Abschmelzung des Auffüllbetrages bei Rentenanpassungen
Gründe:
I
Streitig ist, ob ein Auffüllbetrag bei der zum 1. Juli 2000 erfolgten Rentenanpassung auch unter Einbeziehung des sich aus
der Neubewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden höheren Zahlbetrags "abzuschmelzen" war.
Die Klägerin bezog ab 1. Januar 1981 eine Altersrente aus der Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Zu der zum 1. Januar 1992 umgewerteten und ab Januar 1993 als Regelaltersrente (RAR) gezahlten Rente erhielt sie einen Auffüllbetrag
gemäß §
315a des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in Höhe von damals 252,31 DM.
In den Rentenanpassungsmitteilungen des Postrentendienstzentrums bzw der Deutschen Post AG RENTEN SERVICE der Jahre 1998 bis
1999 wurden die sich aus der Rentenanpassung und der Neubewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden Rentenerhöhungen in
vollem Umfang mit dem noch zu zahlenden Auffüllbetrag verrechnet, so dass sich für die Klägerin im Ergebnis ab Juli 1998 keine
Rentenerhöhung mehr ergab. Mit Schreiben vom 10. Juni 1999 widersprach die Klägerin diesem Vorgehen, weil sie trotz der Erhöhung
der persönlichen Entgeltpunkte keine höhere RAR, sondern unverändert den Zahlbetrag in Höhe von 1088,58 DM erhalte.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Überprüfung die Richtigkeit der Rentenanpassungen
ergeben habe, und wies mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999 den eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück.
Während des Verfahrens über die beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Klage ist die Rentenanpassungsmitteilung 2000 ergangen. Das SG hat mit Urteil vom 27. August 2002 die Beklagte unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung für Juli 2000 verurteilt,
der Klägerin RAR ab Juli 2000 zu gewähren, ohne den sich aus der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden Betrag
bei der Abschmelzung des Auffüllbetrags in Ansatz zu bringen. Im Übrigen (hinsichtlich der Jahre 1998 und 1999) hat das SG die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß §
315a Satz 4
SGB VI führten bis 1999 in der "ersten Abschmelzungsphase" auch die durch die Höherbewertung von Kindererziehungszeiten sich ergebenden
höheren Beträge zur Abschmelzung der gewährten Auffüllbeträge. Dies gelte jedoch nicht mehr ab dem Beginn der "zweiten Abschmelzungsphase"
gemäß §
315a Satz 5
SGB VI. Der Passus "bei jeder Rentenanpassung" in §
315a Satz 5
SGB VI stelle ein Zeit und Anlass der Auffüllungsbetragsminderung bestimmendes Tatbestandsmerkmal dar.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2003 hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des SG-Urteils Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt: Der Berufungssenat stütze sich für seine Entscheidung - wie schon das
SG - auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. November 2000 (B 4 RA 68/99 R - BSG SozR 3-2600 §
315a Nr 3). Im Gegensatz zu §
315a Satz 4
SGB VI erfolge die Begrenzung der Abschmelzung des Auffüllbetrags auf den Wert der durch die gesetzliche Anpassung bedingten Geldwerterhöhungen
des Rechts auf Rente nach dem eindeutigen Wortlaut des §
315a Satz 5
SGB VI (nur) "im Umfang dieser Rentenanpassungen".
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Die Beklagte rügt die unrichtige Anwendung materiellen Rechts, insbesondere eine Verletzung des §
315a Satz 5
SGB VI. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Sie sei entgegen der Ansicht der Vorinstanzen berechtigt gewesen, die sich
aus der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebende Rentenerhöhung auch zum 1. Juli 2000 in dieser Höhe auf den Auffüllbetrag
anzurechnen, dh diesen um den daraus resultierenden höheren Rentenbetrag - zusammen mit dem sich aus der zugleich erfolgten
Rentenanpassung ergebenden Betrag - abzuschmelzen.
Während für die erste Phase der Abschmelzung des Auffüllbetrags sich insofern kaum Interpretationsspielräume ergeben hätten,
weil §
315a Satz 4
SGB VI den Rentenanpassungsbetrag nicht als eigenständiges Element enthalte, habe der Gesetzgeber für das Zusammentreffen von Rentenanpassungsbeträgen
mit Rentenerhöhungen aufgrund der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ab dem 1. Juli 2000 keine Regelung getroffen.
