Gründe:
I
Die klagende Bundesagentur für Arbeit verlangt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von zuletzt noch 49
631,27 Euro, die sie zugunsten des Versicherten A. L. für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werkstatt für behinderte
Menschen (WfbM) aufwandte.
Der 1983 geborene Versicherte übte bis August 2011 eine versicherungspflichtige Teilzeittätigkeit als Pflegeassistent aus.
Die Beklagte bewilligte ihm im Anschluss an eine stationäre psychiatrische Behandlung eine ambulante Maßnahme zur medizinischen
Rehabilitation, die vom 20.8.2012 bis zum 12.4.2013 in der Rehabilitationseinrichtung F. eV in M. (Reha-Einrichtung) stattfand.
Nach dem Entlassungsbericht vom 16.4.2013 wurde bei dem Versicherten eine schizophrene Psychose diagnostiziert. Für die zuletzt
ausgeübte Tätigkeit sei er nicht mehr einsatzfähig; auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er nur noch drei bis unter sechs
Stunden arbeiten. Die während eines Praktikums absolvierte halbschichtige Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt habe den Versicherten
an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit gebracht. Es werde eine berufliche Rehabilitation auf dem zweiten Arbeitsmarkt
sowie ein ambulant betreutes Wohnen empfohlen.
Der Versicherte beantragte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Werkstatttätigkeit beim Industrieservice
M. . Die Beklagte leitete den bei ihr am 25.3.2013 eingegangenen Antrag am 2.4.2013 an die Klägerin weiter, da die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen des §
11 SGB VI nicht vorlägen. Sie sei nicht zuständig, weil Ziel der Leistungen nicht die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sei,
sondern die Eingliederung in eine WfbM. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie die Teilhabeleistung erbringen werde,
aber einen Erstattungsanspruch geltend mache, da sie die Beklagte für zuständig halte. Den Versicherten informierte die Klägerin,
dass für ihn in der WfbM von Juni bis September 2013 ein Eingangsverfahren, von September 2013 bis September 2014 ein Grundkurs
des Berufsbildungsbereichs und anschließend bis September 2015 ein Aufbaukurs des Berufsbildungsbereichs vorgesehen seien.
Der Versicherte trat die Maßnahme an, unterbrach sie zwischenzeitlich aber wegen Fehlzeiten und beendete sie im Juni 2015
vorzeitig.
Die Klägerin hat bereits am 16.12.2013 beim SG Klage erhoben und von der Beklagten die Erstattung der Maßnahmekosten verlangt, die sie vorläufig auf 52 645,38 Euro bezifferte.
Auf Nachfrage des SG hat die medizinische Reha-Einrichtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. die Auskunft erteilt, dass
beim Versicherten zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der medizinischen Reha ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden
gesichert gegeben gewesen sei. Es sei damals aber zu erwarten gewesen, dass der Versicherte durch die Maßnahme in der WfbM
in die Lage versetzt werden könne, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens drei Stunden verrichten
zu können. Der vom SG mit einem Gutachten nach Aktenlage beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, es habe im Hinblick
auf die Art und den bisherigen Verlauf der beim Versicherten vorliegenden, therapeutisch kaum zu beeinflussenden paranoiden
Schizophrenie mit einer zunehmenden Verschlechterung gerechnet werden müssen. Zum Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen
Reha sei das Leistungsvermögen auf dem ersten Arbeitsmarkt aufgehoben gewesen und es sei wegen der ungünstigen Prognose nicht
zu erwarten gewesen, dass der Versicherte erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Das SG hat der Klage im Umfang der zuletzt noch geforderten 51 299,57 Euro stattgegeben. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
des §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI lägen vor. Eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation sei auch dann anzunehmen, wenn prognostisch erwartet werden könne,
dass der Versicherte eine Wettbewerbsfähigkeit auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt der WfbM erreiche (Urteil vom 4.5.2016).
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Erstattungsforderung auf 49 631,27 Euro reduziert. Das LSG hat die Entscheidung
des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.9.2018). Die Beklagte sei nicht der für die Maßnahme zuständige Rehabilitationsträger.
