Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, Einstufung eines Rangierleiters der Deutschen Bahn AG
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1951 geborene Kläger war nach einer nicht abgeschlossenen Lehre als Tankwart bei der Deutschen Bundesbahn (DB) bzw der
Deutschen Bahn AG (DB AG) versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst ab 1971 als Rangierarbeiter und ab 1974 als Rangierleiter
beim Hamburger Hauptbahnhof. Er führte dabei eine Kolonne von vier bis fünf Rangierern an, denen gegenüber er weisungsbefugt
war. Zu seinen Aufgaben gehörte ua das Rangieren, Kuppeln und Entkuppeln von Reisezugwagen. Ab August 1998 war er wegen lumbaler
Beschwerden arbeitsunfähig. Aus einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wurde er im Dezember 1998 als arbeitsunfähig für
die Tätigkeit als Rangierleiter entlassen; bei Beachtung von Leistungseinschränkungen bestehe jedoch Arbeitsfähigkeit für
sonstige leichte bis mittelschwere vollschichtige Tätigkeiten. Bis zum 1. Februar 2000 bezog der Kläger Kranken- und anschließend
Arbeitslosengeld. Ab November 2002 war er, nach eigenen Angaben befristet, als Auslieferungsfahrer tätig.
Im Februar 1999 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
den diese ablehnte (Bescheid vom 26. April 1999; Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999). Das Sozialgericht Lübeck (SG) hat die Beklagte gemäß dem insoweit beschränkten Antrag des Klägers verurteilt, ihm ab dem 1. März 1999 Rente wegen BU unter
den gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren (Urteil vom 2. November 2001). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht
(LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 10. Dezember 2003). Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt:
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme könne der Kläger nicht mehr als Rangierleiter
tätig sein und auch keine zumutbaren Verweisungstätigkeiten verrichten. Weil er im Rahmen des Mehrstufenschemas aufgrund seiner
Beschäftigung als Rangierleiter als Facharbeiter einzustufen sei, könne er nur auf die Facharbeiter- oder Anlernebene verwiesen
werden. Als maßgeblich zugrunde zu legen sei der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB AG (ETV) in der Fassung ab
1. Januar 1994. Hierbei sei nicht die Entgeltgruppe E 8 maßgeblich, in die er zuletzt eingestuft gewesen sei, sondern die
Entgeltgruppe E 6, weil der Kläger von letzterer zunächst in die Entgeltgruppe E 7 und dann in die Entgeltgruppe E 8 lediglich
aufgrund von Zeitablauf und Bewährung, nicht aber aufgrund eines veränderten Tätigkeitsinhaltes hochgestuft worden sei. In
der danach zugrunde zu legenden Tarifgruppe E 6 in der insoweit seit 1. Januar 1994 gültigen Fassung werde die Tätigkeit eines
Rangierleiters als "Richtbeispiel" ausdrücklich aufgeführt. Das bedeute, dass es sich hier nicht um einen Fall der tarifvertraglichen
Einstufung eines konkreten Versicherten, sondern um einen solchen der tariflichen Zuordnung der Tätigkeit selbst zu einer
bestimmten Tarifgruppe handele. Den Richtbeispielen vorangestellt sei eine allgemeine Lohngruppendefinition, die anknüpfe
an eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungsdauer
von mindestens zweieinhalb Jahren oder entsprechende Fachkenntnisse und Fertigkeiten, die durch betriebliche Ausbildung erworben
würden. Dies sei deutlich erkennbar die Umschreibung einer Facharbeiterlohngruppe.
Ingesamt handele es sich bei dem ETV um einen konsequent hierarchisch strukturierten Tarifvertrag, der die verschiedenen Ebenen
des Mehrstufenschemas umschreibe, nämlich die Ebene der Ungelernten, der (unteren und der gehobenen) Angelernten, der Facharbeiter
und schließlich der gehobenen Facharbeiter. Die dazwischen liegenden Entgeltgruppen knüpften jeweils an gegenüber der vorangegangenen
Entgeltgruppe gesteigerte Arbeitsinhalte an, über die dargelegte "Verkettung" aber letztlich von der untersten bis zur höchsten
Lohngruppe immer an qualitätsbezogene Merkmale. Qualitätsfremde Gesichtspunkte ergäben sich nicht aus dem Vorbringen der Beklagten,
wonach die tarifvertragliche Einstufung des Rangierleiters einzig auf der Tatsache beruht habe, dass zum damaligen Zeitpunkt
keine ausreichende Anzahl an Laufbahnkräften für die Erfüllung der Aufgaben im Rangierdienst zur Verfügung gestanden hätten.
