Vordergrund rücken. Ohne eine die Entwicklung des Hilfeempfängers begleitende Kontrolle
ist eine derartige Verantwortung nicht möglich. Neben Therapiemaßnahmen muss deshalb die dem jeweiligen Hilfefall angemessene
Beobachtung des Hilfeempfängers und seiner am Hilfeziel orientierten Entwicklung treten (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben ist der HE in der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH lediglich ambulant betreut worden.
Das Ausmaß der in der Wohngemeinschaft geleisteten Betreuung rechtfertigt es nicht, die Wohngemeinschaft den stationären Hilfeformen
zuzuordnen. Zunächst kann nicht davon gesprochen werden, dass die zur Wohngemeinschaft zusammengefassten Wohnungen den wesentlichen
Zweck haben, der Betreuung (Pflege) der Bewohner zu dienen. Wesentliches Ziel, das mit der Schaffung dieser Wohnform vom Träger
verfolgt wird, ist es, den Bewohnern der dazugehörenden Wohnungen auch bei einem Nachlassen der Leistungsfähigkeit und bei
zunehmender Hilfebedürftigkeit noch eine selbständige Lebensführung in der ihnen bislang vertrauten Umgebung zu ermöglichen.
Dies kann naturgemäß im Einzelfall bei fortschreitendem Abbau der körperlichen und geistigen Kräfte für den jeweiligen Bewohner
ein höheres Maß an Pflege mit sich bringen. Gleichwohl ist bei Berücksichtigung des hinter dem Gedanken des betreuten Wohnens
liegenden Konzepts hauptsächlicher Zweck dieser Wohnform nicht die Pflege, sondern die Bereitstellung einer Wohnung für die
Bewohner. Entscheidend ist aber, dass der Träger der Wohngemeinschaft nach den gegebenen Umständen grundsätzlich nicht die
Verantwortung für die gesamte Lebensführung der Bewohner hat. Er hat ohne separaten Pflege- und Betreuungsvertrag zunächst
auch nicht die Pflicht zu ihrer Betreuung und Hilfeleistung. Die Initiative für die Organisation und Sicherstellung von Unterbringung,
Verpflegung und Betreuung muss vielmehr - jedenfalls im Grundsatz - vom jeweiligen Bewohner ausgehen. Dieser muss die zur
Abdeckung seines Hilfebedarfs notwendigen Schritte in die Wege leiten und entsprechende Maßnahmen selbst ergreifen. Dem entspricht
es auch, dass den Bewohnern vom Träger der Wohngemeinschaft aufgrund eines rechtlich selbständigen Mietvertrags letztlich
nur die Unterkunft gestellt wird, ihnen aber grundsätzlich die volle, auch zeitlich gestufte, tatsächliche und vertragliche
Wahlfreiheit in Bezug auf Betreuungsleistungen verbleibt. Ein Kontrahierungszwang mit dem Pflegedienst Wohnforum Coburg besteht
nicht. Solange die Bewohner für ihre pflegerische Betreuung einen separaten Pflege- und Betreuungsvertrag mit diesem Pflegedienst
- mag er mit der Wohngemeinschaft trotz der rechtlichen Selbständigkeit tatsächlich auch eine Einheit bilden - oder aber wahlweise
einem externen ambulanten Pflegedienst abschließen können, sich die Bewohner also die Pflege und Betreuung selbst "einkaufen"
müssen, handelt es sich um eine ambulante pflegerische Versorgung. Hier trifft nicht der Träger der Wohngemeinschaft einheitlich
und gesamtverantwortlich die Entscheidung über die Art und Weise der Betreuung und Pflege, sondern der einzelne Bewohner durch
einen separat abzuschließenden Vertrag mit einem frei wählbaren Pflegedienst. Nachdem die Bewohner die Wahlmöglichkeit haben,
einen anderen Pflegedienst zu beauftragen, trägt der Träger der Wohngemeinschaft nicht die Gesamtverantwortung für die Betreuung
seiner Bewohner.
Dass die Bewohner nur einer eingeschränkten und eben keiner Gesamtverantwortung des Trägers der Wohngemeinschaft unterliegen,
zeigt sich schließlich auch daran, dass sie grundsätzlich selbständig über ihr Einkommen - hier hat die Beigeladene dem Hilfeempfänger
Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt - verfügen können, dieses also nicht aus der Hand und damit auch nicht unter der Kontrolle des Trägers der Wohngemeinschaft
erhalten (vgl. zu diesen Kriterien BVerwGE 95, 149/154; BVerwG FEVS 45, 52/57).
Auch der Umstand, dass die Wohngemeinschaft rechtskräftig als Heim im Sinne des Heimgesetzes festgestellt ist (vgl. BayVGH
vom 9. April 2003 Az. 22 ZB 01.2441), steht dem nicht entgegen. Für die Beurteilung des Begriffs der "Einrichtung" im Sinne
des § 97 Abs. 4 und § 100 Abs. 1 BSHG kann nicht in §
1 Heimgesetz Aufschluss gesucht werden (vgl. BVerwG vom 24.2.1994, a.a.O.). Denn das
Heimgesetz verfolgt einen anderen Schutzzweck als das Sozialhilferecht. Es dient vor allem dem Schutz der Heimbewohner und ist daher
eher weit auszulegen. Die Kostenerstattungsregelungen des Bundessozialhilfegesetzes dienen dagegen dem Schutz der Einrichtungsorte
vor übermäßiger finanzieller Belastung bei stationärer Versorgung. Für eine weite Auslegung ist hier kein Raum.
Nachdem es sich bei der Wohngemeinschaft jedenfalls im Zeitpunkt der Aufnahme des HE um keine Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2, Satz 1, Abs. 4 BSHG handelte, ist der Beklagte nicht der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige (überörtliche) Träger der Sozialhilfe, so dass der Kläger gegen ihn keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2, §
188 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten verzichtet, weil er
davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO nicht vorliegen.
B e s c h l u s s:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.765,55 Euro festgesetzt.