Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenanpassung 2005
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt im Revisionsverfahren nur noch die Erhöhung ihrer Altersrente zum 1.7.2005.
Die im Jahre 1940 geborene Klägerin bezieht seit dem 1.7.2000 Altersrente für Frauen und ist Mitglied der Krankenversicherung
der Rentner. Mit - undatiertem - Bescheid "Mitteilung zur Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung" teilte ihr die
Beklagte mit, dass nach der Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 vom 6.6.2005 (BGBl I 1578) der Rentenbetrag ab dem 1.7.2005
unverändert bleibe. Auf Grund einer Erhöhung des Beitrags zur Krankenversicherung der Rentner vermindere sich der Rentenzahlbetrag
von 1051,73 Euro auf 1046,52 Euro. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005).
Das Sozialgericht Braunschweig (SG) hat die am 9.12.2005 erhobene Klage mit Urteil vom 7.12.2007 abgewiesen. Die ausgesetzte Rentenanpassung durch Einführung
des sog Nachhaltigkeitsfaktors verletze die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Es liege insbesondere kein Verstoß gegen
Art
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) vor. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Nichtannahmebeschluss vom 26.7.2007 (1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 - NZS 2008, 254) festgestellt, dass die Aussetzung der Rentenanpassung im Jahre 2004 keinen Verstoß gegen Art
14 Abs
1 GG darstelle. Diese Auffassung des BVerfG werde geteilt und auf die hier streitbefangene Rentenanpassung für das Jahr 2005 übertragen.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin, die im Jahre 2005 ausgebliebene Anpassung ihrer Rente entsprechend der angestiegenen
Lohn- bzw Gehaltsentwicklung im Jahre 2004 greife unzulässig in ihr Recht auf Eigentum nach Art
14 Abs
1 GG ein. Das ursprüngliche Klagebegehren hinsichtlich des Abzugs und der Weiterleitung des zusätzlichen Beitrags zur gesetzlichen
Krankenversicherung werde dagegen nicht weiter verfolgt.
Entgegen der Auffassung des SG sei die Rentenanpassung zum 1.7.2005 grundrechtswidrig, weil mit der nunmehr wiederholten Nichterhöhung der Rente eine dauerhafte
Abkopplung von der allgemeinen Lohnentwicklung verbunden sei. Insbesondere die Einführung des sog Nachhaltigkeitsfaktors in
§
68 Abs
1, Abs
4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) führe zu einer Verletzung von Art
14 Abs
1 GG. Die Rentenanpassung sei vom Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG umfasst, wie das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 31.7.2002 (B 4 RA 120/00 R - BSGE 90, 11 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1) deutlich gemacht habe. Danach sei der Rentenwert gegen inflationäre Entwertung zu schützen. Der
einzelne Versicherte habe aufgrund der während des Erwerbslebens aufgebrachten Beiträge Anrechte erworben, die in ihrer Eigenart
nicht zu seinem Nachteil verändert werden dürften. Bei einer Versicherung müsse sich aus den Rechtsvorschriften, die für die
Vorsorgephase und für die Leistungsbezugsphase gälten, eine Einheit ergeben. Diese verbiete es vor allem, dass derjenige,
der als Versicherter die Lasten eines "gehobenen sozialen Sicherungssystems" zu tragen habe, nach dem Eintritt des Versicherungsfalls
zum Empfänger von Nothilfeleistungen herabgestuft werde. Sie, die Klägerin, müsse in etwa eine Alterssicherung erhalten, die
im Großen und Ganzen ihrer während ihres Erwerbslebens zumeist durch Beiträge erbrachten Vorleistungen für die Rentenversicherung
Rechnung trage. Hiervon umfasst sei auch die fortlaufende Anpassung der Leistungen an die Arbeitseinkünfte. Der Grundsatz
der Rentenanpassung sei insoweit eine Konsequenz der Finanzierung im Umlageverfahren und damit Bestandteil des Generationenvertrags.
Würde die Rentenanpassung auf Dauer ausgesetzt, würde dies den Rentenanspruch praktisch aushöhlen. Damit wäre auch der Eigentumsschutz
für die Rente selbst wirkungslos.
