Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um einen abgetretenen Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X nach Aufrechnung des beklagten Jobcenters.
Der klagende Rechtsanwalt hatte zwei Widerspruchsführerinnen - eine Mutter und deren minderjährige Tochter - in einer Angelegenheit
nach dem SGB II vertreten. Der Beklagte hatte den Widerspruch zurückgewiesen und entschieden, er werde die notwendigen außergerichtlichen
Kosten der Widerspruchsführerinnen zur Hälfte erstatten (Widerspruchsbescheid vom 3.3.2014). Die Mutter hatte ua Kostenerstattungsansprüche
nach § 63 SGB X an den Kläger abgetreten. Das hatte der Beklagte seit der Einlegung des Widerspruchs gewusst. Der Kläger forderte von dem
Beklagten die Zahlung von 243,95 Euro für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Der Beklagte erklärte gegenüber der Mutter,
er halte die geltend gemachten Kosten für erstattungsfähig. Er rechne mit eigenen Forderungen gegen die Widerspruchsführerinnen
auf und zahle nichts (Schreiben vom 11.3.2014).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.5.2017). Das LSG hat den Beklagten auf die zugelassene Berufung zur Zahlung von 46,49
Euro verurteilt, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 8.11.2018). Zwar sei der
Anspruch aus § 63 SGB X auf Freistellung gerichtet. Mit der wirksamen Abtretung stünden sich aber zwei gleichartige Forderungen gegenüber. Der Kostenerstattungsanspruch
sei auf beide Widerspruchsführerinnen hälftig aufzuteilen. Gegen die Tochter habe der Beklagte nur einen Erstattungsanspruch
in Höhe von 75,49 Euro und müsse daher den Restbetrag zahlen.
Der Kläger rügt die Verletzung von §
387 BGB, weil die Forderungen nicht gleichartig seien. Die Widerspruchsführerinnen hätten einen Freistellungsanspruch gehabt. Zudem
sei ungeklärt, ob die Aufrechnung durch Willenserklärung oder durch Verwaltungsakt habe erfolgen müssen, und der Beklagte
habe kein Ermessen ausgeübt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 8. November 2018 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere
197,46 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Der Kläger hat Anspruch auf vollen Ausgleich seiner Kostennote, weshalb das Urteil des LSG abzuändern und ihm ein weiterer
Betrag von 197,46 Euro zuzusprechen ist.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Pflicht des Beklagten zur Zahlung
weiterer 197,46 Euro aus der Kostennote des Klägers. Der Beklagte hat seine Verurteilung nicht angegriffen. Die Entscheidung
des LSG ist insoweit rechtskräftig.
Dass die Geltendmachung der Kostenerstattung dem Grunde nach berechtigt war, ist nach der bestandskräftigen Entscheidung über
die Kostenlast (§ 63 Abs 1 Satz 1 SGB X) nicht mehr zu prüfen. Auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten (§ 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X) ist festgestellt. Diese Regelung hat der Beklagte inzident mit der Anerkennung der Höhe des grundsätzlich erstattungsfähigen
Betrags getroffen (vgl BSG vom 25.2.2010 - B 11 AL 24/08 R - BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 12; BSG vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - RdNr 12). Die geltend gemachten Kosten hat der Beklagte auch der Höhe nach durch sein Schreiben vom 11.3.2014 mittels
bestandskräftigem Kostenfestsetzungsverwaltungsakt vollumfänglich anerkannt (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X).
2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Streitigkeiten wegen der Kosten
eines isolierten Vorverfahrens (§§
78 ff
SGG) sind keine Kosten des Verfahrens iS von §
144 Abs
4 SGG (stRspr; vgl BSG vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wegen der Höhe der Kostennote war die Berufung statthaft, nachdem sie das SG in seinem Urteil zugelassen hat (vgl §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG).
Zutreffende Klageart ist die echte Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG). Mit dieser Klageart kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden,
wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Leistung in diesem Sinne ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen (vgl Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 37; zur Zahlung aus einem nicht aufgehobenen Bewilligungsbescheid BSG vom 27.3.1980 - 10 RV 23/79 - BSGE 50, 82 = SozR 1500 § 54 Nr 40), also auch die Zahlung aus der bewilligten Kostenerstattung, die von dem Kläger aus übertragenem
Recht der Widerspruchsführerinnen geltend gemacht wird.
