Statthaftigkeit der Anfechtungsklage bei Anscheins-Verwaltungsakt zur Einbehaltung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung
aus der Rente, Erfüllungswirkung
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erfüllung ihrer monatlichen Einzelansprüche aus ihrem Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
ab 1. April 2004 auch in Höhe von weiteren 0,85 vH des jeweiligen Geldwerts des Stammrechts, anfänglich eines Betrags von
monatlich 3,40 EUR, sowie die Aufhebung der Erklärungen der Beklagten zur Einbehaltung, soweit sich daraus die Feststellung
ergebe, dass sie ihr insoweit nichts mehr schulde.
Die 1942 geborene Klägerin hat seit dem 29. Mai 1997 ein Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, dessen dynamisierbarer
Geldwert ab 1. August 2000 735,98 DM betrug.
In einem Bescheid vom 8. März 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, auf Grund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2.
SGB VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3013) seien ab 1. April 2004 Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 vH des "Zahlbetrags"
ihrer Rente einzubehalten. Die bisherige Feststellung über die Einbehaltung des Beitrags zur Pflegeversicherung werde mit
Wirkung zum 1. April 2004 aufgehoben. Der monatliche Rentenbetrag ab 1. April 2004 betrage 400,04 EUR. Hiervon seien der Beitragsanteil
zur Krankenversicherung in Höhe von 12,9 vH dieses Betrags (= 25,80 EUR) und der Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 1,7
vH dieses Betrags (= 6,80 EUR) abzuziehen. Dies ergebe ab 1. April 2004 einen monatlichen "Zahlbetrag" von 367,44 EUR. Die
Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen die "Rentenkürzung" mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 zurückgewiesen.
Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin beantragt, die vorgenannten Bescheide aufzuheben und "die Beklagte zu verpflichten, über den 1. April 2004
hinaus ihren vollen Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu tragen". Das SG hat diese Klagen abgewiesen (Urteil vom 13. Juni 2005) und ausgeführt: Die Klagen seien zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin
habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über den 31. März 2004 hinaus die Hälfte ihres Beitrags zur gesetzlichen Pflegeversicherung
trage. Sie sei zu Recht ab dem 1. April 2004 zur Tragung des vollen Pflegeversicherungsbeitrags herangezogen worden. Bis zum
31. März 2004 seien gemäß §
59 Abs
1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) iVm der damals gültigen Fassung des §
249a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) die nach der Rente zu bemessenden Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte den Pflegeversicherungspflichtigen,
die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, und den Trägern der Rentenversicherung auferlegt worden.
Durch Art 6 Nr 1 des 2.
SGB VI-ÄndG sei §
59 Abs 1 Satz 1
SGB XI mit Wirkung zum 1. April 2004 dahingehend geändert worden, dass der Verweis auf §
249a SGB V gestrichen worden sei; es sei festgelegt worden, dass die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung aus der Rente der
gesetzlichen Rentenversicherung von dem Mitglied allein zu übernehmen seien. Diese Gesetzesänderung habe die Beklagte korrekt
umgesetzt. Sie verstoße nicht gegen Verfassungsrecht.
Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten die vom SG zugelassene (Sprung-)Revision eingelegt. Das SG habe verkannt, dass die Beklagte ihr seit April 2004 noch Beträge in Höhe der Hälfte des von ihr einbehaltenen Pflegeversicherungsbeitrags
zahlen müsse. Die Annahme, die Rentenzahlungspflicht sei durch die Einbehaltung erfüllt, sei jedenfalls verfassungswidrig.
Gerügt werde eine Verletzung von Art
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) sowie Art
2 Abs
1 GG iVm Art
20 Abs
3 GG (rechtsstaatlicher Vertrauensschutz). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe 1985 das damalige Recht der Rentner, von
ihrem Rentenversicherungsträger einen Zuschuss zu den Aufwendungen zu ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zu verlangen,
als Renteneigentum qualifiziert (BVerfGE 69, 272, 300). Diese Rechtsposition sei mit der Position vergleichbar, die die Rentner seit Errichtung der sozialen Pflegeversicherung
bis zum 31. März 2004 gegen den beklagten Rentenversicherungsträger gehabt hätten. Der Eingriff sei nicht mehr verhältnismäßig.
Sie hat ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friedhelm Hase, Universität Siegen, vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats zwecks Klärung,
ob die Klägerin mit ihrer Revision auch beitragsrechtliche Ansprüche erhebt, hat sie klargestellt, dass sie mit ihrer Revision
keine beitragsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte oder Dritte geltend macht. Sie wende sich nicht gegen ihre Beitragspflicht
gegenüber ihrer sozialen Pflegekasse, nicht gegen die festgesetzte Einbehaltung und Abführung der Beiträge durch die Beklagte,
nicht gegen die Höhe ihres Pflegeversicherungsbeitrags und nicht gegen die beitragsrechtlichen Regelungen ihrer Beziehungen
zu ihrer sozialen Pflegekasse und begehre auch keine Absenkung ihrer Pflegeversicherungsbeiträge um 50 vH, weshalb sie die
Pflegekasse in Kenntnis der neueren Rechtsprechung des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) auch nicht verklagt habe.