Aus der verfassungsrechtlichen Absicherung sozialer Anrechte solle sich gerade die Gewissheit ergeben, dass die geschützten
Erwartungen auch im Falle einer Enttäuschungsgefahr, insbesondere bei finanziellen Problemen, durchgehalten würden. Rechtsgarantien
sollten sich gerade dann bewähren, wenn die Mittel knapp seien und die Leistungserbringung dem Verpflichteten Mühe bereite.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 7.12.2007 sowie den undatierten Bescheid ("Mitteilung zur Leistung aus der
gesetzlichen Rentenversicherung" zum 1.7.2005) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2005 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, ihr ab 1.7.2005 höhere Altersrente unter Berücksichtigung der gestiegenen Lohn- und Gehaltsentwicklung
im Jahre 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Aus den Grundrechten ergebe sich kein subjektives
Recht auf eine Rentenanpassung. Ein abwehrrechtlicher Grundrechtsschutz aus Art
14 Abs
1 oder Art
2 Abs
1 GG auf eine Rentenerhöhung gebe es ebenfalls nicht. Die durch die Aussetzung der Rentenanpassung 2005 entgangene Rentenerhöhung
von 1,35 Euro monatlich bei einem Standardrentner bewege sich im absoluten Bagatellbereich und sei daher unter Abwägung des
gesetzgeberischen Ziels, die langfristigen gesetzlichen Beitragsobergrenzen von 20 vH bis 2020 und von 22 vH bis 2030 nicht
zu überschreiten, gerechtfertigt.
Im Hinblick auf die Erhöhung des aktuellen Rentenwerts zum 1.7.2007 und zum 1.7.2008 könne nicht davon ausgegangen werden,
dass das Recht auf Rente ("Rentenstammrecht") auf Dauer ausgehöhlt werde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) einverstanden erklärt.
II. Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach §
124 SGG hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin strebt im Revisionsverfahren die Anpassung der ihr zuerkannten Rente zum 1.7.2005
entsprechend der angestiegenen Lohn- und Gehaltsentwicklung im Jahre 2004 an. Die hierauf gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage
gegen den die Rentenerhöhung ablehnenden Verwaltungsakt verbunden mit einer unechten Leistungsklage, gerichtet auf Festsetzung
einer Anpassung des aktuellen Rentenwerts zum 1.7.2005, statthaft (BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr 12; BSGE 90, 11, 13 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1).
2. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7.12.2007 zu Recht abgewiesen. Nachdem die Klägerin das ursprüngliche Klagebegehren hinsichtlich
des Abzugs und der Weiterleitung des zusätzlichen Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung im Revisionsverfahren nicht
weiter verfolgt, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die Rentenanpassung zum 1.7.2005.
Die Ablehnung einer Rentenerhöhung zum 1.7.2005 durch den Bescheid der Beklagten "Mitteilung zur Leistung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung" in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2005 ist rechtmäßig. Die Anwendung der Rentenwertbestimmungsverordnung
2005 durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin kein Anspruch auf eine Rentenerhöhung zum 1.7.2005 zusteht.
a) Der Verordnungsgeber war zum 1.7.2005 nicht durch §
69 Abs
1 SGB VI verpflichtet, einen höheren aktuellen Rentenwert als 26,13 Euro zu bestimmen. Die Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 verstößt
nicht gegen höherrangiges Recht. Die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassene Rentenwertbestimmungsverordnung
2005 entspricht den gesetzlichen Vorgaben des
SGB VI.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach §
64 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle
Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der aktuelle Rentenwert soll die Höhe der monatlichen
Rentenzahlung an die Einkommensfortschritte der Arbeitnehmer anpassen. Die Renten werden zum 1.7. eines jeden Jahres angepasst,
indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird (§
65 SGB VI). Dieser verändert sich zum 1.7. eines jeden Jahres, indem der bisherige aktuelle Ren- tenwert mit den Faktoren für die Veränderung
der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer, des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung
und dem Nachhaltigkeitsfaktor vervielfältigt wird (§
68 Abs
1 Satz 3
SGB VI). Bei der Rentenanpassung zum 1.7.2005 ist zusätzlich die Veränderung des Altersvorsorgeanteils (§
255e Abs
1, Abs
3 SGB VI idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung [RVNG] vom 21.7.2004
[BGBl I 1791, 1798] und des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung [RVOrgG] vom 9.12.2004
[BGBl I 3242]) zu berücksichtigen.
Die Bestimmung des aktuellen Rentenwerts in den alten Bundesländern berücksichtigt nach der Begründung der Rentenwertbestimmungsverordnung
2005 (BR-Drucks 242/05 S 4) - die Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer
im Jahre 2004 gegenüber dem Jahre 2003 um 0,12 vH, - die Veränderung bei den Aufwendungen für eine geförderte private Altersvorsorge
(Altersvorsorgeanteil) des Jahres 2004 gegenüber dem Jahre 2003 mit 0,5 vH und - den Nachhaltigkeitsfaktor mit 0,9939.
