Rückforderung einer großen Witwerrente
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen Bescheide, in denen der beklagte Rentenversicherungsträger die Bewilligungsbescheide für eine
große Witwerrente im Hinblick auf erzieltes, aber nicht mitgeteiltes eigenes Erwerbseinkommen rückwirkend für den Zeitraum
vom 1.7.1996 bis zum 30.9.2016 hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise aufgehoben und die dadurch entstandene Überzahlung iHv
94.463,31 Euro zurückgefordert hat (Bescheid vom 16.8.2016; Widerspruchsbescheid vom 28.11.2016; Teilanerkenntnis vom 28.3.2019). Im Klageverfahren hat das SG einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den die Beklagte aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt hat. Sodann hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil es ein grobes Mitverschulden der Beklagten im Hinblick auf von ihr unterlassene
regelmäßige Einkommensprüfungen und deshalb auch das Vorliegen eines atypischen Falles angenommen hat. Dies hätte bei der
Ermessensprüfung berücksichtigt werden müssen (Gerichtsbescheid vom 6.2.2019). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.1.2022). Die Voraussetzungen des für den Zeitraum bis zum 30.6.2014 maßgeblichen § 48 SGB X seien im Hinblick auf die grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten durch den Kläger erfüllt; zu beachtende Fristen
stünden der Aufhebungsentscheidung nicht entgegen. Die Beklagte habe auch erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu
treffen habe. Ermessensfehleinschätzungen seien nicht festzustellen, zumal weder ein atypischer Fall noch ein wesentliches
Mitverschulden der Beklagten vorliege.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der
Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG erforderlichen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§
162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten
Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 RS 10/21 B - juris RdNr 5). Diesen Anforderungen wird die für den Kläger mit Schriftsätzen vom 8.3.2022 und vom 26.4.2022 vorgelegte Beschwerdebegründung
nicht gerecht.
Der Kläger führt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung an, "ob in der vorliegenden Rechtssache eine typische oder atypische
Konstellation gegeben ist". Diese Frage sei höchstrichterlich noch nicht geklärt. Eine Antwort auf diese Frage hänge maßgeblich
von den Umständen des Einzelfalles ab. Insoweit habe das LSG verkannt, dass die Belehrung des Klägers über seine Mitteilungspflichten
"in einem sehr umfangreichen Schriftsatz erfolgte und weder prädestiniert und exponiert dargestellt wurde". Schon aus Gründen
der Einheitlichkeit der Rechtsordnung seien insoweit die Maßstäbe des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen heranzuziehen.
Auch der "Frage der Bewertung des Mitverschuldens" komme grundsätzliche Bedeutung zu. Das LSG habe dies "nichtzutreffend bewertet",
weil es die im
SGB I normierte Verpflichtung der Beklagten zur Beratung und Unterstützung "aufs gröbste vernachlässigt" habe; auch dies habe einen
atypischen Fall zur Folge. Schließlich habe das LSG rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der Kläger "in un-typischer
Weise erheblicher belastet" sei, weil "bei fehlerfreiem Verwaltungsvorgehen eine Überprüfung zu einem erheblich früheren Zeitraum
erfolgt wäre".
Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger mit diesem Vortrag abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm mit höherrangigem Recht formuliert hat. Jedenfalls fehlen jegliche Darlegungen
zur Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen im Lichte bereits vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung (s zu den Anforderungen zB BSG Beschluss vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 6 mwN). Mit den vom LSG zitierten Entscheidungen des BSG zur Problematik des Vorliegens eines atypischen Falles (vgl LSG-Urteil S 12 ff unter 3.) setzt sich der Kläger nicht erkennbar auseinander. Sein Vorbringen erschöpft sich in der Behauptung, das LSG habe in seiner
Rechtssache die maßgeblichen Umstände des Einzelfalles verkannt oder unzutreffend bewertet. Mit der Rüge einer fehlerhaften
Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG jedoch nicht dargetan werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.2.2022 - B 5 R 203/21 B - juris RdNr 13 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.