Dem Klageziel steht kein weiterer Verwaltungsakt entgegen, mit dem Rechte der Widerspruchsführerinnen aus dem Kostenfestsetzungsverwaltungsakt
oder solche des Klägers aus übertragenem Recht wieder beseitigt worden sind (vgl § 39 Abs 2 SGB X) und der deswegen hätte angefochten werden müssen. Eine hierfür erforderliche Regelung (§ 31 SGB X) hat der Beklagte erkennbar nicht treffen wollen und stattdessen die Aufrechnung erklärt (vgl BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 17; zur Verrechnung BSG vom 31.8.2011 - GS 2/10 - BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15; vgl zur Aufrechnungserklärung gegenüber dem Zessionar BGH vom 26.6.2002 - VIII ZR 327/00 - NJW 2002, 2865; Rosch in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-
BGB, §
406 RdNr 8, Stand 1.12.2016). Wegen der Aufrechnung hat er nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG weder Aktivitäten
entfaltet, die Verwaltungsverfahren mit dem Ziel des Abschlusses durch Verwaltungsakt hätten sein können (vgl § 8 SGB X), noch seine Entscheidung als Verwaltungsakt bezeichnet oder anderweitig den Eindruck erweckt, er habe durch Verwaltungsakt
über die Aufrechnung entschieden (vgl zur Entscheidung in der Form des Verwaltungsakts, ohne dass die Merkmale des § 31 SGB X gegeben sind Littmann in Hauck/Noftz, K § 31 SGB X, RdNr 35, Stand Dezember 2011; BSG vom 3.4.2003 - B 13 RJ 39/02 R - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1 RdNr 12). Die durch den Beklagten abgegebene Erklärung, er werde nicht zahlen, ist kein (feststellender)
Verwaltungsakt und auch keine gesonderte Ablehnung der Auszahlung.
3. In der Sache stützt der Kläger seinen Zahlungsanspruch zutreffend auf den Kostenfestsetzungsverwaltungsakt des Beklagten
vom 11.3.2014 iVm der Abtretung der Ansprüche der Widerspruchsführerinnen gemäß §
398 BGB. Der Anspruch aus abgetretenem Recht (dazu a.) ist nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen (dazu b.).
a. Wegen der Abtretung der Kostenerstattungsansprüche aus § 63 SGB X durch die Widerspruchsführerinnen ist der Kläger Inhaber des geltend gemachten Zahlungsanspruchs.
Die Voraussetzungen der Abtretung richten sich nicht nach §
53 Abs
2 SGB I. Dessen sachlicher Anwendungsbereich ist nicht eröffnet. Der Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X ist kein Anspruch auf Sozialleistungen, der §
53 SGB I unterfällt (vgl zum Geldleistungsbegriff in §
44 SGB I BSG vom 27.6.2017 - B 2 U 13/15 R - BSGE 123, 238 = SozR 4-7610 § 677 Nr 1, RdNr 13). Gründe für andere im Sozialrecht wurzelnde Beschränkungen der Möglichkeit, die Abtretung
des Kostenerstattungsanspruchs aus § 63 SGB X überhaupt erklären zu können, sind nicht erkennbar. Seine Abtretung ist daher in entsprechender Anwendung der §§
398 ff
BGB möglich.
Gemäß §
398 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem Abschluss des
Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des alten Gläubigers.
Nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden Feststellungen (§
163 SGG) des LSG hat die Mutter für sich und ihre Tochter ein Abtretungsangebot abgegeben, das der Kläger wirksam angenommen hat.
Der Schriftform der Annahmeerklärung bedurfte es nicht (vgl für die Übertragung nach §
53 SGB I BSG vom 15.6.2010 - B 2 U 26/09 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 3 RdNr 23 ff). Die Abtretung war nicht ausgeschlossen, weil sie im Verhältnis zwischen den freistellungsberechtigten
Widerspruchsführerinnen und ihrem Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren erfolgt ist (vgl Rosch in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger,
jurisPK-
BGB, §
399 BGB RdNr 11 mwN, Stand 1.2.2020).
b. Der Anspruch des Klägers ist nicht durch die Aufrechnungserklärungen des Beklagten vom 11.3.2014 erloschen. Das gegenüber
den Kostenerstattungsansprüchen der Widerspruchsführerinnen bestehende Aufrechnungsverbot (dazu aa.) wirkt auch für den Kläger
(dazu bb.).