Zwar stelle eine WfbM nach ihrer gesetzlichen Konzeption auch einen "Übergangsbereich" dar, weil je nach Art der Behinderung
oder gesundheitlichen Einschränkung oftmals nicht sicher abgrenzbar sei, ob durch Leistungen zur Teilhabe eine Wiedereingliederung
in den allgemeinen ersten Arbeitsmarkt oder "nur" eine Tätigkeit im Arbeitsbereich einer WfbM erreicht werden könne. Die Bezugnahme
in §
42 Abs
1 Nr
3 SGB IX aF auf die Vorschrift des §
11 SGB VI mache jedoch deutlich, dass die Beklagte grundsätzlich nur dann zuständiger Rehabilitationsträger sein könne, wenn spätestens
bei der Entscheidung über die Erbringung der Leistung die Prognose möglich sei, dass eine Wiedereingliederung des Versicherten
in den allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend wahrscheinlich sei. Eine solche Prognose habe für den Versicherten nicht bestanden,
da für ihn von Anfang an eine Werkstatttätigkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorgesehen gewesen sei. Diese Prognose sei nicht
offensichtlich fehlerhaft. Das ergebe sich ua aus dem Gutachten des Dr. B. . Aufgrund der Erkrankung des Versicherten sei
nicht zu erwarten gewesen, dass er in den allgemeinen Arbeitsmarkt hätte wiedereingegliedert werden können. Die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen habe der Versicherte weder nach §
11 Abs
1 SGB VI noch nach §
11 Abs
2a Nr
1 oder 2
SGB VI erfüllt.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision zunächst als Verfahrensmangel eine "fehlerhafte Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 S. 1
SGG) durch Verkennung des rechtlichen Rahmens der Prognoseentscheidung". Das LSG habe das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlich
erfolgreichen Rehabilitation in §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI zu Unrecht auf eine Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt beschränkt. Grund für die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers
für Leistungen zur Teilhabe unmittelbar im Anschluss an eine medizinische Reha sei der innere Zusammenhang zwischen diesen
Leistungen. Eine erfolgreiche Rehabilitation liege im Fall einer WfbM vor, wenn zu erwarten sei, dass nach Absolvierung des
Berufsbildungsbereichs ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit erbracht werden könne. Auch der Übergang in den
Arbeitsbereich der WfbM sei als Erfolg im Teilhabeprozess zu bewerten. Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt gehörten
sowohl im Berufsbildungsbereich als auch im Arbeitsbereich zum gesetzlichen Auftrag der WfbM und seien von ihr zu unterstützen.
Die Auslegung durch das LSG konterkariere das Ziel des Gesetzgebers, ein einheitliches Rehabilitationsverfahren bis zur erfolgreichen
Teilhabe zu schaffen. Für die Zuständigkeit für Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich verweise das
Gesetz nur auf die Voraussetzungen nach §§
11 bis
13 SGB VI. Das BSG habe im Urteil vom 16.6.2015 (B 13 R 12/14 R) nur über die Zuständigkeit für eine medizinische Reha im Falle einer dauerhaft voll erwerbsgeminderten Person in Bezug
auf Tätigkeiten im Arbeitsbereich einer WfbM entschieden, während hier die Erstattung von Leistungen zur Teilhabe für das
Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich streitig seien.
Ferner rügt die Klägerin die Verletzung von §
14 Abs
4 SGB IX und §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI. Das vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 23.2.2000 (B 5 RJ 8/99 R) betreffe nicht die nach §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI vorzunehmende Prognose. Aus der Regelung in §
1 Satz 4
SGB VI, die ua in einer anerkannten WfbM tätige behinderte Menschen als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung
fingiere, folge zugleich, dass auch den Beschäftigten in einer WfbM das gesamte Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung
zur Verfügung stehen müsse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. September 2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. Mai 2016 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die kraft Zulassung durch das LSG (§
160 Abs
1 SGG) statthafte Revision der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zusteht,
da die Beklagte nicht der zuständige Träger für die gegenüber dem Versicherten erbrachte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben
in einer WfbM war.
1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere war keine Beiladung des Versicherten nach
§
75 Abs
2 Alt 1
SGG erforderlich. Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt
sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei dem hier allein als Anspruchsgrundlage
in Betracht kommenden Erstattungsanspruch nach §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX (Abs
4 idF des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, BGBl I 606 [aF])
handelt es sich jedoch nicht um einen von der Rechtsposition des Leistungsempfängers abgeleiteten, sondern um einen eigenständigen
Anspruch, der nur die Verteilung der Kosten der erbrachten Leistung zwischen Klägerin und Beklagter betrifft. Durch die Weiterleitung
des Antrags nach §
14 Abs
1 Satz 2
SGB IX aF wird im Außenverhältnis gegenüber dem Leistungsberechtigten eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen
Rehabilitationsträgers begründet. Dessen Leistungsbewilligung bildet für den Leistungsberechtigten den Rechtsgrund für das
Behaltendürfen der Leistung (BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 36/06 R - BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 12 mwN). Die Rechtsposition des Versicherten wird somit durch einen Erstattungsstreit der Rehabilitationsträger
im Rahmen des §
14 Abs
4 SGB IX aF nicht berührt (BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 12/12 R - SozR 4-1500 § 141 Nr 2 RdNr 9).
2. Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin zutreffend mit einer allgemeinen Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) geltend gemachte Erstattungsforderung ist §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX aF. Die ab dem 1.1.2018 geltende, weitgehend inhaltsgleiche Vorschrift des §
16 Abs
1 SGB IX (idF von Art 1 Bundesteilhabegesetz [BTHG] vom 23.12.2016, BGBl I 3234) ist hier noch nicht maßgeblich. Nach den Grundsätzen des intertemporalen
Rechts ist eine sozialrechtliche Anspruchsnorm nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht
werden - es sei denn, das Gesetz erstreckt seinen Geltungsanspruch auch auf solche Umstände, die vor seinem Inkrafttreten
entstanden sind. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse
grundsätzlich noch nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat
(vgl BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 5 RdNr 20 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 27.8.2019 - B 1 KR 14/19 R - SozR 4-2500 § 13a Nr 1 RdNr 10 mwN). Hier wird die Erstattungsforderung auf einen Sachverhalt gestützt, der in den Jahren
2013 bis 2015 und damit noch vor Inkrafttreten des BTHG stattfand. Anhaltspunkte dafür, dass der im BTHG neu gefasste §
16 Abs
1 SGB IX ab seinem Inkrafttreten am 1.1.2018 auch auf Sachverhalte Anwendung finden soll, die bereits zuvor abgeschlossen waren, sind
weder dem Gesetz (vgl Art 26 Abs 1 Satz 1 iVm Art 1 BTHG) noch den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren zu entnehmen (vgl
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 202 - zu II.6 und II.7: grundsätzliches Inkrafttreten zum
1.1.2018 bei vorgezogener Wirksamkeit nur einzeln benannter Regelungen [zu denen §
16 SGB IX nicht gehört] auf den Tag nach der Verkündung des Gesetzes bzw auf den 1.1.2017).
Gemäß §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX aF hat ein Leistungsträger, dessen Zuständigkeit für eine Leistung zur Teilhabe nach deren Bewilligung durch einen Rehabilitationsträger
nach Abs 1 Satz 2 bis 4 festgestellt wird, dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach
den für diesen geltenden Vorschriften zu erstatten. Die Vorschrift räumt dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger gegenüber
dem materiell-rechtlich originär zuständigen Träger einen spezialgesetzlichen Anspruch ein, der die allgemeinen Erstattungsansprüche
der §§ 102 ff SGB X verdrängt (BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 12/12 R - SozR 4-1500 § 141 Nr 2 RdNr 10 mwN; s auch BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 6/18 R - BSGE 126, 269 = SozR 4-3250 § 14 Nr 29, RdNr 9 f). Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor.
a) Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin zweitangegangener Rehabilitationsträger iS des §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX aF ist. Die Beklagte hat den Antrag des Versicherten innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §
14 Abs
1 Satz 1 und
2 SGB IX aF an die Klägerin weitergeleitet. Diese war Rehabilitationsträger iS des §
6 Abs
1 Nr
2 SGB IX (idF von Art 8 des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl I 2848 [aF]; inhaltsgleich mit der ab 1.1.2018 geltenden Fassung des BTHG) und an die Weiterleitung
gebunden (§
14 Abs
2 Satz 3
SGB IX aF).
b) Die Klägerin kann jedoch von der Beklagten nach §
14 Abs
4 Satz 1
SGB IX aF keine Erstattung verlangen, weil der Rentenversicherungsträger für die zugunsten des Versicherten L. erbrachte Teilhabeleistung
in einer WfbM nicht zuständig gewesen ist.
aa) Nach §
7 Satz 2
SGB IX idF von Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046 (aF), der - wie ausgeführt - hier noch maßgeblich ist, richteten sich die Zuständigkeit
und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen
(nunmehr §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IX nF). Die Vorschrift stellte klar, dass für die Zuständigkeit und die Voraussetzungen der Leistungen die besonderen Regelungen
für die einzelnen Rehabilitationsträger maßgeblich blieben, welche im
SGB IX weder zusammengefasst noch inhaltlich neu gestaltet wurden (vgl Gesetzentwurf zum
SGB IX, BT-Drucks 14/5074 S 100 - zu §
7).
Daran hat sich durch den zum 1.1.2018 eingefügten Abs 2 dieser Vorschrift jedenfalls in Bezug auf den Erstattungsanspruch
nichts geändert. Zwar ist nunmehr in §
7 Abs
2 Satz 1
SGB IX nF bestimmt, dass - abweichend von den Regelungen des §
7 Abs
1 SGB IX nF - die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 des
SGB IX den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen vorgehen. Damit haben jetzt auch die Verfahrensvorschriften
zur Koordinierung der Leistungen und zur Zuständigkeitsklärung der Rehabilitationsträger in §§
14 bis
24 SGB IX nF Vorrang gegenüber den Bestimmungen der einzelnen Leistungsgesetze. Es bleibt aber dabei, dass der zweitangegangene, die
Rehabilitationsleistung tatsächlich erbringende Leistungsträger (leistender Rehabilitationsträger) gegen den nach den Leistungsgesetzen
eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger einen Erstattungsanspruch erwirbt (§