Die gleichbleibende Höhe des aktuellen Rentenwerts trotz der Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich
beschäftigten Arbeitnehmer im Jahre 2004 gegenüber dem Jahre 2003 um 0,12 vH beruht auf der Dämpfung des Rentenanstiegs durch
die Einführung des Altersvorsorgeanteils durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21.3.2001 (BGBl I S 403) und
die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors durch das RVNG. Der Altersvorsorgeanteil soll die Steigerung des aktuellen Rentenwerts
jährlich um ca 0,6 vH vermindern und der Nachhaltigkeitsfaktor sollte für das Jahr 2005 zu einer Verminderung der Rentenerhöhung
um ca 0,5 vH führen (vgl Hain/Lohmann/Lübke, DRV 2004, 333, 341). Im Hinblick auf den bescheidenen Anstieg der Bruttolohn-
und -gehaltssumme in Höhe von 0,12 vH war sowohl der Altersvorsorgeanteil als auch der Nachhaltigkeitsfaktor in der Lage,
eine Rentenerhöhung zum 1.7.2005 zu verhindern.
Die Berechnung des aktuellen Rentenwerts nach der für den Zeitpunkt 1.7.2005 in §
255e Abs
4 SGB VI enthaltenen maßgeblichen Formel ergibt einen aktuellen Rentenwert in Höhe von 25,84 Euro. Die Niveausicherungsklausel in
§
255e Abs
5 SGB VI verhindert eine Absenkung des aktuellen Rentenwerts, sodass der neue aktuelle Rentenwert ab dem 1.7.2005 - wie zuvor - 26,13
Euro beträgt.
b) Die Rechte der Klägerin aus dem
GG sind nicht verletzt.
aa) Die Rechte der Klägerin aus der Eigentumsgarantie des Art
14 GG werden weder durch die Einführung des Altersvorsorgeanteils noch durch die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors verletzt.
(1) Die Versichertenrenten und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung genießen den
Schutz der Eigentumsgarantie in Art
14 Abs
1 GG (BVerfGE 53, 257, 289 ff; BVerfGE 58, 81, 109; BVerfGE 116, 96, 121; BVerfGE 117, 272, 292 f; BVerfG [Kammerbeschluss] vom 26.7.2007, NZS 2008, 254; BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr 25). Dabei sind nicht die verschiedenen Einzelelemente einer Anwartschaft, sondern nur das Gesamtergebnis und
damit die rentenversicherungsrechtliche Position insgesamt geschützt (BVerfGE 58, 81, 109; BVerfGE 117, 272, 293; BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr 33).
Das BVerfG begründet die Einbeziehung der Rentenansprüche in den Geltungsbereich des Art
14 GG mit der Aufgabe der Eigentumsgarantie, die dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich
sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen soll (BVerfGE 100, 1, 32). In der modernen Gesellschaft erlangt der Großteil der Bevölkerung seine wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch
privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und daran anknüpfende, solidarisch getragene Altersversorgung. Die Anrechte
des Einzelnen auf die Leistungen der Rentenversicherung sind an die Stelle privater Vorsorge und Sicherung getreten und verlangen
denselben Grundrechtsschutz, der dieser zukommt (BVerfGE 100, 1, 32). Die Rentenansprüche und Rentenanwartschaften tragen als vermögenswerte Güter die wesentlichen Merkmale verfassungsrechtlich
geschützten Eigentums. Sie sind dem privaten Rechtsträger ausschließlich zugeordnet und zu seinem persönlichen Nutzen bestimmt
(BVerfGE 69, 272, 300; 100, 1, 33). Er kann im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung wie ein Eigentümer darüber verfügen. Ihr Umfang wird durch
die persönliche Leistung des Versicherten mitbestimmt, indem er Beitragszahlungen leistet (vgl BVerfG aaO). Die Rentenansprüche
stehen im Zusammenhang mit einer eigenen Leistung, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentumsposition anerkannt ist.
Sie beruhen nicht allein auf einem Anspruch an den Staat, den der Staat in Erfüllung einer Fürsorgepflicht einräumt und der
mangels einer Leistung des Begünstigten nicht am Eigentumsschutz teilnimmt (vgl BVerfG aaO). Sie dienen schließlich auch zur
Sicherung seiner Existenz (vgl BVerfGE 69, 272, 300 ff; 100, 1, 33).
Der verfassungsrechtliche Schutz der Höhe des aktuellen Rentenwerts ist geringer als z. B. der Schutz der durch Eigenleistung
erworbenen Entgeltpunkte. Die Intensität des Schutzes hängt davon ab, wie hoch die Eigenleistung ist. Je höher die Eigenleistung
des Berechtigten, desto stärker ist der personale Bezug und mit ihm der tragende Grund für den Eigentumsschutz (BVerfGE 53,
257, 292; 58, 81, 112; 100, 1, 38). Besonders geschützt sind daher diejenigen Berechnungsfaktoren der Rente, die durch die persönliche
Arbeitsleistung beeinflusst werden (BVerfGE 58, 81, 112; Papier in Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner, 1999, 721, 724). Die Höhe des aktuellen Rentenwerts
wird durch die Arbeitsleitung des Einzelnen nicht direkt, sondern nur im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Bruttolohn- und
-gehaltssumme beeinflusst.
