Höhe einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte; Verfassungsmäßigkeit
der Berechnung mit einem verminderten allgemeinen Rentenwert
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).
Die Klägerin ist die Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des am 22.3.1947 geborenen und am 16.4.2008 verstorbenen früheren
Landwirts W. B., der bei der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse versichert war (im Folgenden: der Versicherte). Diesem
gewährte die Beklagte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.10.2006 (§ 13 ALG). Dabei verminderte sie den sog allgemeinen Rentenwert wegen Inanspruchnahme der Rente vor Vollendung des 63. Lebensjahres
um 10,8 % (Bescheid vom 5.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2007).
Das Sozialgericht Hannover (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.6.2008). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Berufung der
Klägerin, mit der diese - wie schon im Klageverfahren - die Verfassungswidrigkeit des der Rentenminderung zugrunde liegenden
§ 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG geltend gemacht hat, zurückgewiesen (Urteil vom 18.9.2008). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Unstreitig
habe die Beklagte § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG zutreffend angewandt. Die Vorschrift sei unter keinem Gesichtspunkt verfassungswidrig. Insbesondere liege eine den Gleichheitsgrundsatz
des Art
3 GG verletzende willkürliche Gleichbehandlung der in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) versicherten Landwirte mit den Versicherten
in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) nicht vor.
Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht die Klägerin eine Unvereinbarkeit des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG mit dem
GG geltend. Zunächst sei Art
14 Abs
1 GG verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unterfielen Rentenansprüche und Rentenanwartschaften
dem Eigentumsschutz des Art
14 Abs
1 Satz 1
GG. § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG greife in das eigentumsrechtlich geschützte Anwartschaftsrecht des Versicherten auf eine Erwerbsminderungsrente ein, indem
er den allgemeinen Rentenwert um einen Abschlag von 10,8 % mindere. § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG stelle keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art
14 Abs
1 Satz 2
GG dar, weil es an einer verfassungsrechtlich gebotenen Rechtfertigung fehle. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt,
denn es mangele an einem legitimen Zweck für die Einführung von Abschlägen auf Erwerbsminderungsrenten nach dem ALG.
Auch Art
3 Abs
1 GG sei verletzt. Vorliegend sei zum einen die Gruppe der Erwerbsminderungsrentner nach dem ALG mit der Gruppe der Erwerbsminderungsrentner nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) sachwidrig gleichgesetzt worden, indem die in der RV eingeführte Abschlagsregelung pauschal auf die AdL übertragen worden
sei. Die Versicherungssysteme der gesetzlichen RV und der AdL wiesen jedoch in ihrer jeweiligen Ausgestaltung (hinsichtlich
der Beiträge bzw der Finanzierung wie auch der Leistungen und ihrer Voraussetzungen) erhebliche Unterschiede auf. So habe
die Abschlagsregelung bei Erwerbsminderungsrenten in der AdL ganz andere Folgen, und es existierten andere Begleitumstände
als in der gesetzlichen RV. Darüber hinaus liege eine unzulässige Gleichbehandlung von Alters- und Erwerbsminderungsrentnern
in der AdL vor.
Schließlich verstoße die Neuregelung auch gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die
Einführung der Minderungsregelung werde gerade in Fällen wie demjenigen des Versicherten, der kurz vor Vollendung des 60.
Lebensjahres die Erwerbsminderungsrente in Anspruch genommen habe, nur unzureichend abgefedert.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.9.2008 und des SG Hannover vom 25.6.2008 aufzuheben und die Beklagte unter
Änderung des Bescheides vom 5.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2007 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin
ihres verstorbenen Ehemannes die diesem gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.10.2006 bis 30.4.2008
unter Berücksichtigung eines unverminderten allgemeinen Rentenwertes zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Revision für unbegründet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§
124 Abs
2 SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin, die als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß §
56 SGB I das Begehren des Versicherten, ihres verstorbenen Ehemannes, weiterverfolgt, eine höhere als die diesem für die Zeit vom
1.10.2006 bis zum 30.4.2008 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines nicht nach § 23 Abs 8 Satz 1 und Satz 2 ALG verminderten allgemeinen Rentenwerts zu erhalten, steht der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht zu (dazu unter 1.). Darin
liegt nach Überzeugung des Senats keine Grundrechtsverletzung (dazu unter 2.).
1. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer höheren Erwerbsminderungsrente setzt zunächst voraus,
dass dem Versicherten ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach § 13 ALG zustand. Ob die Voraussetzungen des § 13 ALG gegeben sind, kann durch den Senat nicht abschließend geprüft werden, da die Instanzgerichte hierzu keinerlei Feststellungen
getroffen haben. Gleichwohl muss die Sache nicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen werden, weil - auch bei
unterstelltem Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 ALG - ein Anspruch auf höhere Rente nach den dann maßgeblichen Vorschriften nicht in Betracht kommt.
Die Höhe der dem Versicherten nach § 13 ALG mit Bescheid vom 5.12.2006 für die Zeit ab 1.10.2006 gewährten Erwerbsminderungsrente richtet sich nach § 23 ALG. Maßgeblich war zunächst dessen Fassung vom 24.7.2003 (BGBl I 1526), die bis zum 30.4.2007 gegolten hat. Die mit Wirkung
ab 1.5.2007 erfolgte Einfügung der Sätze 6 und 7 in § 23 Abs 2 ALG durch das Gesetz vom 20.4.2007 (BGBl I 554) ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Soweit das Gesetz vom 20.4.2007
mit Wirkung ab 1.1.2008 auch § 23 Abs 8 ALG geändert hat, wirkt sich dies nach der Übergangsvorschrift des § 93a Abs 1 und 3 ALG hier nicht aus. Danach ergibt sich der Monatsbetrag der Rente des Versicherten, wenn die Steigerungszahl, der Rentenartfaktor
und der allgemeine Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Dabei ist die Steigerungszahl
nach Maßgabe von § 23 Absätze 2, 3 und 5 ALG, der Rentenartfaktor nach § 23 Abs 6 ALG zu ermitteln. Der allgemeine Rentenwert bestimmt sich im Grundsatz nach § 23 Abs 4 ALG. Bei Inanspruchnahme von Renten vor Erreichen eines bestimmten Lebensalters ist dieser gemäß § 23 Absätze 8 bis 11 ALG zu vermindern. Schließlich ist bei Rentenbeginn zwischen dem 1.7.1995 und dem 30.6.2009 nach den Übergangsregelungen der
§§ 97 und 99 ALG ggf ein Zuschlag hinzuzufügen, der sich anhand einer Vergleichsberechnung mit dem Anspruch ergibt, der nach dem bis zum 31.12.1994
geltenden Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) zu errechnen gewesen wäre.
Ausgehend von diesen Regelungen hat die Beklagte die Rentenhöhe der dem Versicherten gewährten Erwerbsminderungsrente zutreffend
berechnet. Sie hat insbesondere zu Recht einen um 10,8 % geminderten allgemeinen Rentenwert in die Rentenberechnung eingestellt.
Dies folgt aus § 23 Abs 8 ALG in der Fassung vom 24.7.2003, die wie folgt lautet:
"(8) Für jeden Kalendermonat,
1. für den eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch
genommen wird,
2. (...)
3. (...)
vermindert sich der allgemeine Rentenwert um 0,3 vom Hundert (Abschlag); dies gilt nicht hinsichtlich eines nach Absatz 5
zu gewährenden Zuschlags zu Renten wegen Todes. Bei Renten wegen Erwerbsminderung und bei Renten wegen Todes beträgt der Abschlag
höchstens 10,8 vom Hundert, es sei denn, aus den diesen Renten zugrunde liegenden Steigerungszahlen wurde bereits eine vorzeitige
Altersrente ermittelt. Der verminderte allgemeine Rentenwert gilt auch für Bezugszeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres."
