Kürzung von Entgeltpunkten für die Berechnung einer Altersrente nach dem FRG; Anwendbarkeit der Übergangsregelung in Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Altersrente für Frauen ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP) zusteht.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin siedelte im Juni 1989 aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland
über. Auf ihren Antrag vom September 1999 bewilligte die Beklagte Altersrente für Frauen ab 1.12.1999 (Bescheid vom 9.12.1999).
Bei der Berechnung kürzte sie die EP der nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin um 40 vH durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6.
Mit Schreiben vom 26.2.2007 beantragte die Klägerin die "Rücknahme des Bescheides vom 13.1.1997" gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die Neufeststellung ihrer Altersrente ohne Kürzung der Beitragszeiten nach dem FRG um 40 vH unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5). Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheids vom 9.12.1999 ab, weil die Klägerin ihren Überprüfungsantrag
erst nach dem 31.12.2004 gestellt habe, so dass sie allein deshalb die Voraussetzungen der nach der Entscheidung des BVerfG
getroffenen Übergangsregelung nicht erfülle (Bescheid vom 14.8.2007). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 9.11.2007; Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.3.2009).
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 5.10.2009 zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 44 SGB X auf Rücknahme des Rentenbescheids vom 9.12.1999 und auf Gewährung einer Altersrente ohne Kürzung der nach dem FRG anzurechnenden EP um 40 vH. Gemäß § 22 Abs 4 FRG seien die EP für Zeiten nach §§ 15 und 16 FRG mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen. Die Klägerin könne eine ungekürzte Altersrente auch nicht aus der rückwirkend zum
1.10.1996 eingefügten Fassung von Art 6 § 4c Abs 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG [2007]) beanspruchen.
Diese - auf die Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 zurückzuführende - Übergangsregelung greife nicht zugunsten der Klägerin.
Zwar sei unstreitig, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik vor dem 1.1.1991 (am 20.6.1989) genommen
und Altersrente nach dem 30.9.1996 (ab 1.12.1999) bezogen habe. Es fehle jedoch an einem Rentenantrag oder an einem bis zum
31.12.2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids, über den am 30.6.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden
worden sei. Am Stichtag der Vorschrift (30.6.2006) sei kein unbeschiedener Antrag der Klägerin anhängig gewesen. Zwischen
den Beteiligten sei unstreitig, dass der Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999 erst am 26.2.2007 gestellt worden sei.
Eine günstigere Regelung könne die Klägerin auch nicht aus der Formulierung in der og Entscheidung des BVerfG herleiten, wonach
bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung "für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt" blieben.
Dadurch habe das BVerfG klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen sei, Verwaltungsverfahren, die im Zeitpunkt
der Verkündung der Entscheidung des BVerfG bereits (bestandskräftig) abgeschlossen waren, für Zeiträume bis zur Entscheidung
des BVerfG in eine gesetzliche Neuregelung einzubeziehen. Dadurch habe der Gesetzgeber der verfassungsrechtlichen Bedeutung
der Bestandskraft von Verwaltungsakten, die auch in § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zum Ausdruck komme, Rechnung getragen. Im Umkehrschluss bedeute dies nicht, dass für diese bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakte
eine Neuregelung für die Zukunft hätte getroffen werden müssen. Dies richte sich vielmehr danach, inwieweit das BVerfG die
streitige Norm für nicht mit der Verfassung vereinbar erklärt habe. Entscheidend sei daher, ob für die Herstellung eines verfassungsgemäßen
Zustands eine Änderung der Norm nur für in der Vergangenheit zurückliegende oder auch für zukünftige Zeiträume erforderlich
sei. Die Neuregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) sei jedenfalls mit den Vorgaben des BVerfG vereinbar. Mit der nach Zeiträumen
gestaffelten Kürzung der EP in dieser Übergangsregelung habe der Gesetzgeber den Betroffenen hinreichend Zeit gelassen, um
sich auf niedrigere Rentenhöhen einzustellen. Gerade die vom BVerfG für ausreichend erachtete Möglichkeit zur Anpassung der
Lebensführung an den deutlich niedrigeren Rentenbetrag lasse auf eine verfassungsrechtlich zulässige Absenkung der Rentenhöhe
für rentennahe Jahrgänge schließen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007). Rechte nach dem FRG seien bereits mit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Nachfolgende Gesetzesänderungen hätten daher
