Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einer Tätigkeit als selbstständige Honorarlehrkraft; Zulässigkeit
von Unterbrechungen; Entfallen der Versicherungspflicht bei bloßer Auftragslosigkeit
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als selbstständiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
(RV) unterlag.
Der Kläger beantragte am 2.2.2005 bei der beklagten Deutsche Rentenversicherung Bund die Beitragszahlung für eine Pflichtversicherung
in der gesetzlichen RV als selbstständig Tätiger für seine ab Oktober 2004 ausgeübte Tätigkeit als "Honorardozent" beim "B.-..."
(im Folgenden: BNW). Die Beklagte stellte - nach ergänzenden Angaben des Klägers in einem Fragebogen vom 1.11.2005 - die Versicherungspflicht
entsprechend fest und erhob ab Oktober 2004 Pflichtbeiträge. Der Kläger verrichtete die für diesen Bildungsträger bis dahin
wie auch in den Folgejahren ausgeübte Tätigkeit nicht durchgehend, sondern nur während bestimmter Zeiträume (5.10. bis 23.12.2004,
10.1. bis 23.6.2005, 1.9. bis 21.12.2005, 6.2. bis 12.4.2006, 27.4. bis 13.7.2006, 4.10. bis 20.12.2006 und 8.1. bis 2.6.2007).
In den jeweiligen Zwischenzeiträumen meldete er sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg).
Am 4.6.2007 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und bezog wiederum Alg. Mit Schreiben vom 6.7.2007 teilte der Kläger
der Beklagten mit, dass er seit 3.6.2007 arbeitslos gemeldet sei und daher die Beitragszahlung zur RV vorerst einstelle. Bei
neuerlicher Aufnahme der Dozententätigkeit - "voraussichtlich im August/September" - wolle er sie informieren und auf Anforderung
die Zahlungen wieder aufnehmen. Mit Bescheid vom 1.8.2007 und Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 setzte die Beklagte die
Höhe der RV-Beiträge ab 1.1.2007 nach dem halben Regelbeitrag fest und forderte von dem Kläger ua Pflichtbeiträge für die
Zeit vom 1.6. bis 31.8.2007. Im Übrigen lehnte sie "eine Unterbrechung der Beitragszahlung aufgrund einer zeitweisen Nichtausübung
der Lehrtätigkeit" ab.
Das SG hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben und die Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit darin RV-Beiträge für die
Zeit vom 4.6. bis 30.9.2007 geltend gemacht wurden (Urteil vom 18.12.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen:
Die selbstständige Tätigkeit des Klägers und die hieraus folgende Versicherungspflicht seien in den Monaten Juni bis September
2007 unterbrochen gewesen, weil er in diesem Zeitraum nicht tätig gewesen sei. Im Rahmen der Abgrenzung eines - die Versicherungspflicht
unberührt lassenden - vorübergehenden, kurzfristigen Entfallens der Arbeitsleistung von einer zum Wegfall der Versicherungspflicht
führenden Unterbrechung sei neben der Länge bzw der Dauer der Unterbrechung (objektives Kriterium) auch der Wille des Versicherten
zu berücksichtigen, nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes seine Tätigkeit fortzusetzen (subjektives Kriterium). Für eine
der Versicherungspflicht entgegenstehende Unterbrechung spreche hier bereits der Zeitraum von vier Monaten. Er überschreite
deutlich den Zeitrahmen von einem Monat, während dessen - unter Berücksichtigung der Regelung in §
7 Abs
3 S 1
SGB IV - angenommen werden könne, dass eine Nichtausübung der Tätigkeit die Versicherungspflicht unberührt lasse. Auch habe der
Kläger nicht den Willen gehabt, im streitigen Zeitraum die Tätigkeit auszuüben, wie seine Arbeitslosmeldung und seine Mitteilung
an die Beklagte vom 6.7.2007 dokumentierten. Dass er seine Tätigkeit nicht endgültig habe aufgeben wollen, stehe zwar einer
Beendigung der Versicherungspflicht entgegen, nicht aber der Annahme einer (für die Versicherungspflicht schädlichen) Unterbrechung.
