Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Tanzpädagogin
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende Unternehmerin gegen die Feststellung
von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der zu 1. beigeladenen Tanzpädagogin (im Folgenden: die Beigeladene).
Die Klägerin betreibt eine Ballettschule. Die Beigeladene ist seit Januar 2015 auf der Grundlage eines Vertrags über freie
Mitarbeit für die Klägerin als Ballettpädagogin tätig. Die Beklagte stellte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens
fest, dass aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestehe. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.4.2019), das LSG die Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG zurückgewiesen. Es handele sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung. Ergänzend hat es ua ausgeführt,
dass ein relevantes Unternehmerrisiko nicht vorliege. Die Beigeladene nutze die von der Klägerin gestellten Räume mit Stange,
Spiegel und Musikanlage kostenfrei; sie habe den Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und nur ein Arbeitsplatzrisiko getragen,
wie es für einen Beschäftigten typisch sei. Die Beigeladene sei in den Betrieb und die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert
gewesen. Die Höhe des Honorars sei zwar doppelt so hoch gewesen wie das einer geringfügig angestellten Mitarbeiterin, dieses
Indiz gebe hier aber nicht den Ausschlag (Urteil vom 24.9.2021).
Das Urteil ist der Klägerin ausweislich der Zustellungsurkunde am 2.10.2021 zugestellt worden. Ihr Prozessbevollmächtigter
hat per Fax am 4.11.2021 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben und nach gerichtlichem Hinweis auf deren
verspätete Einreichung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
II
Unbeschadet des geltend gemachten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
a) "Ist für die Statusfeststellung einer Dozentin für klassisches Ballett von Bedeutung, dass die Auftraggeberin einen Ballettsaal
mit Stangen, Spiegel und Musikanlage vorhalten muss, welcher der Beschäftigten kostenfrei zur Verfügung gestellt wird?"
b) "Ist für die Statusfeststellung eine Dozentin für klassisches Ballett von Bedeutung, dass sie Fahrtkostenersatz erhält?"
Wenn die Vorhaltung eines Ballsaals erheblich wäre, würden selbstständige Dozententätigkeiten an Tanz- oder Musikschulen nicht
in Betracht kommen. Es könne für die Statusfrage nicht darauf ankommen, ob der Lehrer die benötigte Ausstattung (zB Klavier)
jeweils mitbringen könne. Hierzu finde sich keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Das BSG habe zwar in seinem Urteil vom 14.3.2018 (B 12 R 3/17 R - BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36) im Fall eines Musikschullehrers darauf abgestellt, dass das Einsetzen der eigenen Instrumente nicht von ausschlaggebender
Bedeutung sei; da das LSG die Übertragbarkeit dieser Gründe verneine, sei hier aber eine Entscheidung erforderlich. Das LSG
habe zudem die Auffassung des SG bestätigt, dass der Fahrtkostenersatz eine Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf die Klägerin darstellen würde. Auch
hierzu gebe es keine Festlegungen des BSG. Das BAG vertrete die Auffassung, dass dies für die Beurteilung des Status unerheblich sei. Das angestrebte Revisionsverfahren
lasse die Klärung der aufgeworfenen Fragen erwarten.
Die Klägerin hat insoweit schon keine abstrakten Rechtsfragen zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen
Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) oder zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Zudem hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich
geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich
entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Mit solcher Rechtsprechung hat sich eine Beschwerde auseinanderzusetzen.
Insoweit fehlt eine Beschäftigung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach sich die Abgrenzung zwischen Beschäftigung
und selbstständiger Tätigkeit danach richtet, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und welche Merkmale
überwiegen (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 14 mwN) sowie mit Urteilen, wonach allein die Nutzung von Betriebsmitteln, die von anderen vorgehalten werden, eine selbstständige
Tätigkeit nicht von vornherein ausschließt (vgl zB BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - juris RdNr 37; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 25). Außerdem setzt sich die Klägerin nicht hinreichend damit auseinander, dass eine Fahrtkostenerstattung für die Eingebundenheit
in die betriebliche Organisation sprechen kann (vgl BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 20). Allein der Hinweis, eine Rechtsprechung sei "nicht übertragbar", weil es nicht die vorliegende Sach- und Rechtslage eindeutig
behandele, entbindet nicht von der Verpflichtung, sich mit den Rechtsgrundsätzen in solchen Entscheidungen auseinanderzusetzen.
Davon abgesehen mangelt es an einer ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Die Klägerin stellt nicht hinreichend dar,
wieso es für das Ergebnis des Rechtsstreits gerade auf die von ihr gestellten Fragen entscheidungserheblich ankommen soll.
Die Äußerung, das angestrebte Revisionsverfahren lasse eine solche Klärung erwarten, reicht hierfür nicht aus.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan.
Sie trägt vor, das LSG sei von der Entscheidung des BSG vom 14.3.2018 (B 12 R 3/17 R - BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36 <Musiklehrer>) abgewichen. Allerdings gibt sie im Folgenden weite Passagen dieses Urteils wörtlich wieder, ohne daraus einen bestimmten
entscheidungserheblichen Rechtssatz zu entnehmen, dem das LSG einen bestimmten Obersatz entgegengestellt hätte. Stattdessen
führt sie ausführlich die eigene abweichende Rechtsauffassung und die der Beigeladenen aus. Daraus zieht sie schließlich die
Schlussfolgerung, dass im Rahmen der ausdrücklich vom BSG geforderten wertenden Gesamtbetrachtung im vorliegenden Fall die Merkmale überwögen, die für das Vorliegen einer selbstständigen
Tätigkeit sprächen. Damit rügt die Klägerin aber anstelle eines Widerspruchs abstrakter Rechtssätze die aus ihrer Sicht falsche
Tatsachenwürdigung durch das Berufungsgericht und damit ein unrichtiges Subsumtionsergebnis. Auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung
im Einzelfall kann das Revisionszulassungsbegehren wegen Divergenz aber nicht mit Erfolg gestützt werden, denn dadurch wird
- worauf es insoweit allein ankommt - nicht die Rechtseinheit gefährdet (vgl BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 = juris RdNr 13). Ebenso wenig kann die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Vorwurf einer falschen Beweiswürdigung (Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG) gestützt werden, wie sich aus §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG ausdrücklich ergibt.
3. Wird geltend gemacht, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen
Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Die Klägerin rügt eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht. Die These des LSG, die Beigeladene habe faktisch keine Möglichkeit
gehabt, eine von der Klägerin zugewiesene Kursteilnehmerin vom Unterricht auszuschließen, beruhe auf reiner Spekulation. Sie
teilt jedoch nicht mit, welchen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag sie insoweit im Berufungsverfahren gestellt und bis zuletzt
aufrechterhalten habe. Dies ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für eine zulässige Sachaufklärungsrüge.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 und
3, §
162 Abs
3 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.