Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht
Gründe
I
Mit Urteil vom 13.3.2020 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 20.7.2020 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht
der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin den ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels
zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich,
dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen
kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 5; jüngst BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1 und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung
nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Den daraus abgeleiteten Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG), indem das LSG seinem mit Schriftsatz vom 14.10.2019 gestellten und in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG wiederholten
Antrag nicht gefolgt sei, ein Sachverständigengutachten auf schmerzmedizinischem Gebiet sowie im Sinne eines sog Obergutachtens
ein Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem oder internistischem Gebiet durch einen Gutachter mit langjähriger
Erfahrung auf dem Gebiet des Herpes Zoster einzuholen. Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur
Amtsermittlung verletzt, bestehen spezifische Darlegungsanforderungen. Diese Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten:
(1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt
ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten
erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen
Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen
Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem
Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 28.11.2019 - B 13 R 169/18 B - juris RdNr 4). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein - wie der Kläger - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen
Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
a) Soweit der Kläger die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf schmerztherapeutischem Fachgebiet rügt,
fehlt es schon an der hinreichenden Darlegung, was dieses voraussichtlich ergeben hätte. Wie er selbst anführt, hätten das
SG und das LSG Beweis zu den medizinischen Tatbestandsvoraussetzungen des §
43 SGB VI erhoben. Dabei sei auch zu den Auswirkungen der bestehenden Schmerzerkrankung auf sein Leistungsvermögen ermittelt worden.
So habe das SG ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten durch K vom 16.6.2016 eingeholt, der ua eine somatoforme Schmerzstörung
bei Symptomfixierung vorgefunden habe. Die Fachärztin für Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Psychotherapie, B, von der auf
seinen Antrag hin ein Sachverständigengutachten vom 2.1.2017 eingeholt worden sei, habe ua ein chronisches Schmerzsyndrom
mit physischen und psychischen Faktoren sowie eine posthepetogene Neuralgie festgestellt und Ausführungen zu beim Kläger blitzartig
auftretenden Schmerzen gemacht. Das SG habe zudem ein Sachverständigengutachten durch den Neurologen und Psychiater Z vom 5.10.2017 eingeholt. Dieser habe im Berufungsverfahren
auf Anforderung des LSG eine ergänzende Stellungnahme vom 26.8.2019 abgegeben. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger
oblegen darzutun, welche konkreten Ergebnisse ein Sachverständigengutachten durch einen auf dem Gebiet der speziellen Schmerzmedizin
weitergebildeten Facharzt erbracht und wie sich diese auf die Entscheidung des LSG ausgewirkt hätten. Hieran fehlt es. Sein
Vorbringen, aufgrund der Komplexität des bei ihm ua von der Sachverständigen B festgestellten Neuralgie nach Zoster (Post-Zoster-Neuralgie)
sei auch ein schmerzmedizinisches Gutachten unabdingbar, reicht insoweit nicht aus. Indem er vorbringt, das LSG würdige die
spezifische Qualität der sog Zosterschmerzen nicht ausreichend, verkenne die von B beschriebene Verschlimmerung seines Leidens
und habe seine Feststellungen insgesamt unter Verstoß gegen Denkgesetze getroffen, rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung
der Grenzen der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG). Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - anders als die Revision selbst - von vornherein nicht gestützt werden
(§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Dass der Kläger die Entscheidung des LSG offensichtlich für unzutreffend hält, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung
führen (stRspr; vgl zuletzt etwa BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
b) Ebenfalls nicht anforderungsgerecht bezeichnet ist der geltend gemachte Verfahrensmangel wegen Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht,
soweit der Kläger das Übergehen seines Antrags auf Einholung eines (weiteren) neurologisch-psychiatrischen oder internistischen
Sachverständigengutachtens rügt. Insoweit hat er jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass sich das LSG zu weiteren Ermittlungen
hätte gedrängt sehen müssen. Ausgehend von seinen Mitteilungen in der Beschwerdebegründung haben dem LSG bereits drei Sachverständigengutachten
und eine ergänzende Stellungnahme betreffend das ihm verbliebene Leistungsvermögen vorgelegen. Nach der Einschätzung des Sachverständigen
K könne der Kläger mit gewissen qualitativen Leistungseinschränkungen im Umfang von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Die Sachverständige B habe ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen. Der
Sachverständige Z habe sich der Einschätzung des Sachverständigen K angeschlossen und sei in seiner ergänzenden Stellungnahme
hierbei geblieben. Liegen - wie hier - bereits mehrere, sich teilweise widersprechende Gutachten vor, ist das Tatsachengericht
nur ausnahmsweise zu einer weiteren Beweiserhebung verpflichtet. Denn es besteht kein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung
eines oder mehrerer Sachverständigengutachten durch ein sog Obergutachten (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 23.5.2006 - B 13 RJ 272/05 B - juris RdNr 5, 11; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 6/17 B - juris RdNr 13). Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten
auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines oder einige von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesen grundsätzlich
anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört -
wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse - zur Beweiswürdigung selbst (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 8). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Zu weiteren Beweiserhebungen
ist das Tatsachengericht nur dann verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten,
von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 9; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 9). Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan.
