Sozialversicherungsbeitragspflicht einer freiberuflichen Dozentin
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung rechtlichen Gehörs
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 2. (im Folgenden: Beigeladene) im Unternehmen des Klägers in der Zeit vom 18.9.2014
bis zum 30.6.2015.
Die Beigeladene war in der genannten Zeit auf der Grundlage eines sogenannten "Honorarvertrags" als "freiberufliche Dozentin"
zunächst in Vollzeit zu einem Honorar in Höhe von 125 Euro pro Vortrags- oder Projekttag in dem zertifizierten und zur Erbringung
von Maßnahmen nach dem SGB II und SGB Ill zugelassenen Weiterbildungsunternehmen des Klägers tätig. Auf einen Statusfeststellungsantrag der Beigeladenen
vom 12.4.2017 stellte die Beklagte Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht
der Arbeitsförderung aufgrund abhängiger Beschäftigung in ihrer Tätigkeit für den Kläger fest (Bescheid vom 6.12.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2018).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG Mainz vom 18.10.2019; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13.10.2021). Das LSG hat ausgeführt, auch wenn der Kläger und die Beigeladene die Vereinbarung einer selbstständigen Tätigkeit beabsichtigt
hätten, sprächen die weiteren Regelungen des Vertrags für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen. Vorgesehen sei ausschließlich
eine persönliche Arbeitsleistung nach Weisungen der Geschäftsleitungsebene und unter Vorgabe der Einsatzzeiten und des Ortes
der Tätigkeit.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
(PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines bevollmächtigten Rechtsanwalts.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach §
73a SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und eine nach §
73 Abs
4 SGG zugelassene prozessbevollmächtigte Person beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es. Revisionszulassungsgründe sind in der von den anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers
gefertigten Beschwerdebegründung vom 27.1.2022 nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Der Kläger hat den allein geltend
gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des
LSG ist daher als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG).
Wird die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig
dargelegt und darüber hinaus aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen
kann (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16, 16c mwN). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung der §§
109,
128 Abs
1 Satz 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teilsatz 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teilsatz 3
SGG). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
1. Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Prozessgericht
nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden. Es hat (lediglich) die Darlegungen der Beteiligten zur
Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall
aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). In der Beschwerdebegründung ist dazu grundsätzlich vorzutragen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht nicht zur Kenntnis
genommen hat oder welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann. Zudem ist darzulegen,
dass der Beschwerdeführer alles Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 29.12.2015 - B 9 V 62/15 B - juris RdNr 10; vgl auch BSG Beschluss vom 24.8.2018 - B 13 R 174/18 B - juris; BSG Beschluss vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 38).
In der Beschwerdebegründung sind jedoch keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass das LSG Darlegungen
des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen oder weiteres Vorbringen verhindert haben könnte. Eine nicht
mit der Ansicht des Klägers übereinstimmende rechtliche Wertung oder Beweiswürdigung des LSG begründet keinen Verfahrensmangel.
Das Gericht entscheidet nach §
128 Abs
1 Satz 1
SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung und ein Verfahrensmangel kann grundsätzlich
nicht auf eine Verletzung dieser Vorschrift gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Diese Regelungen dürfen nicht durch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs umgangen werden. Das berücksichtigt
die Beschwerdebegründung bereits in grundlegender Hinsicht nicht ausreichend, indem sie unter Aufzählung einer Vielzahl von
Einzelpunkten versucht, eine aus Sicht des Klägers inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils unter einer Rüge der
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darzustellen.
a) Der Kläger führt unter Bezugnahme auf Seite 36 des Berufungsurteils aus, das LSG unterstelle, "dass nicht alle Vertragsparteien
die gleichen Möglichkeiten gehabt hätten, 'die Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen'". Er
habe keine Möglichkeit gehabt, zu dieser Tatsachenbehauptung Stellung zu nehmen. Es fehlt bereits an der Darlegung, dass es
sich insoweit um eine Tatsachenbehauptung des Gerichts handeln soll. Denn aus dem vom Kläger wiedergegebenen Zitat aus dem
angegriffenen Urteil des LSG wird seine Prämisse, das LSG unterstelle, die hier beteiligten Vertragsparteien hätten nicht
die gleichen Möglichkeiten gehabt, nicht erkennbar.
Unabhängig davon legt er auch nicht dar, welcher Vortrag seinerseits nicht zur Kenntnis genommen oder zu den Durchsetzungsmöglichkeiten
der Beteiligten bei der Vertragsgestaltung verhindert worden wäre.
b) Soweit der Kläger ausführt, das LSG unterstelle (auf Seite 40 des Urteils), dass die Benotung der Kursteilnehmer durch die Beigeladene der Überwachung und Korrektur des Klägers unterlegen habe, fehlt
es insbesondere an der hinreichenden Darlegung, dass die festgestellten Tatsachen nicht auf der freien Beweiswürdigung des
Gerichts iS von §
128 Abs
1 Satz 1
SGG beruhen, die von vorneherein einer Verfahrensrüge unzugänglich ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Das Gericht ist auch nicht gehalten, die Beteiligten zu der von ihm beabsichtigten Beweiswürdigung zuvor anzuhören.
Soweit der Kläger ausführt, er habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die klägerseitigen Vorgaben nie über das hinausgegangen
seien, was nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit verpflichtend umzusetzen gewesen sei, mangelt es an hinreichenden
Darlegungen zur Rechtserheblichkeit des Vortrags. Es ist insbesondere nicht dargelegt, aus welchen rechtlichen Gründen es
entscheidend sein könnte, ob es sich bei den Vorgaben an die Beigeladene um solche handelt, denen er selbst durch seine Beziehungen
zur Bundesagentur für Arbeit unterliegt.
