Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem; Wirkung der Datenfeststellung durch den Versorgungsträger
für vorherige Zeiträume; einheitliches Rechtsschutzbegehren bei Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund
Gründe:
I. Der Kläger begehrt, die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) zu verpflichten, auch für die Zeiten vom 1.1.1977
bis zum 5.9.1989 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem "Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende
von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft" (eingeführt durch nicht veröffentlichte
Anordnung vom 31.12.1987 - ZVAO-PG/Landw -; Anlage 1 Nr 3 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]; Text nach Aichberger II, Sozialgesetze, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer, Nr 206) und die daraus tatsächlich
erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Mit Schreiben des Vorsitzenden des Rats des Bezirks E. vom 6.9.1989 wurde ihm ein "Nachweis über die Anspruchsberechtigung
auf zusätzliche Versorgung" erteilt. Darin heißt es, ihm werde in Übereinstimmung mit der vorgenannten Anordnung "die Anspruchsberechtigung
auf zusätzliche Versorgung bestätigt".
Unter dem 28.9.1994 beantragte der Kläger bei der DRVB Altersrente und dazu die Klärung seines Versicherungskontos. Dabei
gab er ua unter Hinweis auf das genannte Bestätigungsschreiben an, ab Dezember 1987 dem Zusatzversorgungssystem angehört zu
haben. Die Beklagte schaltete für die Klärung und ggf Feststellung von Daten nach den §§ 5 bis 8 AAÜG ihren Aufgabenbereich als Zusatzversorgungsträger ein. Die DRVB stellte sodann als Zusatzversorgungsträger im Bescheid vom
30.5.1995, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 9.8.1995, Zugehörigkeitszeiten ab dem 6.9.1989 bis zum 30.6.1990 und
die daraus erzielten Arbeitsentgelte sowie die Voraussetzungen für eine besondere Beitragsbemessungsgrenze (BBG) fest.
Der Kläger hat sich vor dem Sozialgericht (SG) Gotha, wie schon zuvor mit seinem Widerspruch bei der DRVB, nur gegen die letztgenannte Feststellung zur BBG gewandt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die dieser Feststellung zu Grunde liegende Norm verworfen hatte, hat
die DRVB die Feststellung zur BBG, die sie zuvor schon im Bescheid vom 20.5.1997 begrenzt hatte, letztlich im Bescheid vom 18.9.2001 für Zeiträume ab 1.7.1993
aufgehoben. Sodann wurde der zwischenzeitlich zum Ruhen gebrachte Rechtsstreit fortgesetzt. Nunmehr hat der Kläger sein bisheriges
Anliegen, das im Wesentlichen gegenstandslos geworden war, nicht mehr weiterverfolgt. Er hat stattdessen vom SG begehrt, die Beklagte zu verpflichten, auch für die Zeiten vom 1.1.1977 bis zum 5.9.1989 Zugehörigkeitszeiten und Arbeitsentgelte
festzustellen.
Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 21.4.2005 abgewiesen, weil sie unbegründet seien. Die Einbeziehungsentscheidung sei eine Ermessensentscheidung
der DDR-Organe gewesen, die nach Bundesrecht für Zeiten vor ihrer Bekanntgabe nicht nachgeholt werden könne. Das Thüringer
Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 17.7.2006 die Klageänderung für zulässig erklärt, das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte gemäß dem Begehren des Klägers zur Datenfeststellung verpflichtet. Für die zeitliche Wirkung
der Einbeziehungsentscheidung bedürfe es keiner Angabe der Wirkungsdauer in der maßgeblichen Urkunde vom 6.9.1989. Nach der
Anordnung sei es damals darauf nicht angekommen. Weil der Kläger tatsächlich einbezogen worden sei, bedürfe es keiner neuen
Ermessensentscheidung. Nach der Präambel der Anordnung habe diese die "Anerkennung und Würdigung hervorragender Leistungen
und Verdienste" bezweckt. Die tatsächlich erfolgte Einbeziehung habe die Tätigkeit in der Vergangenheit honoriert und die
gesamte Dauer der Tätigkeit umfasst. Dies werde durch die in § 20 ZVAO-PG/Landw vorgesehene Möglichkeit gestützt, ausgeschiedene LPG-Vorsitzende nachträglich einzubeziehen.