Da der Versicherte die Erwerbsminderungsrente 42 Monate vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen hat, hat
die Beklagte den allgemeinen Rentenwert nach § 23 Abs 8 Satz 2 ALG rechnerisch zutreffend um den Höchstwert von 10,8 % gemindert. Die Richtigkeit der Berechnungen ist im Übrigen zwischen den
Beteiligten nicht streitig.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG nicht gegen das
GG. Zwar kann sich die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nach §
56 SGB I auch auf eine verfassungswidrige Verkürzung von Grundrechten des Versicherten berufen, weil sie mit ihrer Klage die Zahlung
einer höheren als der dem Versicherten gewährten Rente erstrebt und folglich die Geltendmachung eines nicht höchstpersönlichen
Anspruchs des Versicherten fortführt (vgl hierzu BVerfGE 88, 366, 374). Die von ihr behauptete Verletzung von Grundrechten in der Person des verstorbenen Versicherten liegt indes nicht vor.
a) Die Klägerin kann zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, durch die Zugrundelegung eines um 10,8 % geminderten allgemeinen
Rentenwertes für die Berechnung der Erwerbsminderungsrente des Versicherten sei dieser in seinem Grundrecht aus Art
14 Abs
1 GG (Eigentumsgarantie) verletzt worden.
Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art
14 Abs
1 GG erfasst (vgl BVerfGE 122, 151, 180 ff; BVerfGE 117, 272, 292 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 50 mwN; stRspr). Dazu gehören auch die Rentenanwartschaften in der AdL (vgl BSG, Urteil
vom 30.3.2006 - Az B 10 LW 3/04 R - SozR 4-5868 § 13 Nr 2; Entsprechendes lässt sich mittelbar auch der Rechtsprechung des BVerfG entnehmen, vgl BVerfGE 25,
314, 321 f = SozR Nr 77 zu Art
3 GG).
Der Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG ist vorliegend dadurch tangiert, dass im Vergleich zur bis zum 31.12.2000 geltenden Rechtslage eine Verschlechterung für
den verstorbenen Versicherten insoweit eingetreten ist, als aufgrund seiner Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung
vor Vollendung des 63. Lebensjahres der allgemeine Rentenwert um 10,8 % gemindert wurde.
Die monatliche Verminderung des allgemeinen Rentenwerts um 10,8 % (also von 12,06 auf 10,76) geht zurück auf das Gesetz zur
Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20.12.2000 (BGBl I 1827), mit welchem erstmals in §
23 Abs 8 ALG eine Regelung über die Absenkung des allgemeinen Rentenwerts bei Erwerbsminderungsrenten eingeführt wurde. Im Falle des Versicherten
bewirkte die Regelung des § 23 Abs 8 ALG in der hier maßgeblichen Fassung, die insoweit gegenüber der Fassung des RRErwerbG keine wesentliche Änderung erfahren hat,
(unter Außerachtlassung anzurechnenden Einkommens im Monat Oktober 2006) eine monatliche Absenkung des Rentenbetrages (Netto)
von 232,42 Euro auf 207,36 Euro, also um 25,06 Euro, was in etwa 10,8 % entspricht.
Zwar hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen jedenfalls teilweisen Ausgleich der Minderung des allgemeinen Rentenwerts durch
die Berücksichtigung zusätzlicher Zurechnungszeiten vorgesehen. Der Erwerbsgeminderte wird nach § 19 Abs 1 ALG nunmehr so gestellt, als ob er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weitergearbeitet hätte, während vorher die Zeit ab
dem 55. Lebensjahr lediglich zu einem Drittel berücksichtigt wurde (vgl § 19 Abs 1 ALG in den bis zum 1.1.2001 geltenden Fassungen). Allerdings findet § 19 Abs 1 ALG aufgrund der Regelung des § 19 Abs 3 ALG ua dann keine Anwendung, wenn die erforderliche Vorversicherungszeit (§ 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG) nur aufgrund von in der gesetzlichen RV anerkannten Beitragszeiten (§ 13 Abs 2 Nr 2 ALG) erfüllt ist. Zwar hat das LSG dazu keine Feststellungen getroffen, jedoch ist nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides
davon auszugehen, dass diese Vorschrift im Falle des Versicherten, der seit dem 1.1.1998 keine Beitragszeiten in der AdL mehr
zurückgelegt hat, zum Tragen gekommen ist. Denn bei diesem sind keine Zurechnungszeiten berücksichtigt worden. Dementsprechend
hat die Minderung des allgemeinen Rentenwerts um 10,8 % bei ihm auch zu einer Nettorentenminderung in diesem Umfang geführt.
Die an Art
14 Abs
1 GG zu messende Rentenminderung stellt eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber iS von Art
14 Abs
1 Satz 2
GG dar.
Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für Rentenanwartschaften nach Art
14 GG schließt deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin aus. Insbesondere eine Anpassung
an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch eine wertmäßige Verminderung von Anwartschaften lässt
die Eigentumsgarantie grundsätzlich zu (vgl BVerfGE 100, 1, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f). Die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes ergibt sich erst aus der Bestimmung
von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber nach Art
14 Abs
1 Satz 2
GG (vgl BVerfGE 53, 257, 292 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 70, 101, 110 = SozR 2200 § 1260c Nr 17 S 64; BVerfGE 75, 78, 97 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 461 f; BVerfGE 100, 1, 37 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f; BVerfGE 116, 96 ff = SozR 4-5050 § 22 Nr 5; stRspr). Soweit in schon bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen,
dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei
ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis
von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des
sozialen Ausgleichs beruht (vgl BVerfGE 70, 101, 111 = SozR 2200 § 1260c Nr 17 S 64; BVerfGE 116, 96 ff = SozR 4-5050 § 22 Nr 5; stRspr).
Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen allerdings einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl
BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 70, 101, 111 = SozR 2200 § 1260c Nr 17 S 64; BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f; BVerfGE 122, 151, 182; stRspr). Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch
den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind (vgl BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f). Die eigene Leistung kommt dabei vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen zum
Ausdruck (vgl BVerfGE 53, 257, 291 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 58, 81, 112 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12; BVerfGE 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 128 f; BVerfGE 100, 1, 33 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f; BVerfGE 116, 96 ff = SozR 4-5050 § 22 Nr 5; stRspr). Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition
ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen
beruht (vgl BVerfGE 122, 151, 180 ff; BVerfGE 116, 96 ff = SozR 4-5050 § 22 Nr 5; BVerfGE 58, 81, 112 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12; stRspr).
Knüpft der Gesetzgeber - wie hier - an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen
begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz
des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in
Art
14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat (vgl BVerfGE 58, 81, 120 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12; BVerfGE 64, 87, 104 = SozR 5121 Art 2 § 2 Nr 1; BVerfGE 71, 1, 11 f = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1 S 2; BVerfGE 76, 220, 244 f = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 16; BVerfGE 122, 151, 187; stRspr).
Der Gesetzgeber ist mit der zur Prüfung gestellten Vorschrift des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG im Rahmen seiner Befugnis geblieben, Inhalt und Schranken des Eigentums auszugestalten. Der in der gesetzlichen Regelung
liegende Eingriff in die Anwartschaft des Versicherten ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt (dazu unter aa)
und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (dazu unter bb). § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG verstößt im Übrigen auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (dazu unter cc).
aa) Die zum 1.1.2001 durch das RRErwerbG in § 23 Abs 8 ALG erfolgte Einführung der Absenkung des allgemeinen Rentenwerts bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor
Vollendung des 63. Lebensjahres dient verfassungsrechtlich relevanten erheblichen Gemeinwohlinteressen. Dies ergibt sich aus
dem Gesamtzusammenhang, in welchem diese Neuregelung erlassen wurde.
Die Einführung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG ist Bestandteil einer größeren Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Gesetzgeberischer Ausgangspunkt war
eine Neuregelung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten in der gesetzlichen RV (dazu unter (1)); im Zuge derselben hat er
auch die Regelungen des ALG zur Höhe der Erwerbsminderungsrenten geändert (dazu unter (2)).
(1) Ein Schwerpunkt des RRErwerbG vom 20.12.2000 war (neben einer Ersetzung der Berufsund Erwerbsunfähigkeitsrenten durch
Renten wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung) die Einführung der Berechnungsregelung des §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI, nach welcher in der gesetzlichen RV der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
vor Vollendung - damals: des 63. Lebensjahres - um 0,003 Punkte pro Lebensjahr abgesenkt wird (so die jetzt maßgebliche Auslegung
durch die zuständigen Rentensenate des BSG, vgl Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 32/07 R - BSGE 101, 193 ff = SozR 4-2600 § 77 Nr 5; Urteile vom 14.8.2008 - B 5 R 88/07 R und B 5 R 140/07 R -; bestätigt nochmals durch das Urteil vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R - juris; anders noch der - inzwischen nicht mehr zuständige - 4. Senat des BSG, vgl BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3, jeweils RdNr 22 f). Wie der 5. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist diese Absenkungsregelung
wiederum Teil einer Gesamtstrategie, mit der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten auf die demografische Entwicklung
der Versichertengemeinschaft reagiert und die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung langfristig gesichert werden
sollte. Sie enthielt zunächst die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Minderung des Zugangsfaktors für vorzeitige Altersrenten
durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) und wurde mit einer nochmaligen Anhebung von Rentenaltersgrenzen durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007
(BGBl I 554) in jüngster Vergangenheit fortgeführt (vgl auch dessen Begründung, BT-Drucks 16/3794 S 1). Damit sollte in der
gesetzlichen RV eine sozial angemessene und finanziell tragfähige Alterssicherungspolitik verwirklicht und ein wichtiger Beitrag
zu mehr Wachstum und Beschäftigung geleistet werden (vgl Nationaler Strategiebericht der Bundesregierung, Sozialschutz und
soziale Eingliederung vom 9.8.2006, BR-Drucks 583/06 S 33).