aa. Zwar hat der Beklagte, weil er die Kostenerstattungsansprüche nicht durch Zahlung erfüllen wollte, Aufrechnungen durch
öffentlich-rechtliche Willenserklärungen erklärt. Hierzu war er grundsätzlich berechtigt (vgl zur Aufrechnung als Rechtsinstitut
des öffentlichen Rechts BSG vom 9.6.1988 - 4 RA 9/88 - BSGE 63, 224, 230 = SozR 1300 § 48 Nr 47 S 135 mwN; BSG vom 15.12.1994 - 12 RK 69/93 - BSGE 75, 283, 284 ff = SozR 3-2400 § 28 Nr 2 S 9 ff; BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2; zur Verrechnung BSG vom 31.8.2011 - GS 2/10 - BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4; allgemein zum Meinungsstand BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 15; vgl auch BVerwG vom 27.10.1982 - 3 C 6/82 - BVerwGE 66, 218, 221; BFH vom 2.4.1987 - VII R 148/83 - BFHE 149, 482, 487). Ob der Kläger die Aufrechnungen gegen sich gelten lassen muss, weil dem Beklagten die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche
bekannt war (vgl §
407 Abs
1 letzter Halbsatz
BGB), kann dahingestellt bleiben. Das gilt auch für die Frage, welche Anforderungen im Einzelnen bei einer sozialrechtlichen
Überformung der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des
BGB an eine wirksame Aufrechnung zu stellen wären und inwieweit einzelne spezialgesetzliche Vorschriften des SGB II als abschließend verstanden werden müssen. Jedenfalls bestand ein Aufrechnungsverbot.
Die Aufrechnung von Kostenerstattungsansprüchen aus § 63 SGB X mit Erstattungsforderungen eines Jobcenters aufgrund der Überzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II verstößt gegen ein normatives Aufrechnungsverbot.
Auch eine Aufrechnung, die ein Gläubiger nach den Vorgaben der §§
387 ff, 407
BGB gegen sich gelten lassen müsste, ist ausgeschlossen, wenn sie gegen ein gesetzliches oder vertragliches Verbot verstößt.
Gesetzliche Aufrechnungsverbote können ausdrücklich angeordnet sein oder sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben
(Rüßmann in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-
BGB, §
387 RdNr 71, Stand 17.8.2017; ähnlich Wagner in Erman,
BGB, 15. Aufl 2017, §
387, RdNr 2, nach dem neben ausdrücklichen gesetzlichen Aufrechnungsverboten auch die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck
der geschuldeten Leistung die Aufrechnung ausschließen können). Aufrechnungsverbote sind ua auf den Vorrang der Effektiverfüllung
zurückzuführen. Bei diesem Vorrang geht es darum, den an der Aufrechnung beteiligten Gläubigern der Hauptforderung den Leistungsgegenstand
zur tatsächlichen Verfügung zu erhalten, sei es auch nur im Interesse Dritter (Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate
sowie das Erlöschen der Schuldverhältnisse aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 258).
Das Aufrechnungsverbot gegenüber den Widerspruchsführerinnen ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 63 SGB X. Auf dessen Regelungen beruht der Kostenfestsetzungsverwaltungsakt des Beklagten, mit dem er die Gebührennote des Klägers
als erstattungsfähig anerkannt hat.
§ 63 SGB X berechtigt Widerspruchsführer, die Erstattung der Aufwendungen zu verlangen, die ihnen durch ihr erfolgreiches oder nur wegen
der Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern erfolgloses Vorgehen gegen einen Verwaltungsakt entstanden sind. Ob und in welchem
Umfang Aufwendungen dem Grunde nach zu erstatten sind, richtet sich (ausgenommen § 63 Abs 1 Satz 2 SGB X) ausschließlich nach dem Erfolg des Widerspruchs (vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 20 RdNr 20 ff). Der Erstattungsanspruch kompensiert zugleich den Umstand, dass die Verwaltung die
an sie auf Art
20 Abs
3 GG gestützte Erwartung, sie werde nach Gesetz und Recht handeln, nicht erfüllt.
Die Vorschrift übernimmt weitgehend die Kostenregelung zum verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren in § 80 VwVfG, die bewusst eingeführt worden war, um die zuvor umstrittene und vom Großen Senat des BVerwG abgelehnte Kostenerstattungspflicht
bei einem Erfolg des Widerspruchs im isolierten Vorverfahren aufgrund für das gerichtliche Verfahren geltender Kostenerstattungsvorschriften
zu ermöglichen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum VwVfG, BT-Drucks 7/910 S 91 mwN; BVerwG vom 1.11.1965 - GrSen 2.65 - BVerwGE 22, 281).
