Anspruch auf Elterngeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das LSG mit Urteil vom 21.10.2021 unter Aufhebung des anders lautenden
Urteils des SG die Klage gegen die Höhe der endgültigen Festsetzung des Elterngeldanspruchs der Klägerin aufgrund ihres am 7.3.2011 geborenen
Sohns für die Zeit vom 7.3.2011 bis zum 6.3.2012 und eine hiermit verbundene Rückforderung abgewiesen. Zwischen den Beteiligten
umstritten ist vor allem die Berücksichtigung zweier der Klägerin im März und Mai 2011 aus ihrer Tätigkeit als selbstständige
Handelsvertreterin zugeflossener nachlaufender Provisionszahlungen für Leistungen aus dem Jahr 2010 als Einkommen während
des Elterngeldbezugs.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat den von ihr ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache nicht in der danach vorgeschriebenen Weise dargelegt.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte
Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B juris RdNr 6).
Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
"ob bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes aus selbständiger Arbeit bestimmte Formen der Einkommenserzielung zu unterscheiden
sind oder ob das strenge Zuflussprinzip stets als Berechnungsgrundlage Anwendung findet, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BEEG".
Hierzu erläutert die Klägerin, dass es für gebundene Handelsvertreter Abweichungen vom strengen Zuflussprinzip geben müsse,
da sonst bei der Berechnung des Elterngelds eine Ungleichbehandlung gegenüber nichtselbstständigen Personen bestehe. Anders
als bei anderen Selbstständigen bestehe bei gebundenen, nur für einen Vertragspartner tätigen Handelsvertreter keine Möglichkeit
zum "Schieben der Rechnung". Provisionszahlungen seien hinsichtlich Höhe und Zahlungstermin fest vorgegeben. Bei ihr sei die
Gehalts-/Provisionsabrechnung wie bei einem Arbeitnehmer erfolgt. Der Gesetzgeber habe innerhalb selbstständiger Tätigkeiten
nicht differenziert und dies zur Vermeidung von Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der "Rechtsanwendung" übertragen.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den weiteren Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt
ausreichend konkret dargelegt oder ob sie vielmehr im Kern eine Frage zur Rechtsanwendung im Einzelfall gestellt hat. Jedenfalls
hat sie - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und Breitenwirkung dieser Frage nicht den nach
§
160a Abs
2 Satz 3
SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
Die Breitenwirkung der von ihr formulierten Frage hätte die Klägerin bereits deshalb ausdrücklich aufzeigen müssen, weil -
wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt - der Rechtsstreit mit § 2 BEEG in der bis zum 17.9.2012 gültigen Fassung (vom 23.11.2011) ausgelaufenes Recht betrifft, das nach § 27 Abs 1 Satz 1 BEEG (idF vom 23.10.2012) noch für den Fall der Klägerin galt, weil ihr Sohn vor dem 1.1.2013 geboren worden ist. Eine derartige außer Kraft getretene
Vorschrift hat aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung. Im Falle solchen ausgelaufenen bzw auslaufenden Rechts ist eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts
zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine
Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht (BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 7 mwN). Auf diese Voraussetzungen geht die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht ein.
Darüber hinaus wird die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage nicht formgerecht dargetan. Der Gesetzgeber hat durch
das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) mit Wirkung zum 18.9.2012 erhebliche Änderungen in § 2 Abs 1 und Abs 3 BEEG vorgenommen. Dabei hat er auf die Rechtsprechung des BSG zum elterngeldspezifisch modifizierten Zuflussprinzip (BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7873 § 2 Nr 6) reagiert. Durch die Änderung sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass auch für die zeitliche Zuordnung von Einnahmen
im BEEG die steuerrechtlichen Grundsätze und damit das Zufluss- und Realisationsprinzip gelten (BT-Drucks 17/9841 S 18). Die Klägerin selbst geht davon aus, dass der Gesetzgeber bereits nach der auf sie noch anwendbaren Rechtslage innerhalb
selbstständiger Tätigkeiten nicht differenziert habe und rügt diesbezüglich einen durch die Rechtsprechung zu korrigierenden
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Wird wie hier im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Verfassungsverletzung geltend gemacht, muss unter Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der gerügten Verfassungsnorm und den ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Grundsätzen in substantieller Argumentation
dargelegt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt
der infrage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer Ausgestaltung erörtert und die geltend gemachte
Verletzung der konkreten Regelung des
GG im Einzelnen dargetan werden. Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines Gestaltungsspielraums
überschritten und in unzulässiger Weise verletzt hat (stRspr; zB BSG Beschluss vom 18.11.2021 - B 9 V 17/21 B - juris RdNr 9 mwN). Eine solche substantiierte Erörterung bezogen auf die hier maßgeblichen einfachgesetzlichen Bestimmungen und die von der
Klägerin als verletzt bezeichnete verfassungsrechtliche Norm (Art
3 Abs
1 GG) lässt die Beschwerdebegründung vermissen.
Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches ebenso wenig zur Zulassung der
Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) wie ihre Unzufriedenheit mit den gesetzlichen Vorgaben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.