In diesem Gesamtzusammenhang steht auch die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten
nach Maßgabe des §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI. Auch diese Regelung verfolgt entsprechende finanzielle Ziele. Dem Gesetzgeber ging es zwar einerseits darum, eine "Flucht"
vor einer abgesenkten vorzeitigen Altersrente in die bis dahin ungeminderte Erwerbsminderungsrente zu verhindern und so eine
sachgerechte und sozial ausgewogene Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu statuieren (vgl BT-Drucks
14/4230 S 23). Andererseits wollte er aber auch dem versicherungsmathematischen Ungleichgewicht entgegensteuern, das in einem
früh beginnenden Rentenbezug liegt. Der Vorteil der früheren Inanspruchnahme einer Rente besteht darin, dass die Summe der
gezahlten Rentenleistungen statistisch gesehen höher ist als bei einem späteren Rentenbeginn, weil die Rentenlaufzeit statistisch
insgesamt länger ist. Ein früher Renteneintritt bedeutet daher trotz der durch fehlende Beitragszeiten bedingten geringeren
Rente eine Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft, die durch einen abgesenkten Zugangsfaktor begrenzt werden kann (vgl
BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, jeweils RdNr 23). Auch dieser Äquivalenzgedanke findet sich in der Gesetzesbegründung zum RRErwerbG
wieder (BT-Drucks 14/4230 S 26 zu Nr 16 und zu Nr 22).
Damit dient die Einführung einer Absenkungsregelung für Erwerbsminderungsrenten in der gesetzlichen RV ersichtlich dem Ziel,
die Funktions- und Leistungsfähigkeit der RV im Interesse aller zu erhalten und den - vor allem durch den demographischen
Wandel bedingten - veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Es ging dem Gesetzgeber insoweit vor allem um eine
Verlangsamung der nach früherem Recht zu erwarten gewesenen Erhöhungen des Beitragssatzes in der RV und der entsprechenden
Mehrausgaben des Bundes (so das BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, jeweils RdNr 35, unter Verweis auf BT-Drucks 14/4230 S 36 mit Tabelle Nr 1).
Das BVerfG hat bereits mehrfach entschieden, dass finanzielle Erwägungen dieser Art, also das Ziel der Stabilisierung der
Finanzen eines Versicherungssystems wie der gesetzlichen RV, einen legitimen Grund für den Eingriff in Rentenanwartschaften
darstellen (vgl jüngst zB BVerfGE 122, 151, 183; BVerfGE 117, 272, 297 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 63). Mit Blick darauf hat der 5. Senat des BSG auch die durch §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI bedingten Änderungen im Beitrags-/Leistungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung schon allein aufgrund der finanziellen
Erwägungen für verfassungsgemäß erachtet (vgl BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5).
(2) Im Ergebnis ist auch die mit demselben Reformgesetz eingeführte Minderungsregel des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG verfassungsrechtlich nicht anders zu bewerten. Sie beinhaltet eine dem §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI in den Auswirkungen auf den Rentenanspruch entsprechende Regelung und ist ebenfalls durch erhebliche finanzielle Gemeinwohlbelange
gerechtfertigt. Diese liegen in der Verschränkung von RV und AdL hinsichtlich des Beitrags-/Leistungsverhältnisses begründet.
(a) Schon im Zuge der Vorbereitungen der Reform der gesetzlichen Regelungen zu den Erwerbsminderungsrenten war die Absicht
formuliert worden, die in der gesetzlichen RV vorgesehenen Änderungen in engem zeitlichen Zusammenhang durch gleichgerichtete
und wirkungsgleiche Maßnahmen in anderen ganz oder überwiegend öffentlich finanzierten Alterssicherungssystemen zu flankieren
(vgl Wirth, Änderung des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte im Rahmen des Rentenreformgesetzes 1999, SdL 1997,
204 unter Verweis auf die Vorschläge der Kommission zur Fortentwicklung der Rentenversicherung). Daher hat der Gesetzgeber
durch das RRErwerbG einen Rentenabschlag in der AdL eingeführt, der demjenigen in der allgemeinen RV - unter Berücksichtigung
der Besonderheiten der landwirtschaftlichen Alterssicherung - entsprechen sollte (vgl BT-Drucks 14/4230 S 1 und 24; BT-Drucks
14/4630 S 2) und tatsächlich auch entspricht. In der gesetzlichen RV erfolgt die Absenkung gemäß §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI im Rahmen des Zugangsfaktors. Da die Renten nach dem ALG jedoch ohne Zugangsfaktor berechnet werden, musste die Neuregelung im ALG abweichend gestaltet werden.
Anders als in der gesetzlichen RV spielt bei der Beitragsbemessung gemäß § 68 ALG die Höhe des in der aktiven Erwerbsphase des Landwirts erzielten Einkommens keine Rolle; es wird vielmehr ein für alle Versicherten
gleich hoher Einheitsbeitrag erhoben (vgl dazu Koch/Möller-Schlotfeldt in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts,
Band 3 Rentenversicherungsrecht, § 65 RdNr 12). Dementsprechend ergibt sich die Rentenhöhe nach § 23 Abs 1 ALG nicht unter Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten, deren Höhe von erzieltem und den geleisteten Beiträgen zugrunde
liegendem Erwerbseinkommen sowie einem Zugangsfaktor abhängt, sondern anstelle dessen anhand der Steigerungszahl, die ausschließlich
bestimmt wird durch die Anzahl der mit Beitrags- oder Zurechnungszeiten belegten Kalendermonate.
Infolge dieser Besonderheiten ordnet § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG in der hier maßgeblichen Fassung eine Minderung des allgemeinen Rentenwerts um 0,3 % für jeden Kalendermonat an, für den
eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird.
Die Anwendung der Minderungsregelung bei Inanspruchnahme einer Rente vor dem 63. Lebensjahr führt rechnerisch zu denselben
Nettobetragsminderungen wie in der gesetzlichen RV: In beiden Rentenformeln ist im Ergebnis einer der in die Formel eingestellten
Faktoren durch den Minderungsfaktor ergänzt, wobei der Abschlag um 0,3 % pro Kalendermonat vorzeitiger Inanspruchnahme in
der AdL dem in der RV verwendeten Faktor (1 - 0,003 pro Kalendermonat) entspricht. In beiden Gesetzen finden sich im Übrigen
Regelungen, die den Abschlag auf höchstens 10,8 % begrenzen.
(b) Die Minderungsregelung im ALG wird ebenso wie die im
SGB VI durch gewichtige finanzielle Interessen gerechtfertigt, die einen verfassungsrechtlich beachtlichen Gemeinwohlbelang darstellen.
Nur durch diese Maßnahme wird nämlich in der AdL die Aufrechterhaltung der Beitragsstabilität gewährleistet, ohne dass es
ungebremst zu Mehrausgaben des Bundes kommt. Das hängt insbesondere mit der seit 1995 bestehenden Anbindung des Beitragsrechts
der AdL an die gesetzliche RV zusammen.