Die beklagte DRVB hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung des § 5 AAÜG. Es komme darauf an, ob die ausgeübte Beschäftigung uneingeschränkt und ohne wertende oder bewertende Kriterien dem Versorgungssystem
unterfalle. Die dem Kläger erteilte Versorgungszusage sei hierfür kein Indiz, sondern führe nur zur Anwendung des AAÜG. Bei Anwendung des § 5 AAÜG komme es auf den Zeitpunkt der Ermessensentscheidung an, die nicht auf Sachverhalte vor dem Zeitpunkt der Entscheidung übertragen
werden könne. Es könne schon nicht im Nachhinein beurteilt werden, ob der Kläger in den zwanzig Monaten nach Einführung des
Versorgungssystems bis zur Einbeziehungsentscheidung nach Auffassung der DDR-Organe bereits die Voraussetzungen für einen
"verdienstvollen" Vorsitzenden erfüllt gehabt habe. Nichts anderes gelte für § 20 der Versorgungsordnung, der bei dem betroffenen
Personenkreis auch nur zur Anwendung komme, soweit vor dem 1.7.1990 eine Einbeziehung wirksam geworden sei.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 17.7.2006 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gotha vom 21.4.2005 zurückzuweisen.
Der Kläger ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) von keinem nach § 166
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei diesem Gericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BSG (ua Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 39/01 R) fraglich sein könne, ob die Klagen zulässig sind, weil eine negative Datenfeststellung der DRVB für die Zeiten vor dem
6.9.1989 möglicherweise nicht vorliege. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, auf Grund seines Antrages sei es Pflicht der Beklagten
gewesen, alle Daten festzustellen, so dass die Nichterwähnung der streitigen Daten als Ablehnung ihrer Feststellung zu verstehen
sei.
Ferner haben die Beteiligten auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Kläger neben seinen in diesem Rechtsstreit erhobenen
Klagen gegen die DRVB (als Zusatzversorgungsträger) auf deren Verpflichtung zur Vormerkung von Daten nach dem AAÜG vor dem SG auch Klagen gegen dasselbe Rechtssubjekt DRVB (als Rentenversicherungsträger) wegen des einheitlichen Sachbegehrens (höhere
Rente) betreibe. Das Rentenstreitverfahren vor dem SG (S 5 RA 2528/02) sei von derselben Kammer des SG am 24.10.2005, also nach dem hier gegenständlichen Urteil vom 21.4.2005, wegen Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits gegen die
DRVB als Zusatzversorgungsträger bis zum Abschluss dieses Datenfeststellungsverfahrens zum Ruhen gebracht worden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
II. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte der zulässigen Berufung des Klägers gegen das Urteil
des SG nicht stattgeben dürfen, weil das SG die Klagen auf Verpflichtung der DRVB zur Datenfeststellung im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Allerdings hätte es nicht
prüfen dürfen, ob die geänderten Klagen begründet waren; denn sie waren unzulässig (dazu unter 1.). Überdies fehlte dem Kläger
ein schutzwürdiges Interesse, sein Rechtsschutzbegehren gegen die DRVB auf Gewährung höherer Altersrente unter Berücksichtigung
seiner nach dem AAÜG erheblichen Daten mit zwei Gerichtsverfahren durchzusetzen. Vielmehr hätte das SG, was ihm aber derzeit wegen der bisherigen anderen Entscheidungspraxis des BSG nicht vorzuhalten ist, nach der objektiven
Prozessrechtslage zugleich abschließend über den gesamten Rentenstreit, nicht nur über die Vorfragen hierzu (Klagen auf Datenfeststellung)
entscheiden müssen. Sodann hätte das LSG sofort abschließend über den gesamten Rechtsstreit befinden können und müssen. Insoweit
kündigt der 4. Senat eine Änderung seiner Rechtsprechungspraxis ab 1.1.2008 bei derartigen Klagehäufungen gegen die DRVB an
(dazu unter 2.). Im Übrigen (obiter dictum) wirken Einbeziehungsentscheidungen in die ZVAO-PG/Landw erst ab dem Zeitpunkt
ihrer Bekanntgabe an den Begünstigten und nur für danach liegende Zeiträume, falls in dem Verwaltungsakt kein früherer Zeitpunkt
benannt ist (dazu unter 3.).