Hingegen habe die Beklagte durch ihre Erklärungen über die Einbehaltung im Bescheid vom 8. März 2004 einen rechtswidrigen
Verwaltungsakt insoweit erlassen, als sie das Erlöschen ihrer noch offenen Zahlungsansprüche in Höhe von 0,85 vH des Geldwerts
ihres Rentenstammrechts infolge der Einbehaltung festgestellt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13. Juni 2005 sowie den Verwaltungsakt zur Einbehaltung von Pflegeversicherungsbeiträgen
im Bescheid vom 8. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. April 2004 monatlich einen weiteren Betrag in Höhe von 0,85 vH des jeweiligen Geldwerts
ihres Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie habe feststellen müssen, dass ab 1. April 2004 aus der Rente der Klägerin Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von
1,7 vH einzubehalten gewesen seien. Nach §
255 Abs
1 SGB V seien Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen hätten, von den Trägern der Rentenversicherung bei
der Zahlung der Rente einzubehalten. Sie habe durch diese Verrechnung insoweit auch ihre Rentenschuld gegen die Klägerin erfüllt.
Der Senat hat die mit der im Jahr 2005 eingelegten Revision (Az: B 4 RA 32/05 R) erhobenen Ansprüche, welche die Einbehaltungsthematik, nicht die Dynamisierung des Geldwertes des Stammrechts auf Rente
betrafen, abgetrennt (Az: B 4 R 75/06 R).
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Der 4. Senat des BSG ist für die Entscheidung über die Revision zuständig (dazu unter 1.). Das Urteil des SG ist insoweit neu zu fassen, als es der Anfechtungsklage gegen den nur formellen Verwaltungsakt vom 8. März 2004 zur Erfüllungswirkung
der Einbehaltung von Pflegeversicherungsbeiträgen nicht stattgegeben hat (dazu unter 2.). Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
Denn das SG hat die allgemeine Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, monatlich jeweils
weitere Geldbeträge in Höhe von 0,85 vH des Geldwerts des Stammrechts auf Rente zu zahlen (dazu unter 3.). Der Klägerin steht
auch kein sonstiger Sozialleistungsanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines weiteren Betrags zu (dazu unter 4.). Auch
Grundrechte der Klägerin sind nicht beeinträchtigt (dazu unter 5.), sodass sie erst recht nicht verletzt sind.
1. Der 4. Senat des BSG ist für die Entscheidung über die mit der Revision erhobenen Ansprüche zuständig. Die Revisionsführerin
hat auch zur Einbehaltungsthematik ausschließlich Sozialleistungsansprüche gegen den beklagten Rentenversicherungsträger aus
gegen diesen gerichteten (behaupteten) Rechten auf Sozialleistungen erhoben, nämlich auf Zahlungen in Höhe von 0,85 vH des
Geldwerts ihres Rentenstammrechts zwecks Erfüllung von nach ihrer Ansicht noch nicht vollständig erfüllten monatlichen Einzelansprüchen
auf Rente; ferner hat sie sich auch dagegen gewandt, dass die Beklagte eine Feststellung über das Erlöschen der streitigen
Geldschulden getroffen habe. Sie hat - zulässigerweise auch noch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - schriftsätzlich
und abschließend in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie keine beitragsrechtlichen Ansprüche erhebt und auch
die Festsetzung ihrer Beitragsschuld zur Pflegeversicherung durch die Beklagte nicht anficht. Da nur der Revisionsführer bestimmen
darf und kann, über welche (vermeintlichen) Ansprüche das BSG entscheiden soll, und die Klägerin mit ihrer Revision nur sozialleistungsrechtliche
Ansprüche aus der Rentenversicherung erhoben hat, war und ist der 4. Senat des BSG zuständig.
2. Die zulässige (Sprung-)Revision ist teilweise begründet. Der Anfechtungsklage gegen den nur formellen Verwaltungsakt betreffend
die Erklärungen der Beklagten über die Erfüllungswirkung der Einbehaltung von Pflegeversicherungsbeiträgen war stattzugeben,
soweit darin der Anschein erweckt wurde, sie habe auch festgestellt, dass die streitigen Zahlungsansprüche der Klägerin erloschen
seien. Die Beklagte hat im Bescheid vom 8. März 2004 verschiedene Erklärungen zu unterschiedlichen Rechtsbeziehungen der Klägerin
mit ihr oder mit Dritten abgegeben. Von diesen will die Klägerin einige nicht angreifen.
a) Die Anfechtungsklage richtet sich erklärtermaßen nicht gegen den Verwaltungsakt der Beklagten, sie stelle die sich aus
dem dynamisierten Stammrecht ab 1. April 2004 ergebende Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche mit 400,04 EUR ("Rentenbetrag")
fest. Ebenso wendet die Klägerin sich nicht gegen die Erklärung der Beklagten, sie werde ab 1. April 2004 einen Geldbetrag
in Höhe des Beitragsanteils der Rentner zur Krankenversicherung (25,80 EUR) einbehalten und nicht an sie zahlen ("abzüglich").