Die AdL wurde 1957 zunächst als ein rein auf Beitragsfinanzierung beruhendes Solidarsystem eingeführt (vgl hierzu Rombach,
Alterssicherung der Landwirte, 1995, S 26), dessen Einnahmen allein durch den erhobenen Einheitsbeitrag gespeist wurden. Aufgrund
des Strukturwandels in der Landwirtschaft und des damit einhergehenden Schwundes an Beitragszahlern nahmen an diesem System
allerdings schon bald mehr Leistungsbezieher als Beitragszahler teil; der demographische Wandel wirkte sich dort also viel
früher aus als in der gesetzlichen RV (vgl hierzu Hagedorn/Mehl, Sozialpolitische Reformen für die deutsche Landwirtschaft:
Herausforderungen und Empfehlungen, Internationale Revue für Soziale Sicherheit, 54, 1/2001, 101 ff; Deisler, Die Organisation
der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Deutschland, SdL 2005, 26, 29). Infolgedessen stieg der monatliche Einheitsbeitrag
sprunghaft an (von 36 DM im Jahr 1973 auf 220 DM im Jahr 1989; vgl dazu mit weiteren Zahlenbeispielen Rombach, Alterssicherung
der Landwirte, 1995, S 25 f).
Diese Entwicklung machte eine umfassende Agrarsozialreform erforderlich, die durch das Gesetz zur Reform der agrarsozialen
Sicherung (ASRG 1995) vom 29.7.1994 (BGBl I 1890) umgesetzt wurde (vgl hierzu die Gesetzesbegründung in BR-Drucks 508/93,
S 62 ff). Da man das der landwirtschaftlichen Altersvorsorge eigene System der Erhebung eines Einheitsbeitrags (allerdings
ergänzt durch einkommensabhängige Beitragszuschüsse) beibehalten wollte (vgl BR-Drucks aaO, S 66), war es erforderlich, das
Beitrags-/Leistungsverhältnis der AdL an systemexternen Maßstäben auszurichten, um dauerhaft eine Stabilität des Einheitsbeitrags
zu gewährleisten. Als Referenzsystem wurde dabei aus Gründen einer möglichst gleichförmigen Entwicklung aller Alterssicherungssysteme
dasjenige System herangezogen, das für den größten Teil der Bevölkerung gilt, nämlich die gesetzliche RV (vgl Wirth, 50 Jahre
Alterssicherung der Landwirte, SdL 2007, 96, 98 f; Hagedorn/Mehl, Sozialpolitische Reformen für die deutsche Landwirtschaft:
Herausforderungen und Empfehlungen, Internationale Revue für Soziale Sicherheit 2001, 101,108). Inhalt der Agrarsozialreform war es daher unter anderem, in der AdL die Beiträge von der Entwicklung der Ausgaben abzukoppeln
und diese stattdessen an der Entwicklung der Beiträge in der gesetzlichen RV zu orientieren (vgl BR-Drucks aaO, S 72; vgl
dazu von Einem, Das Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, ZfS 1995, 1, 4).
Ermöglicht wurde diese Neustrukturierung durch eine gleichzeitige Umstellung des gesamten Finanzierungssystems der AdL. Es
wurde die sogenannte Defizithaftung des Bundes eingeführt (vgl dazu Deisler, Die Alterssicherung der Landwirte nach der Agrarsozialreform
1995, DRV 1996, 825, 845). Seither wird eine Differenz zwischen Beitragseinnahmen und Ausgaben im Sinne einer Ausfallgarantie
durch den Bund ausgeglichen. Aufgrund der weiterhin rückläufigen Zahl der Beitragszahler in der AdL macht der durch den Bund
finanzierte Anteil deutlich mehr als die Hälfte (zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung: 72 %) aller Ausgaben aus (vgl Lagebericht
der Bundesregierung über die Alterssicherung der Landwirte 2001, SdL 2002, 132, 137; vgl zur entsprechenden Weiterentwicklung
den Lagebericht der Bundesregierung über die Alterssicherung der Landwirte 2009, BT-Drucks 17/55 S 6, demzufolge mittlerweile
bereits 77 % aller Kosten aus Bundesmitteln finanziert werden; vgl zu dieser Entwicklung auch Koch, LSV im Wandel - Änderungen
im agrarsozialen System, WzS 2008, 257, 259, sowie Mehl, Reformen des agrarsozialen Sicherungssystems in der BRD: Rückblick und Ausblick, SdL 1999, 241, 246).
Durch die beschriebene Anbindung der AdL an die gesetzliche RV ist es dem Gesetzgeber gelungen, den Beitragszahlern seither
eine hohe Beitragsstabilität zu garantieren, die die AdL weitgehend unabhängig von dem Verhältnis von Beitragszahlern und
Leistungsbeziehern macht (vgl Stüwe, Ein Jahr Agrarsozialreformgesetz, SdL 1996, 59, 70; Wirth, Reform des landwirtschaftlichen
Alterssicherungsrechts, rv 1994, 201, 205). Strukturelle Veränderungen in der Landwirtschaft können also nicht mehr zu unerwartet
starken Beitragserhöhungen führen (vgl Deisler in Ruland/Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, § 3 Die Alterssicherung der
Landwirte, RdNr 37; vgl auch Stüwe, Ein Jahr Agrarsozialreformgesetz, SdL 1996, 59, 61). Allerdings sind umgekehrt durch die
mit dem ASRG 1995 erfolgte Annäherung der AdL an die gesetzliche RV auch entscheidende Weichen für die weitere Rechtsentwicklung
der AdL gestellt worden (vgl Deisler, Die Agrarsozialpolitik aus Sicht der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, SdL 2004,
89, 96).
Folge der sich im Grundsatz als für die Beitragszahler günstig darstellenden Neustrukturierung des Beitragssystems in der
AdL ist es nämlich, dass Gesetzesänderungen in der gesetzlichen RV, die das Beitrags-/Leistungsverhältnis dort in erheblichem
Maße betreffen, in entsprechender Weise in der AdL nachvollzogen werden müssen (vgl Wirth, 50 Jahre Alterssicherung der Landwirte,
SdL 2007, 96, 98 f; ders, Änderung des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte im Rahmen des Rentenreformgesetzes
1999, SdL 1997, 204 f; ders, Anhebung der Altersgrenzen in der Alterssicherung der Landwirte und weitere Änderungen im Gesetz
über die Alterssicherung der Landwirte, SdL 2006, 261, 263), wenn man nicht dahin zurückkehren will, den Einheitsbeitrag in
der AdL wieder abhängig zu machen von systeminternen Schwankungen. Denkbar wäre allenfalls noch, das entstehende Missverhältnis
in der AdL durch eine entsprechende Ausweitung der Defizithaftung des Bundes aufzufangen. Dies führte jedoch zu dem widersinnigen
Ergebnis, dass Gesetzesänderungen zum Beitrags/Leistungsverhältnis, die in der gesetzlichen RV zur Verlangsamung von Beitragserhöhungen
und Ausgabensteigerungen des Bundes (vgl dazu BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, jeweils RdNr 35) eingeführt werden, im System der AdL wiederum Mehrausgaben des Bundes nach sich
zögen, die zu vermeiden gerade die Absicht des Gesetzgebers war (vgl dazu auch den Lagebericht der Bundesregierung über die
AdL 2001, SdL 2002, 132, 138).
Die Einführung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG erklärt sich damit dadurch, dass das 1995 zur Beitragsstabilisierung geschaffene System der extern orientierten Beitragsbemessung
in der AdL bewahrt werden sollte. Denn eine so erhebliche Einschränkung des Leistungsrechts in der gesetzlichen RV, wie sie
durch die Einführung der Abschlagsregelung des §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI erfolgt ist, führt auch zu einer wesentlichen Änderung des Beitrags-/Leistungsverhältnisses in der gesetzlichen RV. Unter
diesen Bedingungen ist in der AdL nur dann - ohne Rückkehr in die früheren Beitragssteigerungen und ohne Ausweitung der Defizithaftung
des Bundes - ein weiterhin konstanter Beitrag möglich, wenn dort eine gleichgewichtige Rechtsänderung erfolgt (vgl Wirth,
Änderung des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte im Rahmen des Rentenreformgesetzes 1999, SdL 1997, 204, 205).
Im Hinblick darauf hat der Gesetzgeber mit der Übertragung der Neuregelungen im Bereich der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
auf die AdL einen wichtigen Gemeinwohlbelang verfolgt. Er setzt auf diese Weise - als Konsequenz aus der verfassungsrechtlich
nicht zu beanstandenden Einführung einer Abschlagsregelung in der gesetzlichen RV durch §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI (vgl hierzu nochmals das BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 §
77 Nr 5) - den eingeschlagenen Weg zur Garantie stabiler Beitragssätze und folglich im Ergebnis auch zur Aufrechterhaltung der
Funktionsfähigkeit des berufsständischen Systems der AdL fort (zu einer entsprechenden, schon damals gerechtfertigten Zielsetzung
im Rahmen des ASRG 1995; vgl auch BSG SozR 4-5868 § 13 Nr 2). Indem der Gesetzgeber eine Minderung auf der Leistungsseite
wählt, verhindert er gleichzeitig, dass die Defizithaftung des Bundes systembedingt noch weiter zu erhöhen ist. Es waren mithin
für die Regelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG sowohl finanzielle als auch systemerhaltende Erwägungen maßgebend (vgl dazu auch nochmals den Lagebericht der Bundesregierung
über die AdL 2001, SdL 2002, 132, 138).