Die rechtliche Möglichkeit einer Mehrfachversicherung aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit und zugleich aufgrund des Bezugs
von Alg schließe nicht aus, dass in dem fraglichen Zeitraum eine Unterbrechung der Tätigkeit vorgelegen habe. §
58 Abs
2 S 1
SGB VI sehe die Unterbrechung der versicherten Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit auch durch Anrechnungszeiten nach Abs
1 S 1 Nr 3 der Vorschrift vor und beziehe damit die Arbeitslosigkeit bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen ein. Das
Erfordernis, ggf rückschauend das Versicherungsverhältnis bewerten zu müssen, widerspreche dem nicht (Urteil vom 15.12.2011).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von §
2 S 1 Nr 1
SGB VI durch das LSG. Die Regelung sehe die Möglichkeit der Unterbrechung der Versicherungspflicht nicht vor. Aus den vom Berufungsgericht
herangezogenen Regelungen in §
58 Abs
2 SGB VI und §
7 Abs
3 S 1
SGB IV lasse sich in diesem Zusammenhang nichts herleiten. Der Kläger habe auch in der auftragslosen Zeit eine selbstständige Tätigkeit
ausgeübt; denn er sei im streitigen Zeitraum objektiv unverändert willens und in der Lage gewesen, weiterhin eine selbstständige
Dozententätigkeit auszuüben, sofern sich ein entsprechender Auftrag ergeben hätte. Auftragslosigkeit sei typisches Risiko
einer jeden selbstständigen Tätigkeit. Gleichwohl bemühe sich ein Selbstständiger auch in solchen Zeiten um weitere Aufträge
oder arbeite Konzepte aus. Etwas anderes könne nur für bestimmte saisonale Tätigkeiten (zB Ski- oder Segellehrer) gelten,
nicht aber für eine Dozententätigkeit. Kennzeichnend für eine Beendigung der Versicherungspflicht sei, dass der Versicherte
aufgrund objektiver, nach außen hin erkennbarer Anhaltspunkte auf Dauer nicht mehr selbstständig erwerbstätig sein wolle und
die Tätigkeit gänzlich einstelle bzw seine selbstständige Tätigkeit aufgrund ihrer spezifischen Art jedenfalls für eine bestimmte
Zeit nicht ausüben könne. Derartige Beendigungsumstände lägen im Falle des Klägers auch mit Blick auf die Arbeitslosmeldung
und den Alg-Bezug nicht vor. Demzufolge habe er im streitigen Zeitraum trotz der RV-Pflicht aufgrund des Alg-Bezugs gemäß
§
3 S 1 Nr 3
SGB VI auch der - streitigen - fortbestehenden Versicherungspflicht als Selbstständiger nach §
2 SGB VI unterlegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember
2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Urteile.
II
Der Senat kann über die Revision der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten
mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§
124 Abs
2 SGG).
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an
das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl §
170 Abs
2 S 2
SGG).
Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 als selbstständiger
Lehrer iS von §
2 S 1 Nr 1
SGB VI "tätig" war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag. Die vom LSG - welches dies verneint hat - festgestellten
Umstände reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger zwischen dem Ablauf seines letzten - vom 8.1. bis 2.6.2007
erfolgten - Einsatzes als "Honorardozent" für das BNW und der erneuten Aufnahme einer zeitlich begrenzten Dozententätigkeit
ab 4.10.2007 aus Rechtsgründen als selbstständig tätig anzusehen ist, weil auch - wie von der Beklagten zugrunde gelegt -
eine durchgehende selbstständige Tätigkeit mit der Folge durchgehender RV- und Beitragspflicht in Betracht kommt.
1. Streitgegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 1.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.12.2007. Darin wurden für die Zeit ab 1.1.2007 - ua auch für den streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 - die Höhe
der vom Kläger als nach §
2 S 1 Nr 1
SGB VI versicherten Selbstständigen und daher nach §
169 Nr 1
SGB VI Beitragstragungspflichtigen zu zahlenden Beiträge festgesetzt und auf dieser Grundlage ua für den Zeitraum vom 4.6 bis 31.8.2007
in näher bestimmtem Umfang Beiträge (nach)gefordert.
2. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Beklagte in den vorgenannten Bescheiden zu Recht die Beiträge für
den streitigen Zeitraum festgestellt und zumindest bis 31.8.2007 gefordert hat. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen
keine zur Beendigung des Rechtsstreits führende fallbezogene rechtliche Bewertung darüber zu, ob der Kläger im streitigen
Zeitraum (noch) als selbstständig tätiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag oder nicht (mehr).
a) Zu Recht hat das LSG im Ausgangspunkt seiner Erwägungen allerdings angenommen, dass einer möglichen Versicherungspflicht
des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer nicht schon seine im streitigen Zeitraum bestehende Versicherungspflicht als
Bezieher von Alg (§
3 S 1 Nr 3
SGB VI) als solche entgegensteht (sog Mehrfachversicherung). Denn grundsätzlich können mehrere Versicherungspflichttatbestände nebeneinander
bestehen und können sich daraus auch - vorbehaltlich von (hier nicht vorliegenden) Sonderregelungen - mehrfache Beitragspflichten
ergeben (stRspr, vgl allgemein zuletzt BSG SozR 4-5420 §
2 Nr 2 RdNr 20 mwN; zur Möglichkeit der Mehrfachversicherung im Rahmen des §
2 SGB VI speziell BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 9/04 R - Juris RdNr 13 mwN; sowie Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung
- Rentenreformgesetz 1992, BT-Drucks 11/4124 S 149 Zu § 2).
b) Demgegenüber lässt sich aufgrund der vom LSG - von seinem eigenen rechtlichen Ansatz aus konsequent - nur in beschränktem
Maße getroffenen Tatsachenfeststellungen im Weiteren nicht abschließend beurteilen, ob seine rechtliche Würdigung des Falles,
wonach der Kläger in der streitigen Zeit nicht als selbstständig tätiger Lehrer versicherungspflichtig war, zu Recht auf §
2 S 1 Nr 1
SGB VI gestützt werden kann.
aa) "Selbstständig tätige ... Lehrer und Erzieher", die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sind in der gesetzlichen RV versicherungspflichtig (§
2 S 1 Nr 1
SGB VI idF gemäß Art 1 Nr 2 Buchst a RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007, BGBl I 554). Grundlage für die Beitragsfestsetzung und -erhebung
sind für diesen Personenkreis sodann § 165 Abs 1 S 1 Nr 1, S 2 (idF gemäß Art 4 Nr 8 Buchst a des Zweiten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) und §
169 Nr 1
SGB VI (idF der Neubekanntmachung durch Gesetz vom 19.2.2002, BGBl I 754), die im Einzelnen näher die Höhe der beitragspflichtigen
bzw die Beitragstragung des selbstständig Tätigen festlegen.
bb) Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Tätigkeit als "selbstständiger Lehrer" - von der die Beteiligten übereinstimmend
ausgehen - im hier maßgebenden rentenversicherungsrechtlichen Sinne des §
2 S 1 Nr 1
SGB VI hat der Senat bislang nicht in einem engen Sinne verstanden. Sie sind vielmehr bereits dann erfüllt, wenn durch den Betroffenen
im konkreten Fall eine spezielle Fähigkeit durch praktischen Unterricht vermittelt wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob
eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild
des (selbstständigen) Lehrers gibt, oder ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (vgl bereits
BSGE 99, 277 = SozR 4-2600 § 2 Nr 11, RdNr 13 mwN). Gegen die darauf fußende Anordnung der RV-Pflicht selbstständiger Lehrer bestehen
keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 31 ff; BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr 10). Allerdings führt zur Annahme einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen
RV nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe - hier derjenigen der Lehrer -, vielmehr verlangt
der Gesetzeswortlaut, dass der Betroffene auch selbstständig "tätig" ist, also bezogen auf den im Gesetz genannten Beruf auch
tatsächlich nennenswerte Aktivitäten entfaltet.