Der Gesetzgeber sei in Erwartung höherer Rentenanpassungen seinerzeit davon ausgegangen, dass in der Mehrzahl der Fälle der
Auffüllbetrag nach fünf Rentenanpassungen in der ersten Abschmelzungsphase abgeschmolzen sein werde. Aus den Regelungen der
Sätze 4 und 5 von §
315a SGB VI sei jedoch das Interesse des Gesetzgebers an einer zügigen Abwicklung der Abschmelzung der Auffüllbeträge erkennbar. Es sei
daher naheliegend, die zum 1. Juli 2000 vorzunehmende Abschmelzung im Umfang der sich zu diesem Zeitpunkt insgesamt ergebenden
Veränderung der Rente vorzunehmen und den Auffüllbetrag - wie bei den zuvor erfolgten Rentenanpassungen - gegen den sich aus
der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden Rentenbetrag aufzurechnen.
Die zeitliche Zusammenlegung der einzelnen Stufen der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten mit der jeweiligen Rentenanpassung
zum 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000 lasse sich mit dem Interesse des Gesetzgebers an einer verwaltungs- und kostenarmen
Umsetzung von §
307d SGB VI erklären, um die Neubewertung in einem maschinellen Verfahren und ohne Neufeststellung der bereits der Rente zugrunde liegenden
Entgeltpunkte zu realisieren. Vor diesem Hintergrund sei es schlüssig, den im Zuge der Rentenanpassung ermittelten Änderungsbetrag
der Rente nicht noch einmal nach Art und Zusammensetzung aufzusplitten, um - allein deswegen - nunmehr einen Abschmelzungsbetrag
nach §
315a Satz 5
SGB VI zu ermitteln.
Der vom Gesetzgeber bewusst auf den Zeitpunkt der Rentenanpassung gelegte dritte Schritt der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten
falle mit der Rentenanpassung zusammen und beides könne nur bedingt voneinander getrennt werden. Es sei nicht auszuschließen,
dass im Hinblick auf das Verhältnis von §
307d und §
315a SGB VI eine Regelungslücke vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. August
2002 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin ab Juli 2000 Regelaltersrente zu gewähren, ohne
den sich aus der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden Betrag bei der Abschmelzung des Auffüllbetrags in Ansatz
zu bringen, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen beim BSG zugelassenen Bevollmächtigten vertreten.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin die ihr ab Juli
2000 zustehende RAR zu gewähren, ohne den sich aus der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebenden Betrag bei der
Abschmelzung des Auffüllbetrags in Ansatz zu bringen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, nicht nur den sich zum 1. Juli 2000 aus
der vorgenommenen Rentenanpassung ergebenden höheren Rentenbetrag, sondern auch die sich zeitgleich aus der Höherbewertung
der Kindererziehungszeiten ergebende Rentenerhöhung auf den Auffüllbetrag anzurechnen, oder ob sich zu diesem Zeitpunkt -
anders als für die Jahre 1998 und 1999 - für die Klägerin ein höherer Rentenzahlbetrag ergab. Dagegen ist nicht mehr Gegenstand
des Rechtsstreits die so genannte Abschmelzung des Auffüllbetrags anlässlich der Rentenanpassungen für die Jahre 1998 und
1999.
An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Zweifel, weil Verwaltungsverfahren und Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt
worden sind. Angefochten war der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 1999, den diese auf den "Widerspruch" der Klägerin gegen
die "Mitteilung zur Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung" zum 1. Juli 1999 (Rentenanpassungsmitteilung zum 1.
Juli 1999) erteilt und mit dem sie aufgrund deren Einwendungen eine sachliche Prüfung vorgenommen hatte. Der Widerspruch der
Klägerin wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999 mit eingehender Begründung sachlich beschieden.