Für den Kläger sei keine zumutbare Verweisungstätigkeit ersichtlich. Auf die von ihm seit November 2002 verrichtete Tätigkeit
als Auslieferungsfahrer könne er nicht verwiesen werden, weil er bei dieser Arbeit nicht die gesetzliche Lohnhälfte erziele.
Aber auch unabhängig von der konkret verrichteten Tätigkeit könne er nicht auf den Beruf eines Auslieferungsfahrers verwiesen
werden. Seit Mitte 1997 bestehe kein nennenswerter Arbeitsmarkt mehr für Auslieferungsfahrer im Rahmen versicherungspflichtiger
Beschäftigungen. Auch andere Verweisungstätigkeiten zumindest auf der Anlernebene seien im Falle des Klägers nicht erkennbar.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Zur Begründung führt sie aus, im vorliegenden Fall
seien für die Einstufung des Klägers qualitätsfremde Merkmale maßgebend. Die Eingruppierung in E 6 des ETV sei aufgrund fehlender
Laufbahnbewerber sowie fehlender Eisenbahner im Betriebsdienst erfolgt. Die geforderte Bewertung und Subsumtion der einzelnen
Tatbestände des ETV innerhalb der Wertigkeitsermittlungen fehle im Urteil des LSG. Auch reiche die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten
in einem Teilbereich grundsätzlich nur für die Einstufung als Angelernter aus. So sei es hier, weil die ausgeübte Tätigkeit
des Klägers einen Teilbereich einer früheren Beamtentätigkeit und nach dem geltenden Tarifvertrag einen Teilbereich des Ausbildungsberufes
des Eisenbahners im Betriebsdienst (EiB) darstelle. Im Übrigen seien mehrere Landessozialgerichte anderer Auffassung als das
Berufungsgericht.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2003 und des Sozialgerichts Lübeck vom 2. November
2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des LSG hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen BU richtet sich noch nach §
43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (aF), weil er den Rentenantrag im Februar 1999 gestellt hat und eine
Rentengewährung ab 1. März 1999 streitig ist (§
300 Abs
2 SGB VI). Gemäß §
43 Abs
2 Satz 1
SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen
von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten
gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle
Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer
Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden
können (Verweisungstätigkeiten).
Ausgangspunkt der Beurteilung der BU ist danach der bisherige Beruf. Darunter ist im Allgemeinen diejenige versicherungspflichtige
Beschäftigung zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet worden ist, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen
Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung
oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158; SozR 3-2200 § 1246 Nr 56,
61 mwN). Nach diesen Grundsätzen ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, der maßgebliche Beruf des Klägers sei der eines Rangierleiters
bei der DB AG. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur BU iS von §
43 SGB VI aF (bzw § 1246 Abs 2 der
Reichsversicherungsordnung >RVO<) hat die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung
in dieses Prüfungsmuster bestimmt die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung
hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes
hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion
bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit
von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu
zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Hierbei handelt es sich lediglich um Leitberufe. Aus der Dauer der Ausbildung
schließt man und hält es für gewiss, dass die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zu vermitteln sind, diese Lehrdauer benötigen
und entsprechend umfangreich sind (vgl BSG vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 18/94 - SozVers 1996, 49, veröffentlicht auch bei Juris, mwN). Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf darf der Versicherte grundsätzlich auf die
nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 140 und 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5 und 61).
Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer dieser Gruppen sind jedoch nicht allein die Ausbildung,
sondern die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert
der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der in §
43 Abs
2 Satz 2
SGB VI aF (§ 1246 Abs 2 Satz 2
RVO) am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen
der bisherigen Berufstätigkeit ("Gesamtbild"; hierzu im Einzelnen BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 1 RdNr 7-12 mwN). Neben Art und
Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien beigemessenen qualitativen
Wert abzustellen, wenn sich eine Einstufung als Facharbeiter - wie hier - nicht bereits aus der durchlaufenen Ausbildung ergibt
und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in einem Umfang
voraussetzt, die von einem Facharbeiter in regulärer Ausbildung und längerer Berufstätigkeit erworben werden. Aufgrund ihrer
Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, dennoch einer gelernten oder angelernten
gleichstehen.
Hierbei kommt den tariflichen Regelungen unter zwei Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu. Zu unterscheiden ist die abstrakte
- "tarifvertragliche" - Klassifizierung der Tätigkeit (im Sinne eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach
Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 46, 111, 116, 122, 123, 164) von der - "tariflichen"
- Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrags durch den Arbeitgeber (BSG SozR
2200 § 1246 Nr 168, 169; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22). Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag
aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung
der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am
Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des
Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug auf die in §
43 Abs
2 SGB VI aF (§ 1246 Abs 2
RVO) genannten Merkmale entspricht (vgl BSGE 68, 277, 281 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14; BSGE 70, 56 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 21).