in ihre bereits entstandenen Ansprüche eingegriffen. Aus diesem Grund habe das BVerfG auch eine Übergangsregelung für notwendig
erachtet. Diese erfasse jedoch nur einen Teil der durch die Gesetzesänderungen Betroffenen. Insbesondere berücksichtige die
Norm nicht jenen Personenkreis, dem sie zugehörig sei. Auch für diese Personen gelte der Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Unter Beachtung der Vorgaben des BVerfG hätte sie in die Übergangsregelung einbezogen werden müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5.10.2009 und des SG Detmold vom 26.3.2009 und den Bescheid der Beklagten vom
14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.11.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme
des Bescheids vom 9.12.1999 Altersrente für Frauen ohne Kürzung der nach dem FRG ermittelten EP um den Faktor 0,6 und im Übrigen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 1.7.2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) für verfassungsgemäß. Im Übrigen beruft sie sich auf das Urteil des 5. Senats vom 20.10.2009
(BSG SozR 4-5050 § 22 Nr 9), wonach die Übergangsregelung auch dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz für die von dieser Vorschrift
erfassten Betroffenen entspreche.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt
(§
165 Satz 1, §
153 Abs
1, §
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen. Mit ihrem Überprüfungsbegehren
verfolgt die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 und 4
SGG; vgl BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 3 RdNr 8; BSGE 88, 75, 77 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20 S 132; BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19), die unbegründet ist. Der angefochtene Ablehnungsbescheid
der Beklagten vom 14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.11.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht
in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999
sowie auf Neufeststellung einer höheren Altersrente ohne Kürzung der nach dem FRG ermittelten EP um den Faktor 0,6.
Die Beklagte ist weder nach Art 6 § 4c Abs 2 FANG (1.) noch nach der Rechtsfolgenanordnung des BVerfG (2.) oder nach verfahrensrechtlichen
Vorschriften (3.) zur Änderung des bestandskräftigen Rentenbescheids vom 9.12.1999 verpflichtet. Zugunsten der Klägerin greift
auch nicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch (4.). Das Überprüfungsbegehren scheitert daran, dass die ab 1.12.1999
vorgenommene Absenkung der EP für nach dem FRG anerkannte Beitragszeiten um 40 vH gemäß § 22 Abs 4 FRG ohne Ausgleich gesetzeskonform und verfassungsgemäß (5.) ist.
1. Gemäß § 22 Abs 4 FRG in der hier maßgeblichen Fassung von Art 3 Nr 4 Buchst b Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen EP mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen, also um 40 vH abzusenken. Diese Vorschrift, die bereits mit Wirkung
vom 7.5.1996 in Kraft getreten ist (Art 12 Abs 2 WFG), hat die Beklagte rechtsfehlerfrei angewandt.
a) Die - ebenfalls mit Wirkung vom 7.5.1996 (Art 12 Abs 2 WFG) in Kraft getretene - als Übergangsregelung hierzu durch Art
6 § 4c FANG (1996) idF von Art 4 Nr 4 WFG geschaffene Ausnahme beließ es für "Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt", bei dem
bis dahin geltenden Recht. In Verbindung mit der früheren Übergangsregelung des Art 6 § 4 Abs 5 FANG (1996) galt der Rentenabschlag
in Höhe von 40 vH damit für alle nach dem FRG Berechtigten unabhängig vom Datum ihres Zuzugs mit einem Rentenbeginn ab dem 1.10.1996, wenn sie nicht unter das Abkommen
vom 9.10.1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung fielen
(vgl hierzu BVerfGE 116, 96, 101 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 22; BSG SozR 4-5050 § 22 Nr 9 RdNr 14). Zu diesem Personenkreis zählt auch die Klägerin.
Die Beklagte hat diese Vorschriften ebenfalls rechtsfehlerfrei auf sie angewandt.
b) Eine günstigere Rechtsposition kann die Klägerin auch nicht aus der durch Art 16 Nr 2 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes
vom 20.4.2007 (BGBl I 554) rückwirkend zum 1.10.1996 (Art 27 Abs 2 aaO) angefügten Bestimmung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007)
herleiten. Diese Übergangsregelung geht auf die Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) zurück (vgl BT-Drucks 16/3794, S 48 zu Art
16), wonach es mit Art
2 Abs
1 Grundgesetz (
GG) iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs 4 FRG auf Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben
und deren Rente nach dem 30.9.1996 begonnen hat, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge
zur Anwendung kommt.
Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) lautet:
"(2) Für Berechtigte,
1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben,
2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und
3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30.
Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an
persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen
der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser
Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges
vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll,
vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln,
vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und
vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel
gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
findet keine Anwendung. § 44 Abs 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung."
c) Der Klägerin stehen aus dieser Übergangsregelung weder eine ungekürzte Rente unter voller Anrechnung der EP für die nach
dem FRG anerkannten Zeiten noch ein Rentenzuschlag zu. Zwar hat sie vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland genommen (Juni 1989) und ihre Rente hat nach dem 30.9.1996 (Dezember 1999) begonnen (Abs 2 Satz
1 Nr 1 und 2). Die Voraussetzungen von Abs 2 Satz 1 Nr 3 sind jedoch nicht erfüllt. Denn über ihren Rentenantrag vom September
1999 war bereits mit Bewilligungsbescheid vom 9.12.1999 bindend (§
77 SGG) entschieden worden. Es fehlt an einem "bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids", weil
die Klägerin den Antrag auf Rücknahme dieses Rentenbescheids erst mit Schreiben vom 26.2.2007 gestellt hat.
d) Gründe für eine Wiedereinsetzung in die am 31.12.2004 abgelaufene Frist zur Beantragung der Überprüfung des Rentenbescheids
(§ 27 Abs 1 SGB X) sind vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht behauptet worden - unabhängig von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung
zulässig wäre (§ 27 Abs 5 SGB X).
2. Die Klägerin kann auch keine Änderung des bindenden Rentenbescheids aus der Rechtsfolgenanordnung im Abschnitt D der Entscheidung
des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96, 135 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 111 ff), die für alle Gerichte und Behörden bindend ist (§ 31 Abs 1 BVerfGG), beanspruchen; weder für den Leistungszeitraum ab 1.12.1999 noch ab 1.7.2006.
Das BVerfG hat in der Rechtsfolgenanordnung im Abschnitt D Folgendes bestimmt (BVerfGE 116, 96, 135 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 111 bis 113): "D. I. Da der Gesetzgeber im vorliegenden Fall eine Regelung in verfassungswidriger
Weise unterlassen hat, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2007 eine verfassungsgemäße
Regelung zu treffen. II. Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen
sich Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind und deren Rente nach dem 30.9.1996
begonnen hat, gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 4 FRG 1996 wegen der dort vorgesehenen Absenkung der ihrer Rente zu Grunde liegenden Entgeltpunkte wenden, bleiben ausgesetzt oder
sind auszusetzen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, aus der vom Gesetzgeber zu treffenden Regelung Nutzen zu
ziehen. Bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte bleiben von der vorliegenden Entscheidung für die Zeit vor der Bekanntgabe
unberührt. Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Wirkung dieser Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide
zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht (vgl BVerfGE 104, 126, 150)."
Mit der in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 FANG (2007) normierten Regelung ("über deren Rentenantrag oder über deren bis 31.
Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden
ist") ist der Gesetzgeber nicht hinter den Vorgaben des BVerfG zurückgeblieben (wonach "noch nicht rechts- oder bestandskräftig
abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren" ausgesetzt bleiben oder auszusetzen sind). Hierbei hat der Gesetzgeber
auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG am 30.6.2006 (durch Pressemitteilung des BVerfG Nr 58/2006)
anhängige Überprüfungsverfahren in bestimmten zeitlichen Grenzen in die Übergangsregelung mit einbezogen.
Welche Gründe den Gesetzgeber bewogen haben, die Antragstellung für Überprüfungsverfahren auf den 31.12.2004 zu befristen,
ergibt sich zwar nicht aus den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 16/3794, S 48 zu Art 16; 16/4372; vgl auch BR-Drucks 2/07
S 122). Die Befristung erschließt sich aber aus dem zeitlich gestaffelten Rentenzuschlag in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007). Sie trägt § 44 Abs 4 SGB X Rechnung (insoweit zutreffend LSG Bayern vom 18.2.2009 - L 13 R 909/08 - Juris RdNr 31), auf den Art 6 § 4c Abs 2 Satz 6 FANG (2007) verweist. Anträge auf Rücknahme des Rentenbescheids, die während
des von der Vorschrift nicht erfassten Zeitraums ab 1.1.2005 gestellt worden sind, lösen von vornherein keinen Überprüfungsanspruch
aus, weil die Rücknahme eines bindenden Rentenbescheids in diesem Fall keine Auswirkung mehr haben kann (vgl BSG SozR 3-6610
Art 5 Nr 1 S 4 mwN). Für ab 1.1.2005 gestellte Überprüfungsanträge hätte ein Rentenzuschlag allenfalls im Zeitraum von 2001
bis 2004 beansprucht werden können. Der gestaffelte Rentenzuschlag lief aber bereits mit Ablauf des 30.6.2000 gänzlich aus
(Art 6 § 4c Abs 2 Sätze 3 und 4 FANG [2007]).