Sie begehrt auch nicht die Aufhebung der Mitteilung des - dort irreführend "monatlicher Zahlbetrag" genannten - bloßen Auszahlungsbetrags
(367,44 EUR); denn dieser hat als bloßer Hinweis auf das rechnerische Ergebnis einer Subtraktion keinen eigenständigen Regelungswert.
Ebenso wenig ficht die Klägerin die Festsetzung der Höhe ihrer Beitragsschuld gegen ihre soziale Pflegekasse an. Sie begehrt
mit ihrer Revision auch keinen Rechtsschutz dagegen, dass die Beklagte den vollen Pflegeversicherungsbeitrag aus der Rente
an Dritte abführt.
b) Die Anfechtungsklage ist nur statthaft und insoweit zulässig und begründet, als die Beklagte bezüglich der Erfüllungswirkung
ihrer verrechnenden Einbehaltung einen (bloß) formellen Verwaltungsakt erlassen hat.
Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger vom Gericht die Aufhebung einer behördlichen Maßnahme begehrt, die sich
dem sog objektiven Adressaten als Verwaltungsakt darstellt (sog formeller Verwaltungsakt). Nicht entscheidend ist, ob diese
Erklärung inhaltlich wirklich die Kriterien des Verwaltungsaktbegriffs erfüllt, also auch materiell ein Verwaltungsakt ist,
auch nicht, ob ggf dieser unwirksam ist (sog nichtiger Verwaltungsakt). Daher reicht für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage
zwar aus, dass die Maßnahme einen materiellen Verwaltungsakt verlautbart (hinreichende, aber keine notwendige Bedingung).
Notwendig für die Gegebenheit der Anfechtungsklage ist aber nur, dass die Erklärung, die grundsätzlich formfrei ergeht (§
33 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch >SGB X<), dem sog objektiven Adressaten den Eindruck vermittelt, sie verlautbare
einen materiellen Verwaltungsakt, unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist (BVerwGE 18, 1, 5; stRspr).
Die Erklärungen der Beklagten, sie behalte aus der Rente Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 vH ein und zahle
ihr deshalb den "Rentenbetrag" nicht aus ("abzüglich"), verlautbaren (was hinreichend wäre) keine materiellen Verwaltungsakte
iS von § 31 SGB X. Sie enthalten - soweit von der Klägerin angefochten - ua schon keine Regelungen. Der Regelungsbegriff des § 31 SGB X erfasst nur einseitige Erklärungen einer Behörde, die auf die rechtsverbindliche Begründung, Änderung, Aufhebung (einschließlich
Beeinträchtigung) oder auf die (positive oder negative) Feststellung eines subjektiven öffentlichen Rechts oder einer öffentlich-rechtlichen
Pflicht eines anderen Rechtssubjekts (mit unmittelbarer Rechtswirkung diesem gegenüber) gerichtet sind (§ 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
>SGB I<; BVerwGE 77, 268, 271 mwN). Mit der Erklärung, sie behalte "Beiträge" ein, hat die Beklagte nicht erklärt, sie hebe das bindend festgestellte
subjektive Stammrecht der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf oder sie verringere dessen festgestellten Höchstwert,
ebenfalls nicht, sie hebe die hieraus ab 1. April 2004 resultierenden monatlichen Einzelansprüche (400,04 EUR) auf oder ändere
sie ab.
Die Beklagte hat auch nicht ausdrücklich erklärt, sie stelle fest, dass diese Ansprüche in Höhe der Einbehaltung der Beiträge
zur Pflegeversicherung erloschen seien. Sie hat lediglich gesagt, sie werde ab 1. April 2004 aus der Rente einen höheren Betrag
als Beitrag der Klägerin zur Pflegeversicherung einbehalten und schulde ihr monatlich in dieser Höhe keine Zahlung mehr ("abzüglich"
vom jeweils monatlich von ihr der Klägerin geschuldeten Rentenbetrag). Die bloße Erklärung einer Behörde, sie schulde einem
Bürger einen bestimmten Betrag nicht mehr, ist allein noch keine Maßnahme, die aus objektivem Empfängerhorizont als auf die
rechtsverbindliche Feststellung des Erlöschens seines gegen sie gerichteten Anspruchs gerichtet zu verstehen ist; das kann
im Einzelfall unter Umständen anders zu beurteilen sein, wenn - anders als hier - ein Gesetz zu einer solchen Feststellung
ermächtigt.
c) Die Anfechtungsklage ist jedoch statthaft, soweit sie gegen den bloß formellen Verwaltungsakt gerichtet ist, in den die
Beklagte ihre Erklärung gekleidet hat, wegen der Einbehaltung den umstrittenen Betrag nicht mehr zu schulden.
