Vereinbarungen iS. des § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB VI
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte einen höheren Höchstwert des Rechts des Klägers auf Altersrente (wegen
Arbeitslosigkeit) festzusetzen hat, weil sie zu Unrecht diesen Wert wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente um 36 Kalendermonate
dauerhaft um 10,8 vH herabgesetzt und damit anstatt des vollen Vorleistungswerts von 57,0448 Entgeltpunkten (EP) nur 50,8840
EP als sog persönliche EP berücksichtigt hat.
Der am 6. Dezember 1939 geborene Kläger war von März 1955 bis April 1997 bei der Firma G.
GmbH (nachfolgend: Arbeitgeberin) beschäftigt. Auf einer Betriebsversammlung im Oktober 1995 teilte die Arbeitgeberin
mit, das L. Werk, in dem der Kläger beschäftigt war, werde zum 30. April 1997 geschlossen. Am 9. Februar
1996 vereinbarten Betriebsrat und Arbeitgeberin für das L. Werk einen Sozialplan. Von dessen persönlichem
Geltungsbereich wurden grundsätzlich alle Arbeitnehmer erfasst, die am Tage ihres Ausscheidens älter als 57 Jahre und 4 Monate
sein würden und deren Arbeitsverhältnis wegen der Verlegung des Betriebs auf Grund fristgemäßer Kündigung enden werde (§ 1
des Sozialplans). Ferner bestand Einvernehmen darüber, dass Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz auf Grund der Betriebsverlegung
entfalle, fristgemäß gekündigt werde (§ 2 des Sozialplans). Für die betroffenen Arbeitnehmer wurde die Zahlung eines Übergangsgelds
vereinbart (§ 3 des Sozialplans). Der Sozialplan trat mit seiner Unterzeichnung am 9. Februar 1996 in Kraft und galt bis zum
30. April 1997 (§ 4 des Sozialplans).
Am 14. Februar 1996 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. April 1997; das Kündigungsschreiben
wurde dem Kläger am selben Tage ausgehändigt.
Ab Mai 1997 war der Kläger arbeitslos gemeldet. Ab 1. Januar 2000 erkannte ihm die Beklagte antragsgemäß das Recht auf eine
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu (Bescheid vom 16. November 1999). Den monatlichen Wert dieses Rechts stellte sie im
Zeitpunkt des Rentenbeginns mit 2.457,19 DM fest (monatlicher Auszahlungsbetrag nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen:
2.263,08 DM). Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente für 36 Kalendermonate verminderte die Beklagte den Zugangsfaktor
von 1,0 um 0,108 auf 0,892. Dadurch stellte sie in die Rentenformel die persönlichen EP nicht mit 57,0448, sondern nur mit
50,8840 ein (Kürzung um 10,8 vH). Ohne diese Kürzung hätte sich der Wert des Rechts auf Rente zum 1. Januar 2000 auf 2.754,69
DM belaufen (monatliche Minderung: 2.754,69 DM ./. 2.457,19 DM = 297,50 DM). Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die vorgenommene
Kürzung rügte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2000).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts verurteilt, dem Kläger eine Altersrente unter Zugrundelegung
eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren (Urteil vom 24. April 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen (Urteil vom 23. Januar 2003). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger könne in Anwendung der Übergangsregelung
des §
237 Abs
2 Satz 1 Nr
1 Buchst b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) aF (nunmehr Abs 4 Satz 1 Nr 1 Buchst b) die Wertfestsetzung seines Rechts auf Altersrente ohne eine Kürzung des Zugangsfaktors
verlangen; denn sein Arbeitsverhältnis sei bereits durch eine in dem Sozialplan vorweggenommene betriebsbedingte Kündigung
am 9. Februar 1996 nach dem 13. Februar 1996 beendet worden.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des §
237 Abs
2 SGB VI aF. Sie macht geltend, eine arbeitsrechtlich wirksame Kündigung habe die Arbeitgeberin erst am 14. Februar 1996 ausgesprochen.
In den Genuss der Übergangsregelung wäre der Kläger aber nur gekommen, wenn die Kündigung bis zum 13. Februar 1996 erfolgt
wäre. Die Regelungen im Sozialplan vom 9. Februar 1996 hätten eine solche Kündigung nicht vorweggenommen und auch nicht vorwegnehmen
können.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Januar 2003 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 24. April
2001 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger wird im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des LSG verletzt nicht Bundesrecht.