1. Die Anfechtungsklage gegen die behauptete Ablehnung einer Datenfeststellung, die ein Verwaltungsakt wäre, ist nicht statthaft,
weil die DRVB keine solche Ablehnungsentscheidung getroffen und dem Kläger bekannt gegeben hat. Die Beklagte hat in keinem
ihrer Bescheide eine Aussage zu Daten gemacht, die vor dem 6.9.1989 entstanden sind. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt
sich eine solche Ablehnung auch nicht daraus, dass die Beklagte positiv Daten ab 6.9.1989 festgestellt hat. Das Schweigen
eines solchen Bescheides verlautbart grundsätzlich keinen Verwaltungsakt (s ua BSG, Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 39/01 R).
Der Ausnahmefall eines "beredten Schweigens" liegt nicht vor. In den Texten der Bescheide findet sich kein Anhalt für eine
dem Kläger positive Teilregelung, mit der zugleich eine für ihn negative Vollregelung bezüglich der Zeiten vor dem 6.9.1989
getroffen worden wäre. Im Unterschied zu einem Vormerkungsverfahren nach §
149 Abs
5 SGB VI hat die DRVB bei einem erstmaligen Datenfeststellungsverfahren nach den §§ 5 bis 8 AAÜG keine Daten festzustellen, die sie als Zusatzversorgungsträger "eigentlich" wie bei einem Versicherungskonto bereits gespeichert
haben und deswegen von Amts wegen kennen müsste. Sie ist grundsätzlich und faktisch im Regelfall darauf angewiesen, dass der
Antragsteller die Daten, die er festgestellt wissen will, selbst benennt und verdeutlicht, was er festgestellt wissen will,
und so den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens festlegt. Auf diesen bezieht sich die Pflicht der DRVB, den entscheidungserheblichen
Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Werden ihr dabei weitere für die §§ 5 bis 8 AAÜG erhebliche Tatsachen bekannt, hat sie diese von Amts wegen zu berücksichtigen.
Nach den Feststellungen des LSG, die vom Kläger nicht angegriffen wurden, ergibt sich aus dem Antrag und aus dem Widerspruch
kein Hinweis, dass er auch Datenfeststellungen für Zeiten vor dem 6.9.1989 begehrt hatte. Er hatte nur angegeben, er habe
seit Dezember 1987 dem Zusatzversorgungssystem angehört, dazu aber auf das Schreiben vom 6.9.1989 hingewiesen, aus dem sich,
wie das LSG in bundesrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt hat, kein früherer Wirksamkeitsbeginn dieses Verwaltungsakts
als der des Ausstellungsdatums ergibt. Die vom LSG angenommene rückwirkende Einbeziehung nach Bundesrecht, die in der DDR
unerheblich gewesen wäre, setzt den Beginn der Wirksamkeit frühestens mit dem Ausstellungsdatum voraus. Das weitergehende
Begehren hat er erstmals nach der Fortsetzung des Rechtsstreits vor dem SG verdeutlicht, nachdem die DRVB seinem ursprünglichen Klagebegehren in der Sache im Wesentlichen abgeholfen hatte.
Die Beklagte hat auch seither keine Ablehnungsentscheidung getroffen. Ein gesonderter Bescheid mit diesem Inhalt ist nicht
ergangen. Die Schriftsätze, welche die Beklagte an das SG und das LSG gerichtet hat, haben keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass darin ein an den Kläger gerichteter Verwaltungsakt
verlautbart worden sein könnte. Daraus folgt aber entgegen dessen Auffassung nicht, dass seine Anfechtungsklage jetzt als
Untätigkeitsklage statthaft und zulässig geworden wäre. Denn die Untätigkeitsklage nach §
88 Abs
1 SGG ist bei vorverfahrenspflichtigen Klagen nur als eine bloß auf formelle Bescheidung gerichtete Bescheidungsklage ausgestaltet.
Der Kläger hat auch keinen Untätigkeitswiderspruch bei der DRVB eingelegt, den diese noch nicht gemäß §
88 Abs
2 SGG beschieden hätte und der uU den Weg zu einer Sachklage hätte eröffnen können. Demgemäß sind auch die Verpflichtungsklagen
auf Datenfeststellungen nicht zulässig. Sie sind zwar auf den Erlass von Verwaltungsakten (Datenfeststellungen) gerichtet.