Soweit der Kläger insbesondere das Gutachten von K als grob mangelhaft erachtet, verweist er zwar darauf, dass im Rahmen der
dortigen Begutachtung keine Laboruntersuchung durchgeführt worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vorbringens kann
jedoch nicht entnommen werden, dass die - in der Beschwerdebegründung nicht weiter umschriebene - Laboruntersuchung unabdingbar
notwendig sei, weil sich sein Leistungsvermögen nicht belastbar allein aufgrund der von K durchgeführten - in der Beschwerdebegründung
nicht mitgeteilten - Untersuchung und Befragung sowie der ihm vorliegenden Befunde beurteilen lasse. Das pauschale Vorbringen,
K habe sich nur oberflächlich mit der Zoster-Erkrankung befasst und seine Untersuchung habe lediglich 25 Minuten gedauert,
reicht insoweit nicht aus. Das gilt umso mehr, als der Kläger selbst mitteilt, in der Gerichtsakte hätten sich Unterlagen
des behandelnden Dermatologen und des Hausarztes befunden, aus denen sich die Erstbehandlung sowie das Vorliegen eines Zosters
ergeben würden. Indem der Kläger die von K dazu geäußerte Einschätzung als nicht nachvollziehbar beschreibt, wendet er sich
wiederum gegen die Beweiswürdigung des LSG, dass ua dieser Einschätzung gefolgt ist. Darauf lässt sich eine Revisionszulassung
wie ausgeführt nicht stützen.
Mit seinem Vorbringen zu den sachverständigen Einschätzungen von K und Z hat der Kläger auch nicht etwa deren fehlende Sachkunde
anforderungsgerecht dargetan. Zweifel an der Sachkunde oder Unabhängigkeit eines Gutachters müssen sich aus dem Gutachten
selbst ergeben oder es muss sich um besonders schwierige Fachfragen handeln, die ein spezielles, bei den bisherigen Gutachtern
nicht vorausgesetztes Fachwissen erfordern (BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 13 R 49/19 B - juris RdNr 12 mwN). Solche Umstände hat der Kläger nicht schlüssig aufgezeigt, indem er den Sachverständigen ua wegen der nicht (K) bzw nicht
erneut (Z) durchgeführten Laboruntersuchung, der Untersuchungsdauer (K) und der vom Kläger nicht geteilten Diagnose ein unzureichendes
Wissen über eine Zoster-Erkrankung bescheinigt.
Soweit der Kläger vorbringt, die Sachverständigen K und Z seien von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgegangen,
ist sein Vortrag schon nicht schlüssig. Er bringt zwar vor, das LSG stütze sich als zeitlich letztes Gutachten auf dasjenige
des Sachverständigen K vom 16.6.2016. Diesem sei naturgemäß weder der nachfolgende Aufhebungsvertrag des Klägers mit dem früheren
Arbeitgeber bekannt gewesen noch der Laborbefund vom 18.11.2016, aufgrund dessen die Sachverständige B von einer Reaktivierung
der Zoster-Erkrankung ausgehe. Gleichzeitig ergibt sich aber aus dem Gesamtvorbringen des Klägers, dass das LSG seine Feststellungen
auch aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Z vom 5.10.2017 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 26.8.2019 getroffen
habe. Dass Z die genannten Informationen und Befunde nicht vorgelegen hätten, ist nicht dargetan. Der Kläger führt im Gegenteil
an, Z habe sich zu der von B diagnostizierten Neuralgie nach Zoster geäußert. Dass der Kläger die vom LSG vorgenommene Würdigung
der sich widersprechenden Sachverständigenausführungen offensichtlich nicht teilt, vermag eine Revisionszulassung wie ausgeführt
nicht zu stützen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.