Ergänzend regelt § 63 Abs 2 SGB X, unter welcher Voraussetzung Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für die Vertretung durch Bevollmächtigte besteht. Dazu
muss die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sein. Wegen der heutigen Komplexität des Sozialrechts ist die
Rechtslage für den Bürger regelmäßig schwer zu erfassen, schon aus diesem Grund ist die Zuziehung rechtskundiger Bevollmächtigter
(zB Gewerkschaft, Rentenberater, Rechtsanwalt, vgl §
73 Abs
2 Satz 2
SGG) in der Regel notwendig. Zugleich rechtfertigen die Gesichtspunkte eines fairen Verfahrens und einer gewissen Waffengleichheit
die Hinzuziehung eines sachkundigen Bevollmächtigten (vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 63 RdNr 50, Stand Februar 2015; zur Inanspruchnahme von Rechtsrat und anwaltlicher Vertretung als geeignete Maßnahme zur Steigerung
der Effektivität des Vorverfahrens BVerfG vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 91). Dessen Einschaltung ist bei einem Widerspruchserfolg nach den Regeln der Kostenerstattung für das Vorverfahren im Ergebnis
"kostenlos" (BVerfG vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).
Die Kostenerstattung nach § 63 SGB X hat bei unbemittelten Widerspruchsführern mehrere Funktionen. Sie sichert die Widerspruchsführer vor der Kostenlast bei einem
erfolgreichen isolierten Vorverfahren ab, sie gibt im Wege des Freistellungsanspruchs Bevollmächtigten die Sicherheit, ihre
Gebühren und Auslagen auch bei Vertretung von unbemittelten Widerspruchsführern zu erhalten und sie steht dafür, dass auch
unbemittelte Widerspruchsführer Anwälte finden, die zu ihrer Vertretung bereit sind, weil sie im Erfolgsfall dieselbe Vergütung
erwarten können, wie bei bemittelten Mandanten.
Diese Funktionen werden vereitelt, wenn bevollmächtigte Anwälte, sei es, dass - wie hier - der Kostenerstattungsanspruch aus
§ 63 SGB X an sie abgetreten wurde, der Anspruch gemäß § 9 Satz 2 BerHG auf sie übergegangen ist (vgl BSG vom 20.2.2020 - B 14 AS 3/19 R) oder Widerspruchsführer selbst Inhaber des Anspruchs aus § 63 SGB X bleiben (vgl BSG vom 20.2.2020 - B 14 AS 17/19 R -), damit rechnen müssen, dass der Rechtsträger, der die Kosten des Vorverfahrens zu erstatten hat, seinerseits mit Forderungen
gegenüber Widerspruchsführern wirksam aufrechnen kann.
Das erfolgreiche Bemühen der Widerspruchsführer um die Korrektur rechtswidriger Verwaltungsakte ginge bei der Zulässigkeit
der Aufrechnung von Kostenerstattungsansprüchen aus einem Vorverfahren letztlich allein zu ihren Lasten. Dieses Ergebnis weicht
ohne erkennbare Rechtfertigung vom prozessualen Kostenrecht ab, dem das "Obsiegens- und Unterliegensprinzip" zugrunde liegt
(vgl §
197a Abs
1 letzter Halbsatz
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO; § 135 Abs 1 FGO; §
91 Abs
1 Satz 1
ZPO; BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 20 RdNr 19) oder bei dem es maßgeblich zu beachten ist (vgl Gutzler in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
193 RdNr 28 ff). Endet das Vorverfahren zum Nachteil der Widerspruchsführer und haben sie später im Klageverfahren Erfolg, erfasst
der gerichtliche Ausspruch zur Kostenerstattung auch das Vorverfahren (vgl BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 20; BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 50/15 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 25 RdNr 20 ff). Bei hinreichender Aussicht auf Erfolg und der wegen der regelmäßigen Prozesskostenhilfebedürftigkeit
von Empfängern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorzunehmenden Prozesskostenhilfebewilligung sichert das Aufrechnungsverbot aus §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
126 Abs
2 Satz 1
ZPO das Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts und damit auch dessen Bezahlung für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren. Die
Kosten des Vorverfahrens erfasst §
126 Abs
2 Satz 1
ZPO aber nicht.