Gegenstand der Revision ist das Begehren der Beklagten, das Urteil des LSG aufzuheben, soweit dieses ihre Berufung gegen das
klagestattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat. Im Ergebnis ist revisionsgerichtlich zu prüfen, ob der Kläger mit zulässigen und begründeten Rechtsschutzformen
die Rentenhöchstwertfeststellung (= feststellender Verwaltungsakt) im Bescheid vom 16. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. Februar 2000 angefochten und zu Recht die Verpflichtung der Beklagten zu einer Neufeststellung unter Berücksichtigung
seines ungekürzten Vorleistungswerts sowie die Zahlung eines entsprechenden (höheren) monatlichen Geldbetrags begehrt hat.
Der Kläger hat sein Begehren erstinstanzlich in Kombination von Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen (§
54 Abs
1 und 4
Sozialgerichtsgesetz >SGG<) geltend gemacht. Die Klagen sind zulässig. Sie sind auch begründet, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden
haben.
Der Geldwert des Rechts auf Altersrente, der sog Monatsbetrag der Rente (§
64 SGB VI), ist rechnerisch das Produkt aus Rangwert (Summe der EP) und Zugangsfaktor (beide zusammen bilden die persönlichen EP),
Rentenartfaktor und aktuellem Rentenwert. Der Kläger hat die Rentenhöchstwertfeststellung im Bescheid vom 16. November 1999
nur teilweise angefochten. Er beanstandet nicht, dass die Beklagte den Rentenartfaktor, der das Sicherungsziel der Altersrente
widerspiegelt, mit 1,0 (§
67 Nr 1
SGB VI), den am 1. Januar 2000 geltenden aktuellen Rentenwert mit 48,29 DM (§
68 SGB VI idF bis 31. Dezember 2001 iVm §
69 SGB VI und §
1 Abs
1 der Verordnung vom 27. Mai 1999 >BGBl I 1078<) eingestellt sowie von einem Rangwert von 57,0448 EP ausgegangen ist, der den
vollen Vorleistungswert des Klägers ausdrückt (§
63 Abs
1 und
2 SGB VI). Angefochten hat er den wertfeststellenden Verwaltungsakt nur insoweit, als die Beklagte den Zugangsfaktor wegen der vorzeitigen
Inanspruchnahme der Rente um 36 Monate von 1,0 um 0,108 auf 0,892 gekürzt (§
77 Abs
1 Nr
3 und Abs
2 Nr
1 SGB VI) und damit an Stelle von 57,0448 persönlichen EP, die sich bei einem Zugangsfaktor von 1,0 ergeben hätten, nur 50,8840 persönliche
EP in die Rentenformel eingestellt hat. Diese Wertfeststellung ist rechtswidrig; denn auf Grund der Vertrauensschutzregelung,
die im Fall des Klägers zur Anwendung kommt, durfte die Beklagte keine Herabsetzung des Zugangsfaktors vornehmen.
Das Stammrecht des Klägers auf Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit) ist mit dem Antrag vom September 1999 am 6. Dezember 1999
entstanden. Sein monatlicher Wert bestimmt sich nach dem zu Beginn des Folgemonats geltenden Recht, also nach dem ab 1. Januar
2000 geltenden Recht in der Fassung durch das Renten-Reformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998). Bezüglich der
hier einschlägigen Vorschriften (§
237 Abs
1, Abs
3 und Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI) ist keine - hier beachtliche - Änderung gegenüber dem bisherigen Recht eingetreten (§§
38,
41,
237 Abs
2 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI idF durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand >Ruhestandsförderungsgesetz< vom 23. Juli
1996 >BGBl I 1078< bzw durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 >BGBl I 1461<).
Nach §
237 Abs
1 SGB VI haben Versicherte mit 60 Jahren ua dann ein Recht auf Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit), wenn sie - wie der Kläger - das
60. Lebensjahr vollendet haben, innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre vor Beginn der Rente insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren,
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt und gegenüber dem Rentenversicherungsträger erklärt haben, sie wollten wegen Alters eine
Rente beziehen. Die Vorzeitigkeitsgrenze für dieses Gestaltungsrecht wird nach §
237 Abs
3 SGB VI sukzessive angehoben, wenn der Versicherte nach dem 31. Dezember 1936 geboren ist.
Die sich aus den genannten Bestimmungen ergebende Anhebung wird im vorliegenden Fall auf Grund der Übergangsregelung des §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Norm wird "bei vor 1941 geborenen Versicherten die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben",
wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung (Regelung 1) oder Vereinbarung (Regelung 2), die vor dem 14. Februar
1996 erfolgt ist, für eine Zeit nach dem 13. Februar 1996 beendet worden und der Versicherte anschließend arbeitslos geworden
ist.