cc) Das LSG hat vor diesem Hintergrund eine Versicherungspflicht des Klägers verneint, weil er aufgrund der (offenbar von
vornherein) befristeten Tätigkeit für das BNW in der streitigen Zeit danach nicht mehr (für dieses) selbstständig tätig gewesen
sei, obwohl er ein erneutes Engagement bei dem BNW wieder in Aussicht gehabt habe. Hieraus hat es geschlossen, dass keine
in der sozialrechtlichen Literatur für bestimmte Sachverhaltskonstellationen diskutierte, aus der für Beschäftigte geltenden
Regelung in §
7 Abs
3 S 1
SGB IV und aus der Regelung über Anrechnungszeiten in §
58 Abs
2 S 1
SGB VI hergeleitete versicherungspflichtunschädliche (kurzfristige) Unterbrechung der Tätigkeit, zB wegen Krankheit (vgl hierzu
Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, Stand 8/13, K §
2 RdNr 104; Segebrecht in Kreikebohm,
SGB VI, 4. Aufl 2013, §
2 RdNr 50) vorliege, sondern angesichts des Zeitraums von ca vier Monaten eine (echte) für die Bejahung der RV-Pflicht schädliche
Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit. Zugleich hat das LSG eine (endgültige) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit
und damit ein (endgültiges) Ende der Versicherungspflicht ausdrücklich verneint.
Diese Argumentation und seine ergänzenden Erwägungen tragen nicht den von ihm gezogenen Schluss des Fehlens von Versicherungspflicht
in der gesetzlichen RV.
(1) Abweichend von der Auffassung des LSG kann nicht schon allein entscheidend darauf abgestellt werden, dass die Unterbrechung
hier deutlich mehr als einen Monat angedauert habe; der dazu vom LSG für die Festlegung eines konkreten starren zeitlichen
Rahmens herangezogene, nur für die Beschäftigung geltende §
7 Abs
3 S 1
SGB IV bietet insoweit keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Beantwortung der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden
Frage, wann ein Selbstständiger (noch) "tätig" ist. Schließlich können selbst in größeren Betrieben und Unternehmen immer
wieder auch längere betriebswirtschaftlich-kalkulatorisch überbrückbare (Zwischen-)Phasen der Auftragslosigkeit auftreten,
ohne dass in diesen Phasen - mögen sie auch die Dauer eines Monats überschreiten - regelhaft von einer Beendigung oder versicherungsrechtlich
schädlichen Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit des Firmeninhabers ausgegangen werden müsste.
(2) Auch aus der allein das Leistungsrecht betreffenden Regelung über Anrechnungszeiten in §
58 Abs
2 S 1
SGB VI lässt sich entgegen der Ansicht des LSG für die zu klärende, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV betreffende
Rechtsfrage unmittelbar oder mittelbar nichts herleiten.
(3) Der Umstand der Inanspruchnahme von Alg als solcher - zumal aufgrund einer hier im Raum stehenden freiwilligen Versicherung
als Existenzgründer in der Arbeitslosenversicherung - wäre ebenso nicht geeignet, von vornherein von einem Ende der selbstständigen
Tätigkeit auszugehen. Vielmehr machen die Regelungen über Teil-Alg in §
162 SGB III deutlich, dass neben einem entsprechenden Leistungsbezug mit den sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen
auch noch ein weiterer, über einen anderen Sachverhalt vermittelter versicherungsrechtlicher Status gegeben sein kann.
(4) Gefolgt werden kann dem LSG auch nicht darin, dass neben einer (endgültigen) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit
und einem damit einhergehenden (endgültigen) Ende der Versicherungspflicht - das es ausdrücklich verneint hat - die Kategorie
einer "versicherungsschädlichen" beendigungsgleichen "Unterbrechung" der selbstständigen Tätigkeit im rentenversicherungsrechtlichen
Sinne in Betracht komme. Für die Existenz einer solchen Kategorie bietet schon der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt.