16 Abs
1 SGB IX nF, s hierzu Joussen in Dau/Düwell/Joussen,
SGB IX, 5. Aufl 2019, §
16 RdNr 4).
bb) Für die Beklagte, die als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nach §
6 Abs
1 Nr
4 iVm §
4 Abs
1 Nr
3 SGB IX aF auch Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sein kann, sind hinsichtlich ihrer Zuständigkeit
für Rehabilitationsmaßnahmen die Bestimmungen der §§
9 ff
SGB VI maßgeblich. Speziell für die hier streitbefangenen Leistungen, die in einer WfbM entweder im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungsbereich
erbracht wurden, ordnete auch §
42 Abs
1 Nr
3 SGB IX idF von Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046 (aF) an, dass sich eine Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung unter den
Voraussetzungen der §§
11 bis
13 SGB VI ergibt, während deren Zuständigkeit für Leistungen im Arbeitsbereich nach §
42 Abs
2 SGB IX aF von vornherein nicht vorgesehen war.
cc) Der Versicherte erfüllte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des §
11 SGB VI für Teilhabeleistungen des Rentenversicherungsträgers nicht. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass bei ihm die Voraussetzungen
des §
11 Abs
1 Nr
1 iVm §
51 Abs
1 SGB VI nicht vorlagen, weil er mit Pflichtbeiträgen in 56 Kalendermonaten noch keine Wartezeit von 15 Jahren aufzuweisen hatte.
Er bezog auch keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§
11 Abs
1 Nr
2 SGB VI). Die erleichterten Voraussetzungen speziell für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
11 Abs
2a Nr
1 SGB VI lagen ebenfalls nicht vor. Danach werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch erbracht, wenn ohne diese Leistungen
eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre. Eine solche Rente konnte der Versicherte aber schon deshalb
nicht beanspruchen, weil weder die allgemeine Wartezeit (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr
3, Abs
2 Nr
3 iVm §
50 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB VI) noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§
43 Abs
1 Satz 1 Nr
2, Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB VI) verwirklicht waren. Ein Fall der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach §
53 Abs
1 und
2 SGB VI lag ebenfalls nicht vor.
Einzig in Betracht kommt hier mithin, dass der Versicherte die erleichterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI erfüllte. Hiernach werden solche Leistungen vom Rentenversicherungsträger an seine Versicherten auch erbracht, wenn sie für
eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der
Träger der Rentenversicherung erforderlich sind. Das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" in §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI erfordert eine Prognose dahingehend, dass der Versicherte durch die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich
zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt werden kann. Daran fehlte es hier, wie das LSG zutreffend ausgeführt
hat.
(1) Zwar beschränkt sich der Wortlaut der Vorschrift auf die Formulierung "für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation",
ohne ausdrücklich eine Zielvorgabe zu nennen.
(2) Für die Auslegung des Merkmals einer voraussichtlich erfolgreichen Rehabilitation in dem Sinne, dass Zielsetzung der vom
Rentenversicherungsträger zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Wiedereingliederung in den allgemeinen
Arbeitsmarkt sein muss, spricht allerdings die Gesetzesbegründung zu §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI. Nach dieser zum 1.1.1993 eingefügten Bestimmung soll der Rentenversicherungsträger für diejenigen Versicherten, die sowohl
medizinische als auch daran unmittelbar anschließend berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation benötigen, das gesamte
Rehabilitationsverfahren durchführen. Dadurch soll auch in diesen Fällen ein zügiger und kontinuierlicher Ablauf des Rehabilitationsverfahrens
und eine möglichst rasche und erfolgreiche "Wiedereingliederung in das Erwerbsleben" gewährleistet werden (vgl Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen, BT-Drucks 12/3423 S 61 - zu Art 4, zu §
11 Abs 2a Nr 2; zur Gesetzeshistorie des §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI s auch Löschau in Löschau [Hrsg],
SGB VI, Band 1, Stand August 2019, §
11 RdNr 59 f).
(3) Vor allem auch systematische Erwägungen stützen die Auslegung, dass Rehabilitationsziel iS des §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sein muss.
§
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI steht zunächst in einem systematischen Zusammenhang mit §
11 Abs
2a Nr
1 SGB VI. Beide Vorschriften dienen dazu, für bestimmte Konstellationen abweichend von §
11 Abs
1 SGB VI die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben deutlich herabzusetzen, um die Erbringung
solcher Leistungen durch die Rentenversicherungsträger schon vor Erreichen der ansonsten erforderlichen Wartezeit von 15 Jahren
oder des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu ermöglichen. Nach §
11 Abs
2a Nr
1 SGB VI hat der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch zu erbringen, wenn ansonsten Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre (s auch §
9 Abs
1 Satz 2
SGB VI, der den Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" im Leistungsrecht der Rentenversicherung verankert, vgl BT-Drucks 11/4124 S
153 - zu §
9). Letzteres ist nach §
43 SGB VI aber grundsätzlich nur der Fall, wenn die Fähigkeit eines Versicherten eingeschränkt ist, unter den üblichen Bedingungen
"des allgemeinen Arbeitsmarktes" erwerbstätig zu sein.