Die Beklagte hat ua erklärt, sie ziehe einen Betrag vom "Rentenbetrag" ab, ferner hat sie die zwar nicht der Verlautbarung
von Verwaltungsakten vorbehaltene, aber zumeist auf diese hindeutende Überschrift "Bescheid" gewählt und in der Rechtsbehelfsbelehrung
gesagt, der "Bescheid" könne insgesamt und ungeachtet dessen, dass in ihm außer verschiedenen Verwaltungsakten auch andere
verwaltungsrechtliche Willenserklärungen und schlichte Hinweise verlautbart wurden, mit dem Widerspruch angefochten werden,
obwohl der (Anfechtungs-)Widerspruch nur gegen Verwaltungsakte gegeben ist (§
78 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Damit hat sie für den sog objektiven Adressaten den Anschein erweckt, sie erlasse auch mit ihrer Erklärung über den
"Abzug" des verrechneten Betrags vom "Rentenbetrag" eine Regelung, und hat insoweit bloß der Form nach einen Verwaltungsakt
erlassen (zum formellen Verwaltungsakt stellv: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 9; BSG SozR 4-2600 § 191 Nr 1 RdNr 6; BVerwGE 18, 1, 5). Allein schon durch die Existenz eines solchen "Anscheins-Verwaltungsakts" ist die Klägerin mit dem Risiko behaftet,
dass ihr dieser in Zukunft als ein insoweit "bestandskräftiger Verwaltungsakt" (zu Unrecht, weil nur ein materieller Verwaltungsakt
materiell bestandskräftig, also bindend iS von §
77 SGG werden kann) entgegengehalten werden könnte, der unabhängig von der materiellen Rechtslage das Erlöschen der monatlichen
Zahlungsansprüche in Höhe der ab 1. April 2004 einbehaltenen Beträge bindend feststelle. Da sich der Rechtsschutz - wie gesagt
- grundsätzlich nach der von der Behörde gewählten Handlungsform gerade auch dann richtet (BVerwGE 18, 1, 5; stRspr), wenn der wesentliche Inhalt der Erklärung die materiellen Kriterien des Verwaltungsaktbegriffs (§ 31 SGB X; § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz) nicht erfüllt, war die Anfechtungsklage statthaft.
Sie war insoweit auch im Übrigen zulässig und begründet. Die Maßnahme verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Dass nämlich
ein solcher (bloß formeller) Verwaltungsakt jeden von ihm Betroffenen in seinen Rechten verletzt und deshalb notwendig aufzuheben
ist, falls - wie hier - keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Wahl dieser Handlungsform vorliegt, bedarf keiner
Darlegung (BVerwG, aaO). Eine solche Ermächtigung lag nicht vor. Es kann hier offen bleiben, ob §
255 Abs
1 Satz 2
SGB V auch für jene mit der Einbehaltung und Abführung der Beiträge verbundenen verwaltungsrechtlichen Willenserklärungen, die
keine Verwaltungsakte sind, den Erlass bloß formeller Verwaltungsakte erlaubt, soweit es um Änderungen der Beitragshöhe geht.
Jedenfalls erfasst die Vorschrift schon thematisch nicht die Befugnis des Rentenversicherungsträgers, das Erlöschen eigener
Schulden aus gegen ihn gerichteten Rentenzahlungsansprüchen festzustellen.
3. Die allgemeine Leistungsklage (§§
54 Abs
5,
202 SGG iVm §
258 der
Zivilprozessordnung), die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. April 2004 monatlich stets einen weiteren Betrag in Höhe der Hälfte des
einbehaltenen Betrags, also jeweils von 0,85 vH des Geldwerts des Stammrechts auf Rente, zu zahlen, ist zulässig, aber - wie
das SG richtig entschieden hat - unbegründet. Denn die Beklagte hat ab 1. April 2004 die Beträge wirksam einbehalten. Insoweit galt
jeweils monatlich ihre eigene Schuld gegenüber der Klägerin als auch deren (von ihr nicht bestrittene) Beitragsschuld gegen
ihre soziale Pflegekasse kraft Gesetzes als erloschen.
a) Anspruchsgrundlagen für die monatlichen Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte sind die Bewilligung des Rechts
auf Rente verbunden mit der Feststellung des dynamisierbaren Geldwerts dieses Rechts, aus dem als dessen Rechtsfrucht zu Beginn
eines jeden Monats ein Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe des jeweils dynamisierten Geldwerts des Stammrechts entsteht.