Der Senat kann weiterhin offen lassen, ob eine Rentenanpassung überhaupt in den Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG fällt oder aber eine nicht eigentumsgeschützte bloße Erwartung auf zukünftige Teilhabe an steigenden Einkünften der Rentenbeitragszahler
darstellt (vgl Senatsurteil vom 27.3.2007, SozR 4-2600 § 65 Nr 1 RdNr 15). Die Einführung des Altersvorsorgeanteils und des
Nachhaltigkeitsfaktors verstößt jedenfalls nicht gegen Art
14 Abs
1 GG.
Auch das BVerfG hat die Frage, ob die regelmäßige Anpassung von Renten unter den Schutz der Eigentumsgarantie fällt, bis heute
offen gelassen (BVerfG vom 26.7.2007, NZS 2008, 254).
Der 4. Senat des BSG ging noch in seiner Entscheidung vom 31.7.2002 (BSGE 90, 11, 19 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1) von einem Schutz vor inflationsbedingten Einbußen aus. Er hat diese Auffassung in seinem Urteil
vom 20.12.2007 (B 4 RA 9/05 R - Juris, RdNr 19 ff) dahingehend modifiziert, dass Rentner nach dem
SGB VI in Bezug auf eine Rentenanpassung kein im
GG geregeltes Recht iS eines Anspruchs gegen die Bundesregierung als Verordnungsgeber oder gegen den Deutschen Bundestag auf
Anhebung des aktuellen Rentenwerts haben. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist die Erstreckung des Schutzes von Rentenansprüchen
durch Art
14 Abs
1 GG auf Rentenerhöhungen umstritten (für einen Eigentumsschutz Hebeler, ZFSH/SGB 2001, 528, 534; Ruland, LVAMitt 2005, 218, 226;
Wiechmann, DAngVers 2003, 307; Wenner in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 625, 632; ablehnend zB U. Becker
in LVAMitt 2005, 228, 239; Lenze NZS 2003, 505, 508).
(2) Auch wenn man den Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG durch das Ausbleiben einer Rentenanpassung als beeinträchtigt ansieht, wäre die Eigentumsgarantie durch die Berücksichtigung
des Altersvorsorgeanteils oder des Nachhaltigkeitsfaktors nicht verletzt. Beides dient der Sicherung des Vertrauens der jüngeren
Generation in die Zukunftsfestigkeit der Rentenversicherung und gewährleistet einen gerechten Ausgleich der finanziellen Belastungen
zwischen den Generationen.
Die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes im Rentenversicherungsrecht ergibt sich aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken
des Eigentums durch den Gesetzgeber (BVerfGE 53, 257, 292; BVerfGE 58, 81, 109; BVerfGE 117, 272, 293). Der Eigentumsschutz schließt eine Anpassung an veränderte Bedingungen nicht aus. Diese Änderungsmöglichkeit ist im
Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs angelegt, der auch im Rentenversicherungsrecht gilt (BVerfGE 58, 81, 110; BVerfGE 116, 96, 125; BVerfGE 117, 272, 293 f). Im Hinblick auf die eigentumsrechtliche Prüfung der Höhe von Rentenleistungen muss dem Gesetzgeber eine ausreichende
Flexibilität erhalten bleiben, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Die
Eigentumsgarantie verfestigt das Rentenversicherungssystem daher nicht so, dass es starr wird und den Anforderungen unter
veränderten Umständen nicht mehr genügen kann (BVerfGE 53, 257, 293; 58, 81, 110; 100, 1, 37 ff; BVerfG vom 26.7.2007, NZS 2008, 254, 255).
Gesetzgeberische Maßnahmen, die die Höhe der bereits gezahlten Rente negativ beeinflussen, müssen aber einem Gemeinwohlzweck
dienen (BVerfGE 117, 272, 294, 302) und/oder von einem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt werden (BVerfG vom 26.7.2007, aaO). Der Gesetzgeber ging
sowohl bei der Einführung des Altersvorsorgeanteils als auch des Nachhaltigkeitsfaktors davon aus, dass das Vertrauen in die
Zukunftsfestigkeit der Rentenversicherung nur gewährleistet ist, wenn der Beitragssatz für die Rentenversicherung für die
jüngere Generation bezahlbar bleibt (Gesetzesbegründung zum AVmEG, BT-Drucks 14/4595 S 37; Gesetzesbegründung zum RVNG, BT-Drucks
15/2149, S 1).
Die Einführung sowohl des Altersvorsorgeanteils als auch des Nachhaltigkeitsfaktors war erforderlich, geeignet und verhältnismäßig.