Gegenstand der Klage war somit zunächst nur die Höhe des Auffüllbetrags nach den zum 1. Juli 1998 und 1. Juli 1999 vorgenommenen
Rentenerhöhungen, da die jetzt noch allein streitige Abschmelzung des Auffüllbetrags zum 1. Juli 2000 zu diesem Zeitpunkt
noch nicht erfolgt war. Diese wurde erst während des Klageverfahrens mit der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 vorgenommen.
Auch wenn die Vorinstanzen sich zur Zulässigkeit der Klage bezüglich der zum 1. Juli 2000 vorgenommenen Abschmelzung des Auffüllbetrags
nicht näher geäußert haben, so sind sie im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass auch dieser Streitpunkt zulässiger Gegenstand
des Verfahrens geworden ist, weil es sich bei der Erstreckung der Klage auf die Höhe der Abschmelzung des Auffüllbetrags zum
1. Juli 2000 nicht um eine Änderung der Klage im Sinne von §
99 Abs
1 und
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) handelt, sondern lediglich um eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache im Sinne des §
99 Abs
3 Nr
2 SGG. Letzteres ist nach dieser Vorschrift nicht als Klageänderung anzusehen (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 99 Nr 4; s auch BSG SozR
2600 § 2 Nr 1). Da eine Klageänderung und damit eine neue Klage im Sinne des Gesetzes nicht vorliegt, erübrigt sich eine gesonderte
Prüfung der Prozessvoraussetzungen hinsichtlich dieses erweiterten Streitgegenstands.
Bestehen an der Zulässigkeit der Klage auch hinsichtlich des jetzt noch anhängigen Streitgegenstands keine Zweifel, so kann
der Senat letztlich dahinstehen lassen, ob - wovon offenbar das SG (im Anschluss an den parlamentarischen Gesetzgeber: BT-Drucks 13/3150, S 23 und S 45, jeweils zu Nr 50) ausgegangen ist -
die Rentenanpassungsmitteilung zum Juli 2000 ein Verwaltungsakt war (zum Verwaltungsaktcharakter der Rentenanpassungsmitteilung
vgl BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 13 mwN; s auch Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 31 RdNr 67, 68 mwN). Nur unter dieser Voraussetzung hätte die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 gemäß §
96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens werden können und wäre dann zu Recht vom SG aufgehoben worden. Eine Beurteilung ihrer Rechtsnatur ist dem Senat jedoch schon deshalb nicht möglich, weil diese Mitteilung
in ihrem vollständigen Wortlaut nicht vorliegt. Einer abschließenden Prüfung dieses Punktes bedarf es aber nicht. Wird die
bloße Rentenanpassungsmitteilung nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch angesehen,
bedarf es zwar nicht deren Aufhebung. Eine gleichwohl ausgesprochene (Teil-)Aufhebung ist jedoch jedenfalls unschädlich, so
dass eine Korrektur des Urteilstenors des SG insoweit nicht erforderlich erscheint.
Die zum 1. Juli 2000 vorgenommene Abschmelzung des Auffüllbetrags verletzt die Klägerin insoweit in ihrem Recht, als die Beklagte
nicht berechtigt war, die sich durch die zum 1. Juli 2000 erfolgte Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergebende Rentenerhöhung
auf den gewährten Auffüllbetrag anzurechnen. Hierfür ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die gleichwohl auch insoweit
vorgenommene höhere Abschmelzung des Auffüllbetrags verstößt daher gegen den Vorbehalt des Gesetzes (§ 31 des Ersten Buchs
Sozialgesetzbuch). Insbesondere kann sich die Beklagte hierfür nicht auf §
315a Satz 5
SGB VI berufen, der allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt.
