Einkommensermittlung beim Anspruch auf Beitragszuschuss in der Alterssicherung der Landwirte
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten - noch - über einen Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zu ihrem Beitrag zur landwirtschaftlichen
Alterskasse (LAK) für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.1998.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 30.11.1999 (unter Änderung des Bescheides vom 23.7.1999) rückwirkend ab 1.1.1998 Versicherungspflicht
der Klägerin zur LAK fest; einen Beitragszuschuss für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.1998 lehnte sie ab, weil nach dem Einkommensteuerbescheid
(vom 16.12.1997) für das Veranlagungsjahr 1995 die Einkommensgrenze von 40.000 DM überschritten sei. Nach dem Einkommensteuerbescheid
für das Veranlagungsjahr 1997 habe das Einkommen zwar unter dem Grenzbetrag gelegen; Anspruch auf Beitragszuschuss habe die
Klägerin gleichwohl nicht, weil dieser Bescheid vom 24.6.1999 bei Beginn des Zuschusszeitraums (1.1. bis 30.11.1998) noch
nicht vorgelegen habe (Bescheid vom 25.7.2000; Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin ua für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.1998 Beitragszuschuss zur Alterssicherung
der Landwirte auf der Grundlage eines jährlichen Einkommens von 15.170 DM zu gewähren, wie es sich aus dem Einkommensteuerbescheid
vom 24.6.1999 für das Veranlagungsjahr 1997 ergebe (30.340 DM gemeinsam mit ihrem Ehemann erzieltes Einkommen; davon 15.170
DM als der Klägerin zuzurechnende Hälfte). Dieser Einkommensteuerbescheid gebe die genaueste Auskunft über das für 1998 zu
erwartende Einkommen und sei deshalb bezogen auf den Zeitpunkt der ersten Verwaltungsentscheidung über den Beitragszuschuss
maßgeblich, obwohl er erst nach Ende des streitigen Zuschusszeitraums ergangen sei (Urteil vom 24.9.2003).
Das Landessozialgericht (LSG) hat - insoweit - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Beitragszuschuss sei - wie vom
SG zu Recht entschieden - auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides vom 24.6.1999 zu berechnen (Urteil vom 15.12.2005).
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie hält § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1, Abs 4 Satz 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in der seinerzeit geltenden Fassung für verletzt, wonach Änderungen des Einkommens erst für die Zeit nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides
zu berücksichtigen seien. Bis zum Ende des hier streitigen Zuschusszeitraums am 30.11.1998 sei deshalb das im Einkommensteuerbescheid
vom 16.12.1997 für das Veranlagungsjahr 1995 festgestellte Einkommen maßgeblich.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 15.12.2005 und des SG Karlsruhe vom 24.9.2003 aufzuheben, soweit sie Beitragszuschuss
für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.1998 betreffen, und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Berufungsurteil.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§
124 Abs
2 SGG) einverstanden erklärt.
II. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Bei einer Erstentscheidung über Beitragszuschuss - wie hier - ist das Einkommen zugrunde zu legen, welches sich aus dem Einkommensteuerbescheid
für das dann zeitnächste Veranlagungsjahr - hier 1997 - ergibt. Da hierdurch die Einkommensgrenze nicht überschritten war,
hat das SG die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.1998 Beitragszuschuss entsprechender Höhe
zu gewähren. Ebenso zu Recht hat das LSG die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Nach § 32 Abs 1 ALG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 15.2.1995 (BGBl I 1814) - aF - erhalten versicherungspflichtige Landwirte
einen Zuschuss zu ihrem Beitrag, wenn das jährliche Einkommen 40.000 DM nicht übersteigt. Die mit der Statuierung von Einkommensgrenzen
allgemein verbundenen Probleme (Definition des Einkommens, Referenzperiode und Einkommensermittlung) löst das ALG in § 32 Abs 3, indem es an das Einkommensteuerrecht anknüpft und nicht auf das laufende, zeitgleich mit dem Beitragszuschuss erzielte,
aktuelle Einkommen abstellt, sondern ein historisches Einkommen als gegenwärtiges fingiert. Das Gesetz enthält dazu folgende
Regelung: Hat für eines der letzten vier Kalenderjahre vor dem Kalenderjahr, für das der Anspruch auf Beitragszuschuss zu
prüfen ist, eine Veranlagung zur Einkommensteuer stattgefunden, so ist die dort (verbindlich) festgestellte Summe der positiven
Einkünfte zugrunde zu legen; sind mehrere Kalenderjahre veranlagt, gelten die Einkünfte im zeitnächsten (jüngsten) Jahr. Erst
wenn eine Veranlagung für eines der letzten vier Kalenderjahre fehlt hat die Alterskasse die Summe der positiven Einkünfte
des vorvergangenen Jahres selbstständig nach steuerlichen Grundsätzen zu ermitteln und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.