Zwar hat der Gesetzgeber diese Motivlage nur angedeutet, indem er von einer "Übertragung der Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit auf die AdL" gesprochen hat (vgl BT-Drucks 14/4230 S 1, 24). Dass er insoweit die spezifische Verschränkung
der beiden Systeme für maßgeblich erachtet hat, lässt sich jedoch daran erkennen, dass er in der weiteren Begründung durchgängig
das Erfordernis der Schaffung einer Regelung "wie in der gesetzlichen RV" oder "in Anlehnung an die Rentenberechnung nach
dem
SGB VI" betont hat (vgl BT-Drucks aaO, S 32 f).
Auf den von der Klägerin erhobenen Einwand, dass das durch den Gesetzgeber für die gesetzliche RV formulierte Motiv der Verhinderung
einer Ausweichreaktion aus der Altersrente in die Erwerbsminderungsrente auf die AdL nicht übertragen werden könne (mit diesem
Einwand im Übrigen auch Giese, Die Reform der Renten wegen Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung und ihre
Auswirkungen auf die Alterssicherung der Landwirte, SdL 2000, 129 f), kommt es daher verfassungsrechtlich nicht entscheidend
an.
bb) Die damit im öffentlichen Interesse liegende Minderung des allgemeinen Rentenwerts bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente
aus der AdL vor Vollendung des 63. Lebensjahres war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne, dh geeignet, erforderlich und
zumutbar.
(1) Die Regelung war zunächst geeignet, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu erreichen. Dem Gesetzgeber steht - wie dies
das BVerfG erneut in seinem Beschluss vom 27.2.2007 (BVerfGE 117, 272, 295 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 58 f) zum Ausdruck gebracht hat - im Sozialversicherungsrecht wie in allen komplexen,
von künftigen Entwicklungen abhängigen Regelungsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung von
Versicherungsverhältnissen (wozu auch Leistungsverhältnisse in der AdL gehören) benötigt der Rentengesetzgeber Flexibilität,
die ihm nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verwehrt werden kann. Dabei kommt ihm im Bereich der
AdL eine besonders hohe Gestaltungsfreiheit zu, weil dort die Rentenanwartschaften durch einen - verglichen mit den vom Bund
zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln - weit kleineren Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind als
in der gesetzlichen RV (vgl dazu BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 100, 1, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f; dies hebt das BVerfG selbst im Übrigen an anderer Stelle ausdrücklich hervor, vgl BVerfGE
25, 314, 323 = SozR Nr 77 zu Art
3 GG).
Das angestrebte Ziel der Aufrechterhaltung von stabilen Einheitsbeiträgen trotz fortschreitenden demographischen und strukturellen
Wandels unter gleichzeitiger Verhinderung von nach oben schnellenden Mehrausgaben des Bundes wird durch das in § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG angelegte Schritthalten mit der Regelung der gesetzlichen RV erreicht. Die in der AdL erhobenen Einheitsbeiträge bleiben
infolge ihrer weiterhin bestehenden Orientierung am Beitrags/Leistungsverhältnis der gesetzlichen RV im Grundsatz stabil.
Die Vorschrift über die Minderung des allgemeinen Rentenwerts bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung
des 63. Lebensjahres bewegt sich daher innerhalb des aufgezeigten verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraums.
(2) Die Regelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich
wirksames, aber das Grundrecht des Versicherten nicht oder doch weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können.
Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung in anderen, von dem betroffenen Gesetz nicht
erfassten Bereichen zu erzielen (vgl BVerfGE 116, 96, 127 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 91 mwN; BVerfGE 122, 151, 184; stRspr). Mildere Mittel sind nämlich nicht solche, die die Kostenlast oder die Kosteneinsparungen lediglich verschieben
(vgl BVerfGE 109, 64, 86).
Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen, insbesondere - im Rahmen der verfassungsrechtlichen
Grenzen - die Beitragssätze zu erhöhen, die Bestandsrenten abzusenken oder auf eine Anpassung der Renten an die Lohn- und
Gehaltsentwicklung zu verzichten (vgl BVerfGE 109, 64, 86). Um dem Erforderlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, ist er ebenso wenig gehalten, einen noch höheren Bundeszuschuss vorzusehen
und ggf für diesen Zweck Steuern einzuführen oder zu erhöhen (vgl BVerfGE, aaO). Daher kann der Gesetzgeber auch hier nicht
darauf verwiesen werden, den Bundeszuschuss noch weiter anzuheben.
Denkbar war allenfalls noch eine erneute Umgestaltung des Beitrags-/Leistungsverhältnisses in der AdL. Dies hätte je nach
Ausgestaltung für den Versicherten möglicherweise zu einem günstigeren Ergebnis führen können. Ob dies auch für die Versichertengemeinschaft
insgesamt gilt, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls unterfällt die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Anpassung der Rentenformel
an die Änderungen in der gesetzlichen RV und gegen eine erneute Systemumstellung typischerweise dem gesetzgeberischen Ermessen.
(3) Die Absenkung des allgemeinen Rentenwerts bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63.
Lebensjahres ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies gilt im Falle des Versicherten selbst dann, wenn
diesem die gesetzgeberische Teilkompensation der Minderungsregelung durch die Berücksichtigung zusätzlicher Zurechnungszeiten
nach § 19 Abs 1 ALG nicht zugute gekommen ist.
Maßgeblich ist, unter welchen Voraussetzungen wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind;
daher ist immer eine Zusammenschau der Gesamtumstände vorzunehmen (vgl BVerfGE 100, 313, 376). Diese ergeben hier ein insgesamt hinnehmbares Ausmaß der Beeinträchtigung. Insoweit war zunächst zu berücksichtigen,
dass die Regelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG nicht in schon bestehende Rentenansprüche, sondern in Rentenanwartschaften eingreift. Anwartschaften sind wegen des großen
Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Entstehung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenberechnung
maßgeblichen Verhältnisse unterworfen (vgl BVerfGE 122, 151, 181 f; BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, jeweils RdNr 43) und genießen nicht denselben eigentumsrechtlichen Schutz wie die Rente. Auch insoweit
ist im Übrigen für die AdL zu berücksichtigen, dass die Rentenanwartschaft zum weitaus größeren Teil aus Steuermitteln, nicht
dagegen aus eingezahlten Beiträgen realisiert wird. Dies verringert das Gewicht der eigentumsrechtlich geschützten Position
gegenüber den gesetzgeberischen Zielen zusätzlich (vgl hierzu BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 ff; BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51 f).
Weiter ist maßgeblich, dass durch die gewählte Minderungsregelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG - wie in der gesetzlichen RV - gerade diejenigen betroffen sind, die aufgrund früheren Rentenbeginns (statistisch gesehen)
längere Rentenlaufzeiten als Versicherte erwarten können, die erst im vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehenen Alter Rente
beanspruchen (vgl hierzu Deisler in Ruland/Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, § 3 Die Alterssicherung der Landwirte,
RdNr 34). Auf die gesamte Rentendauer gesehen wird daher den Rentenbeziehern, deren Rente früher beginnt, (statistisch) im
Vergleich zu solchen, deren Rente später beginnt, kein Weniger an Leistungen, sondern vielmehr nur nicht mehr ein versicherungsmathematisches
Mehr an Leistungen gewährt (vgl hierzu auch das BVerfGE 122, 151, 185 f und 189 f, das im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrente
in der gesetzlichen Rentenversicherung davon ausgeht, dass - trotz Abschlag - noch immer die Personen mit früherem Rentenbeginn
auf die gesamte Laufzeit gesehen ein Mehr an Leistungen erhalten). Der einzelne Versicherte wird in versicherungsmathematischer
Pauschalierung mit den von ihm selbst verursachten Mehrkosten belastet, indem sein voraussichtlich längerer Rentenbezug durch
Rentenabschläge ausgeglichen wird, die von dem Ausmaß des Vorziehens seines Rentenbeginns abhängen. Die Regelung setzt mithin
an der Verursachung der Mehrkosten an und beschränkt sich auf die Verursacher (vgl ebenso BVerfGE 122, 151, 185 f).