1. Stellt man nur auf den Gesetzestext ab, erfüllt der Kläger allerdings offenkundig die Voraussetzungen der Regelung 1 aaO.
Er ist vor dem 14. Februar 1941 geboren. Sein Arbeitsverhältnis ist durch Kündigung nach dem 13. Februar 1996 beendet worden,
nämlich durch die am 14. Februar 1996 ausgesprochene und dem Kläger am selben Tag zugegangene ordentliche Kündigung der Arbeitgeberin
zum 30. April 1997. Im Anschluss an die Beendigung ist er bis zum Bezug der Altersrente (ab 1. Januar 2000) arbeitslos gewesen.
Der Gesetzestext stellt nicht auf eine Kündigung vor einem bestimmten Stichtag ab. Denn der Relativsatz "..., die vor dem
14. Februar 1996 erfolgt ist, ..." bezieht sich auf das Substantiv "Vereinbarung" und damit auf die Regelung 2, nicht aber
auf das Substantiv "Kündigung" und damit auf die Regelung 1. Zwar ergibt sich dies nicht schon zwingend aus der Satzstellung
(unmittelbarer Anschluss des Relativpronomens an das vorangestellte Bezugswort "Vereinbarung"), da sich das Relativpronomen
auf beide Substantive (Kündigung und Vereinbarung) als Bezugswörter beziehen könnte; in diesem Fall hätte das Hilfsverb aber
nicht "ist", sondern "sind" lauten müssen. Nach der grammatischen Auslegung ist die Stichtagsregelung im Relativsatz daher
nur für die Regelung 2 bedeutsam. Demzufolge käme es allein bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer
"Vereinbarung" darauf an, dass diese vor dem 14. Februar 1996, also spätestens am 13. Februar 1996, getroffen worden ist.
2. Jedoch ist davon auszugehen, dass die grammatische Ausformung des Relativsatzes in §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI auf einem "redaktionellen Versehen" beruht und dieser sich auf beide vorangestellten Substantive als Bezugswörter beziehen
soll. Für eine berichtigende Auslegung spricht, dass sich eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Regelungen sachlich
nicht rechtfertigen ließe; denn Sinn und Zweck der Norm ist es, diejenigen Versicherten zu schützen, die vor Bekantgabe der
Reformvorhaben auf den bisherigen Rechtszustand vertraut haben und nicht mehr angemessen auf die bevorstehenden gesetzlichen
Änderungen reagieren konnten (dazu sogleich). Aber auch bei einer über den Wortlaut hinausgehenden Interpretation, wird der
Kläger zwar nicht von der Regelung 1, wohl aber der Regelung 2 in der Übergangsnorm erfasst.
a) Bei einer solchen berichtigenden Gesetzesauslegung unterfällt der Kläger nicht der Regelung 1 des §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI. Sein Arbeitsverhältnis ist nicht auf Grund einer vor dem Stichtag, also spätestens am 13. Februar 1996, von der Arbeitgeberin
ausgesprochenen Kündigung beendet worden; diese hat das Arbeitsverhältnis erst am 14. Februar 1996 fristgemäß zum 30. April
1997 gekündigt.
b) Die Beendigung erfolgte jedoch "auf Grund" einer vor dem Stichtag getroffenen Vereinbarung.
aa) Das Tatbestandsmerkmal "Vereinbarung" eröffnet grundsätzlich einen weiten Anwendungsbereich der Regelung 2 des §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI. Der Gesetzestext nimmt keine Definition des Ausdrucks "Vereinbarung" vor. Vom Wortsinn her stellt er auf eine durch zwei-
bzw mehrseitige Willenserklärungen zu Stande gekommene Einigung (= Vereinbarung, vgl §§
154,
155 Bürgerliches Gesetzbuch) ab, ohne nach bestimmten Vertragsformen zu unterscheiden bzw bestimmte Vertragsformen auszuschließen.
Der Normtext gibt nicht zu erkennen, dass nur zwischen bestimmten Personen geschlossene Vereinbarungen erfasst werden sollen,
also zB nur solche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Für eine Beschränkung auf individuelle Verträge enthalten weder
der Gesetzestext noch die Gesetzesmaterialien (BR-Drucks 208/96 = BT-Drucks 13/4336) einen Hinweis. Mit Blick auf die weiten
Vertragsgestaltungen im Rahmen der sog Frühverrentungspraxis, der mit der Einführung der Norm entgegengewirkt werden sollte
(dazu sogleich), hätte Anlass bestanden, eine entsprechende Einschränkung vorzunehmen, wenn sie beabsichtigt gewesen wäre.