(5) Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck der rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die Versicherungspflicht Selbstständiger
- jedenfalls in den Fällen des §
2 S 1 Nr 1
SGB VI - geboten, für dessen Auslegung ähnliche vergleichbare Konstellationen im Bereich des Versicherungsrechts der Sozialversicherung
in den Blick zu nehmen, in denen Rechtsfolgen an die Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit in Bezug auf den versicherungsrechtlichen
Status geknüpft werden. So hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen entschieden, dass Personen
"unständig Beschäftigte" sind und damit am Status des §
7 SGB IV teilhaben, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit
dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind (BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 R 13/10 R - Juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 19 vorgesehen [Engagements im Theaterbereich]); auch als
Selbstständige können Personen, die in ihrer konkreten Erwerbstätigkeit zeitliche Lücken aufweisen, "unter dem Dach" eines
Rahmenvertrags unständig selbstständig tätig sein (so BSG Urteil vom 28.5.2008, aaO, RdNr 26). Bei dieser Gruppe der Selbstständigen tritt dann an die Stelle des einer Beschäftigung
zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses (vgl §
7 Abs
3 SGB IV) als Pendant und verbindendes Element die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit. Eine derartige
willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit - bezogen auf denselben Auftraggeber - kann sich in den den
jeweiligen Engagements für einen Auftraggeber zugrundeliegenden Rahmenverträgen, Rahmenvereinbarungen oder Absprachen mit
einer hinreichend konkreten, rechtlich begründeten Aussicht der Fortsetzung oder Tätigkeit für den jeweiligen Auftraggeber
niederschlagen und nach außen dokumentieren, sofern dies nicht aufgrund der besonderen, objektiven Merkmale der Tätigkeit
von vornherein ausgeschlossen ist (zB bei einer Tätigkeit als Skilehrer für Zeiten außerhalb der Skisaison). Die willensgetragene
Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit am Markt kann sich aber auch - unabhängig von einem konkreten (früheren) Auftragsverhältnis
- allgemein in einer Teilnahme am Wirtschaftsleben wenigstens durch werbende Tätigkeiten gegenüber anderen potentiellen Auftraggebern
manifestieren (vgl Gürtner in Kasseler Komm, §
2 SGB VI RdNr 7, Stand Einzelkommentierung 77. Ergänzungslieferung/März 2013). So ist eine zur Versicherungspflicht führende selbstständige
"Tätigkeit" nicht erst dann anzunehmen, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, wenn also zB Waren produziert
oder Dienstleistungen erbracht werden. Vielmehr können auch Vorbereitungshandlungen, die nach den Umständen bereits "Außenwirkung
im Geschäftsverkehr" entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit
ausgerichtet sind, als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden (vgl im Zusammenhang mit dem Anspruch auf
einen Gründungszuschuss nach dem Recht der Arbeitsförderung BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5 RdNr 18 mwN; BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 2 RdNr 19 mwN).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei der Frage, ob eine Tätigkeit als selbstständiger Lehrer ausgeübt wird, regelmäßig zu
ermitteln, ob außerhalb der Erbringung von reinen Unterrichtsleistungen sonstige der selbstständigen Lehrtätigkeit mit zuzurechnende
Arbeiten verrichtet wurden - namentlich in Form des Bemühens um weitere Aufträge am Markt oder in Form der Vor- und Nachbereitung
von Lehrstunden (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 21.2.2007 - L 2 R 195/06 - Juris RdNr 23). Dem kommt gerade bei Personen wie Lehrern, die typischerweise über wenige eigene Betriebsmittel und regelmäßig
kein eigenes Personal verfügen, besonderes Gewicht zu. Bei diesen lässt sich die Frage, ob eine entsprechende ihre RVPflicht
begründende Tätigkeit (noch bzw weiter) ausgeübt wird, letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Um eine
solche (wertende) Schlussfolgerung in die eine oder andere Richtung ziehen zu können, verbietet sich allerdings der Rückgriff
auf bloße "Allgemeinplätze", vielmehr bedarf es zunächst klarer Tatsachenfeststellungen, von denen sich dann in einer Gesamtabwägung
aller Umstände entsprechende Folgerungen ableiten lassen.
dd) Die vom LSG getroffenen Feststellungen, auf die der Senat im Rahmen seiner revisionsgerichtlichen Überprüfung beschränkt
ist (vgl §
163 SGG), lassen gemessen an den unter cc) dargelegten Grundsätzen eine abschließende Entscheidung über den Erfolg der Revision der
Beklagten nicht zu.