Zudem ist die Minderungsregelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG zum einen von vornherein auf 10,8 % als Höchstmaß begrenzt, zum anderen wurde ihre Einführung gemäß § 19 Abs 1 ALG durch verlängerte Zurechnungszeiten flankiert, die zu einer teilweisen Kompensation der Rentenminderung führen (vgl Schellmann,
Die Zurechnungszeit in der landwirtschaftlichen Alterssicherung, SdL 2002, 265, 266; Giese, Die neue Erwerbsminderungsrente
in der Alterssicherung der Landwirte, SdL 2002, 228, 232). Dies hat entsprechend auch der 5. Senat des BSG in seinen Ausführungen
zur Verneinung einer Verfassungswidrigkeit von §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI betont (vgl BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 §
77 Nr 5, jeweils RdNr 39). Allerdings ist der Klägerin einzuräumen, dass die Erwerbsminderungsrenten in der AdL nicht mit dem
Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Der Rentenbezieher muss also einmal bestehende Rentenabschläge auf Dauer in Kauf nehmen,
ohne etwa - wie in der gesetzlichen RV - eine zu erwartende Altersrente durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge aufstocken
zu können (vgl dazu BSG aaO, jeweils RdNr 44). Einer Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Anhebung der laufenden Erwerbsminderungsrente
steht hier die Regelung des § 5 Abs 1 Nr 3 ALG entgegen.
Dem gegenüber ist zu berücksichtigen, dass aus der AdL bezogene Renten lediglich eine Teilsicherung des Landwirtes darstellen.
Die Landwirte sind daneben regelmäßig durch die Vermögenssubstanz ihres Unternehmens abgesichert. Bei dessen Weitergabe entstehen
Ansprüche auf Altenteilsleistungen oder auf Pachtzinsen, oder es wird (beim Verkauf) verrentbares Geldkapital realisiert (vgl
Koch, LSV im Wandel - Änderungen im agrarsozialen Sondersystem, WzS 2008, 257, 258; Deisler in Ruland/Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, § 3 Die Alterssicherung der Landwirte, RdNr 2). Im Übrigen
dürfen Landwirte als selbstständige Unternehmer darauf verwiesen werden, in erster Linie selbst für den Aufbau einer individuell
angemessenen Altersvorsorge verantwortlich zu sein (vgl Deisler, aaO; Flecken, Die Reform der Alterssicherung der Landwirte,
SozVers 1995, 57). In der AdL wirkt sich daher die Minderung der Renten - gerechnet auf die gesamte Alterssicherung - grundsätzlich geringer
aus als in der gesetzlichen RV.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte stellt sich die Regelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG aus Sicht des Senats als verhältnismäßig dar. Dies gilt selbst im konkreten Fall des Versicherten, der seit 1.1.1998 keine
Beiträge zur AdL mehr entrichtet hat und daher gemäß § 19 Abs 3 ALG nicht von der Kompensationsregelung des § 19 Abs 1 ALG profitiert hat.
Zunächst trifft § 23 Abs 8 Nr 1 ALG auch Personen wie den Versicherten schon deshalb nicht unverhältnismäßig hart, weil auch ihnen die Deckelung der Minderung
auf 10,8 % nach § 23 Abs 8 Satz 2 ALG zugute kommt. Vor allem aber greift bei solchen Versicherten die Kompensationsregelung des § 19 Abs 1 ALG nur deshalb nicht, weil der Betreffende in den letzten Jahren vor der Erwerbsminderung nicht in der AdL versichert war (vgl
§ 19 Abs 3 ALG). Mithin kann er aus diesem System auch keine Kompensation erwarten. Hat er zuletzt Zeiten in der gesetzlichen RV zurückgelegt,
kommt bei gleichzeitiger Geltendmachung von Rentenansprüchen aus diesem System ggf dort die Kompensationsregelung nach §§
53,
253a SGB VI zum Tragen. Insgesamt war die Minderungsregelung daher auch konkret dem Versicherten zumutbar.
cc) Schließlich genügt die Neuregelung durch das RRErwerbG auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Die für den Eingriff (Minderung des allgemeinen Rentenwerts) maßgebliche Regelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG hat nicht im Sinne einer echten Rückwirkung zu Ungunsten des Versicherten in eine Rechtsposition eingegriffen, die dieser
bereits vor Inkrafttreten des RRErwerbG zum 1.1.2001 innehatte. Vielmehr wurde ihm Rente ab dem 1.10.2006 und damit fast sechs
Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG bewilligt.
Ist die gesetzliche Regelung wie hier geeignet, erforderlich und angemessen zum Erreichen eines gewichtigen Gemeinwohlbelangs,
war der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips nur gehalten, auf die legitimen
Interessen der zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung rentennahen Jahrgänge durch Erlass einer Übergangsregelung Rücksicht zu
nehmen, die eine auf Rentenzugänge ab dem Stichtag ohne Einschränkung sofort wirksame Anwendung der Neuregelung verhindert
(vgl BVerfGE 116, 96, 133 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 106 ff). Insoweit ist allerdings keine Übergangsregelung erforderlich, die es den Berechtigten
ermöglicht, die durch die Neuregelung bewirkte Verringerung der Rente durch eine Maßnahme der zusätzlichen und insbesondere
privaten Altersvorsorge auszugleichen. Die Übergangszeit muss (lediglich) so bemessen sein, dass die Berechtigten in der Lage
sind, ihre Lebensführung darauf einzustellen, dass ihnen auf Dauer (deutlich) niedrigere Renten zustehen werden als ihnen
zuvor in Aussicht gestellt worden sind (vgl BVerfG, aaO). Insoweit hat das BVerfG insbesondere eine schrittweise Anwendung
von Abschlagsregelungen uä vorgeschlagen.
Gemessen daran ist eine Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensgrundsatzes hier zu verneinen. In § 93a ALG hat der Gesetzgeber eine dreijährige Übergangszeit eingeräumt, die sich für den Versicherten nicht ausgewirkt hat, weil er
erst fast sechs Jahre nach Einführung der Regelung Rente wegen Erwerbsminderung beansprucht hat. Damit war er nach Auffassung
des Senats nicht mehr ein rentennaher Jahrgang im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Innerhalb des bestehenden Zeitraums
konnte sich der Versicherte vielmehr hinreichend auf die zu erwartenden Einbußen einstellen und seinen Lebensstandard ggf
dementsprechend anpassen.
b) Die Regelung des § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG verstößt auch unter keinem Gesichtspunkt gegen Art
3 Abs
1 GG.
Der darin enthaltene Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht
dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen
könnten (vgl BVerfGE 75, 348, 357 = SozR 2200 § 555a Nr 3; stRspr). Ebenso verbietet Art
3 Abs
1 GG aber auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem; insoweit enthält das Grundrecht ein Differenzierungsgebot (vgl
BVerfGE 103, 310, 318; BVerfGE 116, 164, 180).
Vorliegend ist keine verfassungswidrige Gleichbehandlung der Erwerbsminderungsrentner in der AdL mit denjenigen anzunehmen,
die eine Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen RV beziehen (dazu unter aa). Ebenso wenig werden innerhalb der AdL Erwerbsminderungsrentner
und Altersrentner in verfassungswidriger Weise gleich behandelt (dazu unter bb). Schließlich liegt auch keine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung von Erwerbsminderungsrentnern untereinander vor (dazu unter cc).
aa) Nach Überzeugung des Senats wird Art
3 Abs
1 GG zunächst nicht dadurch verletzt, dass sowohl Erwerbsminderungsrentner in der AdL als auch Erwerbsminderungsrentner in der
gesetzlichen RV einen Rentenabschlag hinnehmen müssen.
Zwar hat der Gesetzgeber mit §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 iVm Satz 2
SGB VI und § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ALG zwei Regelungen geschaffen, die - bei jeweils gleichaltrigen Antragstellern - grundsätzlich eine übereinstimmende Minderung
des Nettorentenzahlbetrags zur Folge haben. Lediglich der Berechnungsfaktor, an welchem die Minderung festgemacht wird, unterscheidet
sich in den beiden Regelungen bedingt durch die Abweichungen in den Rentenformeln. Der Gesetzgeber war jedoch nicht gehalten,
in den beiden Versicherungssystemen unterschiedliche Minderungsregelungen zu treffen bzw die Rentner in der AdL ganz von der
Rentenminderung bei frühzeitiger Inanspruchnahme auszunehmen.