Diese "Tarifrechtsprechung" des BSG basiert auf der Überlegung, dass das Gesetz auf die in der Gesellschaft vorhandenen Wertvorstellungen
verweist, wenn es in §
43 Abs
2 SGB VI (so wie bereits zuvor in § 1246 Abs 2
RVO) von der "Zumutbarkeit" einer Beschäftigung spricht, und dass die damit angesprochene soziale Wirklichkeit insbesondere von
den Tarifvertragsparteien nicht bloß wiedergeben, sondern erst geschaffen wird. Diese in die Auslegung des § 1246 Abs 2
RVO bzw des §
43 Abs
2 SGB VI einbezogene Erkenntnis erlaubt es, gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und einen Wandel der sie begleitenden Wertungen
zu berücksichtigen (vgl hierzu sowie allgemein Senatsurteil vom 27. Februar 1997, SozR 3-2600 § 43 Nr 15 mwN).
Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch
Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags
als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (vgl BSG vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 18/94 - SozVers 1996, 49). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG
SozR 2200 § 1246 Nr 101, 123; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 13, 22).
Maßgeblich für die Qualität einer Tätigkeit ist - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - deren letzte tarifvertragliche Zuordnung,
also die Fassung des fachlich und räumlich einschlägigen Tarifvertrags, die zum Zeitpunkt der Beendigung der betreffenden
versicherungspflichtigen Beschäftigung gegolten hat. Nur diese kann den Wert widerspiegeln, den die zuletzt tatsächlich verrichtete
Arbeit für den Betrieb hatte (vgl Senatsurteile vom 23. Mai 1995 - 13 RJ 65/94 - veröffentlicht bei Juris und vom 27. Februar 1997 - 13 RJ 5/96 - SozR 3-2600 § 43 Nr 15 S 52).
Die Qualität der Tätigkeit des Klägers bestimmt sich mithin nach dem mit Überleitung der DB in die DB AG geschaffenen ETV.
Dieser Tarifvertrag, der bundesweit gilt und damit revisibles Recht iS des §
162 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) enthält (vgl BSG vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 28/99 R - veröffentlicht bei Juris), ist nach Qualitätsstufen geordnet: Während nach der Anlage 1 des Entgeltgruppenverzeichnisses
des ETV die Entgeltgruppe E 3 lediglich Vorkenntnisse im Aufgabengebiet und aufgabenbezogene Fertigkeiten voraussetzt, werden
zur Ausführung der Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 4, der der "Rangierer" zugeordnet ist, schon eine abgeschlossene Berufsausbildung
mit einer Regelausbildungsdauer von weniger als zweieinhalb Jahren oder Fachkenntnisse und Fertigkeiten, die durch entsprechende
betriebliche Ausbildung erworben wurden, gefordert. Hieran anschließend verlangt die Entgeltgruppe E 5 Fachkenntnisse, berufliche
Erfahrungen oder Arbeitsinhalte, die über das in E 4 Geregelte hinausgehen. Die Entgeltgruppe E 6 schließlich setzt nach ihrer
Definition voraus, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die zu ihrer Ausführung einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung
in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren bedürfen oder entsprechend
betrieblich erworbene Fachkenntnisse und Fertigkeiten verlangen. In den Richtbeispielen (Regelbeispielen) wird ausdrücklich
der Rangierleiter genannt.
Bei der Gruppe E 6 handelt es sich somit um eine Facharbeiter-Entgeltgruppe. Unabhängig vom heutigen Ausbildungsgang eines
Rangierleiters auf der Grundlage der Ausbildung des "Eisenbahners im Betriebsdienst", die erst im Jahre 1997 eingeführt wurde
(Verordnung über die Berufsausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst/zur Eisenbahnerin im Betriebsdienst vom 2. April 1997,
BGBl I 752), wurden bereits ab 1. Januar 1994 Rangierleiter nach dem Willen und der maßgeblichen qualitativen Einschätzung
der Tarifpartner den Facharbeitern gleichgestellt (zur Rolle der Richtbeispiele s das Senatsurteil vom 19. Juni 1997 - 13 RJ 93/96, veröffentlicht bei Juris, sowie aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Urteil vom 8. Februar 1984, BAGE 45, 121, 125 f). Dass für eine solche tarifvertragliche Zuordnung des Rangierleiters grundsätzlich qualitätsfremde Merkmale maßgebend
waren, kann dem Tarifwerk nicht entnommen werden. Die Aufgabe einer Entgeltsicherung bei der Umstellung von den zuvor geltenden
tarifvertraglichen Regelungen kam nicht dem ETV, sondern dem "Tarifvertrag über die Ersteingruppierung für die zur DB AG übergeleiteten
Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer" (ErsteingruppierungsTV) zu. Damit handelt es sich bei dem der Tarifgruppe E 6 abstrakt (tarifvertraglich)
zugeordneten Rangierleiter um einen Facharbeiter, auch wenn im Einzelnen die für eine Einstufung als Facharbeiter geforderte
regelmäßige Ausbildung von über zwei Jahren (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15; Senatsurteil vom 21. Juni 2001 - B 13 RJ 45/00 R - veröffentlicht bei Juris) nicht absolviert worden ist.