Ein weiterer Verwaltungsakt musste nicht ergehen.
b) Die Einzelansprüche der Klägerin gelten in Höhe des streitigen Betrags als erfüllt.
Zu Recht weist zwar die Klägerin darauf hin, dass die gesetzliche Pflicht der Beklagten, einen Betrag in der Höhe einer Beitragsforderung
eines Dritten "bei der Zahlung der Rente einzubehalten", aus sich heraus allein noch nicht bedeutet, dass dadurch ihre eigene
Rentenzahlungsschuld gegenüber dem Rentner erlischt. Auch regelt das Gesetz nicht, dass der Rentenversicherungsträger von
seiner Schuld befreit wird. Jedoch kennzeichnet es in §
255 Abs
3a Satz 3
SGB V - wie die Beklagte zutreffend vorträgt - mit einer den Anforderungen des Art
14 Abs
1 GG genügenden Deutlichkeit, dass es den Rentenversicherungsträger auch zu einer gestrafften Verrechnung (§§
52,
51 SGB I iVm §§
387 ff
Bürgerliches Gesetzbuch >BGB<) gegen die Zahlungsansprüche des Rentners verpflichtet. Dadurch gilt die (Renten-)Zahlungspflicht insoweit als erloschen
(§§
362 Abs
1,
389 BGB) und wird, solange die Einbehaltung gesetzmäßig erfolgt, auch in Zukunft erlöschen. Der Rentner kann demnach keine weitere
Zahlung zur Erfüllung seiner monatlichen Einzelansprüche mehr verlangen. Die rechtmäßige Einbehaltung, die voraussetzt, dass
sie gesetzmäßig erklärt wird und dass objektiv eine Einbehaltungslage besteht, bewirkt also, dass der Beitragsanspruch des
Dritten gegen den Rentner und dessen Rentenanspruch gegen den einbehaltenden Träger kraft Gesetzes als erloschen gelten.
Die Einbehaltung von Pflegeversicherungsbeiträgen (§
60 Abs
1 Satz 2
SGB XI iVm §
255 Abs
1 SGB V) durch den Rentenversicherungsträger ist, wie §
255 Abs
3a Satz 3
SGB V klärt, im Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Rentner und dem Rentenversicherungsträger eine verkürzte Form der Verrechnung
(§
52 SGB I). Mit der - hier nicht streitigen - monatlichen Beitragsforderung der sozialen Pflegekasse gegen die Klägerin, deren Höhe
gesetzesunmittelbar aus dem bewilligten Recht auf Rente bestimmbar und deren Schuldner allein der pflegepflichtversicherte
Rentner ist (§
60 Abs
1 Satz 1
SGB XI iVm §§
55 Abs
1 Satz 1,
57 Abs
1,
59 Abs
1 Satz 1
SGB XI, §
226 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB V), wird gegen deren monatlichen Zahlungsanspruch aus ihrem Recht auf Rente gegen den Rentenversicherungsträger, der sog Passivforderung,
verrechnet. Wie bei der Verrechnung nach §
52 SGB I (stellv BSG SozR 4-1200 §
52 Nr 1) kommt es auf die Gegenseitigkeit der Forderungen nicht an, ebenso sind auf die verrechnende Einbehaltungserklärung
die §§
387 ff
BGB entsprechend anzuwenden. Die das Erlöschen der Passivforderung herbeiführende Wirksamkeit der Einbehaltung setzt demnach
das objektive Vorliegen einer Einbehaltungslage (Verrechnungslage) und eine gesetzmäßige Einbehaltungserklärung voraus. Die
Verrechnungslage liegt entsprechend §
387 BGB vor, wenn der Dritte (soziale Pflegekasse) die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende
Träger (Rentenversicherungsträger) die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die (Aktiv-)Forderung des Dritten, mit der
verrechnet wird (hier: unstreitige Beitragsforderung der sozialen Pflegekasse gegen die Klägerin) muss jeweils entstanden
und fällig sein; die gleichartige (Passiv-)Forderung der Klägerin, gegen die (durch Einbehaltung) verrechnet werden soll (hier:
Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den beklagten Rentenversicherungsträger), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und
erfüllbar sein (vgl hierzu BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15 mwN). Schuldtilgende Wirkung erlangt die Einbehaltung jedoch
erst mit der Abgabe einer Einbehaltungserklärung, soweit diese gesetzmäßig ist; ferner setzt sie voraus, dass die Aktivforderung
unbestritten oder vollstreckbar festgestellt ist; beides liegt hier vor. Damit gelten beide Forderungen als getilgt (§
389 BGB). Beide Ansprüche wandeln sich dadurch in Rechte auf das Behaltendürfen des jeweils als geleistet Geltenden um.
Da die Beklagte - wie die Klägerin nicht bestreitet - bei der Einbehaltungserklärung von dem richtigen "Rentenbetrag" ausgegangen
ist und den Prozentsatz der Beitragshöhe hieraus richtig berechnet hat, ist diese gesetzmäßig. Ferner lag ab 1. April 2004
objektiv eine Einbehaltungslage vor. Die von der Klägerin nicht bestrittenen monatlichen Beitragsforderungen der sozialen
Pflegekasse waren jeweils am Ersten des Monats entstanden und fällig geworden (§
60 Abs
1 Satz 2
SGB XI iVm §
255 Abs
3a Satz 4
SGB V jeweils idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze >3.
