Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rente wegen Erwerbsminderung
Verweisbarkeit von Facharbeitern auf zumutbare Tätigkeiten
Gründe:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Mit Urteil vom 9.5.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch des Klägers verneint, weil der Kläger noch eine
leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten
könne. Auch liege keine Berufsunfähigkeit des Klägers vor. Zwar könne er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker/Elektriker
nicht mehr ausüben. Der Kläger sei aber auf eine Tätigkeit als Registrator, vergütet nach der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrags
für den öffentlichen Dienst (TVöD) verweisbar. Das LSG hat deshalb die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Mannheim vom 13.7.2016 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt als Rechtsfragen vor, denen er grundsätzliche Bedeutung beimisst,
"ob einem Facharbeiter grundsätzlich der Verweisungsberuf eines Registrators der Entgeltgruppe 3 TVöD benannt werden kann, und ob eine solche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in hinreichender Anzahl zur Verfügung
steht."
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zur Auslegung einer revisiblen (Bundes-)Norm
formuliert hat, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - Juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - Juris RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht
zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag eines Beschwerdeführers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen
ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Soweit der Kläger zunächst geklärt haben möchte, ob nach Inkrafttreten des TVöD ein Facharbeiter auf die Tätigkeit eines Registrators der Entgeltgruppe 3 TVöD verwiesen werden kann, hat er jedenfalls eine (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend begründet.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus
dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann
anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine
oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde
als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage
von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens,
7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Nach der vom Kläger selbst zitierten Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 27.11.1991 - richtig: 5 RJ 91/89 - Juris RdNr 15 f) war die Tätigkeit als Registrator nach der Vergütungsgruppe Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) VIII für Facharbeiter eine zumutbare Verweisungstätigkeit im Rahmen des Mehrstufenschemas. Entscheidend dafür sei gewesen,
dass die Einordnung nach BAT VIII "schwierigere" Tätigkeiten voraussetzte. Der Kläger trägt weiter vor, es spreche nun vieles dafür, dass eine zumutbare
Verweisungstätigkeit als Registrator nach dem früheren BAT VIII im Rahmen des TVöD nicht mit der Entgeltstufe 3, sondern mit der Entgeltstufe 4 beschrieben sei, weil nur dort "schwierige" Tätigkeiten verlangt
würden.
Dieses Vorbringen enthält keine hinreichende Auseinandersetzung mit der hier einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Danach sind Facharbeiter sozial zumutbar auf Tätigkeiten verweisbar, die innerhalb des sog Mehrstufenschemas zumindest der
Stufe der Angelernten zugeordnet werden können. Insoweit können Facharbeiter auf angelernte Tätigkeiten sowohl des oberen
als auch des unteren Bereichs dieser Gruppe verwiesen werden. Dabei reicht es grundsätzlich aus, wenn es sich um eine ungelernte
Tätigkeit handelt, die aufgrund ihrer Wertigkeit für den Betrieb in einem einschlägigen Tarifvertrag Anlerntätigkeiten gleichgestellt
worden ist (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 45/98 R - Juris RdNr 21). Facharbeiter sind damit zumutbar verweisbar auf alle Tätigkeiten, die zu den sonstigen, staatlich anerkannten
Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17).
Zu der hier streitentscheidenden Frage, ob die Entgeltgruppe 3 TVöD Anlerntätigkeiten im Sinne dieser Rechtsprechung zum Mehrstufenschema erfasst, trägt der Kläger nicht hinreichend vor. Allein
das wörtliche Zitieren aus einem - vom Berufungsgericht in Bezug genommenen - Urteil des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg
vom 25.9.2012 (L 13 R 6087/09) mit dem bloßen Hinweis, es sei zweifelhaft, ob die vom LSG darin vertretene Auffassung zutreffend sei, genügt nicht den
Anforderungen an eine hinreichende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger befasst sich schon nicht mit den unterschiedlichen
Formulierungen "schwierigere Tätigkeiten" und "schwierige Tätigkeiten". Eine nähere Auseinandersetzung damit wäre gerade deshalb
erforderlich gewesen, weil das frühere Tätigkeitsmerkmal in BAT VIII "schwierigere Tätigkeiten" aufgespalten wurde in "schwierige Tätigkeiten" nach Entgeltgruppe 4 TVöD und in Tätigkeiten der Entgeltgruppe 3 TVöD, die höhere Anforderungen aufweisen als einfache Tätigkeiten in Entgeltgruppe 2 TVöD (vgl Krämer/Reinecke, Die Entgeltordnung des Bundes zum TVöD - Rückblick auf die Entwicklung des Eingruppierungsrechts und erster Überblick über die Neuregelungen, ZTR 2014, 3, 13). Schließlich trägt der Kläger selbst vor, in die Entgeltgruppe 3 seien "Beschäftigte einzugruppieren, deren Tätigkeit
sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraushebt, dass sie eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert". Weitere Ausführungen
dazu, ob davon auch Anlerntätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas erfasst sind, erfolgen nicht.
Soweit der Kläger unter Hinweis auf sein früheres Vorbringen in der Berufungsinstanz vorträgt, entsprechende Tätigkeiten als
Registrator existierten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in hinreichendem Umfang, die Stellendatenbank der Bundesagentur
für Arbeit weise bundesweit lediglich vier offene Stellen aus und solche Arbeitsplätze stünden als "Schonarbeitsplätze" nicht
immer zur Verfügung, macht er schon keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Kläger rügt damit vielmehr
eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG als Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach §
103 SGG jedoch nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Zur Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels benennt der bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger schon keinen
Beweisantrag, den er bis zur mündlichen Verhandlung am 9.5.2018 aufrechterhalten hat. Allein sein Vortrag, es hätten Anhaltspunkte
dafür vorgelegen, die Frage zu klären, ob der Beruf als Registrator auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in hinreichendem Ausmaß
zur Verfügung steht und sein Hinweis, er habe in einem Schriftsatz vom 4.5.2018 angeregt, dazu eine aktuelle berufskundliche
Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit einzuholen, genügen nicht.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.