§
315a SGB VI regelt zunächst in seinen Sätzen 1 bis 3 die Grundsätze über die Gewährung von Auffüllbeträgen zu den nach dem
SGB VI zu gewährenden Renten. Hierbei handelt es sich um eine Zusatzleistung, die in Fortführung und Erweiterung des sich aus Art
30 des Einigungsvertrags ergebenden Vertrauensschutzgedankens die Vermeidung einer wirtschaftlichen Schlechterstellung der
von der Rentenüberleitung im Beitrittsgebiet erfassten Rentner und Anwartschaftsberechtigten der Sozialversicherung und der
Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der früheren DDR bezweckt (BSG SozR 3-2600 § 315a Nr 1). Über die Höhe des ursprünglich
festgesetzten Auffüllbetrags herrscht vorliegend kein Streit. Die hier allein streitige Abschmelzung des Auffüllbetrags ist
von den Rentenversicherungsträgern nach den Sätzen 4 und 5 des §
315a SGB VI in der Folgezeit vorzunehmen gewesen bzw noch vorzunehmen. Mit dieser Regelung durfte der Gesetzgeber das Ziel einer schrittweisen
Abschmelzung solcher Rentenleistungen verfolgen, die auf strukturellen Eigenarten der Sozialversicherung der DDR beruhten.
Die Beitragszahler in den alten und neuen Bundesländern sollen auf längere Sicht von der Finanzierung solcher Vorteile des
Rentenversicherungssystems der DDR entlastet werden, die ihnen im System des
SGB VI nicht mehr zugute kommen konnten (Bundesverfassungsgericht >BVerfG<, Beschluss vom 11. Mai 2005 - 1 BvR 368/97 ua -, NJW 2005, 2213, 2214). Der ermittelte Auffüllbetrag war nach §
315a Satz 1 und
4 SGB VI bis zum 31. Dezember 1995 in voller Höhe gewährleistet und erst danach schrittweise und unter "Verrechnung" mit der Steigerung
der Renten aus allgemeinen Anpassungen zu verringern. Die Abschmelzung ab 1. Januar 1996 erfolgte zunächst in fünf mit der
Rentenanpassung gekoppelten Stufen (§
315a Satz 4
SGB VI), also mit den Rentenanpassungen zum 1. Januar 1996 und jeweils zum 1. Juli der Jahre 1996 bis 1999. In Satz 5 der Vorschrift
heißt es abschließend: "Ein danach noch verbleibender Auffüllbetrag wird bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang dieser
Rentenanpassungen abgeschmolzen."
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass nach dieser Vorschrift auch die durch die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten
sich ergebende Rentenerhöhung zum 1. Juli 2000 mit dem zu diesem Zeitpunkt noch verbliebenen Auffüllbetrag der Klägerin verrechnet
werden könne. Die gemäß §
307d SGB VI erfolgte Neubewertung der Kindererziehungszeiten und die damit verbundene Rentenerhöhung ist keine Rentenanpassung im Sinne
des §
315a Satz 5
SGB VI.
Der Begriff "Rentenanpassung" ist ein rechtstechnischer Begriff des Rentenrechts, der in §
65 SGB VI näher und eindeutig beschrieben ist. Danach ist die Rentenanpassung (in der Regel zum 1. Juli eines jeden Jahres) nichts
anderes als die Ersetzung des bisherigen aktuellen Rentenwerts durch den neuen aktuellen Rentenwert. Die Ermittlung des neuen
aktuellen Rentenwerts ist in §
68 SGB VI geregelt. Mit §
65 SGB VI wurden die bisherigen Rentenanpassungsgesetze ersetzt (Stahl in Hauck/Noftz,
SGB VI, §
65 RdNr 5), mit denen zuvor die Rente an die Entwicklung von Löhnen und Gehältern angepasst worden waren (zur Rentenanpassung
allgemein vgl Schulin in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - Bd 3 Rentenversicherungsrecht, 1999, § 38 RdNr
328 f mwN). Unabhängig davon, dass in den letzten Jahren die Rentenanpassungen durch Sondervorschriften modifiziert oder gar
ausgesetzt wurden (vgl hierzu Kreikebohm in Kreikebohm,
SGB VI, 2. Aufl 2003, §
65 RdNr 4), hat die Rentenanpassung den Zweck, die Renten an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Werden Renten aus anderen
Gründen erhöht, insbesondere wenn die Erhöhung aus der Ermittlung weiterer Entgeltpunkte resultiert, handelt es sich nicht
um eine Rentenanpassung im Sinne des §
65 SGB VI.
Durch den Verweis auf die nach der ersten Abschmelzungsphase "folgenden Rentenanpassungen" können daher nur diese Rentenanpassungen
nach §
65 SGB VI gemeint sein, weil das Gesetz andere "Anpassungen" nicht kennt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den
in §
315a Satz 5
SGB VI benutzten Begriff der Rentenanpassungen in irgendeiner anderen Weise verstanden haben könnte als in dem Sinne des §
65 SGB VI, zumal schon vor Inkrafttreten des
SGB VI der Begriff der Rentenanpassung bereits eindeutig und geläufig war.