Jedoch hat die DRVB, anders als §
54 Abs
1 Satz 1 Regelung 1
SGG voraussetzt, diesen Erlass nicht abgelehnt. Ein im vorgenannten Sinn qualifiziertes Unterlassen des Erlasses eines Verwaltungsakts
(Regelung 2 aaO), das den Weg zu der vom Kläger erhobenen Sachklage eröffnen könnte, liegt auch nicht vor. Schon deshalb ist
nicht darauf einzugehen, dass eine Ablehnungsentscheidung, wäre sie in den Bescheiden verlautbart worden, vom Kläger nicht
mit Widerspruch und Klage angefochten wurde und deshalb unanfechtbar und bindend geworden wäre, weil er sich auf eine Anfechtung
der Feststellungen der Voraussetzungen einer besonderen BBG beschränkt hatte.
Der Unzulässigkeit der Klagen steht die Entscheidung des LSG nicht entgegen, der Kläger habe seine Klagen zulässig geändert.
Zwar hat das BSG davon auszugehen, dass die Klageänderung zulässig war. Dies betrifft aber nicht die von ihm als Sachentscheidungsvoraussetzung
zu prüfende Frage, ob die geänderten Klagen zulässig sind. Dies ist nicht der Fall.
2. Weil die Klagen schon aus diesem Grunde unzulässig waren, kommt es hier nicht entscheidend darauf an, dass der Kläger kein
schutzwürdiges prozessuales Verfahrensinteresse hatte, sein gegen die beklagte DRVB gerichtetes Rechtsschutzbegehren an das
SG, die Beklagte zur Gewährung höherer Altersrente unter Anrechnung seiner nach dem AAÜG erheblichen Daten zu verurteilen, mit zwei nebeneinander anhängigen Gerichtsverfahren gegen dieselbe Beklagte durchzusetzen.
Dieses einheitliche Sachbegehren richtet sich gegen ein und dasselbe Rechtssubjekt "DRVB", das durch dieselbe Behörde "Direktorium"
in beiden Gerichtsverfahren vertreten ist und das auch schon die jeweils angefochtenen Verwaltungsakte sowohl zur Datenfeststellung
als auch zur Rente erlassen hat. Es gibt jedenfalls seit dem 1.10.2005, dem Zeitpunkt der Neuorganisation der Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung, infolge des Fortfalls der für die Praxis des BSG maßgeblich gewesenen Gründe keinen Rechtfertigungsgrund
mehr dafür, dass ein Kläger die DRVB wegen dieses Sachbegehrens nebeneinander mit zwei Gerichtsverfahren, die zudem noch gesonderte
Kosten (ua nach §
184 Abs
1 SGG) verursachen, überziehen dürfte oder müsste. Vielmehr kann er, sobald die Sachentscheidungsvoraussetzungen jeweils vorliegen,
sein Begehren mit objektiven Klagehäufungen gegen die DRVB in einem Rechtsstreit durchsetzen. Wird zuerst das Rechtsschutzbegehren
auf Datenfeststellungen rechtshängig, kann er, sobald die Voraussetzungen auch für die "Rentenklage" gegen die DRVB vorliegen,
seinen Klageantrag gemäß §
99 Abs
3 Nr
2 SGG in der Hauptsache direkt auf sein "eigentliches" Begehren, nämlich auf das Rentenbegehren, erweitern. Dasselbe gilt erst
recht im umgekehrten Fall. Dadurch kann er alle einschlägigen Verwaltungsakte der DRVB und sein gesamtes gegen sie gerichtetes
Verpflichtungs- und Leistungsbegehren einem einzigen gesetzlichen Richter zur Gesamtentscheidung vorlegen. Das bisher ggf
notwendige zweimalige Durchlaufen aller Gerichtsinstanzen entfällt. Ein schutzwürdiges Verfahrensinteresse für zwei nebeneinander
rechtshängige Gerichtsverfahren besteht nicht.
Allerdings haben sich der Kläger und das SG, aber auch das LSG, gemäß einer vom BSG bislang mitgetragenen Rechtsprechungspraxis verhalten. Danach wurde stillschweigend
bei solchen Streitigkeiten ein schutzwürdiges Interesse an zwei Gerichtsverfahren über das gegen dieselbe Beklagte, die DRVB,
gerichtete Rechtsschutzbegehren auf Verurteilung zur Zahlung von (im Regelfall höherer) Rente unterstellt. Praktisch musste
danach ein Kläger einen Vorfragenprozess gegen die DRVB auf Datenfeststellungen nach dem AAÜG auch dann noch gesondert führen, wenn bereits der "Rentenstreit" selbst bei demselben Gericht anhängig war oder während eines
Vorfragenprozesses anhängig wurde. Das BSG hat dies nie ausdrücklich begründet.