Dass für das gerichtliche Verfahren Mechanismen vorgesehen sind, die aus Gründen der Rechtsschutzgleichheit aus Art
3 Abs
1 iVm Art
20 Abs
1 und
3 GG (vgl BVerfG vom 23.6.1999 - 1 BvR 984/89 - NJW 1999, 3186; BVerfG vom 3.3.2014 - 1 BvR 1671/13 - NZS 2014, 336) den Ausgleich von Aufwendungen finanziell bedürftiger Rechtsschutzsuchender wegen ihrer Vertretung ohne Abschläge gegenüber
den Aufwendungen von Bemittelten sichern, ist auch für den Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X zu würdigen (vgl zum Gleichlauf von Rechtsschutzgleichheit und Rechtswahrnehmungsgleichheit BVerfG vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).
Das
Grundgesetz verbürgt sich mit dem Anspruch aus Art
3 Abs
1 iVm Art
20 Abs
1 und
3 GG - für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt iVm Art
19 Abs
4 GG - für grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen
Bereich. Der Unbemittelte ist einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme
von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt (BVerfG vom 14.10.2008 - 1 BvR 2310/06 - BVerfGE 122, 39, 49; BVerfG vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).
§ 63 SGB X setzt durch die Verbindung der Kostenerstattung mit dem Erfolg des Widerspruchs den Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit
um. Mit der uneingeschränkten Anknüpfung an den Erfolg des Widerspruchs tritt § 63 SGB X jedem Versuch entgegen, die Erstattung an individuelle Eigenschaften von Widerspruchsführern zu knüpfen. Solche Eigenschaften
sind, sofern es um Aufwendungen durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe geht, erst bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen.
Hier werden die grundsätzlich beim Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorliegenden unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den allermeisten Fällen durch den Bemessungsgesichtspunkt
der Bedeutung der Angelegenheit ausgeglichen (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 38).
Die gebotene Gleichstellung Bemittelter und Unbemittelter bezieht sich auch auf die Unterstützung bei der Rechtswahrnehmung
durch Bevollmächtigte, wenn deren Hinzuziehung notwendig ist. Rechtsanwälte und andere entgeltlich tätige Bevollmächtigte
sind auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Auftraggeber angewiesen. Müssen sie befürchten, ihre Vergütung nicht
über den Ausgleich nach § 63 SGB X zu erhalten, werden sie die Übernahme der Vertretung ablehnen. Je gezielter Jobcenter zur Aufrechnung von Erstattungsforderungen
angewiesen werden, desto weniger wird es Leistungsberechtigten gelingen, anwaltliche Beratung und Vertretung zu erlangen (vgl
auch Schweigler, SGb 2017, 314, 316 zum "Praxishandbuch für das Verfahren nach dem
Sozialgerichtsgesetz" der Bundesagentur für Arbeit).
Bei Widersprüchen im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind Widerspruchsführer oftmals auf rechtskundige Vertretung angewiesen. Denn aufgrund der Abhängigkeit dieser Leistungen
von sich ändernden Bedarfen und zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sind Erstattungsforderungen der Jobcenter gegen
Leistungsbezieher nichts ungewöhnliches (vgl zur Größenordnung nur BT-Drucks 19/12241 vom 9.8.2019 S 2: 2 883 472 Erstattungsbescheide
im Jahr 2018). Das gilt erst recht im Zusammenhang mit der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (§ 41a SGB II; vgl zur Leistungserbringung im Voraus § 42 Abs 1 SGB II; zur Untauglichkeit des Erlasses von endgültigen Verwaltungsakten in Fällen, in denen der Sachverhalt nicht endgültig aufgeklärt
ist BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17 f), bei deren endgültiger Festsetzung sonst zu würdigende Vertrauensschutzgesichtspunkte
(vgl § 45 Abs 2 SGB X) nicht zu prüfen sind. Daher geht es häufig um konkrete Einzelheiten der Anspruchsberechnung, die von Rechtsunkundigen regelmäßig
nicht als mangelhaft erkannt werden können.
Der Zugriff der Jobcenter wegen solcher Erstattungsforderungen auf von ihnen an Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu erbringende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist durch § 43 SGB II beschränkt. Dieser aus verfassungsrechtlichen Gründen beschränkte Zugriff auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(vgl zuletzt BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - NZS 2020, 13, 16) kann nicht auf Kosten des Anspruchs auf Rechtswahrnehmungsgleichheit umgangen werden.