Im Rahmen der Erforderlichkeit der Maßnahmen ist zu prüfen, ob nicht ein anderes, milderes Mittel hätte gewählt werden können,
das die Rentenanpassung weniger stark begrenzt hätte (vgl BVerfGE 117, 272, 298; Brall/Dünn/Fasshauer, DRV 2005, 460, 478).
(a) Bei der Einführung des Altersvorsorgeanteils im Jahre 2001 durch das AVmEG vom 21.3.2001 (BGBl I S 403) stand aus Sicht
des Gesetzgebers die Problematik der rückläufigen Geburtenzahl einerseits und die steigende Lebenserwartung und damit die
immer länger werdende Rentenlaufzeit andererseits im Vordergrund (BT-Drucks 14/4595 S 1). Der jüngeren Generation drohte eine
Beitragsbelastung von 24 vH bis 26 vH im Jahre 2030 ohne die Gewissheit zu haben, trotz hoher Beiträge eine ausreichende Rente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten (BT-Drucks 14/4595 S 37). Das Vertrauen in die Zukunftsfestigkeit der
gesetzlichen Alterssicherung konnte deshalb durch eine Beitragsbegrenzung geschaffen werden. Ein stabiler Beitragssatz leistet
einen wesentlichen Beitrag zur Begrenzung der Lohnnebenkosten und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
(BT-Drucks 14/4595 S 37). Die Einführung des Altersvorsorgeanteils ist im Zusammenhang mit der Einführung der zusätzlichen
kapitalgedeckten Altersvorsorge (Riester-Rente) zu sehen. Nur durch den Abschluss dieser und anderer Altersvorsorgemaßnahmen
kann die künftige Niveauabsenkung der gesetzlichen Rentenversicherung für die jetzigen Beitragszahler kompensiert werden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Beitragszahler zur allgemeinen Rentenversicherung ab dem Jahre 2002 beginnend mit
einem Mindestbeitrag von 1 vH und steigend auf 4 vH seiner beitragspflichtigen Einnahmen iS des
SGB VI bis zum Jahre 2008 eine von der allgemeinen Rentenversicherung unabhängige Altersversorgung aufbauen (BT-Drucks 14/4595 S
38, 39).
Diese Aufwendungen beeinträchtigen die Höhe der verfügbaren Nettolöhne der Arbeitnehmer und sind daher bei der Ermittlung
des Anstiegs der beitragspflichtigen Einnahmen iS des
SGB VI zu berücksichtigen (BT-Drucks 14/4595 S 47; Senatsurteil vom 27.3.2007, SozR 4-2600 § 65 Nr 1 RdNr 25).
Dabei kann es nicht als sachwidrig gewertet werden, dass §
255e Abs
3 SGB VI den Anstieg der steuerlich geförderten Beiträge zur privaten Alterssicherung nicht genau abbildet, sondern pauschaliert nachzeichnet,
auch um einen kontinuierlichen Anstieg darzustellen (vgl Senats- urteil vom 27.3.2007, SozR 4-2600 § 65 Nr 1 RdNr 25). Genauso
wenig ist es sachwidrig, dass der Altersvorsorgeanteil bei der Rentenanpassung unabhängig davon berücksichtigt wird, inwieweit
die "Riester-Rente" von den Beschäftigten tatsächlich angenommen wird und damit die entsprechenden Beiträge in der Tat das
verfügbare Einkommen des durchschnittlichen Beschäftigten mindern. Denn der Arbeitnehmer, der keine zusätzliche private Altersvorsorge
aufbaut, mag dadurch sein gegenwärtiges verfügbares Einkommen erhöhen, jedoch nur gegen den Preis späterer Belastung (vgl
Senatsurteil aaO; Wiechmann, DAngVers 2003, 307, 309).
Die Berücksichtigung des Altersvorsorgeanteils bei der Berechnung der Rentenanpassung gewährleistet, dass Rentenempfänger
an der steigenden Belastung der Erwerbstätigen für die Altersvorsorge durch eine geringere Rentenanpassung beteiligt werden.
Die Einsparung bei voller Wirkung des Altersvorsorgeanteils soll bei ca 10 Milliarden Euro liegen (Brall/Dünn/Fasshauer, DRV
2005, 460, 478).