Schließlich legt er auch nicht dar, welches Vorbringen durch die vermeintliche Gehörsverletzung nicht zur Kenntnis genommen
oder verhindert worden sein sollte und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann.
c) Darüber hinaus rügt der Kläger, das LSG habe auf Seite 42 des Urteils Freiheiten der Beigeladenen verneint, die andere
Dozenten nicht gehabt hätten. Auch diesbezüglich bleibt offen, welches Vorbringen durch die vermeintliche Gehörsverletzung
nicht zur Kenntnis genommen oder verhindert worden sein sollte und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann. Vielmehr legt
er selbst dar, dass das LSG seinen Vortrag, es habe keine Verpflichtung zur Teilnahme an Teambesprechungen oder zu Urlaubsvertretungen
gegeben, im Tatbestand festgehalten habe (Seite 18 des Urteils).
d) Im Hinblick auf die Darlegung, das LSG habe auf Seite 43 des Urteils ausgeführt, die Beigeladene habe für die Reinhaltung
der Räume selber sorgen müssen, bleibt die Gehörsrüge unverständlich. Der Kläger führt hierzu selbst aus, ohne die vermeintliche
Gehörsrüge hätte vorgetragen werden können, dass die Verantwortlichkeit für die Reinigung des Raumes bei der Beigeladenen
gelegen habe. Auch insoweit wird zudem nicht hinreichend dargelegt, inwiefern das Urteil des LSG auf dem vermeintlich verhinderten
Vorbringen beruhen könnte.
e) Des Weiteren nimmt der Kläger Bezug auf die Feststellung des LSG, die Beigeladene habe Kursteilnehmer nicht aufnehmen dürfen
(Seite 43 des LSG-Urteils). Er habe mit der Berufung aber darauf hingewiesen, dass die Kursteilnehmer von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt worden
seien. Auch diese Rüge betrifft im Kern nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern die Sachverhaltsaufklärung durch
das LSG, ohne sich mit den Anforderungen des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG auseinanderzusetzen. Auch diesbezüglich ist nicht hinreichend dargelegt, inwiefern das Urteil auf einem vermeintlich verhinderten
Vorbringen beruhen könnte.
f) Der Kläger legt schließlich auch im Hinblick auf das fehlende unternehmerische Risiko (Seite 45 des LSG-Urteils) keinen Gehörsverstoß dar. Dass das LSG insoweit einen richterlichen Hinweis hätte geben müssen, wird lediglich behauptet,
nicht aber dargetan. Weder wird der Vortrag, dass Daten und Zahlen hätten vorgelegt werden können, zumindest ansatzweise konkretisiert
noch hat der Kläger aufgezeigt, dass er alles Zumutbare getan hätte, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
g) Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Seite 48 des Berufungsurteils rügt, das LSG habe ihm eine "Beweisführungspflicht"
auferlegt, bleibt unklar, ob damit eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach §
103 SGG gerügt werden soll. In diesem Fall fehlte es an der nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG erforderlichen Bezugnahme auf einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl hierzu auch 2.). Sollte er rügen wollen, mit den Folgen belastet worden zu sein, dass eine bestimmte Tatsache trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten
nicht habe festgestellt werden können - was schon an sich nicht hinreichend dargelegt ist - betrifft dies zudem eine Frage
des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts (non liquet, vgl hierzu BVerwG Urteil vom 28.3.1974 - V C 27.73 - BVerwGE 45, 131, 132 = juris RdNr 5 f). Für die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs fehlt es auch diesbezüglich an hinreichenden Darlegungen dazu, welcher erhebliche
Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder verhindert worden sein sollte und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann.
h) Letzteres gilt gleicher Weise, soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Seite 48 des Berufungsurteils rügt, das LSG habe
die Ausschreibung einer Stelle für eine Arbeitnehmerin als Indiz für deren Arbeitnehmereigenschaft gewertet. Im Kern wird
insoweit - im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig - die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung beanstandet.
i) Soweit der Kläger abschließend rügt, er habe sich kein rechtliches Gehör verschaffen können, weil nicht sichtbar geworden
sei, dass das LSG von den genannten Sachverhalten ausgehen werde, wird nochmals auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung
durch das Gericht nach §
128 Abs
1 Satz 1
SGG hingewiesen, der einer Verfahrensrüge von vorneherein unzugänglich ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
2. Neben einer Gehörsverletzung rügt der Kläger zu fast allen Einzelpunkten auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht
(§
103 SGG). Auch diesbezüglich wird die Beschwerde den Anforderungen an eine hinreichende Begründung nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht gerecht. Es fehlt insbesondere durchgehend an der Darlegung eines in Bezug genommenen Beweisantrags. Wenn ein Verstoß
gegen das Amtsermittlungsprinzip gerügt werden soll, ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt
und bis zur letzten mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist. Mit dem Beweisantrag muss sowohl das Beweismittel
als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt worden sein, über welche Tatsachen im einzelnen Beweis erhoben werden sollte
(vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2018 - B 12 R 37/18 B - juris RdNr 3). Dass der Kläger vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag nicht nur gestellt, sondern auch bis zuletzt aufrechterhalten
hätte, ist zu keinem der einzelnen Punkte dargetan.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 und
3 und §
162 Abs
3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs
1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.