Der 4. Senat des BSG kündigt an, dass er für alle gerichtlichen Streitigkeiten mit der DRVB, in denen das Sachbegehren des
Klägers im Kern auf die Gewährung von (höherer) Rente unter Berücksichtigung von Daten nach dem AAÜG gerichtet ist, ein schutzwürdiges Interesse an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die DRVB zur isolierten Überprüfung
der von ihr abgelehnten Datenfeststellungen neben einem auf die Verurteilung der DRVB zur Rentengewährung gerichteten anhängigen
Gerichtsverfahren ab dem 1.1.2008 in allen Gerichtsverfahren nicht mehr unterstellen und die isolierten Klagen "auf Datenfeststellung"
neben anhängigen "Rentenklagen" als unzulässig behandeln wird. Ausgenommen sind die "parallelen Datenfeststellungsklagen",
über die bis zum Ablauf des 31.12.2007 eine die zweite Instanz beendende Entscheidung des LSG ergangen oder, falls ein SG zuvor die Sprungrevision zugelassen hat, diese eingelegt worden sein wird. In diesen Fällen bleibt die Parallelität der Gerichtsverfahren,
soweit der Kläger keine Erklärung nach §
99 Abs
3 Nr
2 SGG abgibt, erhalten.
Diese Änderung der Rechtsprechungspraxis trägt dem Fortfall der für sie maßgeblich gewesenen Gründe Rechnung und beseitigt
nicht mehr zu rechtfertigende Einschränkungen des Rechts der Kläger auf möglichst zügigen und umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz
(Art
19 Abs
4 Grundgesetz [GG]; Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]).
Im Hintergrund der bisherigen Praxis standen vor allem die mit dem Inkrafttreten des AAÜG wirksam gewordenen Entscheidungen, keinen Versorgungsträger als eigene Rechtsperson zu schaffen, sondern diese Verwaltungsaufgaben
bestehenden Hoheitsrechtssubjekten als zusätzliche Aufgabenbereiche zuzuweisen. Die Verwaltungsaufgaben aus den Sonderversorgungssystemen
wurden der Bundesrepublik Deutschland (zum Vollzug durch ihre Behörden Innen-, Finanz- und Verteidigungsministerium), den
fünf neuen Bundesländern und dem Land Berlin zugewiesen (§ 8 Abs 4 Nr 2 AAÜG). Die Verwaltungsaufgaben aus den Zusatzversorgungssystemen wurden im Schwerpunkt der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
(BfA) zugeordnet, die seit dem 1.10.2005 "DRVB" heißt. Ihr wurden 1993 auch die Versorgungen der "DDR-Parteien" (ohne PDS)
zugeordnet, während bis zum 31.7.2002 daneben die mit Versorgungsträgeraufgaben beliehene politische Partei "PDS" Zusatzversorgungsentscheidungen
zu treffen hatte. Diese wurden ab dem 1.8.2002 auf die BfA übertragen (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG).
Von Anfang an war bestimmt, dass nur der für die Feststellung der Leistungen zuständige Träger der Rentenversicherung für
die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung (auch aus dem AAÜG) zuständig ist (§ 8 Abs 5 Satz 1 AAÜG). Dabei ist er an den ("Datenfeststellungs"-)Bescheid des Versorgungsträgers gebunden (Satz 2 aaO), in dem dieser nach §
8 Abs 1 bis 3 AAÜG die nach den §§ 5 bis 8 AAÜG rentenversicherungsrechtlich erheblichen Daten festgestellt hat. Dadurch war gesichert, dass die rentenversicherungsfremden
Hoheitssubjekte selbst keine rentenversicherungsrechtlichen Entscheidungen treffen durften, während die verschiedenen Rentenversicherungsträger
(außer der BfA selbst) keine Datenfeststellungen nach den §§ 5 bis 8 AAÜG vornehmen durften. Die Bindung an die Bescheide (Verwaltungsakte) der "Versorgungsträger" war somit, außer im Fall der BfA,
eine gesetzlich angeordnete Drittbindung für andere Rechtssubjekte, welche die Maßgeblichkeit der Datenfeststellungen des
"Versorgungsträgers" auch für das rentenversicherungsrechtliche Verhältnis des Versicherten mit seinem jeweiligen Rentenversicherungsträger
gewährleistete. Für die anders geartete Situation der BfA, die selbst für ihre Aufgaben der Rentenversicherung und für die
der Zusatzversorgung zuständig ist, gab und gibt es keine spezielle Regelung, obwohl hier eine Drittbindung im direkten Sinn
ausscheidet, weil nur ein Rechtssubjekt vorhanden ist.