Daneben ist jedoch auch die tarifliche (konkrete) Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber zu prüfen. Sie
ist - wie oben bereits angesprochen - Anhaltspunkt dafür, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit
der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Dies ist in der Rechtsprechung des BSG mitunter als "Indiz"
oder "Anhalt" bezeichnet worden. Die Richtigkeit dieser Eingruppierung kann aber durchaus "widerlegt" werden (BSG SozR 3-2200
§ 1246 Nr 14 mwN). Das heißt: Die Eingruppierung kann als unrichtig erkannt werden. Die Richtigkeit der Einstufung wird dadurch
"widerlegt", dass die Einordnung des Versicherten in die Tarifgruppe anhand der hierin geregelten Merkmale einerseits und
der Tatsachen andererseits geprüft wird, deren Feststellung diese Merkmale fordern. Rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen
die Einordnung in die Tarifgruppe nicht, so steht fest, dass der Arbeitgeber die Einordnung in die Tarifgruppe zu Unrecht
vorgenommen hat oder dass er Gründe gehabt hat, die jedenfalls nicht qualitativer Art sind (vgl BSG vom 18. Januar 1995 -
5 RJ 18/94 - SozVers 1996, 49).
In Anwendung dieser Kriterien hat das LSG den Kläger als Facharbeiter eingestuft. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen
Prüfung stand. Das LSG hat die Einordnung des Klägers in die Lohngruppe E 8, in die er zuletzt eingestuft war, als qualitätsfremd
angesehen und auf die demnach maßgebliche "Einstiegslohngruppe" E 6 (vgl Senatsurteil vom 16. November 2000 - SozR 3-2600
§ 43 Nr 23 S 84) abgestellt. Bei dieser Lohngruppe handelt es sich nach den og Ausführungen um eine Facharbeiterlohngruppe.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls den in E 6 als Richtbeispiel aufgeführten Beruf als Rangierleiter
auch tatsächlich in voller Breite ausgeübt hat. Hiermit kann schon deshalb nicht lediglich ein Rangierleiter nach Durchlaufen
der Ausbildung zum EiB gemeint sein, weil diese Ausbildung erst nach In-Kraft-Treten des ETV eingefügt wurde (s oben). Zur
Begründung der tariflichen Eingruppierung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Kläger nach anfänglicher Tätigkeit
als Rangierarbeiter danach ausschließlich als Rangierleiter tätig war, und es hat insoweit auf dessen Aufgaben in dieser Funktion,
seine Weisungsbefugnis gegenüber mehreren Rangierarbeitern sowie seine hohe Verantwortung für Personen und Material hingewiesen.
Die Beklagte hat diese Feststellungen im Revisionsverfahren nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen,
so dass sie für den Senat verbindlich sind (§§
163,
164 Abs
2 SGG).
Das LSG hat sich nicht in der Lage gesehen, dem Kläger als Facharbeiter eine andere Tätigkeit iS des §
43 Abs
2 SGB VI aF, auf die er verwiesen werden könne, konkret zu benennen. Es hat vielmehr festgestellt, dass er in seiner seit November
2002 verrichteten Arbeit als Auslieferungsfahrer konkret nicht "die gesetzliche Lohnhälfte" erziele und hierzu ausgeführt,
schon daher könne der Kläger nicht auf diese Beschäftigung verwiesen werden. Im Übrigen hat es festgestellt, dass es seit
Mitte 1997 keinen nennenswerten Arbeitsmarkt für den Beruf des Auslieferungsfahrers gebe (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 43
Nr 26), so dass der Kläger auch deshalb nicht generell auf eine derartige Tätigkeit verwiesen werden könne. Auch andere Verweisungstätigkeiten
zumindest auf der Anlernebene hat das Berufungsgericht im Fall des Klägers nicht gesehen. Da die Beklagte auch diese Feststellungen
nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat daran gebunden. Das LSG hat deshalb die Berufung der Beklagten zu
Recht zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.