Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage;
Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen den Rentenversicherungsträger; Ausweitung auch auf die übrigen Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II, die der Kläger (JobCenter) an die beiden Kinder des Herrn K. (Versicherter) in der Zeit vom 25.7. bis 21.8.2006 erbracht
hat.
Der Versicherte nahm im vorgenannten Zeitraum an einer von der Beklagten bewilligten teilstationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme
mit Anspruch auf Übergangsgeld teil. Während der Dauer der Maßnahme erbrachte der Kläger dem Versicherten und seinen mit ihm
in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern die bereits zuvor gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II in gleicher Höhe weiter.
Den gegenüber der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch bezifferte der Kläger auf 933,69 Euro, wobei er die für
den Versicherten und seine Kinder gewährten Regelleistungen, die insgesamt anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung sowie
die für den Versicherten gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Ansatz brachte. Die Beklagte erstattete dem Kläger lediglich
609,22 Euro und ging dabei davon aus, dass ein Erstattungsanspruch nur in Höhe der auf den Versicherten entfallenden Leistungen
bestehe.
Hiergegen hat der Kläger beim SG Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 324,48 Euro verlangt. Nachdem der Kläger die Erstattungsforderung
auf 116,98 Euro beschränkt hatte, hat das SG die Beklagte mit Urteil vom 24.11.2009 zur Zahlung dieses Betrags verurteilt. Zur Begründung hat es sich insbesondere auf
die seit 1.8.2006 in Kraft getretene Vorschrift des § 34a SGB II bezogen.
Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 23.6.2011 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Richtige Anspruchsgrundlage sei § 102 SGB X; die Vorschrift gelte nach § 25 Satz 3 SGB II entsprechend. Gemäß § 102 Abs 2 SGB X richte sich der Erstattungsanspruch nach den für den Kläger geltenden Rechtsvorschriften, er sei also auf den Umfang beschränkt,
in dem der Kläger Leistungen der Grundsicherung gemäß § 25 Satz 1 SGB II erbracht habe. Von § 25 Satz 1 SGB II seien aber - entgegen der Ansicht des SG - nur diejenigen Leistungen erfasst, die er für denjenigen Bezieher von Alg II erbracht habe, der dem Grunde nach Anspruch
auf Übergangsgeld habe. Zudem bestünden Zweifel, ob die Vorschrift des § 34a SGB II im Rahmen des hier einschlägigen Erstattungsanspruchs aus § 102 SGB X Anwendung finden könne. Würde man der Rechtsauffassung des Klägers folgen und § 34a SGB II anwenden, würde dies infolge § 102 Abs 2 SGB X zu einer Veränderung des Betrags der Leistungspflicht des erstattungspflichtigen (Rentenversicherungs-)Trägers führen. Dies
sei aber vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend. Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet er die Frage, "ob bei der Berechnung der Erstattung von Arbeitslosengeld
II i. R. e. medizinischen Rehabilitationsmaßnahme die hier maßgebliche gesamte Bedarfsgemeinschaft, die neben Herrn K. auch
seine beiden minderjährigen Kinder E. (geboren am 2000) und V. (geboren am 2002) umfasst, zu Grunde zu legen ist oder ob nur
die Aufwendungen für den jeweils Versicherten erstattungsfähig sind."
II
1. Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger mit dieser Frage und seiner hierzu gegebenen Begründung den Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG erforderlichen Weise dargelegt hat und die Beschwerde damit den Darlegungserfordernissen an eine zulässige Beschwerde genügt.
2. Die Beschwerde des Klägers erweist sich jedenfalls als unbegründet.
a) Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren
klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl Senatsbeschluss
vom 25.2.2010 - SozR 4-2600 § 77 Nr 7 RdNr 6 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf die Rechtsfrage
ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt (zur Verneinung
der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB Senatsbeschlüsse vom 31.3.1993 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; vom 13.5.1997
- SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG vom 30.3.2005 - SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8).
b) Der Kläger hat sinngemäß die Rechtsfrage gestellt, ob der Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsträgers gemäß § 102 SGB X gegen einen Rentenversicherungsträger, der einem ALG II-Empfänger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit Anspruch auf Übergangsgeld erbracht hat, auch die Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft umfasst. Die Antwort hierauf ergibt
sich jedoch bereits aus dem Gesetz.