§ 32 Abs 4 Satz 2 ALG aF schränkt den Vorrang des Einkommensteuerbescheides für das zeitnächste Veranlagungsjahr vor Einkommensteuerbescheiden
für zeitfernere Veranlagungsjahre ein: Änderungen des Einkommens - die sich nur aus Einkommensteuerbescheiden für weniger
weit zurückliegende Veranlagungsjahre ergeben können - werden nicht vom Zeitpunkt der Änderung, sondern erst vom Ersten des
Kalendermonats an berücksichtigt, der auf die Vorlage des Bescheides durch den Zuschussempfänger folgt. Der - erschöpfende
- sachliche Grund für diese verzögerte und nur zukünftige Berücksichtigung historischer Einkommensänderungen liegt im geringeren
Verwaltungsaufwand bei Neufeststellung laufend gewährter Beitragszuschüsse. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass der Beitragszuschuss
noch für kurze Zeit nach veralteten und weniger realitätsgerechten Daten berechnet - und gezahlt - wird, um den Verwaltungsaufwand
zu vermeiden, der mit rückwirkenden Neufeststellungen verbunden wäre, die Rückforderungen bzw Nachzahlungen für die Vergangenheit
erforderlich machten (vgl BSGE 87, 76, 79 = SozR 3-5868 § 32 Nr 4 S 25 f; BSG SozR 3-5868 § 32 Nr 11 S 72). Im Gesetz fehlt jeder Anhalt, dass bei Erstfeststellungen
- wie im vorliegenden Fall - ältere und deshalb in ihrer Aussagekraft überholte Einkommensteuerbescheide für zeitfernere Veranlagungsjahre
maßgeblich sein sollen (BSG SozR 3-5868 § 32 Nr 11 S 72), wenn bereits Daten für die jüngere Vergangenheit vorliegen, die
das laufende Einkommen normalerweise besser repräsentieren. Die von der Beklagten bei rückwirkend festgestellter Versicherungspflicht
befürwortete Nachzeichnung der Bewilligungsgeschichte, wie sie bei fiktiven Entscheidungen über den Beitragszuschuss und bei
gedachten Neufeststellungen nach Vorlage des jeweils jüngsten Einkommensteuerbescheides für das zeitnächste Veranlagungsjahr
abgelaufen wäre, dürfte sich auch deshalb verbieten, weil damit neben größerem Verwaltungsaufwand - bei im Zeitablauf regelmäßig
steigenden Einkommen - häufig erhöhte Ausgaben für Beitragszuschüsse und damit - wegen deren Steuerfinanzierung - Fehlsubventionierungen
verbunden wären (vgl zur Einsparung von Haushaltsmitteln durch Einkommensaktualisierung im Erziehungsgeldrecht BSG SozR 3-7833
§ 6 Nr 13 S 76).
Danach hatte die Beklagte ihrer (Erst-)Entscheidung über Beitragszuschuss am 25.7.2000 das Einkommen der Klägerin zugrunde
zu legen, wie es sich aus dem an diesem Tage vorliegenden Einkommensteuerbescheid vom 24.6.1999 für das bezogen auf den Zuschusszeitraum
1998 zeitnächste Veranlagungsjahr 1997 mit - die Ausschlussgrenze unterschreitenden - 15.170 DM ergab. Zu Recht hat das LSG
nicht auf die späteren, bei Entscheidung über den Widerspruch am 15.3.2002 bereits vorliegenden Einkommensteuerbescheide vom
20.9.2000 (Änderungsbescheid für 1997) und vom 25.5.2001 (Veranlagungsjahr 1998) abgestellt. § 32 Abs 4 Satz 2 ALG verhindert auch Neuberechnungen, Rückzahlungen und Nachzahlungen, die eine rückwirkende Berücksichtigung während des Widerspruchsverfahrens
ergehender Einkommensteuerbescheide notwendig machten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.