Versäumung der Begründungsfrist durch Überlassung der Fristenkontrolle an Rechtsanwaltsangestellte
Gründe:
Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit
dem die Beklagte die Erstattung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 44.240,02 DM und von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung
in Höhe von 14.976,07 DM fordert, durch Urteil vom 27. Januar 2005 abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
seinem Prozessbevollmächtigten am 3. März 2005 zugestellten Urteil hat dieser mit einem am 31. März 2005 beim Bundessozialgericht
(BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 29. März 2005 Beschwerde eingelegt. Nachdem bis zum Ablauf des 3. Mai 2005 eine Beschwerdebegründung
nicht eingegangen war, hat der Senat die Beschwerde mit Beschluss vom 12. Mai 2005, der dem Prozessbevollmächtigten am 23.
Mai 2005 zugestellt worden ist, als unzulässig verworfen.
Am 23. Mai 2005 hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit einer Beschwerdebegründung die
Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Abweichung und des Verfahrensmangels geltend gemacht.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet, denn der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er oder sein Prozessbevollmächtigter
ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist (§
160a Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz >SGG<) einzuhalten. Er macht geltend, eine Rechtsanwaltsfachangestellte in Ausbildung habe im Fristenkalender lediglich den
Ablauf der Einlegungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde (4. April 2005) und die Vorfrist (29. März 2005), nicht jedoch
die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde notiert. Gleichwohl habe sie auf der Rechtsmittelbelehrung einen
entsprechenden Vermerk angebracht. Die Rechtsanwaltsfachangestellte in Ausbildung befinde sich im dritten Lehrjahr und absolviere
zurzeit ihre Abschlussprüfung. Sie führe die Tätigkeit der Posteingangsbearbeitung und Fristnotierung seit mindestens einem
Jahr aus. Vorher sei sie zumindest zwei Monate in diese Tätigkeit eingearbeitet und dabei ständig kontrolliert worden.
Dieses Vorbringen reicht für eine Wiedereinsetzung (§
67 Abs
1 SGG) nicht aus, denn es ergibt nicht, dass der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist
einzuhalten. Die Berechnung von Fristen, die nicht zu den Routinefristen gehören, muss der Rechtsanwalt selbst übernehmen.
Nur die Berechnung üblicher und in seiner Praxis häufiger vorkommender Fristen kann er gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem
Büropersonal überlassen (BSG SozR 3-1500 §
67 Nr 9; Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl 2005, §
67 RdNr 9). Zu den Routinefristen gehört die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG regelmäßig nicht (vgl
Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2000 - B 11 AL 219/00 B; BSG Beschluss vom 15. Dezember 1997 - 10 BLw 8/97 - veröffentlicht in juris; s auch Bundesverwaltungsgericht >BVerwG< NJW 1992 sowie Beschluss vom 25. März 1998 - 9 B 806/97 - veröffentlicht in juris; BAG AP Nr 43 zu §
233 Zivilprozessordnung >ZPO< 1977; zur Revisionsbegründungsfrist: BSG SozR 3-1500 §
67 Nr 13 und 15 jeweils mwN). Besonderheiten (zB häufige Bearbeitung von Verfahren vor dem BSG), die im vorliegenden Fall eine
andere Beurteilung erfordern könnten, sind weder erkennbar noch geltend gemacht. Insbesondere genügt dafür nicht, dass der
tätig gewordenen Rechtsanwaltsangestellten in Ausbildung - laut ihrer vorgelegten eidesstattlichen Versicherung - die Fristennotierung
vertraut war (vgl BVerwG Beschluss vom 25. März 1998 - 9 B 806/97 - veröffentlicht in juris). Unter diesen Umständen steht schon die Übertragung der Fristberechnung auf die Büromitarbeiterin
einer Wiedereinsetzung entgegen.
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine zusätzliche Pflichtverletzung (vgl §
831 Abs
1 Satz 2
Bürgerliches Gesetzbuch) darin zu sehen ist, dass die Fristberechnung nicht einer ausgebildeten, sondern einer in der Ausbildung (3. Lehrjahr) stehenden
Fachangestellten übertragen worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 12). Ebenso kann offen bleiben, ob die vom Prozessbevollmächtigen
des Klägers geschilderte Büroorganisation ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür vorsah, dass der Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist
ordnungsgemäß im Fristenkalender tatsächlich eingetragen war (vgl BVerwG Beschluss vom 28. Februar 2002 - 6 C 23/01 - Buchholz 310 §
60 VwGO Nr 243).
Im vorliegenden Fall ist mithin dem Prozessbevollmächtigten anzulasten, dass er die Berechnung und Notierung der Frist seinem
Büropersonal überlassen hat. Dies stellt ein Organisationsverschulden dar, das gemäß §
73 Abs
4 SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO dem Kläger zuzurechnen ist. Es bleibt daher beim Beschluss des Senats vom 12. Mai 2005.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.