Im Bereich der Sozialversicherung hat der Gesetzgeber auch mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG einen weiten Spielraum, und zwar nicht zuletzt bei der Finanzierung sozialer Sicherungssysteme (vgl BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86 f). Daher kann er unterschiedliche Konzepte für verschiedene Gebiete entwickeln (so
etwa BVerfGE 97, 271, 297 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 11 f zur unterschiedlichen Ausgestaltung der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie im Beamtenrecht). Allerdings muss er dies nicht schon allein deshalb, weil zwei gesonderte Versicherungssysteme
vorliegen. Das BVerfG hat - im Rahmen der Prüfung einer vom Gesetzgeber gewählten Ungleichbehandlung - die Beantwortung der
Frage, inwieweit schon die Zugehörigkeit vergleichbarer Fälle zu verschiedenen Ordnungssystemen zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen
Behandlung ausreicht, in neuerer Zeit offen gelassen und sogar umgekehrt eine bestimmte Systemzugehörigkeit - anders als sachliche
Gründe - nicht als Begründung für eine Ungleichbehandlung ausreichen lassen (vgl etwa BVerfGE 85, 176, 186 zu Unterschieden im Vergleich zwischen
Beamtenversorgungsgesetz und
Reichsversicherungsordnung). In entsprechender Weise muss gelten, dass nach Art
3 Abs
1 GG eine Ungleichbehandlung auch nicht schon deshalb geboten ist, weil es sich um vergleichbare Sachverhalte in zwei verschiedenen
Versicherungssystemen handelt. Vielmehr ist stets im Einzelnen zu beurteilen, inwieweit die Versicherungssysteme tatsächlich
solche Verschiedenheiten aufweisen, dass die eine Gruppe in einem ganz bestimmten Punkt anders zu behandeln ist als eine andere
Gruppe. Nach Auffassung des Senats ergibt ein Vergleich der AdL mit der gesetzlichen RV nicht, dass erwerbsgeminderte Versicherte,
die eine Rente frühzeitig in Anspruch nehmen, in der AdL allein deshalb keinen Abschlag hinnehmen müssten, weil sie in ein
anderes Sicherungssystem eingeordnet sind. Die Systeme weisen keine Unterschiede solcher Art auf, dass gerade die Rentenabschlagsregelung
in der AdL entfallen müsste.
Allgemein ist der Klägerin darin Recht zu geben, dass die beiden Versicherungssysteme in wesentlichen Punkten unterschiedlich
ausgestaltet sind. Die AdL unterliegt als eigenständiges soziales Sicherungssystem einer eigenen Sachgesetzlichkeit (vgl hierzu
BVerfGE 25, 314, 321 f = SozR Nr 77 zu Art
3 GG; BSG SozR 4-5868 § 13 Nr 1). So ist sie aufgrund der vom Gesetzgeber angenommenen geringeren Schutzbedürftigkeit der Landwirte lediglich als Teilsicherung
konzipiert, während die gesetzliche RV grundsätzlich eine Vollversicherung darstellt. Anders als in der RV wird in der AdL
schon seit 1957 ein Einheitsbetrag erhoben mit der Folge, dass lediglich die Anzahl der Beitragsjahre und nicht auch die bisherigen
Einkünfte, Einfluss auf die Rentenhöhe hat. Unterschiede bestehen weiter im Leistungsrecht. Der wichtigste Unterschied bei
den Leistungsvoraussetzungen betrifft die Alters- und die Erwerbsminderungsrenten. Da der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung
der AdL auch strukturpolitische Ziele verfolgt (vgl BSG SozR 4-5868 § 13 Nr 1 RdNr 13), ist der Landwirt gehalten, vor Inanspruchnahme
einer Rente seinen Hof nach Maßgabe des § 21 ALG abzugeben. Zwar finden sich in der AdL weniger Leistungsarten als in der gesetzlichen RV, dafür aber spezifisch auf die Situation
eines Landwirts abgestimmte Leistungen, namentlich die Gewährung einer Betriebs- und Haushaltshilfe zur Überbrückung von krankheitsbedingten
Ausfallzeiten (vgl hierzu Koch/Möller-Schlotfeldt in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 3 Rentenversicherungsrecht,
§ 62 RdNr 19 ff; Deisler in Ruland/Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, § 3 Die Alterssicherung der Landwirte, RdNr 17
ff).
Allerdings weisen die Systeme auch erhebliche Gemeinsamkeiten auf. Bei beiden Versicherungssystemen handelt es sich nicht
nur um Zwangsversicherungen, die von öffentlichrechtlichen Körperschaften durchgeführt werden, sondern der Gesetzgeber hat
die AdL in der konkreten Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses im Laufe der Jahre auch zunehmend der gesetzlichen RV
angenähert. Seit der Agrarsozialreform 1995 besteht eine Pflicht zur lückenlosen Beitragszahlung auch in der AdL nicht mehr.
Nunmehr gilt in beiden Sicherungssystemen das Anwartschaftsprinzip. Insoweit erfolgte schon 1995 eine Angleichung der AdL
an die Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen RV (vgl dazu BSG, SozR 4-5868 § 13 Nr 2 RdNr 15; Wirth,
50 Jahre Alterssicherung der Landwirte, SdL 2007, 96, 97). Dabei werden die Leistungen - jedenfalls auch - durch die monatlichen
Beiträge der Versicherten gedeckt, die zwar nicht aufgrund differierender Höhe, wohl aber durch ihre im Laufe des Versicherungslebens
zusammen gekommene Anzahl die Rentenhöhe bestimmt. Es gilt also - in abgeschwächter Form - auch in der AdL das Versicherungsprinzip.
Zugleich sind beide Systeme ebenfalls als Solidarsysteme ausgestaltet. Dem Versicherungsprinzip steht daher - hier wie dort
- auch der Gedanke des sozialen Ausgleichs gegenüber (vgl dazu BVerfGE 76, 256, 304 f). Nicht zuletzt mit Blick auf diese Gemeinsamkeiten ist die AdL bereits seit 1995 an dem Beitrags-/Leistungsverhältnis
der gesetzlichen RV ausgerichtet. Seitdem verändert sich der allgemeine Rentenwert in der AdL auch jährlich zum 1.7. entsprechend
dem Prozentsatz, um den der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen RV angepasst wird (§ 23 Abs 4, §§ 25, 26 ALG).
Zwar war es möglicherweise nicht zwingend geboten, dass der Gesetzgeber mit der RRErwerbG auch weiterhin in der AdL den Änderungen
der gesetzlichen RV gefolgt ist; er hätte an dieser Stelle auch eine Abkehr vom Maßstab der RV und hin zu einer neuen Konzeption
des Beitrags-/Leistungsverhältnisses in der AdL vornehmen können. Verpflichtet war er dazu in jedem Falle nicht. Durch die
aufgeführten Unterschiede ergab sich keine Pflicht zu einer Differenzierung auch in dem hier streitigen Punkt. Insbesondere
mit Blick auf die gerade beim Beitrags-/Leistungsverhältnis bestehenden Gemeinsamkeiten beider Systeme stand es vielmehr innerhalb
der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, diesbezügliche Änderungen in beiden Systemen gleichermaßen vorzunehmen.
Der Vortrag der Klägerin, die Besonderheiten in der AdL geböten einen Verzicht auf die Einführung einer Minderungsregelung,
wie sie § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG enthält, könnte auch dahin verstanden werden, dass sie das Fehlen einer Folgerichtigkeit innerhalb des Systems der AdL geltend
machen will. Vom Gesetzgeber wird nämlich innerhalb eines Ordnungssystems ein hinreichendes Maß an Folgerichtigkeit einfachgesetzlicher
Wertungen verlangt (vgl dazu Osterloh in Sachs,
GG, 5. Aufl 2009, Art
3 RdNr 98 ff mwN). Zwar enthält eine Systemwidrigkeit für sich genommen noch keinen Verstoß gegen die Gleichheit vor dem Gesetz
(vgl BVerfGE 85, 238, 247). Jedoch müssen Gründe für die Durchbrechung des vom Gesetzgeber gewählten Ordnungsprinzips in ihrem Gewicht und ihrer
Intensität der Abweichung von der zugrunde gelegten Ordnung entsprechen, um überzeugend zu sein (vgl BVerfGE 18, 366, 372 f = SozR Nr 56 zu Art
3 GG Ab 46 ff, BVerfGE 67, 70, 84 f). Das Gebot der Folgerichtigkeit bindet damit an einen vorherigen Rechtsgedanken in dem Sinne, dass bei weiteren Regelungen
für eine Abweichung ein vernünftiger oder plausibler Grund zu fordern ist (vgl BVerfGE 81, 156, 207 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 19 f; vgl auch BSGE 90, 56, 60 = SozR 3-4300 § 137 Nr 2 S 10 f). Allerdings ist verfassungsrechtlicher Maßstab nicht, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste
oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten
hat (vgl zB BVerfGE 122, 151, 174).