Ferner ist §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI systematisch in den Gesamtzusammenhang der Vorschriften der §§
9 ff
SGB VI zu den Teilhabeleistungen einzuordnen. Dabei ist insbesondere auch §
10 SGB VI zu berücksichtigen (§
9 Abs
2 SGB VI, vgl Luthe in jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl 2013, §
11 RdNr
60, Stand 19.12.2016. Dass §
42 Abs
1 Nr
3 SGB IX aF für Leistungen zur Teilhabe in WfbM lediglich auf die §§
11 bis
13 SGB VI verwies, steht dem nicht entgegen, da mit dieser lediglich klarstellenden Regelung keine inhaltliche Änderung der einzelnen
Leistungsgesetze beabsichtigt war; vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum
SGB IX, BT-Drucks 14/5074 S 109 - zu §
42 sowie S 100 - zu §
7). §
10 Abs
1 SGB VI bestimmt, dass Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt haben, (1.) deren Erwerbsfähigkeit
wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (2.) bei
denen voraussichtlich ua (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen ua zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich
gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann. Die Vorschrift
erfordert mithin, dass bei dem Versicherten prognostisch eine geminderte oder gefährdete Erwerbsfähigkeit gebessert, wiederhergestellt
oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
Erwerbsfähigkeit iS des §
10 Abs
1 SGB VI ist die Fähigkeit eines Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können (BSG Urteil vom 29.3.2006 - B 13 RJ 37/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 15/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 17; BSG Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 44/08 R - BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9, RdNr 29; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, RdNr 46). In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Rentenreformgesetz
1999 (BT-Drucks 13/8671 S 117 - zu Nr 2 [§ 10 Nr 2 Buchst a und b]) heißt es hierzu: "Auch wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
vorliegt, die einen Rentenanspruch nicht begründet, ist gleichwohl eine Rehabilitation möglich, wenn im konkreten Einzelfall
eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit sowohl bei Gefährdung als auch bei Minderung der Erwerbsfähigkeit aussichtsreich
erscheint". Nach der Konzeption des §
10 SGB VI dienen somit die vom Rentenversicherungsträger zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe der Verbesserung der Fähigkeit, Erwerbseinkommen
zu erzielen, und sind auf eine Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt gerichtet (BSG Urteil vom 23.2.2000 - B 5 RJ 8/99 R - BSGE 85, 298, 301 f = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 5; BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 12/14 R - BSGE 119, 136 = SozR 4-2600 § 10 Nr 3, RdNr 16 ff). Für den Bereich der medizinischen Rehabilitation hat der Senat bereits entschieden,
dass Leistungen eines Rentenversicherungsträgers zur Rehabilitation von vornherein als nicht zweckgerichtet ausscheiden, wenn
diese allein auf die Gesundung des Versicherten gerichtet sind oder lediglich dazu dienen sollen, ihn vor weiterem Abgleiten
zu bewahren, ohne dass Aussicht besteht, seine Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen. Das Leistungsvermögen müsse so weit gebessert
werden können, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, also außerhalb einer WfbM, erwerbstätig sein könne (BSG Urteil vom 23.2.2000 - B 5 RJ 8/99 R - BSGE 85, 298, 302 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 6; dem folgend BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 12/14 R - BSGE 119, 136 = SozR 4-2600 § 10 Nr 3, RdNr 16). Dass für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich.
(4) Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck von Maßnahmen der Rehabilitation im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Leistungen zur Teilhabe nach dem
SGB VI sollen Beeinträchtigungen wegen Krankheit und Behinderung entgegenwirken, werden aber nur dann und insoweit erbracht, wie
dies dem Versicherungszweck - der Erwirtschaftung eigener Rentenanwartschaften durch Erwerbstätigkeit - dient. Kann die Erwerbsfähigkeit
durch Rehabilitationsleistungen nicht gefördert werden oder hat der Versicherte die Altersgrenze bereits erreicht, sind Rehabilitationsleistungen
nach dem
SGB VI generell - weil nicht zweckgerichtet - ausgeschlossen. Darin unterscheiden sich diese Leistungen grundlegend von Rehabilitationsleistungen
anderer Träger (Falterbaum in Luthe [Hrsg], Rehabilitationsrecht, 2. Aufl 2015, Teil 3, Kapitel D - Gesetzliche Rentenversicherung
[SGB VI], RdNr 2; vgl auch BSG Urteil vom 23.2.2000 - B 5 RJ 8/99 R - BSGE 85, 298, 302 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 6).