SGB VI-ÄndG< vom 27. Dezember 2003 >BGBl I 3019<); die Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte waren ebenfalls am Ersten
des Monats entstanden und erfüllbar (vgl §
272a SGB VI idF des 3.
SGB VI-ÄndG). Die soziale Pflegekasse war stets Gläubigerin der Klägerin bezüglich der aus der Rente bemessenen Pflegeversicherungsbeiträge
(§
60 Abs
3 SGB XI). Keine Beitragsgläubiger sind der einbehaltende Rentenversicherungsträger, ggf die Beklagte als Sammelstelle und die Bundesrepublik
Deutschland, an deren Ausgleichsfonds der Geldwert letztlich fließt (§§
60 Abs
4,
65 SGB XI iVm §
255 Abs
1 Satz 1
SGB V).
4. Der Klägerin stand auch kein sonstiger Sozialleistungsanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines weiteren Betrags in
Höhe der Hälfte des einbehaltenen Pflegeversicherungsbeitrags zu.
a) Es gab und gibt im
SGB VI - anders als nach dem vor ihm gültig gewesenen Recht für den Krankenversicherungsschutz - keine Rechtsnorm, die dem pflegepflichtversicherten
Rentner gegen den Rentenversicherungsträger ein Recht oder einen Anspruch gewährt, dieser müsse ihm einen Zuschuss, etwa in
Höhe der Hälfte, zu dessen Aufwendungen für seine Pflegeversicherung zahlen. Das Gesetz gab den pflegepflichtversicherten
Rentnern auch vor dem 1. April 2004 kein subjektiv-öffentliches Recht gegen den Rentenversicherungsträger auf Zahlung eines
Betrags in Höhe der Hälfte der aus der Rente bemessenen Pflegeversicherungsbeiträge. Soweit der (aufgehobene) § 106a
SGB VI vor allem für privat pflegeversicherte Rentner ein Recht auf Zuschuss zu ihren Aufwendungen für die Pflegeversicherung einräumte,
war der von der Klägerin repräsentierte Personenkreis nicht berechtigt. Diese Vorschrift sollte nur eine ungerechtfertigte
wirtschaftliche Schlechterstellung der aus ihr Berechtigten gegenüber den pflegepflichtversicherten Rentnern verhindern. Denn
diese schuldeten ihrer sozialen Pflegekasse von vornherein nur die Hälfte des aus der Rente bemessenen Beitrags. Schon deshalb
sah kein Gesetz vor, diesen Rentnern auch noch ein Recht gegen den Rentenversicherungsträger zu geben, von ihm die Zahlung
der anderen Hälfte des aus der Rente bemessenen Beitrags an den Dritten zu verlangen.
b) Das der Klägerin gegen die Beklagte seit 29. Mai 1997 zustehende Vollrecht (Stammrecht) auf Rente als auch die daraus als
dessen Rechtsfrüchte zu Beginn eines jeden Monats entstehenden (Einzel-)Ansprüche auf Zahlung eines Betrags in Höhe des Geldwerts
des Stammrechts sind als subjektiv-öffentliche vermögenswerte Rechte gegen die Beklagte auch gegenüber Eingriffen der gesetzgebenden
Gewalt der Bundesrepublik Deutschland individual-grundrechtlich eigentumsgeschützt iS des Art
14 Abs
1 GG (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 55/04 R, RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Ihre Gewährleistung des Vermögenswertes wird jedoch durch
die Einbehaltung nicht beeinträchtigt. Zwar erlischt die Geldschuld der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe des einbehaltenen
Betrags (ohne Auszahlung). Zugleich aber erlischt auch die gleich hohe Beitragsschuld der Klägerin gegen ihre soziale Pflegekasse.
c) Ein anderes subjektiv-öffentliches Recht des Rentners gegen seinen Rentenversicherungsträger, ihn über den 31. März 2004
hinaus von den Aufwendungen für seine Pflegeversicherung im wirtschaftlichen Ergebnis zur Hälfte freizustellen, war und ist
in keinem Gesetz ausgestaltet.