Gleichwohl hat das BSG in ständiger Rechtsprechung (stellvertr Urteil vom 18.7.1996 - 4 RA 7/95 in BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2) dieses kompetenz- und verwaltungsverfahrensrechtliche Trennungsprinzip sinnentsprechend auch
auf die BfA angewandt. Demgemäß findet im Gerichtsprozess auf das Verhältnis zwischen der Datenfeststellungsentscheidung eines
Versorgungsträgers und der Rentenentscheidung des Rentenversicherungsträgers §
96 SGG keine Anwendung. "Entgeltbescheide" nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG, die den Rentenversicherungsträger als Vorabfeststellungen eines Versorgungsträgers nach § 8 Abs 5 Satz 2 AAÜG binden, ändern oder ersetzen keine Leistungsbewilligungen und werden durch diese auch selbst nicht abgeändert oder ersetzt.
Das gilt entsprechend auch für die beiden Aufgabenbereiche innerhalb des Rechtssubjektes "DRVB", das sie nach außen durch
eine vertretungsberechtigte Behörde im prozess- und organisationsrechtlichen Sinn wahrnimmt, innerhalb dieser Behörde "Direktorium"
aber durch verschiedene Stellen ("Behörden" im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinn). Daran wird wegen der gesetzlichen Trennung
der Aufgabenbereiche auch hinsichtlich der "behördeninternen" Bindungswirkung innerhalb der DRVB festgehalten. "Datenfeststellungen"
dürfen auch in Zukunft keine Entscheidungen über die rentenversicherungsrechtlichen Fragen, zB nach der maßgeblichen BBG, enthalten, die dem Rentenversicherungsträger vorbehalten sind.
Aus diesen verwaltungsrechtlichen Vorgaben folgt allerdings nicht, dass die "Datenfeststellungen" als Zwischenschritte auf
dem Weg des Bürgers zu seiner "richtigen" Rente prozessrechtlich nur isoliert zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden müssten
oder dies neben einer das Hauptbegehren betreffenden anhängigen "Rentenklage" auch nur dürften. Dies gilt jedenfalls für ein
Rechtsschutzbegehren gegen die DRVB, über das hier zu befinden ist.
Die Unanwendbarkeit der gesetzlichen Klageänderung des §
96 Abs
1 SGG steht der Anwendung des §
99 Abs
3 Nr
2 SGG schon deshalb nicht entgegen, weil eine Erweiterung der Klage in der Hauptsache gerade dann in Betracht kommt, wenn die mit
der Erweiterung einbezogenen Verwaltungsakte die bislang angefochtenen nicht abändern oder ersetzen.
Das BSG hat aber in seiner bisherigen Praxis auch für Klagehäufungen, die allein gegen die DRVB gerichtet waren, das Verfahrensinteresse
an zwei Gerichtsverfahren stillschweigend unterstellt. Maßgebliche Gründe hierfür waren ua:
- Damals (1995) war noch objektiv ungewiss, ob aus der Sicht des BVerfG die von verschiedenen Seiten angegriffene Systembildung
des BSG im Recht der Überführung von Versorgungsberechtigungen aus der DDR und der Überleitung des
SGB VI auf das Beitrittsgebiet (ua mit ihrer Abgrenzung der Kompetenzbereiche der Rentenversicherungs- und der Versorgungsträger,
aber auch inhaltlich) verfassungsgemäß war. Dies ist jetzt nicht mehr zweifelhaft, so dass eine Begrenzung des denkbaren Schadens
für die Beteiligten durch Trennung der Verfahren nicht mehr nötig ist.
- Damals lag trotz der bei den "Versorgungsträgern" vorhandenen besonderen Fachkompetenz noch ein erheblicher Mangel an objektiven
Unterlagen über die generellen Tatsachen zum Wirtschaftssystem der DDR vor, die eine neutrale Prüfung der Tatsachenannahmen
der "Versorgungsträger" bei den Datenfeststellungen nach dem AAÜG ermöglicht hätten. Dieser Mangel ist jetzt nicht zuletzt durch die intensiven Nachforschungen der Beklagten behoben.
