Gewährung einer großen Witwenrente
Annahme einer Versorgungsehe
Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten zu den Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands
Gründe:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer großen Witwenrente. Mit Urteil vom 29.6.2018 hat das LSG Baden-Württemberg
einen Anspruch der Klägerin aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns verneint, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr
gedauert habe und keine besonderen Umstände vorlägen, aufgrund derer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige
oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Das LSG hat auf die Berufung
der Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des SG Freiburg vom 12.10.2016 aufgehoben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin trägt als Rechtsfrage vor, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst,
"ob trotz anderslautenden medizinischer und ärztlicher und damit sachverständiger Erkenntnisse ein (Landes-)Sozialgericht
davon ausgehen darf, dass besondere Umstände iSd § 46 Abs. 2a S. 1 Hs. 2 SGB -VI dann nicht vorliegen, wenn eine lebensbedrohliche
Erkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung anzunehmen ist, ohne gut gutachterliche (richtig: gutachterliche) Feststellungen
das Maß der Lebensbedrohlichkeit feststellen zu lassen."
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung einer revisiblen (Bundes-)Norm
formuliert hat, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - Juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Jedenfalls enthält
die Beschwerdebegründung keine ausreichenden Darlegungen, dass diese Frage klärungsbedürftig ist. Eine Rechtsfrage ist nämlich
dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder
bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage sogar dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht
bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Die Klägerin trägt unter der Überschrift "Die abstrakte Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage" im Einzelnen
zum Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung vor und belegt ihr Vorbringen, dass
die Erkrankungen damals "weder akut noch sonstwie lebensdrohlich" gewesen seien, so dass im Zeitpunkt der Eheschließung nicht
mit einem baldigen Tod habe gerechnet werden müssen, mit zahlreichen Befunden der behandelnden Ärzte und mit im sozialgerichtlichen
Verfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen. Zudem sei die Auffassung des LSG falsch, den Inhalt des Erbvertrages vom
14.1.2013 als ein Indiz für die Annahme einer Versorgungsehe zu sehen. Mit der Rechtsprechung des BSG, wonach die Tatsachengerichte verpflichtet sind, die Voraussetzungen des §
46 Abs
2a SGB VI umfassend aufzuklären, befasst sich die Beschwerdebegründung dagegen nicht. Danach ist der Frage, ob besondere (innere und
äußere) Umstände im Sinne des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, anhand aller
Ermittlungsmöglichkeiten (§
103 SGG) nachzugehen (BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - Juris RdNr 22 mwN). Die Beschwerdebegründung hätte sich insbesondere damit befassen müssen, dass das BSG bereits klargestellt hat, dass sich die Tatsacheninstanzen nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung
aller Tatsachen bzw Indizien eine Überzeugung davon verschaffen müssen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt
ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war
(BSG aaO).
2. Mit ihrem Vorbringen (auch unter Hinweis auf die "aus §§
157,
103,
106 SGG folgende Aufklärungspflicht"), es hätte zumindest einer gutachterlich-sachverständigen Feststellung darüber bedurft, welches
Maß an Lebensbedrohlichkeit der Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gehabt habe, kann sich die Klägerin
auch nicht auf einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) stützen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels benennt die bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin
schon keinen Beweisantrag, den sie bis zur Entscheidung des LSG durch Urteil vom 29.6.2018 (mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung) aufrechterhalten hat.
Sollte die Klägerin mit ihrem weiteren Vortrag, das LSG habe überhaupt nicht gewürdigt, dass sich nach einer CT-Aufnahme vom
19.10.2012 die Verdachtsdiagnose eines Leberkarzinoms nicht bestätigt habe, eine Verletzung des §
128 Abs
1 S 1
SGG geltend machen wollen, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG ausdrücklich nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.