dd) Der Umstand, dass behinderte Menschen, die in einer WfbM tätig sind, nach §
1 Satz 1 Nr 2 Buchst a
SGB VI versicherungs- und beitragspflichtig sind und Rentenanwartschaften erwerben können, erweitert die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger
für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht. Die Versicherungs- und Beitragspflicht dieser Personen folgt aus Sonderbestimmungen
im
SGB VI, ohne die sie nicht versichert wären und bestimmte Leistungen der Rentenversicherung nicht beziehen könnten. Behinderte Menschen,
die in anerkannten WfbM tätig sind, sind nach §
1 Satz 1 Nr 2
SGB VI und nicht nach §
1 Satz 1 Nr 1
SGB VI versicherungspflichtig. Die nach §
1 Satz 1 Nr 2
SGB VI versicherten Personen gelten jedoch aufgrund der Anordnung in §
1 Satz 4 (vom 29.7.1995 bis 28.6.2011: Satz 5)
SGB VI als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung, dh ihre Beschäftigung wird in Erweiterung des allgemeinen Beschäftigungsbegriffs
(§
7 SGB IV) fingiert (vgl Gesetzentwurf zum RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148 - zu § 1 [im Entwurf noch Satz 3]). Die Beitragsbemessung für ihre Beschäftigung erfolgt nicht nach den allgemeinen Grundsätzen, sondern
nach einem fiktiven Arbeitsentgelt von mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße (§
162 Nr 2
SGB VI). Dabei sind die Beiträge regelmäßig überwiegend vom Einrichtungsträger zu tragen; dieser kann vom Bund bzw vom Kostenträger
der Maßnahme die Erstattung der entsprechenden Aufwendungen verlangen (§
168 Abs
1 Nr
2 iVm §
179 Abs
1 SGB VI). Der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung ist für diesen Personenkreis nach Erfüllung einer Wartezeit von 20 Jahren
auch dann möglich, wenn Versicherte bereits vor Erfüllung der Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen
voll erwerbsgemindert sind (§
43 Abs
6 SGB VI).
Diese Regelungen dienen dem Ziel, behinderten Menschen zu einer angemessenen sozialen Sicherung zu verhelfen (vgl Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter, BT-Drucks
7/3237 S 3). Nicht notwendig zur Erreichung dieses Ziels ist jedoch, dass im gegliederten Sozialsystem gerade die Rentenversicherungsträger
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die genannten Personen erbringen (vgl BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 12/14 R - BSGE 119, 136 = SozR 4-2600 § 10 Nr 3, RdNr 21). Dementsprechend hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des
BSG bislang auch nicht veranlasst gesehen, §
11 SGB VI zu ändern. Er hat vielmehr, etwa bei der Schaffung des
SGB IX, bewusst "das so genannte 'gegliederte System' im Grundsatz beibehalten", in dem "die einschlägigen Sozialleistungen durch
verschiedene Sozialleistungsträger erbracht werden und in deren spezifische Systemzusammenhänge eingebunden sind" (Begründung
des Entwurfs eines Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - [SGB IX], BT-Drucks 14/5074 S 99 f - zu § 6).
ee) Dass §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI die Prognose einer erfolgreichen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erfordert, widerspricht auch nicht der Konzeption
der WfbM, wenn - wie hier - die begehrte Teilhabeleistung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer WfbM erbracht
werden soll. Nach §
136 SGB IX (idF von Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046 [aF] nunmehr § 219
SGB IX nF) haben WfbM einen zweifachen Auftrag. Sie sind einerseits Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und erbringen insoweit
gegenüber behinderten Menschen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
40 Abs
1, §
41 Abs
2 SGB IX aF; nunmehr §
57 Abs
1, §
58 Abs
2 SGB IX nF). Andererseits sind sie Einrichtungen, in denen die Eingliederung behinderter Menschen, die nicht auf dem Arbeitsmarkt
beschäftigt werden können, in das Arbeitsleben tatsächlich bewirkt wird (Schramm in jurisPK-
SGB IX, 2. Aufl 2015, §
136 RdNr
12 bzw 3. Aufl 2018, § 219 RdNr 14). Nach §
136 Abs
1 Satz 2
SGB IX aF wurden die Leistungen erbracht für behinderte Menschen, die nicht, noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
beschäftigt werden konnten. Im Berufsbildungsbereich sollten diese Menschen befähigt werden, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich
verwertbarer Arbeitsleistung iS des §
136 SGB IX aF zu erbringen (§
40 Abs
1 Nr
2 SGB IX aF bzw §
57 Abs
1 Nr
2 SGB IX nF). Ferner ist es Aufgabe der WfbM, durch geeignete Maßnahmen den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
zu fördern (§
136 Abs
1 Satz 3
SGB IX aF bzw § 219 Abs 1 Satz 3
SGB IX nF).
