Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren
Verfahrensrüge
Verletzung rechtlichen Gehörs
Unberücksichtigtes Vorbringen
1. Zwar gehört zum Anspruch auf rechtliches Gehör auch, dass das Gericht Äußerungen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und
in Erwägung ziehen muss.
2. Insoweit ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
3. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist,
ist Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
4. Denn dieses Verfahrensgrundrecht schützt nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder
materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt.
Gründe:
Mit Urteil vom 20.6.2017 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung höherer Kosten für ein Widerspruchsverfahren
und der Kosten für das dazugehörige Verwaltungsverfahren verneint. Die Beklagte habe zutreffend entschieden, dass eine Erledigungsgebühr
nach Nr 1005 VV RVG nicht zu erstatten sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin habe keine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende
besondere Tätigkeit entfaltet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt den Verfahrensmangel der Verletzung
des rechtlichen Gehörs.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 30.10.2017 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Die Klägerin hat bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt;
ihren Schilderungen können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche
Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes;
denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen
aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.6.2017 - B 13 R 144/17 B - Juris RdNr 9 mwN).
Unabhängig davon genügt die Beschwerdebegründung aber auch im Weiteren nicht den gesetzlichen Formerfordernissen des geltend
gemachten Zulassungsgrundes:
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.12.2003
- B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 §
160a Nr
3 RdNr
4). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Diesen Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin rügt die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG). Insoweit lässt sich der Beschwerdebegründung jedoch nur entnehmen, dass das LSG dem Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt
ist, dass ihr Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren eine - die Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG begründende - über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet habe. Zwar gehört
zum Anspruch auf rechtliches Gehör auch, dass das Gericht Äußerungen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen
muss. Insoweit ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten
zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein
Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist Art
103 Abs
1 GG verletzt. Denn dieses Verfahrensgrundrecht schützt nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen
oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (zum Schutzbereich vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4 RdNr 13 ff; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 14.9.2016 - 1 BvR 1304/13 - Juris RdNr 21 ff). Solche besonderen Umstände lassen sich der Beschwerdebegründung indes nicht entnehmen. Dass das LSG
der Rechtsansicht der Klägerin, insbesondere in den in der Beschwerde zitierten Schriftsätzen vom 28.6.2011 und 18.2.2015
nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 29.10.2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497; vgl auch Senatsbeschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8).
Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe ihr Vorbringen nicht korrekt wiedergegeben, mangelt es an dem Vortrag, dass sie einen
entsprechenden Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim LSG gestellt habe (vgl §
139, §
153 Abs
1 SGG). Denn die Tatbestandsberichtigung soll verhindern, dass ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage für die Entscheidung
des Revisionsgerichts wird. Hat die Klägerin einen solchen Antrag beim LSG aber nicht gestellt, kann sie nicht erst mit der
Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen, ihr im Tatbestand enthaltenes tatsächliches Vorbringen sei vom Berufungsgericht
nicht zutreffend wiedergegeben worden (vgl Senatsbeschluss vom 6.1.2016 - B 13 R 411/15 B - RdNr 7 mwN).
Sofern die Klägerin meint, das LSG habe zu Unrecht eine "besondere Tätigkeit" des Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren
verneint, wendet sie sich im Kern gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Beweiswürdigung des LSG (§
128 Abs
1 S 1
SGG) bzw gegen die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann jedoch gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.