(b) Die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors war erforderlich, weil nicht ersichtlich ist, welche anderen weniger belastenden
Maßnahmen in Betracht zu ziehen wären. Die Begrenzung der Lohnzusatzkosten stand auch bei der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors
durch das RVNG vom 21.7.2004 (BGBl I S 1791) im Vordergrund (BT-Drucks 15/2149, S 1). Nach dem Bericht der Kommission für
die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme unter Leitung von Prof. Bernd Rürup aus dem Jahre 2003
(BMGS [Hrsg], Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme S 98 f; im Folgenden: Bericht der Rürup- Kommission)
verliert der Altersvorsorgeanteil mit dem Auslaufen der Erhöhung des Altersvorsorgeanteils seine Wirkung. Richtschnur für
die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors war der Grundsatz der Generationengerechtigkeit. Die Jüngeren dürfen nicht durch
zu hohe Beiträge überfordert werden. Nur mit verkraftbaren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung wird der Spielraum
geschaffen, der erforderlich ist, um eigenverantwortlich ergänzende Altersvorsorge betreiben zu können (vgl BT-Drucks 15/2149,
S 1). Der demografische Wandel und die künftige Beschäftigungsentwicklung erfordert die Berücksichtigung des Verhältnisses
von Beitragszahlern und Rentnern bei der Rentenanpassung. Auf einen Rentenempfänger kamen Mitte der siebziger Jahre 2,75 Beitragszahler,
während es im Jahre 2006 noch 1,4 Beitragszahler waren (vgl Waltermann, NJW 2008, 2529). Der Nachhaltigkeitsfaktor soll neben der steigenden Lebenserwartung vor allem auch die rückläufige Entwicklung der Geburten
und die Zuwanderung sowie die Veränderung im Erwerbsverhalten berücksichtigen (Bericht der Rürup- Kommission S 96 f). Der
Nachhaltigkeitsfaktor bewirkt, dass die jährliche Rentenanpassung modifiziert wird, wenn sich das Verhältnis von Rentnern
und Beitragszahlern verändert. Das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern wird zu diesem Zweck aus standardisierten Werten
ermittelt (vgl Bericht der Rürup-Kommission S 104). Durch die Standardisierung wird die Rentenanpassungsformel gewissermaßen
gegen Strukturveränderungen unter den Rentnern sowie unter den Beitragszahlern immunisiert (Bericht der Rürup-Kommission S
104). Zur Vermeidung der Erhöhung von Lohnzusatzkosten und damit auch des Rentenbeitrags wird der Rentnerquotient mit dem
Faktor 1/4 gewichtet. Damit soll garantiert werden, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis zum Jahr 2020 nicht über
20 vH und bis zum Jahr 2030 nicht über 22 vH steigt. Gleichzeitig soll aber verhindert werden, dass das Rentenniveau zu stark
fällt.
Der Gesetzgeber kann im Rahmen der Prüfung, inwieweit die gesetzgeberische Maßnahme erforderlich war, nicht darauf verwiesen
werden, durch eine finanzielle Belastung einer anderen Bevölkerungsgruppe in Form einer Beitragserhöhung, einer Steuererhöhung
zur Erhöhung des Bundeszuschusses oder anderer Maßnahmen im Bereich der Sozialversicherung sei die Einführung rentenerhöhungsdämpfender
Maßnahmen nicht erforderlich (vgl BVerfGE 116, 96, 127; BVerfGE 117, 272, 298; BVerfG vom 26.7.2007, NZS 2008, 254, 255). Die Annahme des Gesetzgebers, dass eine Erhöhung des vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu tragenden Beitragssatzes
zur gesetzlichen Rentenversicherung den Faktor Arbeit zusätzlich verteuert und zum Wegfall oder Nichtentstehen versicherungspflichtiger
Beschäftigungsverhältnisse beiträgt, unterfällt dabei der Einschätzungsprärogative des zur Gestaltung des Sozialstaats berufenen
Gesetzgebers (vgl BVerfGE 76, 220, 241; BVerfG vom 26.7.2007 aaO). Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, die Finanzierungslücken in der gesetzlichen Rentenversicherung
durch die Zahlung weiterer Bundesmittel an die allgemeine Rentenversicherung zu schließen. Im Hinblick auf die bestehende
Verschuldung und der bis heute defizitären jährlichen Haushalte des Bundes kann eine Verpflichtung zur Erhöhung des Bundeszuschusses
auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes
nicht gefordert werden (vgl BVerfG vom 26.7.2007 aaO).
(c) Die Einführung des Altersvorsorgeanteils und des Nachhaltigkeitsfaktors ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Belastung
für die Inhaber der geschützten Position, dh die jetzigen Rentenempfänger, steht in einem angemessenen Verhältnis zu den mit
der Regelung verfolgten Interessen (vgl BVerfGE 74, 203, 214 ff). Die Einführung der rentenerhöhungsdämpfenden Maßnahmen sind im Hinblick auf die Intensität, die Schwere und die
Tragweite der Eigentumsbeeinträchtigung zumutbar. Die Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten
Arbeitnehmer im Jahr 2004 gegenüber dem Jahr 2003 lag bei 0,12 vH.