Damit unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Rehabilitationszielen, die in einer WfbM erreicht werden sollen: die
Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder die Befähigung, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer
Arbeitsleistung im Arbeitsbereich zu erlangen. Das Eingangsverfahren, das von jedem behinderten Menschen durchlaufen werden
muss, dient nach §
40 Abs
1 Nr
1 SGB IX aF (nunmehr §
57 Abs
1 Nr
1 SGB IX nF) der Feststellung, ob - bei positiver Prognose - das Eingangsverfahren in den Berufsbildungsbereich mündet (Schramm in
jurisPK-
SGB IX, 2. Aufl 2015, §
136 RdNr 22), um die genannten Rehabilitationsziele zu erreichen. Wird eine Rehabilitation in einer WfbM durchgeführt, ist nach
dem jeweiligen Rehabilitationsziel, das mit der Maßnahme erreicht werden soll, zu differenzieren. Aus der dargestellten Konzeption
folgt keine allgemeine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für alle mit einer Beschäftigung in einer WfbM verfolgten
Rehabilitationsziele.
Es mag zutreffen, dass vor Beginn des Eingangsverfahrens das mögliche Ziel einer Maßnahme nur schwer zu prognostizieren ist
(vgl Schumacher, Anmerkung zu dem hier angefochtenen Urteil des Bayerischen LSG vom 26.9.2018, RdLH 2019, 63, 65). Bei jeder
Prognose muss die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines zukünftigen Ereignisses beurteilt werden, was sich von Fall zu Fall
als unterschiedlich schwierig erweisen kann. Da das Gesetz aber eine Prognoseentscheidung vorsieht, stehen diese Schwierigkeiten
einer Differenzierung je nach Ergebnis dieser Entscheidung nicht entgegen.
ff) Die in §
42 Abs
1 Nr
1 und
3 SGB IX aF iVm §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI vorgenommene Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Trägern der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist sowohl mit Art
2 Abs
1 GG als auch mit Art
3 Abs
3 Satz 2
GG vereinbar.
(1) Zwar folgt aus dem in §
1 SGB VI angeordneten, die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art
2 Abs
1 GG berührenden Versicherungszwang die Pflicht des Gesetzgebers, für die erbrachten Beitragsleistungen mit einem erheblichen
Beitragssatzniveau im Versicherungsfall auch adäquate Versicherungsleistungen vorzusehen (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom
26.7.2007 - 1 BvR 824/03 ua - BVerfGK 11, 465, 473 = SozR 4-2600 § 68 Nr 2 RdNr 58; für das Leistungsrecht der GKV s auch BVerfG Beschluss vom 6.12.2005
- 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25, 42 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 19 ff). Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass die Erbringung von Rehabilitationsleistungen
durch die Rentenversicherungsträger an spezifische rentenversicherungsrechtliche Voraussetzungen anknüpft. Insbesondere vor
dem Hintergrund der besonderen Ausgestaltung des Beitrags- und Leistungsrechts für behinderte Menschen in einer WfbM führt
die Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger
nicht zu einem unverhältnismäßigen Leistungsausschluss. Das gilt umso mehr, als es nicht um die Frage geht, ob die Leistung
überhaupt erbracht wird, sondern nur um die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers als Leistungsträger für eine solche
Maßnahme.
(2) Auch eine nach Art
3 Abs
3 Satz 2
GG verbotene Benachteiligung wegen Behinderung liegt nicht vor. Zwar werden behinderte Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
wegen der Art oder der Schwere ihrer Behinderung keinen über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Lohn erreichen können und
infolgedessen als erwerbsunfähig angesehen werden müssen, mit ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen, das sie zur Tätigkeit
in einer WfbM befähigt, nicht durch Reha-Maßnahmen gerade des Rentenversicherungsträgers ebenso geschützt wie nicht in diesem
Ausmaß behinderte Versicherte. Das führt jedoch nicht zu einer Benachteiligung wegen einer Behinderung (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 12/14 R - BSGE 119, 136 = SozR 4-2600 § 10 Nr 3, RdNr 21 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 23.2.2000 - B 5 RJ 8/99 R - BSGE 85, 298, 303 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 6 f mwN). Die Differenzierung nach dem leistungszuständigen Rehabilitationsträger stellt auch
keine Diskriminierung behinderter Menschen dar, die Art 5 Abs 2 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
(UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) verhindern will. Diese Vorschrift der UN-BRK gebietet es nicht, dass der Rehabilitationsbedarf
eines behinderten Menschen im gegliederten Sozialsystem Deutschlands gerade durch den Träger der Rentenversicherung gedeckt
wird (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 12/14 R - BSGE 119, 136 = SozR 4-2600 § 10 Nr 3, RdNr 21).
gg) Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist die Prognose der Beklagten nicht zu beanstanden, dass der Versicherte
durch die Teilhabeleistung in der WfbM voraussichtlich nicht erfolgreich für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
rehabilitiert werden konnte. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.
