Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung
Verweis auf eigene Rechtsansicht
Darlegung weiteren Klärungsbedarfs
1. Für die Geltendmachung einer grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage
in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren
klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
2. Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus
dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen
und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung.
3. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.
4. Allein die Behauptung, dass die Frage "nach diesseitiger Ansicht" höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, genügt für
die Darlegung weiteren Klärungsbedarfs nicht.
Gründe:
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 24.9.2014 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint,
weil nicht nachgewiesen sei, dass bei ihr bis zum 29.2.2012 - dem Zeitpunkt, zu dem letztmals die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt gewesen seien - der Versicherungsfall voller oder teilweiser Erwerbsminderung eingetreten sei.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
sowie einen Verfahrensmangel geltend.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 10.12.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
da sie weder eine grundsätzliche Bedeutung noch einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß dargetan hat.
1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht formgerecht dargelegt (§
160 Abs
2 Nr
1 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierfür ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen,
dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den
Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort
auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung
mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht
überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16
RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).
Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie führt an, folgende Fragen seien höchstrichterlich noch
nicht geklärt:
"(1) Kann bei Vorliegen einer Grunderkrankung - hier einer depressiven Störung - trotz zwischenzeitlicher, behandlungsbedingter
Besserung aus der Vielzahl von Rezidiven eine durchgängige Erwerbsminderung im Sinne des §
43 Abs.
1 und
2 SGB VI angenommen werden?
(2.) Können medizinische Befunde im Rahmen des Verfahrens nach § 43 Abs. 1 und 2 verwertet werden, selbst wenn diese zu einem
Zeitpunkt eingeholt wurden, der nach Ablauf der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des §
43 Abs.
2 Nr.
2 i.V.m. Abs.
4 SGB VI liegt."
Zum ersten Punkt führt sie weiter aus, es stelle sich die Frage, inwieweit auch in Anbetracht der nach dem Gutachten Dr. S.
noch eingeholten Befunde eine Berücksichtigung leichterer Krankheitsepisoden zur Begründung der Annahme der Erwerbsfähigkeit
herangezogen werden dürften, sofern sowohl zuvor als auch danach mindestens mittelgradige, wenn nicht gar schwere Krankheitsverläufe
dargelegt seien. Zum zweiten Punkt präzisiert sie, es stelle sich die Frage, ob und unter welchen Umständen eingeholte Befundberichte
verwertet werden könnten, selbst wenn diese "zu einem Zeitpunkt erstellt" wurden, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
nicht mehr erfüllt waren, denn das LSG habe Berichte des A -Klinikums H. vom 6.6.2012 (über einen Aufenthalt ab 14.2.2012)
sowie vom 13.1.2014 (über eine depressive Episode im Herbst 2013) als "zu spät" unberücksichtigt gelassen.
Es kann hier offenbleiben, ob die Klägerin mit der Frage (1.) eine Rechtsfrage iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG zur Auslegung eines der Tatbestandsmerkmale des §
43 SGB VI aufgeworfen hat, die das Revisionsgericht allein aufgrund rechtlicher Überlegungen und mit den Mitteln der juristischen Methodik
beantworten könnte, oder ob es sich insoweit vielmehr um eine typische Tatsachenfrage bei der Ermittlung des vom Gericht im
Einzelfall festzustellenden sozialmedizinischen Sachverhalts handelt (vgl BSG Beschluss vom 21.7.1989 - 2 BU 22/89 - Juris RdNr 4; Senatsbeschluss vom 11.11.2014 - B 13 R 241/14 B - BeckRS 2014, 74137 RdNr 7 mwN). Jedenfalls hat sie zur weiteren Klärungsbedürftigkeit dieser Frage auf der Grundlage
des Wortlauts des §
43 Abs
1 S 2, Abs
2 S 2
SGB VI ("... auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
sechs [Abs 2 S 2: drei] Stunden täglich erwerbstätig zu sein") und im Lichte bereits vorhandener oberstgerichtlicher Rechtsprechung
(s zB Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 13 ff) nichts vorgetragen. Allein die Behauptung, dass
die Frage "nach diesseitiger Ansicht" höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, genügt für die Darlegung weiteren Klärungsbedarfs
nicht. Im Übrigen kann den Ausführungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift auch nicht entnommen werden, inwiefern diese
Frage bei Zugrundelegung der tatsächlichen Feststellungen des LSG in ihrem Fall entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist.
Denn es wird daraus nicht ersichtlich, dass auch das Berufungsgericht festgestellt habe, dass die Zeiträume einer Befundverbesserung
und Stabilisierung "stets nur von kurzer Dauer" gewesen seien.
Hinsichtlich der Frage (2.) - zur Verwertbarkeit von Befunden, die nach dem Zeitpunkt des Wegfalls der versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung eingeholt bzw erstellt wurden - vermag die Klägerin keine Norm des Bundesrechts
zu benennen, aus der sich ein Verwertungsverbot oder aber ein Gebot zur Berücksichtigung solcher Befunde ergeben könnte. Somit
ist nicht erkennbar, inwiefern sich diese Frage als Rechtsfrage überhaupt stellt. Im Übrigen hat sie auch zu dieser Frage
nicht dargelegt, inwiefern auf der Grundlage bereits vorhandener oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu Beweisregeln ein weiterer
Klärungsbedarf besteht. Im Kern beanstandet die Klägerin insoweit, dass das LSG bei seiner Beweiswürdigung den Befundberichten
vom 6.6.2012 und vom 13.1.2014 keine maßgebliche Bedeutung beigemessen habe (zur Erörterung dieser Befundberichte s LSG-Urteil
S 9 und 10). Die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch ausgeschlossen (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2 iVm §
128 Abs
1 S 1
SGG).
2. Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und
schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel
beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl
2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 3
SGG).
Dem wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Diese rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil
das Berufungsgericht den Befundbericht vom 6.6.2012 über ihren Aufenthalt im A. -Klinikum H. im Februar 2012 nicht in seine
Entscheidungsfindung habe einfließen lassen. Die Klägerin versäumt es jedoch, im Einzelnen darzustellen, aus welchen besonderen
Umständen sich ergeben soll, dass das LSG den genannten Bericht völlig unberücksichtigt gelassen habe (s hierzu BVerfG [Kammer]
Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 12). Allein die unsubstantiierte und pauschale Behauptung, dass dies so gewesen sei, ist nicht ausreichend.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.