Ein subjektiv-öffentliches Recht ist auch im Sozialverwaltungsrecht das durch oder auf Grund eines Gesetzes gewährte Recht
eines Bürgers, von einem Träger der vollziehenden Gewalt zur Verfolgung seiner Interessen ein bestimmtes öffentlich-rechtliches
Tun oder Unterlassen zu verlangen (§
194 Abs
1 BGB). Eine Rechtsvorschrift verlautbart nur dann ein subjektiv-öffentliches Recht, wenn sie nicht nur dem öffentlichen Interesse,
sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater zu dienen bestimmt ist, und wenn sie diesen Begünstigten
die Rechtsmacht verleiht, die Befolgung der öffentlich-rechtlichen Pflicht von dem Hoheitsträger rechtlich verlangen zu können
(stellv BVerfGE 27, 297, 307 unter Hinweis auf Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung,
1914, 42 ff, 224; BVerwGE 107, 215, 220 mwN). Allein daraus, dass eine Rechtsvorschrift Einzelne faktisch (zB wirtschaftlich) begünstigt, kann und darf nicht
schon auf eine gezielte Begünstigung geschlossen werden. Sogar dann, wenn eine Norm auch eine Begünstigung eines bestimmbaren
Personenkreises bezweckt, folgt allein daraus noch nicht zwingend, dass die Begünstigten auch die Rechtsmacht erhalten sollen,
von dem verpflichteten Hoheitsträger die Befolgung seiner Pflicht rechtlich verlangen zu können. Begünstigungen, die diesen
Kriterien nicht genügen, sind bloße Rechtsreflexe.
Es ist auch für die Zeiten seit Rentenbeginn keine solche Gesetzesnorm ersichtlich, auch hat die Klägerin keine derartige
Norm benannt noch ist sie in dem vorgelegten Rechtsgutachten aufgezeigt worden.
5. Auch Grundrechte der Klägerin sind nicht beeinträchtigt.
a) Renteneigentum (iS von Art
14 Abs
1 GG), das der Klägerin als ihr Grundrecht zusteht, ist durch die gesetzliche Regelung der verrechnenden Einbehaltung und deren
Anwendung durch die Beklagte nicht beeinträchtigt. Wie gesagt, wurden die ihr durch die inhaltsbestimmenden Regelungen des
SGB VI zugewiesenen rentenversicherungsrechtlichen vermögenswerten Rechte gegen die Beklagte in ihrem geschützten Vermögenswert
nicht verringert.
Soweit die Klägerin auf das Urteil des Ersten Senats des BVerfG vom 16. Juli 1985 (BVerfGE 69, 272, 298 ff) hinweist, trägt dies ihr Begehren nicht. Das BVerfG hatte nur zu krankenversicherungsrelevanten Themen aus der Renten-
und aus der Krankenversicherung nach alter, vor dem Inkrafttreten des
SGB V und des
SGB VI gegeben gewesener Gesetzeslage entschieden. Insbesondere finden sich - naturgemäß - dort keine Aussagen über die von Anfang
an vom Gesetz anders gestalteten Beziehungen zwischen dem Rentner und seiner sozialen Pflegekasse.
Das BVerfG hat die Abschaffung der "vorversicherungszeitenfreien" und für den Rentner beitragsfreien Mitgliedschaft (einem
Statusrecht) bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung außerdem als keine Beeinträchtigung des Eigentums des Rentners
und als keine Verletzung der während der Mitgliedschaft bereits mit Vertrauensschutz zugewiesenen Positionen gewertet. Es
hat zwar - gemäß den damaligen inhaltsbestimmenden Gesetzen - die subjektiven Rechte der Rentner gegen den Rentenversicherungsträger
auf Zahlung von Zuschüssen zu ihren Aufwendungen zur Krankenversicherung als Gegenstand der Eigentumsgarantie qualifiziert.
Dem lag aber nach altem Recht (§ 1235 Nr 5
Reichsversicherungsordnung, §
12 Nr 5 Angestelltenversicherungsgesetz, jeweils iVm §
38 SGB I) die in den genannten inhaltsbestimmenden Gesetzen ausdrücklich getroffene Qualifizierung des Rechts auf diese Zuschüsse
als "Anspruchs-Regelleistung", also als eines subjektiv-öffentlichen vermögenswerten Rechts des Rentners gegen den Rentenversicherungsträger,
zu Grunde. Diese Regelung gibt es seit dem Inkrafttreten des
SGB VI nicht mehr. Ein Recht des pflegepflichtversicherten Rentners gegen den Rentenversicherungsträger, dieser müsse ihm eine "bezahlbare
Pflegeversicherung" gewährleisten, war und ist durch das
SGB VI nirgendwo gewährt worden.
