Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten noch um eine Nachforderung von
Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 25 655,60 Euro für den Zeitraum vom 1.9.2011 bis 30.6.2013 aufgrund einer Betriebsprüfung.
Mit Bescheid vom 27.5.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2016 forderte die Beklagte vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge
und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 33 709,10 Euro. Das SG Stuttgart hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.1.2019). Der Berufung hat das LSG Baden-Württemberg insoweit stattgegeben, als Säumniszuschläge in Höhe von 8053,50 Euro festgesetzt
worden sind. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen; die Beigeladenen zu 1. bis 4. seien unter Abwägung aller tatsächlichen
Umstände im streitigen Zeitraum beschäftigt gewesen und hätten der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
unterlegen. Dabei sei der Kläger selbst als Subunternehmer im Rahmen eines Werkvertrags aufgetreten (Urteil vom 18.2.2020). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG und beantragt Prozesskostenhilfe
(PKH) unter Beiordnung seines Rechtsanwalts.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH ist abzulehnen. Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung
ist nicht erfüllt, weil die bereits durch einen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde unzulässig ist (dazu unter 2.). Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung seines Rechtsanwalts
(§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger sieht die Frage als grundsätzlich bedeutsam an,
"ob bei einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung des Klägers bei der Firma r…. es möglich ist, dass die Beigeladenen zu 1) bis
4) abhängige Vollzeitbeschäftigte des Klägers sind, obwohl der Kläger und die Beigeladenen zu 1) bis 4) gemeinsam die von
der Firma r…. zugewiesenen Arbeiten im Umfang von fünf Vollzeitbeschäftigungen (5 x 40 Wochenstunden) verrichteten und die
Firma r…. dafür maximal nur diejenige Vergütung bezahlte, die sie auch ihren 'regulären' Akkordbeschäftigten als Bruttolohn
bezahlte."
Mit dieser Frage wird im Kern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im konkreten Einzelfall gefragt. Es handelt sich
um keine klare Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des
Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn eine Rechtsfrage zu §
7 SGB IV als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger führt
aus, dass ein Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für eine Vielzahl von Beschäftigten nicht dadurch vermeiden
dürfe, dass alle Personen ein Gewerbe anmelden würden, aber nur eine "auserkorene" Person dem Arbeitgeber als Ansprechpartner
und Sprachrohr zu den anderen Personen diene. Da der Kläger selbst Beschäftigter der Firma r…. gewesen sei, könnten die Beigeladenen
zu 1. bis 4. nicht Beschäftigte des Klägers sein. Der Kläger setzt sich aber nicht ansatzweise mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu §
7 SGB IV auseinander und prüft nicht, ob sich daraus bereits ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung seiner Frage ergeben. Dass
er die angegriffene Entscheidung für rechtsfehlerhaft hält, begründet die Zulassung der Revision nicht.
b) Soweit der Kläger geltend macht, dass das LSG keine ausreichenden Feststellungen zu den tatsächlichen Verhältnissen getroffen
habe, erfüllt er die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (vgl hierzu allgemein BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN) nicht. Er trägt vor, das LSG sei seinem Beweisantrag zur Vernehmung des ihm und den Beigeladenen zu 1. bis 4. gemeinsamen
Steuerberaters nicht gefolgt. Zur Erläuterung verweist er auf seinen (ungefilterten) Vortrag vor dem LSG; daraus wird jedoch
nicht - wie zur Erfüllung der Darlegungsvoraussetzungen erforderlich - ersichtlich, dass er einen Beweisantrag auch bis zuletzt
aufrechterhalten hat. Ein im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter - wie der Kläger - kann aber nur dann mit
der Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört werden, wenn er einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil
wiedergibt. Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10 mwN). Dass dies geschehen sei, legt der Kläger aber nicht dar.
Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung des Sachverhalts und der Beweismittel (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) nicht einverstanden ist, stellt keinen Zulassungsgrund dar (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG).
c) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art
103 GG, §
62 SGG) rügt, erfüllt er ebenfalls nicht die Darlegungsvoraussetzungen. Er trägt vor, das LSG habe nicht beachtet, dass seine Rechnungen
an die Firma r…. von dieser vorgegeben worden seien, weil er andernfalls überhaupt keine Rechnung hätte erstellen können.
Es fehlt insoweit aber an näheren Darlegungen dazu, wann dies vom Kläger vorgetragen worden ist und aus welchen besonderen
Umständen sich ergeben soll, dass sich das LSG im Einzelnen mit dem Einwand hätte auseinandersetzen müssen. Denn der Anspruch
auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte zwar, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nicht aber,
jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden (vgl ua BVerfG Kammerbeschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11). Soweit es dem Kläger letztlich darum geht, dass der genannte Gesichtspunkt für das LSG nicht ausschlaggebend gewesen sei,
rügt er im Kern die über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht angreifbare Beweiswürdigung des LSG (§
128 Abs
1 Satz 1 iVm §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG) bzw die Richtigkeit der Entscheidung . Art
103 Abs
1 GG schützt nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33; vgl im Einzelnen BSG Beschluss vom 27.3.2014 - B 9 V 69/13 B - juris RdNr 15).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und entspricht der Höhe der noch streitgegenständlichen Beitragsforderung.