Der insoweit abweichenden Auffassung in der Literatur kann daher nicht gefolgt werden (vgl Recht, Das Ende der Frühverrentung,
NZS 1996, 552, 559; Diller, Das neue
Altersteilzeitgesetz, NZA 1996, 847, 853; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch
SGB VI, Komm, Stand IV/00, §
237 RdNr 75). "Vereinbarung" im Sinne der Norm können daher grundsätzlich alle individuellen oder kollektiven Vereinbarungen
sein, soweit sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln.
bb) Der Anwendungsbereich des §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b (Regelung 2)
SGB VI wird durch das Tatbestandsmerkmal "auf Grund" und die Stichtagsregelung weiter eingeschränkt.
Unzweideutig gibt der Normtext zu erkennen, dass nur Vereinbarungen erfasst werden, die vor dem 14. Februar 1996 getroffen
worden sind. Des Weiteren muss die Vereinbarung jedenfalls der "Rechtsgrund" für die Beendigung gewesen sein.
Augenfällig genügen stets Vereinbarungen, "durch" die der Arbeitsvertrag rechtsunwirksam wird (zB Aufhebungsvertrag). Es reicht
aber auch aus, dass die Vereinbarung der Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war. Dies ergibt sich schon
aus dem Merkmal "auf Grund". Das Gesetz beschränkt also den Vertrauensschutz nicht auf die Fälle, in denen der Arbeitsvertrag
"durch" die Vereinbarung beendet worden ist (Gestaltungsvertrag); vielmehr genügt auch ein Verpflichtungsvertrag. Er muss
rechtliche und sachliche "Grundlage" für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geworden sein, insoweit ist maßgebend, ob
der Arbeitnehmer vor dem Stichtag nach den konkreten Regelungen und Umständen des Einzelfalls gehalten war, die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses hinzunehmen. Diese Auslegung wird durch die sog Gesetzesmaterialien bestätigt.
cc) Nach der von der Bundesregierung dem Entwurf eines Ruhestandsförderungsgesetzes beigefügten Begründung (BR-Drucks 208/96
S 1, 27 f und 46 f = BT-Drucks 13/4336 S 1, 16 f und 23 f) dient die Norm dem Vertrauensschutz von Versicherten, die am 14.
Februar 1996 das 55. Lebensjahr vollendet hatten und auf Grund der erworbenen Rentenanwartschaft sowie im Vertrauen auf die
damaligen gesetzlichen Regelungen im Fall von (entsprechend langer) Arbeitslosigkeit das Recht auf eine Altersrente bereits
ab Vollendung des 60. Lebensjahres erlangen konnten, sich aber wegen nicht mehr abänderbarer "Dispositionen" zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses nicht mehr auf die geänderte Rechtssituation einstellen konnten. Anlass für die Anhebung der Altersgrenze
war eine erhebliche Ausweitung der sog "Frühverrentungspraxis" in den vorangegangenen Jahren. Durch diese Art der betrieblichen
Personalanpassung - so die Materialien - seien gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung mit Kosten belastet,
die letztlich nur über höhere Beitragssätze zu finanzieren seien; diese Frühverrentungspraxis schade dem Wirtschaftsstandort
Deutschland und gefährde die zukünftige Finanzierbarkeit sozialer Sicherungssysteme; im Hinblick darauf, dass in den kommenden
Jahren zu erwarten sei, dass geburtenstarke Jahrgänge die Frühverrentungsmaßnahmen in Anspruch nähmen, sei schnelles Handeln
geboten.
Mit Blick auf das beabsichtigte und auch tatsächliche "schnelle Handeln" (Beschluss des Bundeskabinetts vom 14. Februar 1996,
Verkündung des Gesetzes am 29. Juli 1996, Inkrafttreten mit Wirkung vom 1. August 1996) wurde zum Schutz bestimmter Versicherter
eine Übergangsregelung geschaffen. Geschützt werden sollten die besonders von der Anhebung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
betroffenen rentennahen Jahrgänge, die kurz vor der Altersgrenze von 60 Jahren standen oder diese in den nächsten Jahren erreichten
und die bereits arbeitslos waren oder in absehbarer Zeit arbeitslos wurden und denen daher nur relativ wenig Zeit zur Verfügung
stand, ihre weitere Lebensplanung auf die neue Rechtslage einzustellen, um Einbußen bei dem Bezug der Rente zu vermeiden (vgl
hierzu: Urteil des Senats vom 30. Oktober 2001, B 4 RA 15/00 R, SozR 3-2600 § 237 Nr 1, mwN; vgl ferner die Parallelentscheidungen vom selben Tage, B 4 RA 10/00 R und B 4 RA 13/00 R). Der Schutzzweck der Norm beschränkt sich demgemäß nicht nur auf diejenigen Versicherten, die am Stichtag bereits eine
individuelle gestaltende Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen hatten, sondern erfasst notwendig
auch diejenigen, deren Arbeitsvertrag "auf Grund" einer vor dem 14. Februar 1996 geschlossenen wirksamen (individuellen oder)
kollektiven "Frühverrentungsvereinbarung" enden sollte und deswegen dann später auch beendet worden ist.