- Ferner sollte nach der Rechtsprechung des BSG den Bürgern durch die zwei Gerichtsverfahren kein rechtlicher oder wirtschaftlicher
Schaden entstehen können. Deshalb hatte das BSG den Rentenversicherungsträgern vorgegeben, nur einstweilige Rentenentscheidungen,
noch keine abschließenden Verwaltungsakte, zu erlassen, wenn noch keine unanfechtbare Datenfeststellung des "Versorgungsträgers"
vorlag. Jedoch hat die Beklagte, wie auch im Fall des Klägers, ihre Verwaltungspraxis anders ausgerichtet. Sie erteilt endgültige
Rentenentscheidungen, auch wenn die Ablehnung weiterer Datenfeststellungen durch den "Versorgungsträger" noch nicht unanfechtbar
geworden ist. Sie ergänzt ihre abschließenden Verwaltungsakte um die Mitteilungen, dass die Rente neu festgestellt werde,
wenn der "Entgeltbescheid" im anhängigen Streitverfahren gegen den Versorgungsträger abgeändert werde; ein gegen den Rentenbescheid
gerichteter Widerspruch wegen dieses Anspruchs sei ausgeschlossen; ergebe die Neufeststellung eine Erhöhung der Rente, würden
Nachzahlungsbeträge von Beginn an erbracht. Ein Hinweis auf den zwingenden Nachzahlungsausschluss aus § 44 Abs 4 SGB X erfolgt nicht. Soweit deswegen ein Herstellungsanspruch in Betracht käme, wendet die Beklagte sonst diesen Ausschlussgrund
auch auf ihn in belastender Analogie an. Vor dem BSG wurde in solchen Fällen die Rentenentscheidung vom Rentenversicherungsträger
nachträglich in einen einstweiligen Verwaltungsakt umgewandelt. Vor diesem Hintergrund laufen die Bürger im normalen Verwaltungsvollzug
Gefahr, nach Durchführung eines dreistufigen Gerichtsverfahrens, uU zusätzlich nach einer Verfassungsbeschwerde, im Neufeststellungsverfahren
bezüglich der Rentenentscheidung (§§ 44 oder 48 SGB X) teilweise am Nachzahlungsausschluss des § 44 Abs 4 SGB X zu scheitern und Verluste hinnehmen oder auf gesetzwidrige Zahlungen der Beklagten hoffen zu müssen.
- Schließlich ist das ursprüngliche, die Praxis des BSG tragende Konzept des AAÜG, die früher versorgungsberechtigten Rentner der DDR, die nach Bundesrecht nahezu vollständig dem Kreis der Angestelltenversicherung
zuzuordnen waren, möglichst weitgehend der BfA in Rentenversicherung und Zusatzversorgung zuzuweisen, seit der Abschaffung
der Unterscheidung zwischen Arbeiter- und Angestelltenversicherung zum 1.1.2005 und der Neustrukturierung der Rentenversicherungsträger
zum 1.10.2005 gegenstandslos geworden.
Wegen dieser Änderungen ist es nicht mehr gerechtfertigt, für das einheitliche Rechtsschutzbegehren eines Bürgers an das Gericht
auf Verurteilung der DRVB zur Gewährung von (höherer) Rente unter Berücksichtigung auch seiner Daten nach dem AAÜG zwei nebeneinander anhängige Gerichtsverfahren zu eröffnen und zweifache Kosten zu verursachen, obwohl eine abschließende
gerichtliche Gesamtentscheidung in einem Verfahren über das gesamte Begehren des Bürgers und über alle angefochtenen Verwaltungsakte
ergehen kann. Die Kläger können einfacher und leichter in einem einzigen Gerichtsverfahren zu ihrem Recht kommen, die Beklagte
wird nicht zweimal in derselben Sache belastet.
Gleichwohl hat der Senat eine Ankündigung der Änderung seiner Rechtsprechungspraxis zum 1.1.2008 und eine Übergangszeit für
angemessen erachtet. Denn die an den derzeit anhängigen Gerichtsverfahren Beteiligten und die Gerichtsinstanzen müssen sich
auf die bei Klagen gegen die DRVB vereinfachte Prozesslage einstellen. Sofern bei einer anhängigen "Rentensache" eine für
die Anwendung ua des §
259b SGB VI möglicherweise erhebliche Datenfeststellung noch Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens (oder Widerspruchsverfahrens) bei
der DRVB ist, können die Gerichte (jetzt und in Zukunft) das Rentenstreitverfahren von Amts wegen nach §