b) Kein Rentner hat ein allgemeines gesetzliches oder verfassungsrechtliches subjektives Recht gegen die - hier nicht beklagte
- Bundesrepublik Deutschland, eine bloß objektiv-rechtliche Gesetzeslage, die für ihn wirtschaftlich günstig ist, nicht zu
verändern oder wiederherzustellen (hierzu zuletzt: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 55/04 R, RdNr 32, unter Bezugnahme auf BVerfGE 71, 255, 272 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Außerdem ist das "Rechtsstaatsprinzip" keine "Anspruchsgrundlage",
sondern für das Gesetzgebungsorgan des Staates eine Schranke seiner Befugnis, bestehende subjektive Rechte zu beeinträchtigen
("Schranken-Schranke"). Seine Anwendung setzt voraus, dass zuvor anderweitig subjektive Rechte begründet wurden und jetzt
beeinträchtigt sind oder es werden können. Die Klägerin trägt vor, es komme ihr letztlich auf eine weitere wirtschaftliche
Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an ihrer Beitragstragung zur sozialen Pflegeversicherung an, gleich in welcher
leistungsrechtlichen Form. Damit könnte sie rechtlich allenfalls ein verfassungsrechtliches Recht gegen die Bundesrepublik
Deutschland auf Gesetzgebung zum rentenversicherungsrechtlichen Leistungsrecht meinen. Ein solches Recht hat sie aber bisher
nicht verfolgt. Sie hat es auch vor dem BSG nicht geltend gemacht.
c) Die Klägerin ist auch nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art
3 Abs
1 GG) beeinträchtigt. Sie wird als Rentnerin gegenüber der Gruppe der nach dem
SGB VI entgeltlich Beschäftigten (§
1 Satz 1 Nr 1
SGB VI) und deswegen Rentenpflichtversicherten nicht dadurch ungerechtfertigt ungleich behandelt, dass die Beschäftigten nach dem
Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung dort weiterhin nur einen Beitrag tragen und zahlen müssen, der aus der Hälfte
ihres Arbeitsentgelts bemessen wird (§§
58,
60 Abs
1 SGB XI); ihr versichertes Arbeitsentgelt daher weniger belastet ist als die Rente.
Art
3 Abs
1 GG iVm Art
1 Abs
3 GG ist in seiner Ausprägung als Verbot der ungerechtfertigten Gleich- und Verschiedenbehandlung von Personengruppen aber nur
dann beeinträchtigt, wenn die Rechte verschiedener Personengruppen, bezogen auf den jeweiligen Regelungsgegenstand des Gesetzes
und gemessen an dessen materiellem Differenzierungskriterium, nämlich der Aufgabe des Gesetzes, ungleich oder aufgabenwidrig
gleich behandelt werden (vgl hierzu zuletzt: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 55/04 R, RdNr 36 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Gemessen an den Aufgaben des Gesetzes liegt aber schon
keine rechtserhebliche tatsächliche und keine Ungleichbehandlung von Rechten vor. Entscheidungserheblich ist hier nur der
Vergleich der rentenversicherungsrechtlichen Rechte und Pflichten der rentenpflichtversicherten Beschäftigten und der Rentner
gegen ihren Rentenversicherungsträger bezüglich ihrer sozialen Pflegeversicherung.
Die Beschäftigten gehören dem Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Abs 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch >SGB
IV<) an, für das systemgemäß von vornherein andere Regelungen gelten (können) als für die Personen, die nur auf Grund der
"für sie geltenden besonderen Vorschriften" in der Rentenversicherung versichert sind (§
2 Abs
4 SGB IV); dasselbe gilt im Übrigen für die soziale Pflegeversicherung (§
1 Abs
1 SGB IV).
Das Beitragsrecht im Rentenversicherungsrecht ist - wie im Kranken- und Pflegeversicherungsrecht - aus zwingenden Gründen
der Finanzierung des Systems bei den Beschäftigten anders ausgestaltet als bei den anderen Systemen und beruht gerade nicht
auf dem Prinzip, dass die pflichtversicherten Beschäftigten stets die Hälfte des aus ihrem Arbeitsentgelt berechneten Pflichtbeitrags
selbst aufbringen müssen (§§
168 Abs
1 Nr
1,
173 Abs
1 SGB VI; §§
58 Abs
1 Satz 1,
60 Abs
1 Satz 1 und
2 SGB XI iVm §
253 SGB V iVm §§ 28e, 28g
SGB IV; dazu stellv BSGE 86, 262, 267 ff = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 7 ff). Ein allgemeines Konzept einer "Beschäftigtenversicherung" mit hälftiger Beitragsschuld
der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ist dem positiven Gesetzesrecht der Rentenversicherung fremd. Es gibt aber auch bei den
"nach den besonderen Vorschriften Versicherten" keinen allgemeinen Grundsatz, dass Versicherungspflichtige Beiträge aus ihren
beitragspflichtigen Einkünften im Ergebnis stets nur zur Hälfte tragen müssen, also die Beitragslast der Versicherungspflichtigen
nicht höher sein dürfe als der sich aus dem halben Beitragssatz ergebende Betrag (BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 - B 12 KR 3/05 R, RdNr 21).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.