Die Rentenerhöhung hätte ohne Berücksichtigung des Altersvorsorgeanteils und des Nachhaltigkeitsfaktors bei einem Standardrentner
bei ca 1,35 Euro im Monat und bei der Klägerin bei ca 1 Euro im Monat gelegen. Eine dauerhafte Abkopplung der Rente der Klägerin
und damit eine Aushöhlung des Rentenanspruchs ist damit, zumindest was die Rentenanpassung zum 1.7.2005 betrifft, weder mit
der Einführung des Altersvorsorgeanteils noch mit der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors verbunden. Die Klägerin wird durch
das Unterbleiben der Rentenanpassung zum 1.7.2005 weder zur Empfängerin von Nothilfeleistungen noch wird sie vom allgemeinen
Wirtschaftswachstum abgekoppelt.
Überdies muss sich der Nachhaltigkeitsfaktor - wie die Rentenanpassungen der Jahre 2007 und 2008 gezeigt haben - nicht immer
zulasten der Rentner auswirken. Entwickelt sich nämlich die Relation zwischen der Zahl der Beitrag zahlenden Arbeitnehmer
und der Zahl der Rentenempfänger - entgegen der Prognose bei Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors im Jahre 2004 (und dem
demografischen Langzeittrend) - zugunsten der Beitragszahler, wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor rentensteigernd.
(3) Die Einführung des Altersvorsorgeanteils und des Nachhaltigkeitsfaktors verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Das Vertrauen der Klägerin im Hinblick auf eine Rentenerhöhung zum 1.7.2005 muss gegenüber den gewichtigen öffentlichen Interessen
an einer Finanzierbarkeit des Rentenversicherungssystems zurückstehen. Die Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen
Rentenversicherung ist zur Erfüllung ihrer Aufgabe von überragender Bedeutung (BVerfGE 58, 81, 119; BVerfG vom 26.7.2007, NZS 2008, 254, 255; Senatsurteil vom 27.3.2007, SozR 4-2600 § 65 Nr 1). Im Rahmen des Schutzes vermögenswerter Güter - und damit auch der
Rentenansprüche - iS des Art
14 GG hat der Grundsatz des Vertrauensschutzes eine eigene Ausprägung erfahren (vgl BVerfGE 53, 257, 309; BVerfGE 58, 81, 120; BVerfGE 117, 272, 294). Im Rahmen des Vertrauensschutzes ist zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des
gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (BVerfGE 64, 87, 104). Der Vertrauensschutz ist insbesondere bei rückwirkenden Gesetzesänderungen problematisch.
Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung der neuen Norm die Voraussetzungen der alten Norm bereits
erfüllt sind. Dies wäre der Fall, wenn bereits fällige Rentenleistungen gekürzt würden (Hebeler, ZFSH/SGB 2001, 528, 535).
Bei Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Höhe der Renten stellt eine erst in der Zukunft wirksam werdende
Regelung nur eine unechte Rückwirkung dar. Diese ist zulässig, wenn die Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens
des Einzelnen und der Bedeutung des Anliegens für das Wohl der Gemeinschaft zugunsten der neuen Beschränkung des Anspruchs
ausgeht.
Die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahrzehnten hat bei den betroffenen Rentnern die Erwartung
begründet, es finde eine fortwährende Erhöhung des Leistungsniveaus der Renten statt (BVerfGE 64, 87, 105). Für die kontinuierliche Erhöhung des Rentenniveaus in der Vergangenheit war allerdings die günstige wirtschaftliche
Entwicklung verantwortlich. Deshalb ist in Vergessenheit geraten, dass mit der Mitgliedschaft in der Rentenversicherung -
wie überall - nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden sind (BVerfGE 58, 81, 123; Wiechmann, DAngVers 2003, 307, 308). Zu diesen gehören die Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und
der Produktivität genauso wie die Veränderung der Lohn- und Gehaltssumme oder die Veränderungen im demografischen Bereich.
Das BVerfG hat auf diesen Umstand bereits in seiner Entscheidung vom 1.7.1981 (vgl BVerfGE 58, 81, 123) hingewiesen. Die Rentenversicherung ist Teil der Gesellschaft und unterliegt daher sich verändernden Rahmenbedingungen.
Die Veränderung der Geburtenrate, des Arbeitsmarkts und der ökonomischen Verhältnisse kann daher nicht mit dem Argument des
Vertrauensschutzes ignoriert werden. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung von einem erheblichen öffentlichen Interesse
an einer Finanzierbarkeit des Rentenversicherungssystems aus und hat dem Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen in der
gesetzlichen Rentenversicherung ein hohes Gewicht beigemessen (BVerfGE 64, 87, 106).
