Verzinsung der Nachzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Verzinsung der Nachzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beklagte gewährt dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Auf seinen Antrag auf Weiterzahlung der zunächst
bis zum 30.11.2007 befristeten Rente erteilte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 11.8.2015 ein Anerkenntnis
über eine Rentenzahlung auf Dauer. Für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 30.11.2015 belief sich der Nachzahlungsbetrag auf
49.683,69 Euro. Der beigeladene Landkreis machte aufgrund von erbrachten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den
Bestimmungen des SGB XII einen Erstattungsanspruch in Höhe von 49.117,15 Euro geltend. Der Kläger erhielt in der Folge als Nachzahlung für den Monat
November 2015 566,54 Euro ausgezahlt. Seinen Antrag auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrages in voller Höhe lehnte die Beklagte
ab (Bescheid vom 13.4.2016; Widerspruchsbescheid vom 31.8.2016). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 27.4.2017; Urteil vom 18.1.2022). Auch das LSG hat einen Zinsanspruch des Klägers verneint. Sein Anspruch auf Rentenzahlung gelte aufgrund des Erstattungsanspruchs
des Beigeladenen als erfüllt. Ein zu verzinsender Anspruch bestehe deshalb nicht mehr. Nachteile aufgrund verspäteter Zahlung
seien nicht auszugleichen, da der Kläger laufend Leistungen des Beigeladenen bezogen habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger legt keinen Zulassungsgrund
iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§
162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre
(konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm
angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
160a RdNr 32 ff).
Der Kläger formuliert zunächst als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Geht der Anspruch einer leistungsberechtigten Person auf Gewährung von Zinsen aus einem Nachzahlbetrag gem. §
44 SGB I aufgrund der Tatsache verloren, als dass ein anderer Sozialleistungsträger infolge Vorleistung gem. § 107 Abs. 1 SGB X den Hauptleistungsanspruch erfüllt hat?"
Dazu zeigt der Kläger einen (abstrakten) Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig,
wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt
ist. Als geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich beantwortet
hat, jedoch bereits Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als
grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 12 KR 65/20 B - juris RdNr 9 mwN).
Der Kläger trägt lediglich vor, es gebe noch keine Entscheidungen des BSG zur Anwendung von §
44 Abs
1 SGB I auf Ansprüche auf Geldleistungen, die nach § 107 Abs 1 SGB X als erfüllt gelten. Auch ließen sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Kriterien oder Grundsätze zur Auslegung
des §
44 Abs
1 SGB I in solchen Fällen entnehmen. Er verweist zum Beleg dafür ua auf das Urteil des BSG vom 3.7.2020 (B 8 SO 15/19 R - SozR 4-1200 § 44 Nr 9), für das diese Problematik keine Rolle gespielt habe . In dem zitierten Urteil wird jedoch grundlegend ausgeführt, dass Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig
werden (§
41 SGB I) und sie nach §
40 Abs
1 SGB I entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl BSG aaO RdNr 10). Zugleich ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass die Erfüllungsfiktion in § 107 Abs 1 SGB X bereits mit dem (objektiven) "Bestehen" eines Erstattungsanspruchs eintritt (vgl BSG Urteil vom 28.3.2000 - B 8 KN 3/98 U R - BSGE 86, 78, 82 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 28 f). Woraus der Kläger vor diesem Hintergrund einen noch bestehenden, dh trotz der Erfüllungsfiktion noch nicht erloschenen Anspruch
auf Geldleistungen als Voraussetzung des Zinsanspruchs nach §
44 Abs
1 SGB I ableitet bzw inwiefern hierzu noch weiterer Klärungsbedarf besteht, erläutert die Beschwerdebegründung nicht (s dazu auch BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 1 KR 14/15 R - SozR 4-1300 § 111 Nr 9 RdNr 13; BSG Urteil vom 28.3.2017 - B 1 KR 15/16 R - BSGE 123, 10 = SozR 4-1300 § 107 Nr 7, RdNr 16).
Soweit der Kläger hilfsweise als zweite Frage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert:
"Ergibt sich zugunsten der leistungsberechtigten Person ein Zinsanspruch gem. §
44 SGB I, sofern der nachrangig verpflichtete Sozialleistungsträger gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger gem. §
108 Abs. 2 SGB X den insoweit zustehenden Zinsanspruch im Wege der Erstattung binnen der Frist des § 111 SGB X nicht geltend macht?"
fehlt es an Darlegungen zur (konkreten) Klärungsfähigkeit in dem erstrebten Revisionsverfahren. Die Beschwerdebegründung zeigt
nicht substantiiert auf, dass der Beigeladene einen solchen Anspruch auf Verzinsung seines Erstattungsanspruchs nicht geltend
gemacht und dass auch das LSG in seinem Urteil entsprechende Feststellungen getroffen hat (vgl §
163 SGG).
Dass der Kläger eine andere Rechtsauffassung als das LSG vertritt, genügt zur Darlegung einer Rechtssache von grundsätzlicher
Bedeutung nicht. Auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde
bietet - wie ausgeführt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1, §
121 Abs
1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.