114 Abs
2 Satz 1 Regelung 2
SGG aussetzen. Nebeneinander anhängige Gerichtsverfahren können nach §
113 Abs
1 SGG (beide Regelungen dort) auch von Amts wegen verbunden werden.
3. Im Übrigen (obiter dictum) gibt der Senat zur materiellen Rechtslage noch folgenden Hinweis: Die Rechtsposition des Klägers
gegen die beklagte DRVB (als Zusatzversorgungsträger) beruht bezüglich der begehrten Datenfeststellungen nach den §§ 5, 6 und 8 AAÜG allein auf der Einbeziehungsentscheidung ("Bestätigung") vom 6.9.1989. Diese ist ein Verwaltungsakt im bundesrechtlichen
Sinne (§ 31 SGB X). Sie gilt gemäß Art 19 Abs 1 des Einigungsvertrages (EinigVtr) als wirksamer Verwaltungsakt der DDR fort.
Demgegenüber ist die ZVAO-PG/Landw, mangels eines objektiv-rechtlichen Inhalts, der losgelöst von einer damals tatsächlich
ergangenen konkreten Einbeziehungsentscheidung heute einen rechtsstaatlichen Maßstab für eine Einbeziehung bilden könnte,
keine selbständige materielle bundesrechtliche Rechtsgrundlage geworden, aus der sich unabhängig von einer erfolgten Einbeziehung
Rechte oder Anwartschaften auf Versorgung oder gar auf eine nachträgliche fiktive Einbeziehung ergeben könnten. Denn die Anwendung
der gesamten Verordnung hängt nach den §§ 3, 20 aaO ua davon ab, dass der Betroffene ein "verdienstvoller Vorsitzender" war,
der durch seine Tätigkeit "einen hohen persönlichen Beitrag für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der Landwirtschaft
geleistet" hat (§ 3 Abs 1 Buchst a aaO). Ferner hängt die Einbeziehung ausschließlich von einer Ermessensentscheidung des
zuständigen DDR-Organs ab. Diese kann nicht nachgeholt werden. Die Anordnung enthält schon mangels hinreichender rechtsstaatlicher
Bestimmtheit kein materielles Recht, dass als solches sekundäres Bundesrecht und eine bundesrechtliche Anspruchsgrundlage
hätte werden können.
Die in Anlage 1 Nr 3 zum AAÜG genannte Verordnung hat daher bundesrechtlich nur zwei Bedeutungen: 1. Sie benennt bezüglich der Versorgungsansprüche gegen
die Versorgungsträger für Bezugszeiten bis zum Dezember 1991 die weiteren Anspruchsvoraussetzungen und die leistungsrechtlichen
Regelungen und damit zugleich auch die rechtlichen Voraussetzungen für die gegen den Rentenversicherungsträger gerichteten
Zahlbetragsgarantien des EinigVtr. 2. Sie ist der rechtliche Verständnishintergrund für die Auslegung der jeweils getroffenen
Einbeziehungsentscheidung.
Das LSG hat zutreffend gesehen, dass es nach dieser Versorgungsordnung in der DDR nicht darauf ankam, Entscheidungen über
Zeiten zu treffen, die vor der Erklärung der Einbeziehung lagen. Ein Verwaltungsakt wird aus bundesrechtlicher Sicht im Zeitpunkt
seiner Bekanntgabe, nicht vorher, und grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft wirksam, soweit in ihm nicht ausdrücklich
ein früherer Wirksamkeitseintritt bestimmt worden ist. Das ist bei der Bestätigung vom 6.9.1989 nicht der Fall. Auch aus der
Versorgungsordnung, die durch diesen Verwaltungsakt anwendbar geworden ist, ergibt sich kein früherer Wirksamkeitszeitpunkt,
zumal es darauf - wie der Kläger selbst und das LSG richtig sagen - in der DDR nicht angekommen wäre. Demgemäß gibt es bei
dem System der Anlage 1 Nr 3 zum AAÜG auch keine "Vorsystemzeiten" iS von § 5 Abs 2 AAÜG und auch keine "Anwartschaftszeiten" iS von § 5 Abs 2a AAÜG (Klarstellung zu den möglicherweise missverständlichen, auf die Sicht des damaligen Beschwerdeführers abstellenden Formulierungen
des Senats im Verwerfungsbeschluss vom 6.4.2006 - B 4 RA 163/05 B - RdNr 16 bis 18).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183,
193 Abs
1 SGG.