(1) Entgegen der Auffassung des LSG ist die im Rahmen des §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI von der Beklagten getroffene Prognose allerdings nicht lediglich eingeschränkt gerichtlich überprüfbar (vgl Jüttner in Hauck/Noftz,
SGB VI, Stand September 2019, K §
11 RdNr 25 unter Bezugnahme auf K § 10 RdNr 16). Das wäre nur der Fall, wenn das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich erfolgreiche
Rehabilitation" der Verwaltung einen sogenannten Beurteilungsspielraum eröffnete. Ein solcher wird der Beklagten hier jedoch
nicht eingeräumt. Die Beklagte hat nach §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI aufgrund medizinischer Befunde einzuschätzen, ob die Teilhabeleistung voraussichtlich erfolgreich zu einer Wiedereingliederung
des Versicherten in den allgemeinen Arbeitsmarkt führen wird. Die prognostische Beurteilung der hierzu erforderlichen tatsächlichen
Feststellungen ist im gerichtlichen Verfahren mit gleicher Sicherheit einer Überprüfung zugänglich wie im Verwaltungsverfahren.
Weder rechtliche noch faktische Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von der nach Art
19 Abs
4 GG prinzipiell gewährleisteten vollständigen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen, sind hier gegeben
(vgl auch BSG Urteil vom 5.8.2015 - B 4 AS 46/14 R - SozR 4-4200 § 16b Nr 1 RdNr 18; BSG Urteil vom 28.3.2019 - B 10 LW 1/17 R - SozR 4-5868 § 3 Nr 4 RdNr 24, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
(2) Allerdings sind Abwägungs- und Prognoseentscheidungen der Tatsacheninstanzen einer Überprüfung im Revisionsverfahren wegen
der enthaltenen Tatsachenelemente unter Berücksichtigung von §
162 SGG nur begrenzt zugänglich (zur Abgrenzung von Rechtsfragen und Tatsachenfragen vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
162 RdNr 3 ff). Das Revisionsgericht ist in diesen Fällen darauf beschränkt zu prüfen, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen
abgewogen worden sind (vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 49/14 R - juris RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 33 ff). Wie die Tatsachengerichte eine Würdigung vornehmen und welche Umstände sie zugrunde legen, ist grundsätzlich
von ihnen zu entscheiden und entzieht sich - aus rechtlichen wie auch tatsächlichen Gründen - einer abschließenden revisionsgerichtlichen
Festlegung (vgl BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 63). Die Entscheidung, ob der festgestellte Sachverhalt die Prognose erlaubt, dass ein Versicherter
durch die Teilhabeleistung voraussichtlich erfolgreich die Befähigung zur Ausübung einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
erlangt, gehört zur Beweiswürdigung des LSG (§
128 SGG), nicht zur Rechtsanwendung (BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 27 mwN).
(3) Auch wenn das LSG annahm, die nach §
11 Abs
2a Nr
2 SGB VI erforderliche Prognose sei von ihm nur eingeschränkt überprüfbar, hat es dennoch die maßgeblichen tatsächlichen Umstände
vollständig festgestellt und die Entscheidung der Beklagten verfahrensfehlerfrei einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung
unterzogen. Das LSG hat zutreffend berücksichtigt, dass vom Versicherten und der medizinischen Reha-Einrichtung in dem zugrunde
liegenden Antrag nur die Aufnahme in eine WfbM angestrebt wurde. Nach den Feststellungen des LSG teilte die Klägerin bei Beginn
der Maßnahme diese Prognose der Beklagten. Das LSG hat in seine Würdigung einbezogen, dass Klägerin und Beklagte (sowie auch
der Versicherte selbst) übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Versicherte allenfalls für eine Tätigkeit auf dem
"zweiten Arbeitsmarkt" rehabilitierungsfähig war und Leistungen deshalb von Anfang an in einer WfbM mit keinem darüber hinausgehenden
Rehabilitationsziel vorgesehen waren.
Nach den Feststellungen des LSG bestätigte das gerichtliche Gutachten des Dr. B. vom 16.2.2016 einschließlich der ergänzenden
Stellungnahme vom 4.5.2016 die von der Klägerin und der Beklagten prognostizierte Rehabilitationsfähigkeit des Versicherten.
Hiernach war beim Versicherten, der an einer paranoiden Schizophrenie litt, eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt
nicht zu erwarten. Das LSG ist im Rahmen seiner Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Stellungnahme des Dr. H. weder das Gutachten des Dr. B. noch die Prognose der Beteiligten zu widerlegen vermochte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO und dem Umstand, dass das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg geblieben ist.