Für die Klägerin, die ihren Überprüfungsantrag erst am 26.2.2007, mithin nach der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG
gestellt hat, gilt daher die verbindliche Rechtsfolgenanordnung, dass bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung
des BVerfG für die Zeit vor dessen Bekanntgabe unberührt bleiben. Zwar war es demnach dem Gesetzgeber unbenommen, die Wirkung
der Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in
Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 Alt 2 FANG (2007) nur in Bezug auf bis 31.12.2004 gestellte Überprüfungsanträge Gebrauch gemacht.
3. Die Klägerin kann auch keine Änderung des bindenden Rentenbescheids aus verfahrensrechtlichen Normen herleiten, weder für
den Leistungszeitraum ab 1.12.1999 noch ab 1.7.2006.
a) Ein Anspruch auf Rücknahme des bindenden Rentenbescheids aus § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X für den Leistungszeitraum vom 1.12.1999 bis 30.6.2000 besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht
unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Gemäß § 44 Abs 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu
vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist
(Satz 1). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen
sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).
Kann die Rücknahme eines bindenden Verwaltungsakts aber keine Auswirkung mehr haben, so besteht von vornherein kein Überprüfungsanspruch
mehr (BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 4 mwN). So verhält es sich hier. Die Klägerin könnte selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X auf ihren im Februar 2007 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999 allenfalls Leistungen
im Zeitraum von 2003 bis 2006 beanspruchen (§ 44 Abs 4 SGB X). Der in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007) gestaffelte Rentenzuschlag lief aber mit Ablauf des 30.6.2000 gänzlich aus.
b) Ebenso wenig wirkt sich §
100 Abs
4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI), der durch Art 1 Nr
30 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007 (BGBl I 554) mit Wirkung zum 1.5.2007 (Art 27 Abs 7) angefügt worden
ist, zugunsten der Klägerin aus. Denn diese Bestimmung setzt ua einen Rücknahmeanspruch nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X voraus, der nicht vorliegt (s soeben unter a).
c) Auch eine Anwendung von § 48 Abs 1 oder 2 SGB X anstelle von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X könnte die Klägerin nicht günstiger stellen. § 48 Abs 4 Satz 1 SGB X verweist insoweit ebenso auf die vierjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X. Dadurch werden bei der Aufhebung nach §§ 44 und 48 SGB X hinsichtlich der nachträglichen Erbringung von Sozialleistungen gleiche Ergebnisse erzielt (vgl Schütze in von Wulffen, 7.
Aufl 2010, § 48 SGB X RdNr 33 mwN).
4. Die Klägerin kann für sich schließlich kein Recht aus dem - von der Rechtsprechung entwickelten - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
herleiten. Dieser erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts;
als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch
eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (stRspr, vgl zu den Einzelheiten zB Senatsurteil vom 11.3.2004 - BSGE 92, 241, 243 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 RdNr 19 mwN).
Ein Übergangszuschlag nach Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007) aufgrund des Herstellungsanspruchs könnte in der vorliegenden
Fallgestaltung allenfalls damit begründet werden, dass die Beklagte die Klägerin dahingehend hätte kontaktieren müssen, dass
sie bis zum 31.12.2004 einen Antrag auf Rücknahme ihres (bindenden) Rentenbescheids vom 9.12.1999 hätte stellen müssen. Ein
solches Beratungsverlangen ist aber abwegig. Denn der Ausgang des Verfahrens vor dem BVerfG war seinerzeit nicht vorhersehbar.
5. Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass die Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) verfassungswidrig
ist.
a) Soweit die Klägerin meint, sie könne allein deshalb eine ungekürzte Altersrente beanspruchen, weil sie bereits vor 1991
in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und schon zu diesem Zeitpunkt Ansprüche nach dem FRG erworben habe, die der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr zu ihren Ungunsten habe ändern dürfen, geht
diese Ansicht fehl. Das BVerfG hat ausdrücklich entschieden, dass der Personenkreis, der bereits vor diesem Datum zugezogen
war, nicht allgemein von der Kürzung der EP um 40 vH ausgeschlossen ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass "allein
die nach dem 1.1.1991 in die Bundesrepublik zugezogenen, nach dem FRG Berechtigten die Last der Sanierung der RV-Träger auf Dauer zu tragen hätten, konnte sich nicht bilden" (BVerfGE 116, 96, 132 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 104).
