Gründe:
I
Streitig ist, ob den Klägern für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung
zustehen.
Der 1959 geborene Kläger zu 1, die 1962 geborene Klägerin zu 2 und die 1998 geborene Klägerin zu 3 bewohnten eine 88,59 qm
große Drei-Zimmer-Wohnung in W zur Miete. Seit Januar 2005 ist eine monatliche Brutto-Kaltmiete von 412 Euro zu entrichten
(und ein Heizkostenabschlag von 120 Euro monatlich). Bereits mit Schreiben vom 8.12.2004 wurden die Kläger vom Beklagten aufgefordert,
die Unterkunftskosten zu senken. Nachdem der Beklagte dann die Unterkunftskosten zunächst weiter übernahm, forderte er mit
Schreiben vom 15.11.2005 die Kläger erneut zur Senkung der Unterkunftskosten bis zum 31.5.2006 auf. Die Miethöchstgrenze betrage
372 Euro monatlich (kalt).
Der Beklagte bewilligte den Klägern sodann für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 lediglich Leistungen, die eine Brutto-Kaltmiete
von 372 Euro (nebst Heizkosten von monatlich 96,73 Euro) berücksichtigten. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es hätten
nur noch angemessene Kosten der Unterkunft in der bewilligten Höhe übernommen werden können (Bescheid vom 12.4.2006, Widerspruchsbescheid
vom 19.7.2006).
Das Sozialgericht (SG) hat auf die Klage durch Urteil vom 15.5.2007 den Beklagten verurteilt, den Klägern Kosten der Unterkunft in Höhe der rechten
Spalte der Tabelle nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Zuschlags von 10 vH (451 Euro monatlich ohne Heizkosten) zu gewähren. Die vom Beklagten vorgelegten Tabellen
gäben die tatsächlichen Mietpreise in W nicht wieder. Dementsprechend seien Unterkunftskosten zwar nicht in tatsächlicher,
sondern in Höhe der Tabelle nach § 8 WoGG nebst eines Zuschlags von 10 vH zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 11.12.2008 den Beklagten auf dessen Berufung hin unter Änderung des Urteils
des SG verurteilt, den Klägern für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft
in Höhe von monatlich 412 Euro sowie unter Berücksichtigung von Heizkosten in Höhe von 120 Euro im Monat zu gewähren. Im Übrigen
hat es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).
Er habe für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur ein schlüssiges Konzept angewandt, sondern hieraus
auch zutreffende Schlüsse gezogen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Urteile des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 11. Dezember 2008 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. Mai
2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) erklärt.
II
Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das
LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Der Senat kann auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob der beklagte Grundsicherungsträger
zur Feststellung der Angemessenheitsgrenze von einem schlüssigen Konzept ausgegangen ist und die Angemessenheitsgrenze ohne
Rechtsfehler festgesetzt hat.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006
nur noch insoweit, als mit diesem Bescheid Leistungen für Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 geregelt
werden.
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Kosten der Unterkunft beschränkt (ständige Rechtsprechung
des BSG seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff). Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) rechtlich zulässig. Eine weitere Begrenzung des Streitgegenstandes nur auf
die Unterkunftskosten, ohne Berücksichtigung der Heizkosten, ist jedoch nicht möglich (vgl BSG aaO, RdNr 22).
Das LSG hat den Beklagten verurteilt, den Klägern für den streitigen Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 Kosten der Unterkunft
in Höhe von 412 Euro und Heizkosten in Höhe von 120 Euro monatlich zu bewilligen. Da die Kläger selbst keine Revision eingelegt
haben, ist der Bescheid vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006 bestandskräftig geworden, soweit
mit diesem Bescheid höhere Leistungen abgelehnt worden sind.
Die Kläger erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II bzw § 28 SGB II für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Ihr Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für Kosten der Unterkunft. Diese werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II
in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als
bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten,
indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind
die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung
limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Die Angemessenheitsprüfung ist nicht ins Belieben der Verwaltung
gestellt. Vielmehr sind weitere Konkretisierungen erforderlich, die schon auf Grund des allgemeinen Gleichheitssatzes nach
einheitlichen Kriterien erfolgen müssen. Zum anderen fordert das Rechtsstaatsprinzip die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit
der Begrenzung (vgl hierzu BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12).
Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze wird nach der Rechtsprechung des BSG in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene
Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab
für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Insoweit ist das Vorgehen des LSG nicht zu beanstanden. Das LSG hat in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen,
welche die Länder auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 19). Insoweit ist das LSG unter Berücksichtigung der Wohnraumförderbestimmungen nach Nr 11 der Richtlinie über
die soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen vom 27.6.2003, NdsMinBl 2003, 580, zuletzt
geändert durch Runderlass vom 19.10.2006, NdsMinBl 2006, 973) von einer für die Kläger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße
von 75 qm ausgegangen. Auch bestehen keine Bedenken dagegen, die gesamte Fläche der Stadt W als maßgeblichen Vergleichsraum
zu berücksichtigen (vgl hierzu bereits BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 15).
Der Senat kann indessen auf Grund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, welche Wohnungsmieten im maßgeblichen
Vergleichszeitraum in W zu zahlen und welche davon als angemessen anzusehen sind.
Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichszeitraum fest, ist nach der Rechtsprechung des
BSG in einem dritten Schritt nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache
Wohnung aufzuwenden ist, dh, Ziel der Ermittlung des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen
einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl
zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können. Entscheidend ist hierbei, dass den Feststellungen des
Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, das im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig ist. Die
Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" soll auf diese Weise hinreichend nachvollziehbar
gemacht werden.
Der 4. Senat des BSG hat das dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegende Konzept des Beklagten, der sich nicht auf einen
qualifizierten Mietspiegel stützen kann (vgl zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts auf der Basis der Daten eines Mietspiegels
die Urteile des Senats vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; B 14 AS 2/10 R; B 14 AS 50/10 R), bereits einer eingehenden rechtlichen Überprüfung unterzogen (Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 19 ff). Der erkennende Senat macht sich insoweit für den vorliegenden Parallelfall die Rechtsauffassung
des 4. Senats des BSG zum sog schlüssigen Konzept zu Eigen und verweist insoweit auf dessen Ausführungen unter RdNr 19 ff
des zitierten Urteils vom 22.9.2009.
Der erkennende Senat teilt auch die Rechtsauffassung des 4. Senats hinsichtlich der Rechtsfolgen aus dem Nichtvorliegen eines
schlüssigen Konzepts seitens der beklagten Stadt W . Diese hat zwar Daten über Mietpreise und den Wohnungsbestand erhoben,
es kann jedoch nicht beurteilt werden, ob aus diesem Datenbestand zutreffende Schlüsse auf die Angemessenheitsgrenze gezogen
werden können. Solche Rückschlüsse setzen voraus, dass nachvollziehbar ist, welche Wohnungen in die Datenerhebung einbezogen
wurden. Schon hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Das LSG wird daher prüfen müssen, nach welchen Kriterien der beklagte
Grundsicherungsträger die von ihm ausgewerteten Daten erhoben hat, insbesondere welche Wohnungen dabei berücksichtigt wurden.
Ergeben diese Ermittlungen eine brauchbare Datengrundlage, wird das LSG möglicherweise in die Lage versetzt, eine Angemessenheitsgrenze
selbst zu bestimmen. Ist dies nicht möglich, so ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Werte der Wohngeldtabelle (rechte
Spalte) zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlags abzustellen (grundlegend BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 29; vgl auch Urteil des Senats vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 26, insbesondere RdNr 21).
Das LSG wird auch unabhängig vom Vorliegen eines schlüssigen Konzepts hinsichtlich der Kosten der Unterkunft eine abschließende
Entscheidung über die Angemessenheit der Höhe der Heizkosten zu treffen haben (grundlegend Urteil des Senats vom 2.7.2009
- B 14 AS 36/06 R = BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Das LSG hat - soweit ersichtlich - den Beklagten verurteilt, die tatsächlich monatlich anfallenden
Heizkosten in Höhe von 120 Euro zu übernehmen. Dies entspricht vom Ansatzpunkt her der Rechtslage und der Rechtsprechung des
BSG (BSG aaO). Der Anspruch auf Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II besteht zunächst jeweils in Höhe der konkret individuell
geltend gemachten Aufwendungen. Eine Pauschalierung ist unzulässig. Nur wenn die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten
oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag liegen, sind sie im Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten
(zur Ermittlung des Wertes aus diesem sog bundesweiten Heizspiegel vgl BSG aaO, RdNr 22 ff).
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.