§ 102 SGB X hat folgenden Wortlaut:
"(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung
verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften."
§ 25 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung vom 1.1.2005 bis 31.3.2011 lautet wie folgt:
"Hat ein Bezieher von Arbeitslosengeld II dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen
Rentenversicherung, erbringen die Träger der Leistungen nach diesem Buch die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen
der Rentenversicherung weiter; dies gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Werden Vorschüsse länger als einen Monat geleistet, erhalten die Träger der Leistungen nach diesem Buch von den zur Leistung
verpflichteten Trägern monatliche Abschlagszahlungen in Höhe der Vorschüsse des jeweils abgelaufenen Monats. § 102 des Zehnten Buches gilt entsprechend."
Die Vorschrift des § 25 Satz 1 SGB II kommt also zur Anwendung, wenn ein Bezieher von Alg II dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld hat, weil er von einem
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält. Als Rechtsfolge erbringt in
einem derartigen Fall der Grundsicherungsträger die "bisherigen Leistungen" weiter. Grund für diese Regelung ist, dass ein
Trägerwechsel und damit eventuell einhergehende Lücken bei der Leistungsgewährung vermieden werden sollen (vgl Beschlussempfehlung
und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren
im Sozialrecht [Verwaltungsvereinfachungsgesetz], BT-Drucks 15/4751, S 44).
Ausweislich des ebenso klaren Wortlauts des § 25 Satz 1 SGB II werden ausschließlich die bisherigen Leistungen jenes Beziehers von Alg II, der dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld
(gemäß §
20 Nr
3b iVm §
21 Abs
4 Satz 1
SGB VI in Höhe des Alg II) gegenüber dem Rentenversicherungsträger hat, als "Vorschuss" durch den Grundsicherungsträger (weiter)
gewährt. Die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II) erhalten ihre Leistungen hingegen nicht als "Vorschuss", sondern zur Bedarfsdeckung durch den weiterhin zuständigen Träger
der Grundsicherung, dh deren Ansprüche werden von § 25 SGB II nicht berührt (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 RdNr 12, Stand: Einzelkommentierung Juli 2007; H. Schellhorn in Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 25 RdNr 4, Stand: Einzelkommentierung August 2008; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 25 RdNr 26). Damit aber tritt der Grundsicherungsträger insoweit (nach den für ihn geltenden Vorschriften) nicht für die gesetzliche
Rentenversicherung in Vorleistung mit der Folge, dass ihm dann auch kein entsprechender Erstattungsanspruch gemäß § 102 SGB X iVm § 25 SGB II zustehen kann. Denn dem Grundsicherungsträger ist nur der Betrag zu erstatten, der dem Bezieher von Alg II "vorschussweise"
gewährt wurde (H. Schellhorn, aaO, § 25 RdNr 10). Bereits daraus folgt, dass von dem Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger
nur die Leistungen an das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfasst sein können, das dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld
gegen den Rentenversicherungsträger bei Leistungen der medizinischen Rehabilitation hat, nicht dagegen die nach dem SGB II erbrachten Leistungen an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (so bereits SG Fulda vom 28.10.2009 - S 3 R 227/08 - Juris RdNr 30; ebenso Radüge, jurisPK-SGB II, § 25 RdNr 28, Stand: Einzelkommentierung 15.8.2011; Kohte in Komm zum SozR, 2. Aufl 2011, § 25 SGB II RdNr 9; vgl auch Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 25 SGB II RdNr 11, Stand: Einzelkommentierung Juni 2008: "Lebt der SGB II-Empfänger in einer Bedarfsgemeinschaft, ist als Übergangsgeld nur sein Anteil an den SGB II-Leistungen zu berücksichtigen, nicht der der übrigen Mitglieder."). Die Vorschrift des § 25 SGB II geht hier als lex specialis der des § 34a SGB II aF vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 3 GKG.