Hinzu kommt, dass der Aufwand der heutigen Rentner für die "Erwirtschaftung" eines Entgeltpunkts in der gesetzlichen Rentenversicherung
früher zum Teil wesentlich unter dem heutigen lag. Während heute für einen Entgeltpunkt des Durchschnitts-Jahresentgelts 19,9
vH entrichtet werden müssen, lagen die Beitragssätze für die Rentenversicherung zwischen 1957 bis Anfang der achtziger Jahre
bei 14 vH bis 18 vH (vgl Holzapfel, LVAMitt 2005, 263, 268). Der Wert eines Entgeltpunkts ist aber für alle heutigen und zukünftigen
Rentner gleich hoch und ergibt sich aus dem jeweiligen aktuellen Rentenwert. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot,
das eine offenkundige Disproportionalität von Beitragsleistung und versicherungsrechtlicher Leistung verbietet (vgl Papier
in Freiheit und Eigentum, Festschrift für Leisner, 1999, 721, 740 f) könnte eine weitere übermäßige Beitragssteigerung Probleme
aufwerfen. Dies gilt zumindest dann, wenn die eingezahlten Beiträge höher sind als die zu erwartenden Leistungen (Papier aaO).
Hohe Beiträge der jetzigen Arbeitnehmer würden dann zu hohen Ansprüchen im Rentenbezug führen, die von der zahlenmäßig geringeren
Generation der jetzigen Kinder möglicherweise nur schwer aufgebracht werden könnten (vgl auch Hebeler, ZFSH/SGB 2001, 528).
Die vom Gesetzgeber beschlossenen Maßnahmen führen auch nicht zu einer substantiellen Entwertung der erreichten Ansprüche
und Anwartschaften mit der Folge, dass diese im Ergebnis leerliefen. In dem Gesetz zur Rentenanpassung 2008 vom 26.6.2008
(BGBl I 1076) verschiebt der Gesetzgeber die Erhöhung des Altersvorsorgeanteils für die Jahre 2008 und 2009 durch Änderung
des §
255e Abs
3 SGB VI auf die Jahre 2012 und 2013 (Gesetz zur Rentenanpassung 2008, Art 1 Nr 3). Diese Maßnahme erhöht die Rentenanpassung 2008 von 0,46 vH auf 1,1 vH und soll die Rentenbezieher angemessen an der
verbesserten Arbeitsmarktsituation und der Stabilisierung der Rentenfinanzen beteiligen (BT-Drucks 16/8744).
bb) Die Maßnahmen des Gesetzgebers verstoßen auch nicht gegen Art
2 Abs
1 GG. Der Schutzbereich des Art
2 Abs
1 GG iS allgemeiner Betätigungsfreiheit führt zu einer umfassenden sachlichen Auffangfunktion des Art
2 Abs
1 GG, der überall dort greift, wo ein spezielleres Freiheitsrecht nicht einschlägig ist (vgl Dreier in Dreier,
Grundgesetz, 2. Aufl, Band 1, Art
2 Abs
1 RdNr
30). Ein Rückgriff auf den Schutzbereich des Art
2 Abs
1 GG scheidet aus, wenn ein Verhalten in den Schutzbereich eines anderen Grundrechts fällt und die dort vorgenommene Einschränkung
sich als verfassungsgemäß erweist (vgl BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr
53; Dreier aaO, RdNr
30). Eine Prüfung des Art
2 Abs
1 GG ist daher nur insoweit erforderlich, als man die Anwendbarkeit des Schutzbereichs von Art
14 GG für eine Rentenanpassung verneint.
Der spezifische Schutzbereich von Art
2 Abs
1 GG ist jedoch berührt, wenn der Gesetzgeber einerseits durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflichten in
einem öffentlich-rechtlichen Verband der sozialen Sicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung
ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt (vgl BVerfGE 97, 271, 286) und andererseits dem Versicherten gesetzlich zugesagte und beitragsfinanzierte Leistungen dieses Verbands wesentlich
vermindert (vgl BVerfG aaO). Der Gesetzgeber muss für die zwangsweise erbrachten Beiträge im Versicherungsfall adäquate Versicherungsleistungen
erbringen und verhindern, dass es zu einer substantiellen Entwertung der erreichten Ansprüche kommt (vgl BVerfG vom 26.7.2007,
NZS 2008, 254, 256). Eine derart starke Beeinträchtigung liegt jedoch noch nicht vor (s hierzu oben bei aa [2 c]).
cc) Die gesetzlichen Maßnahmen zur aktuellen Rentenanpassung verstoßen nicht gegen ein schützenswertes Vertrauen auf die Kontinuität
der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und damit gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip (Art
20 Abs
1 und
3 GG; vgl BVerfG vom 26.7.2007, NZS 2008, 254, 256; BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr 62). Aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip und der daraus abgeleiteten Kontinuitätsverpflichtung und dem
Vertrauensschutz des Rentenempfängers lässt sich kein gegenüber Art
14 GG höheres Schutzniveau begründen. Auf die Ausführungen zum Vertrauensschutz im Rahmen des Art
14 GG wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.