Es fehlen bereits hinreichend klare, konkrete und nachvollziehbare Feststellungen des LSG dazu, wie die Ausführung der vom
Kläger für das BNW als "Honorardozent" übernommenen Aufgaben und von ihm zu deren Erfüllung ausgeführten Tätigkeiten im Einzelnen
überhaupt ausgestaltet waren (zB Art, Inhalt und Dauer der Tätigkeit, Notwendigkeit der Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsengagements,
Pflicht zur persönlichen Aus- und Weiterbildung). Des Weiteren fehlen Feststellungen zur konkreten Voraussehbarkeit von Zeiträumen
und zur Abfolge der Engagements durch das BNW, wie sie zB durch die der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegenden (übergreifenden)
Rahmenvereinbarungen oder Absprachen fixiert und dokumentiert bzw zumindest (etwa als Geschäftsgrundlage) sogar nur vorausgesetzt
worden sein könnten, etwa in dem Sinne, dass ausgehend von einer in der Vergangenheit wiederholt geübten einigermaßen verlässlichen
Praxis auf die Vorhersehbarkeit auch von künftigen Engagements ausgegangen werden durfte. Für die Existenz entsprechender
Vereinbarungen bzw dem gleichstehender Umstände spricht vorliegend, dass der Kläger selbst in seiner Mitteilung an die Beklagte
vom 6.7.2007 angegeben hatte, - ähnlich wie schon für die Vergangenheit geschildert - auch in der Zukunft erneut als Lehrkraft
für das BNW tätig zu sein. Darüber hinaus hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger auch für andere Auftraggeber
tätig war bzw hierzu bereit gewesen wäre. Es fehlen konkrete Feststellungen, ob und inwieweit sich der Kläger im streitigen
Zeitraum auch um Unterrichtsengagements anderer Auftraggeber bemühte und schon deshalb von einer selbstständigen Tätigkeit
auszugehen wäre. Soweit das LSG insoweit ausgeführt hat, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der streitigen
Zeit anderweitige Lehrveranstaltungen habe abhalten, sich auf entsprechende Lehrveranstaltungen vorbereiten oder Kundenakquise
betreiben sollen, handelt es sich ausdrücklich nur um Feststellungen zur subjektiven Sicht des Klägers vor dem Hintergrund
seiner bisherigen Tätigkeit für das BNW, die sich allerdings mit dem Vortrag des Klägers, der allgemein von einer "Dozententätigkeit"
bzw von einer Tätigkeit als "freischaffender Dozent" spricht, nicht ohne Weiteres in Einklang bringen lassen. In diesem Zusammenhang
könnte schließlich auch von Bedeutung und näher aufzuklären sein, ob vom - als arbeitsuchend gemeldeten - Kläger abgegebene
Äußerungen und Erklärungen, die in den vom LSG in Bezug genommenen und zum Verfahren beigezogenen Akten der Bundesagentur
für Arbeit dokumentiert sind, zu entscheidungserheblichen Erkenntnissen für den vorliegenden Rechtsstreit führen. Nach dem
Akteninhalt hatte die Bundesagentur zunächst die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers als Selbstständiger
in der Arbeitslosenversicherung nach §
28a SGB III angenommen, später aber entschieden, dass diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien, weil die Tätigkeit als Selbstständiger
am 3.6.2007 beendet worden sei.
3. Das LSG muss den Sachverhalt zu den Voraussetzungen des §
2 S 1 Nr 1
SGB VI in Bezug auf die im Falle des Klägers vorliegenden Umstände insoweit im vorstehend unter 2. b) dd) dargestellten Sinne weiter
aufklären. Dies führt zu einer auf §
170 Abs
2 S 2, Abs
3 SGG beruhenden Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.