Nach den Feststellungen des LSG, die die Beklagte nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat und
die den Senat daher binden (§
163 SGG), hatte die Arbeitgeberin im Oktober 1995 entschieden, dass der Betrieb in L. zum 30. April 1997 geschlossen
würde. Wegen dieser Betriebsänderung haben Betriebsrat und Arbeitgeberin am 9. Februar 1996, also vor dem Stichtag, einen
Sozialplan, nämlich eine "Vereinbarung" über den Ausgleich bzw die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen
Arbeitnehmer (§ 112 Abs 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz >BetrVG<) geschlossen.
Unter seinen Anwendungsbereich fielen alle Arbeitnehmer, die am Tage der Betriebsänderung (30. April 1997) älter als 57 Jahre
und 4 Monate waren, also noch höchstens 32 Monate bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zurückzulegen hatten. Diese Regelungen
knüpften an die im Februar 1996 geltenden Vorschriften über die Höchstanspruchsdauer des Arbeitslosengelds (Alg) im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an. Nach § 106 Abs 1 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung (iVm § 114 AFG) konnten Arbeitslose ab Vollendung des 54. Lebensjahres (ab 1. April 1997: ab Vollendung des 57. Lebensjahres) bei entsprechender
Vorleistung Alg für 832 Wochentage, also 32 Monate, beanspruchen (ab 1. Januar 1998: § 127 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes
Buch - Arbeitsförderung). Hieraus erklärt sich, warum vom persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans diejenigen Arbeitnehmer
erfasst wurden, die bei Schließung des Werks 57 Jahre und 4 Monate alt waren und damit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres
noch 32 Monate zurückzulegen hatten. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, den betroffenen Arbeitnehmern, (zeitlich parallel
zum Alg) ein Überbrückungsgeld zu zahlen. Diese Regelungen verdeutlichen den Charakter des Sozialplans als "Frühverrentungsvereinbarung".
Des Weiteren verpflichtete sich die Arbeitgeberin, den vom Sozialplan erfassten Arbeitnehmern fristgemäß (ordentlich) zu kündigen.
Zugleich ist aus der Zustimmung des Betriebsrats zum Sozialplan zu schließen, dass der Betriebsrat inzidenter auf sein Widerspruchsrecht
bei Kündigung (§ 103 BetrVG) verzichtet hat.
Vom persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans wurde auch der am 6. Dezember 1939 geborene Kläger erfasst, da er nicht
zu dem Kreis der ausdrücklich in § 1 Sozialplan ausgeschlossenen Mitarbeiter zählte. In seinem Falle hatte sich damit die
Sach- und Rechtslage vor dem 14. Februar 1996 bereits so verfestigt, dass für ihn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
zum 30. April 1997 unausweichlich war. Der die Beendigung bewirkende Rechtsakt, nämlich die Kündigung am 14. Februar 1996,
war die rechtliche Konsequenz der Vereinbarung, dh diese bildete die rechtliche und sachliche Grundlage für die Kündigung.
Das Arbeitsverhältnis ist somit "auf Grund" einer vor dem 14. Februar 1996 getroffenen Vereinbarung beendet worden.
3. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat nicht von der Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 25. Februar
2004 (B 5 RJ 62/02 R, SozR 4-2600 § 237 Nr 2) ab; eine Divergenz liegt ua schon deshalb nicht vor, weil der 5. Senat über einen Fall zu entscheiden
hatte, in dem - anders als im vorliegenden Fall - keine Betriebsvereinbarung im Sinne eines Verpflichtungsvertrags ua über
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vor dem Stichtag geschlossen worden war.
4. Die Vertrauensschutz-/Übergangsregelung des §
237 Abs
4 Satz 1 Nr
1 Buchst b
SGB VI erfasst nach ihrem Sinn und Zweck auch die hier vorliegende Fallkonstellation. Die Vorinstanzen haben somit im Ergebnis zu
Recht entschieden, dass die Beklagte die Altersrente ohne Absenkung des Zugangsfaktors zu gewähren hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.