Bereits von seinem Wortlaut her kann somit die ebenfalls zum 1. Juli 2000 vorgenommene Rentenerhöhung in der dritten Stufe
der Neubewertung der Kindererziehungszeiten gemäß §
307d SGB VI (eingefügt durch Art 1 Nr 125 des RRG 1999 mit Wirkung zum 1. Juli 1998, inzwischen wieder aufgehoben mit Wirkung vom 1. August 2004 durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz
vom 21. Juli 2004 >BGBl I 1791<) nicht als eine Rentenanpassung verstanden werden, weil für die Kindererziehungszeiten - wenn
auch nur pauschal - Entgeltpunkte ermittelt werden, die je nach Einzelfall zu unterschiedlich hohen Rentensteigerungen führen
können. Dass für die schrittweise Berücksichtigung pauschaler Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten der der Rente zugrunde
liegende Zugangsfaktor nicht neu berechnet wird (§
307d Satz 6
SGB VI), weil eine Neuberechnung der Rente gerade vermieden werden sollte (Stahl in Hauck/Noftz,
SGB VI, §
307d - Liefg VI/99 - RdNr 20; Kreikebohm, aaO, §
308 RdNr 12) ändert nichts an der völligen Verschiedenheit der Rentenanpassung einerseits und der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten
andererseits.
Allein der Umstand, dass die Umsetzung der stufenweisen Erhöhung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten jeweils zum
1. Juli 1998, zum 1. Juli 1999 und zum 1. Juli 2000 zusammen mit der jeweils vorzunehmenden Rentenanpassung erfolgen sollte
und der Austausch der bisherigen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten gegen die pauschalen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten
in einem voll maschinellen Verfahren gestattet wurde (Stahl, aaO, § 307d RdNr 20), macht diese noch nicht zu einem Bestandteil
der jährlichen Rentenanpassung.
Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des §
315a Satz 5
SGB VI war es der Beklagten damit verwehrt, auf den abzuschmelzenden Auffüllbetrag auch denjenigen Betrag anzurechnen, der sich
allein aus der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ergab (so bereits - außerhalb der tragenden Gründe - BSG SozR 3-2600
§
315a Nr 3 S 14; im Anschluss hieran Diel in Hauck/Noftz,
SGB VI, §
315a RdNr 30a).
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist gegen diesen eindeutigen Wortlaut eine Interpretation des §
315a Satz 5
SGB VI in ihrem Sinne auch nicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift möglich. Wie oben dargelegt, soll unter
Beachtung des Zahlbetragsschutzes die Abschmelzung der an sich systemwidrigen Auffüllbeträge in zwei Phasen erfolgen. Aufgrund
der Regelung zur ersten Abschmelzungsphase nach §
315a Satz 4
SGB VI mag der Gesetzgeber möglicherweise in Erwartung höherer Rentenanpassungen davon ausgegangen sein, dass in der Mehrzahl der
Fälle der Auffüllbetrag nach fünf Rentenanpassungen abgeschmolzen sein werde. Der Regelung des §
315a SGB VI kann aber nicht - wie die Beklagte meint - das unbedingte Ziel des Gesetzes bzw der unbedingte Wille des Gesetzgebers entnommen
werden, nach Abschluss der ersten Abschmelzungsphase weiter zu einer zügigen Abwicklung der Abschmelzung unter Verrechnung
aller etwaiger Rentenerhöhungen zu kommen. Auch dem Gesetzgeber musste bewusst sein, dass spätere Rentenanpassungen unter
Umständen in geringerer Höhe erfolgen konnten, gleichwohl sollte eine weitere Abschmelzung nur noch "im Umfang dieser Rentenanpassungen"
erfolgen. Dies hat das BVerfG mit der Wendung beschrieben, dass §
315a Satz 5
SGB VI damit "in schonender Weise der Möglichkeit Rechnung (trage), dass auch nach fünf Rentenanpassungen noch ein abzuschmelzender
Teil der Altersversorgung vorhanden ist" (BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2005 - 1 BvR 368/97 ua -, NJW 2005, 2213, 2214). Dem ist zu entnehmen, dass auch nach Ansicht des BVerfG der an sich systemfremde Auffüllbetrag nunmehr nicht rascher
abgebaut werden soll als wirklich nur im Umfang der jährlichen Rentenanpassungen.
