Grundvoraussetzungen für den Elterngeldbezug
Rechtliche Bewertung eines Zeitraums als mit Erwerbstätigkeit belegt
Bereits geklärte Rechtsfrage
Gründe:
I
In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Zahlung von Elterngeld anlässlich der Geburt ihres Sohnes am 10.3.2016 für die
Zeit vom 1. bis zum 12. Lebensmonat in Höhe des Mindestbetrags von 300 Euro pro Monat, unter Berücksichtigung des Basiselterngeldbezugs
des Kindsvaters. Für den Zeitraum vom 28.1. bis 5.5.2016 erhielt sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro pro Tag zzgl eines
Arbeitgeberzuschusses. Bis zum 9.3.2017 bestand für die Klägerin durchgehend ein Beschäftigungsverbot unter Fortzahlung des
Arbeitsentgelts für eine Vollzeittätigkeit.
Mit Urteil vom 22.6.2018 hat das LSG den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch verneint, weil sie im streitigen Zeitraum
eine volle Erwerbstätigkeit iS von § 1 Abs 1 S 1 Nr 4 iVm Abs 6 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ausgeübt habe. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Begriffs "volle Erwerbstätigkeit" entsprechend der Entscheidung
des BSG mit Urteil vom 15.12.2015 (B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8). Ziel des BEEG sei es nicht, neben den Leistungen nach §
11 Mutterschutzgesetz (
MuSchG) eine Doppelsicherung herbeizuführen, zumal es dafür auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keine sachliche Rechtfertigung
gäbe. Warum eine Arbeitnehmerin, die sich dem Arbeitgeber zur Verfügung stelle, sich also gerade nicht für die Erziehung des
Kindes entscheide, bei Eintritt eines Beschäftigungsverbots die Entgeltfortzahlung nach §
11 MuSchG - eine Leistung, die umlagefinanziert sei und der sozialen Sicherung während des Beschäftigungsverbots diene - zusätzlich
noch Leistungen nach dem BEEG erhalten solle, erschließe sich nicht. Das von der Klägerin angeführte Wortlautargument zu § 1 Abs 1 S 1 Nr 4 BEEG finde insgesamt keine Grundlage, insbesondere auch nicht in der Rechtsprechung des BSG. Die Überlegungen in der Entscheidung vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 1.8.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen,
weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz nicht ordnungsgemäß
dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte
Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 7/17 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam:
"ob während der Zeit eines Beschäftigungsverbots seitens des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlung nach §§
6 Abs.
3, §§
4,
7,
11 MuSchG a.F. für die Mutter ein Anspruch auf Elterngeld besteht, weil sie nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG eine Erwerbstätigkeit ausübt, weil das Ausüben der Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG rein faktisch anzusehen ist und der rechtliche Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses bei faktischer Nichtausübung der Erwerbstätigkeit
nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG anzusehen ist."
Ob die Klägerin mit dieser Frage eine Rechtsfrage hinreichend deutlich formuliert hat, kann dahingestellt bleiben. Denn sie
hat deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Um die Klärungsbedürftigkeit
in gebotener Weise aufzuzeigen, muss sich ein Beschwerdeführer mit Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des Gesetzes, wie
er sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt, sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (vgl BSG Beschluss vom 24.8.2017 - B 9 SB 24/17 B - Juris RdNr 10 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich nicht ausreichend mit den hier zentralen und von ihr selbst genannten Vorschriften
in §1 Abs 1 S1 Nr 4 und Abs 6 BEEG als Grundvoraussetzung für den Elterngeldbezug sowie in den genannten Vorschriften nach dem
MuSchG. Darüber hinaus weist die Klägerin selbst auf die Urteile des Senats vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3) und 15.12.2015 (B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8) hin, die auch bereits vom LSG in der angefochtenen Entscheidung benannt worden sind. Sie unterzieht
sich aber nicht der notwendigen Mühe, sich mit diesen Entscheidungen inhaltlich auseinanderzusetzen und prüft demzufolge -
anders als geboten - nicht, ob sich bereits aus diesen Entscheidungen Anhaltspunkte zur Beantwortung des von ihr aufgeworfenen
Problemkreises ergeben (vgl hierzu BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 9 SB 78/17 B - Juris RdNr 12 mwN). Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage bereits als höchstrichterlich geklärt. Es reicht daher nicht aus,
sich lediglich darauf zu berufen, eine höchstrichterliche Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Konstellation stehe noch
aus. Tatsächlich kritisiert die Klägerin mit ihrer Beschwerde die rechtliche Bewertung des streitigen Zeitraums durch das
LSG als mit Erwerbstätigkeit belegt. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand
der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Eine Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen
darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in
der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien
sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa
lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
Hierzu fehlen Ausführungen im Rahmen der Beschwerdebegründung. Diese behauptet lediglich das Vorliegen einer Divergenz gegenüber
dem Urteil des BSG vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3). Begründet wird diese Behauptung mit der Aussage, dass entgegen der Einschätzung des LSG das BSG seinen Standpunkt, wann eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde oder nicht, aus der genannten Entscheidung mit der nachfolgenden
Entscheidung mit Urteil vom 15.12.2015 (B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8) nicht aufgegeben bzw wesentlich modifiziert habe. Damit hat die Beschwerde aber bereits keine entscheidungstragenden,
sich widersprechenden Rechtssätze der von ihr zitierten Entscheidung des BSG und des angegriffenen LSG-Urteils herausgearbeitet. Tatsächlich hat sich das LSG gerade auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 15.12.2015 (B 10 EG 3/14 R, aaO) gestützt, ohne einen abweichenden Rechtssatz aufstellen zu wollen. Die Entscheidung des BSG vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R, aaO) hat das LSG auf den vorliegenden Fall nicht für übertragbar erachtet und sich nicht abweichend von dieser Rechtsprechung
geäußert.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.