Im Übrigen ist bereits entschieden, dass die Stufenregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) die Vorgaben im Beschluss des
BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) erfüllt. Sie genügt den Anforderungen, die das BVerfG unter Berücksichtigung von Art
2 Abs
1 GG und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips an eine Übergangsregelung für FRG-Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen und deren
Rente nach dem 30.9.1996 begonnen hat, gestellt hat (vgl Senatsurteil vom 25.2.2010 - SozR 4-5050 § 22 Nr 10 RdNr 25 ff; BSG
SozR 4-5050 § 22 Nr 9 RdNr 17 ff). Im Anschluss an das Senatsurteil (aaO) hat das BVerfG Art
6 § 4c Abs
2 FANG (2007) für mit dem
Grundgesetz vereinbar erklärt. Es hat ausgeführt, dass der Verfassung keine Verpflichtung zu entnehmen ist, die Übergangsregelung über
einen längeren Zeitraum als den in Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) vorgesehenen Zeitraum von 45 Monaten zu erstrecken oder die
Reduzierung des Rentenbetrages in anderen Schritten vorzunehmen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.7.2010 - 1 BvR 1201/10 - NZS 2010, 557, 558). Die Klägerin muss daher die dauerhafte Rentenkürzung um 40 vH hinnehmen.
b) Soweit die Klägerin schließlich der Übergangsregelung nur deshalb nicht unterfällt, weil im Zeitpunkt der Bekanntgabe der
Entscheidung des BVerfG am 30.6.2006 über ihren Rentenantrag bestandskräftig entschieden war und sie erst nach diesem Datum
einen Antrag auf Rücknahme des bindenden Rentenbescheids gestellt hat, bleibt auch die Voraussetzung von Art 6 § 4c Abs 2
Satz 1 Nr 3 FANG (2007) nicht hinter den Vorgaben zurück, die das BVerfG als verfassungsrechtliche Rechtsfolge der Unvereinbarkeitserklärung
verbindlich (Art 31 Abs 1 BVerfGG) formuliert hat (vgl oben unter 2.). Sie ist schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 FANG (2007) privilegiert jene Versicherten, über deren Rente im Zeitpunkt der Entscheidung des
BVerfG bzw über deren bis 31.12.2004 gestellte Überprüfungsanträge am Stichtag (30.6.2006) noch nicht bestandskräftig entschieden
war, gegenüber jenen Berechtigten, bei denen dies - wie bei der Klägerin - der Fall war. Diese Ungleichbehandlung verstößt
nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG. Die Differenzierung beruht auf sachlichen Gründen.
Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, Verwaltungsakte, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG bereits
bestandskräftig waren - anders als nach der konkreten Rechtsfolgenanordnung des BVerfG - ebenso zu behandeln wie (noch) nicht
bindende Verwaltungsakte. Im Hinblick auf die Bestandskraft (Bindung) unterscheiden sich die Sachverhalte grundlegend voneinander,
sodass eine differenzierte Behandlung gerechtfertigt ist. Das BVerfG hat geklärt, dass der Bestandskraft von Verwaltungsakten
eine vergleichbare Bedeutung für die Rechtssicherheit zukommt wie der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Es besteht
auch ein verfassungsrechtliches Interesse daran, die Bestandskraft eines Hoheitsakts herbeizuführen, wenn die Rechtsordnung
der Verwaltung die Befugnis erteilt hat, für ihren Bereich das im Einzelfall Verbindliche festzustellen, zu begründen oder
zu verändern (so ausdrücklich BVerfGE 60, 253, 270; vgl auch BVerfG vom 15.10.2009 - 1 BvR 3522/08 - Juris RdNr 38: "wegen des verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatzes der Bestandskraft").
Für die Klägerin gilt daher die Vorgabe des BVerfG, dass bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung des
BVerfG für die Zeit vor dessen Bekanntgabe unberührt bleiben. Von Verfassungs wegen bedurfte es keiner Korrektur von im Zeitpunkt
der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG bestandskräftigen Rentenbescheiden. Das BVerfG hat betont, dass es dem Gesetzgeber
frei stand, die Wirkung seiner Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige (Renten)Bescheide zu erstrecken.
Die aufgezeigte Differenzierung lässt sich mühelos auf den Rechtsgedanken der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden
- Vorschrift von § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG (dazu BVerfGE 20, 230, 236) zurückführen, wonach nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer für nichtig (oder für verfassungswidrig)
erklärten Norm beruhen, unberührt bleiben. Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen
Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zu Stande gekommen sind, im Einzelfall nicht rückwirkend aufgehoben und die
nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit
nicht beseitigt werden sollen (stRspr, vgl zB BVerfGE 104, 126, 150; 107, 27, 58; 94, 241, 266 auch für den Fall der Unvereinbarkeitserklärung; ebenso Graßhof in Umbach/Clemens/Dollinger
[Hrsg], BVerfGG, 2. Aufl, § 78 RdNr 69; § 79 RdNr 27 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.