Der Gesetzgeber mag bei der Einführung der Abschmelzungsregelungen angesichts der bekannt angespannten finanziellen Lage der
Rentenversicherung keine anderen Rentensteigerungen als durch Rentenanpassungen erwartet haben; auch dies rechtfertigt jedoch
nicht die Annahme einer offenkundigen Gesetzeslücke, als Grundlage einer analogen Anwendung des §
315a Satz 5
SGB VI. Sollte im Übrigen eine rasche Abschmelzung der Auffüllbeträge in der Tat vorrangig gewesen sein, so hätte es nahe gelegen,
mit der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten des §
307d SGB VI auch §
315a Satz 5
SGB VI um eine ausdrückliche Regelung zu ergänzen, dass daraus resultierende Rentenerhöhungen mit den noch vorhandenen Auffüllbeträgen
zu verrechnen seien. Dies hat der Gesetzgeber jedoch unterlassen. Ein guter Grund hierfür kann darin gesehen werden, dass
alle Berechtigten - und dies sind vor allem Frauen - sofort in den Genuss der Höherbewertung der Rente durch die Kindererziehungszeiten
kommen sollten und einem Teil der Berechtigten dieser Vorteil nicht sogleich durch eine vollständige Verrechnung mit noch
vorhandenen Auffüllbeträgen genommen werden sollte.
An diesem Ergebnis können die von der Beklagten angeführten rein verwaltungspraktischen Gründe nichts ändern, die daraus resultieren,
dass zu demselben Stichtag 1. Juli 2000 sowohl die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten als auch die Rentenanpassung
zu erfolgen hatten. Der Beklagten ist zuzustimmen, dass diese zeitliche Zusammenlegung sich mit dem Interesse des Gesetzgebers
an einer "verwaltungs- und kostenarmen Umsetzung" von §
307d SGB VI erklären lässt. Da die Umsetzung des §
307d SGB VI, wie die Rentenanpassung, rein maschinell erfolgen sollte und konnte, lag es nahe, diese Umsetzung mit den jährlichen Rentenanpassungen
1998, 1999 und 2000 zu verbinden. Zugleich unterstreicht diese, allein den Gründen der Verwaltungspraktikabilität geschuldete,
zeitliche Zusammenlegung, dass es sich gleichwohl nur zu einem Teil um eine Rentenanpassung im Sinne des §
315a Satz 5
SGB VI handelte.
Die Beklagte selbst hat nunmehr mehrere Alternativen aufgezeigt, wie die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten und die
Rentenanpassung voneinander getrennt werden können, um den Betrag zu ermitteln, der mit dem Auffüllbetrag zu verrechnen ist.
Ohne dass die Beklagte daran gebunden wäre, weil es sich letztlich um eine Frage der Umsetzung des SG-Urteils handelt, lässt sich aus Sicht des Senats vorstellen, dass zunächst die pauschalen Entgeltpunkte für die Kindererziehungszeiten
in voller Höhe bei der bisherigen Rente berücksichtigt werden und diese daraus sich ergebende Rente entsprechend §
65 SGB VI in einem zweiten Schritt angepasst wird. Der daraus resultierende Anpassungsbetrag wäre dann der Betrag, um den der Auffüllbetrag
abzuschmelzen wäre. Die Lösung, zunächst die Rente anzupassen und dann erst die Kindererziehungszeit in voller Höhe zu berücksichtigen
mit dem - etwas zweifelhaften - Ergebnis, dass dieser Erhöhungsbetrag in derselben "juristischen Sekunde" wiederum anzupassen
wäre, ist weder zwingend noch praktikabel.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.