Die zum Vorverfahren erlassenen gesetzlichen Regelungen - einschließlich derjenigen zur Kostenerstattung - sind schließlich
im Lichte des Art
19 Abs
4 GG auszulegen und begrenzen den einseitigen Zugriff auf Forderungen der Widerspruchsführer zusätzlich. Das gilt auch, wenn sich
einem Vorverfahren kein gerichtliches Verfahren anschließt. Denn aus Sicht durch einen Verwaltungsakt Belasteter ist das Vorverfahren
bei den in §
78 Abs
1 Satz 1, Abs
3 SGG genannten Verfahrensarten zwingend. Erst nach Abschluss des Vorverfahrens ist die für eine anschließende Klage gegen Verwaltungsakte
gesetzliche Prozessvoraussetzung erfüllt (vgl §
78 Abs
1, Abs
3 SGG; vgl nur BSG vom 18.3.1999 - B 12 KR 8/98 R - SozR 3-1500 §
78 Nr 3 S 5 mwN; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
78 RdNr 3). Welchen Ausgang das Vorverfahren nimmt, können Widerspruchsführer bei der kostenauslösenden Inanspruchnahme rechtskundiger
Unterstützung regelhaft nicht prognostizieren. Bei einer Aufrechnung würden sie trotz ihres Erfolgs im Ergebnis ihre Aufwendungen
selbst zu tragen haben. Den Gebührenforderungen ihrer Bevollmächtigten sind sie nämlich weiterhin ausgesetzt.
Da im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach der
AO dem Grunde nach nicht um existenzsichernde Leistungen gestritten wird und das Verfahren bis auf die Streitigkeiten über den
Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung (vgl §
77 EStG) ohnehin keine Erstattung der Aufwendungen der Beteiligten vorsieht (vgl dazu auch BFH vom 23.7.1996 - VII B 42/96 - BFHE 180, 529), bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH zur Aufrechnung mit Steueransprüchen gegen
prozessuale Kostenerstattungsansprüche aus der FGO (vgl dazu zuletzt BFH vom 16.3.2016 - VII B 102/15).
bb. Das sich aus Sinn und Zweck des § 63 SGB X ergebende Aufrechnungsverbot schließt die einseitige Aufrechnung auch im Verhältnis zu Bevollmächtigten (§ 13 SGB X) im Vorverfahren aus, wenn der Kostenerstattungsanspruch auf sie übergegangen ist. Die auf die Sicherung von Rechtswahrnehmungsgleichheit
bemittelter und unbemittelter Widerspruchsführer gerichtete Funktion des Kostenerstattungsanspruchs ändert sich nicht, wenn
Inhaber der Forderung diejenigen werden, die Widerspruchsführer bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Vorverfahren unterstützt
haben.
Wie ausgeführt, soll auch die Vergütungsforderung Bevollmächtigter durch das Aufrechnungsverbot gesichert werden. Ziel ist
zu verhindern, dass Widerspruchsführern bei Streitigkeiten im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II der Zugang zu rechtskundiger Unterstützung im Vorverfahren durch in der Regel entgeltlich tätige Bevollmächtigte faktisch
erschwert wird. Der Zugriff auf deren Leistungsansprüche ist nach Maßgabe des § 42 SGB II beschränkt.
Aus §
126 Abs
2 Satz 1
ZPO und § 43 RVG, die gesetzliche Aufrechnungsverbote regeln, lässt sich im Verhältnis zu Bevollmächtigten als Gläubigern des Kostenerstattungsanspruchs
nach Anspruchsübergang nichts gegen ein Aufrechnungsverbot aus dem Sinn und Zweck des § 63 SGB X herleiten. Ausdrückliche gesetzliche Aufrechnungsverbote stehen neben denjenigen, die sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift
ergeben und lassen diesen Raum. Daraus, dass §
126 Abs
2 Satz 1
ZPO das Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts sichert, ergeben sich keine Auswirkungen für ein Aufrechnungsverbot aus §
63 SGB X. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind allein Regelungen für das Gerichtsverfahren getroffen. Im Übrigen beruhen beide Aufrechnungsverbote
auf der Sicherung des anwaltlichen Gebührenanspruchs (vgl Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl 2017, § 43 RdNr 5, 8) während es bei dem aus § 63 SGB X abgeleiteten Aufrechnungsverbot um den Anspruch des unbemittelten Mandanten wegen des Gebots der Rechtwahrnehmungsgleichheit
geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
161 Abs
1 Alt 1
VwGO. Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 iVm §
154 Abs
1 VwGO hat der Beklagte als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren entspricht dem Antrag des Klägers (§
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1, § 40 GKG).