Eine Durchbrechung der vom Gesetzgeber für die AdL aufgestellten Prinzipien vermag der Senat aus den schon aufgezeigten Erwägungen
nicht festzustellen. Die Minderung des allgemeinen Rentenwerts gemäß § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG setzt vielmehr umgekehrt konsequent eine 1995 eingeschlagene Systemänderung in der AdL (Orientierung des Beitrags-/Leistungsverhältnisses
an der gesetzlichen RV) fort. Offenbar geht auch die Klägerin, indem sie lediglich die Minderungsregel selbst beanstandet,
davon aus, dass in der 1995 durch die Agrarsozialreform vollzogenen Verschränkung der beiden Versicherungssysteme, die damals
für die Mitglieder in der AdL günstig war, kein Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG - etwa aufgrund einer zu starken Systemannäherung - liegt. Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn durch zeitgleiche
Einführung von Abschlagsregelungen letztlich nur das Fortbestehen von Systemparallelität erreicht wird.
Die Neuregelung steht auch im Übrigen nicht zu grundsätzlichen Strukturprinzipien der AdL in Widerspruch. Inwieweit etwa die
von der Klägerin angesprochene agrarpolitische Zielsetzung der Hofabgabe vor Erwerbsminderungsrentenbezug Maßstäbe setzen
soll für die Ausgestaltung des Beitrags-/Leistungsverhältnisses in der AdL, erschließt sich dem Senat nicht. Entgegen der
Ansicht der Klägerin lässt sich die Minderung des Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente bei frühzeitiger Inanspruchnahme durchaus
gut mit dem auch in der AdL bestehenden Versicherungsprinzip vereinbaren, welches sich darin zeigt, dass die Leistungshöhe
von der Anzahl der Beitragsjahre abhängt. Sie verwirklicht auch in der AdL den Ausgleich voraussichtlich längerer Laufzeiten
einer Rente (vgl hierzu Deisler in Ruland/Rürup, Alterssicherung und Besteuerung, § 3 Die Alterssicherung der Landwirte, RdNr
34) und dient damit unter statistischen Gesichtspunkten einer konsequenteren Umsetzung des Versicherungsprinzips.
Lediglich ergänzend sei angefügt, dass der - verfassungsrechtlich ohnehin unerhebliche - Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber
habe das von ihm selbstgesteckte Ziel, systembedingte Besonderheiten berücksichtigen zu wollen, nicht erreicht, vom Senat
nicht nachvollzogen werden kann. Der Gesetzgeber hat vielmehr gerade umgekehrt die Übertragung der rentenrechtlichen Neuregelungen
auf die in der AdL bestehenden Eigentümlichkeiten der Rentenformel abgestimmt und daher sehr wohl die systembedingten Besonderheiten
bei der konkreten Anknüpfung der Rentenminderung berücksichtigt.
bb) Anders als die Klägerin meint, war der Gesetzgeber durch das im Gleichheitssatz enthaltene Differenzierungsgebot auch
nicht gehalten, die Erwerbsminderungsrenten in der AdL wegen gewichtiger Unterschiede zu den Altersrenten von den dort eingeführten
Rentenabschlägen ganz auszunehmen. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass ein Versicherter es letztlich nicht in der
Hand hat, den Zeitpunkt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung selbst zu bestimmen. Jedoch kann zB auch der Ehegatte
eines schon in Altersrente befindlichen Landwirts aufgrund des Hofabgabeerfordernisses nach § 11 Abs 1 Nr 3 iVm § 21 Abs 9 ALG praktisch gezwungen sein, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, um eine Entziehung der Rente des ehemaligen Landwirts
zu verhindern. Insofern haben die Unterschiede zwischen Alters- und Erwerbsminderungsrenten nicht das ihnen von der Klägerin
beigemessene Gewicht. Sie sind durch den für Erwerbsminderungsrenten auf 10,8 % begrenzten Abschlag und die erhöhte Zurechnungszeit
bei jüngeren Erwerbsminderungsrentnern angemessen berücksichtigt (so entsprechend für ähnliche faktische Zwangslagen in der
gesetzlichen RV BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, jeweils RdNr 43). Aus Sicht des Senats war es im Hinblick auf den Gleichheitssatz im Übrigen nicht
nur gerechtfertigt, sondern möglicherweise sogar geboten, das Versicherungsprinzip konsequent nicht nur für Altersrentner,
sondern auch zulasten der Erwerbsminderungsrentner umzusetzen, den Bund also nicht nur durch Minderung der Alters-, sondern
auch der Erwerbsminderungsrenten von einem weiteren Kostenanstieg freizustellen.
cc) Die Klägerin wendet schließlich ein, durch die vom Gesetzgeber gewählte Kombination von Minderungsregelung einerseits
und Erweiterung der Zurechnungszeiten andererseits sei gerade die Gruppe der knapp unter 60-jährigen, zu denen der Versicherte
bei Rentenbeginn gehörte, besonders stark betroffen worden. Insoweit macht sie eine Verletzung des Gleichheitssatzes im Hinblick
darauf geltend, dass sich die Gesetzesänderung bei Erwerbsminderungsrentnern unterschiedlich auswirkt.
Diesem Vorbringen vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Das BVerfG hat erst jüngst wieder klargestellt, dass die Bildung
derartiger Vergleichsgruppen schon den Grundprinzipien eines als Solidarsystem ausgestalteten Versicherungssystems zuwider
läuft (vgl BVerfGE 122, 151, 188 f zur Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung, nach welcher die Gruppe von Versicherten im Alter von knapp 88
Jahren und mehr bezogen auf die Höhe der Altersrente aufgrund einer Abschlagsregelung schlechter gestellt wird als die Gruppe
von Versicherten knapp unter 88 Jahren und weniger). Ein solcher Vergleich verkenne - so das BVerfG (aaO) - im Übrigen, dass
die soziale Rente keine Rendite aus den Beitragsleistungen sei, sondern getroffene Regelungen zum Ausgleich längerer Rentenbezugszeiten
immer nur versicherungsmathematische Annäherungen an die Abbildung des individuellen Risikos, kürzer oder länger Rente in
Anspruch nehmen zu können, und damit nur eine Typisierung darstellen könnten. Ein Abstellen auf Unterschiede bei der individuellen
Inanspruchnahme von Rentenleistungen verbiete sich daher.
Diese Erwägungen sind auch der Klägerin entgegen zu halten. Auch im Rahmen der AdL ist von einer Regelung, die für die Erwerbsminderungsrente
das Risiko unterschiedlich langer Rentenbezugszeiten abbilden soll, keine absolute Einzelfallgerechtigkeit zu verlangen, sondern
lediglich, dass die gefundene Lösung eine vertretbare Typisierung der Berücksichtigung dieses Risikos enthält. Dies ist nach
Überzeugung des Senats hier der Fall. Durch die Berücksichtigung zusätzlicher Zurechnungszeiten werden gerade jüngere Rentenbezieher,
für die sich wegen einer verhältnismäßig geringen Anzahl rentenrelevanter Zeiten die Minderungsregelung sonst besonders stark
auswirkt, teilweise entlastet. Dass der Gesetzgeber insoweit die Grenze berücksichtigungsfähiger Zurechnungszeiten auf Zeiten
vor Vollendung des 60. Lebensjahres begrenzt hat, mag nicht als die gerechteste Lösung erscheinen, stellt aber innerhalb des
eingeführten Gesamtkonzepts noch eine zulässige Pauschalierung dar. Die vom Gesetzgeber erlassene Regelung ist insgesamt gesehen
als eine einerseits verhältnismäßige, andererseits versicherungsmathematisch nachvollziehbare Annäherung an die Abbildung
des individuellen Risikos zu werten, kürzer oder länger Rente in Anspruch nehmen zu können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.