Anspruch auf Arbeitslosengeld
Berücksichtigung von Zeiten des Bundesfreiwilligendienstes im Bemessungsrahmen
Ummittelbarkeit des Anschlusses an ein Versicherungspflichtverhältnis
Gründe:
I
Im Streit ist höheres Alg vom 17.9.2014 bis 16.12.2015.
Der 1964 geborene Kläger war vom 12.11.2007 bis 11.11.2009 als Aushilfe beschäftigt und bezog anschließend vom 12.11.2009
bis 28.2.2010 Alg. Vom 1.3.2010 bis Januar 2012 war er als Redakteur einer Internet-Zeitung selbstständig tätig und bis zum
31.12.2010 freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichert.
Am 15.7.2012 nahm der Kläger im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) eine Tätigkeit in einer Werkstatt für körperbehinderte Menschen auf. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden
war ein Taschengeld in Höhe von monatlich 195 Euro, ein Verpflegungskostenzuschuss in Höhe von monatlich 125 Euro und eine
weitere Geldersatzleistung in Höhe von monatlich 125 Euro für Unterkunftskosten und Arbeitskleidung vereinbart. Die Einsatzstelle
verpflichtete sich zur Entrichtung gesetzlicher Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 180 Euro. Das Ende des BFD
war für den 14.7.2013 vorgesehen. Ab dem 19.3.2013 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog vom 30.4.2013 bis 25.5.2014
Krankengeld, vom 26.5.2014 bis 16.6.2014 Übergangsgeld wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme
und vom 17.6.2014 bis 16.9.2014 wiederum Krankengeld bis zur Aussteuerung.
Zum 17.9.2014 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg, das die Beklagte wegen der noch fehlenden Arbeitsbescheinigung
zunächst vorläufig ab dem 17.9.2014 für 450 Kalendertage in Höhe von täglich 6,26 Euro bewilligte (Bescheid vom 19.9.2014).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, sein letztes Gehalt sei das steuerfreie Taschengeld
gewesen. Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums blieben Zeiten einer Beschäftigung als Freiwilliger im Sinne des BFDG außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach §
344 Abs
2 SGB III bestimme. Deshalb komme eine fiktive Einstufung infrage.
Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung bewilligte die Beklagte auf der Grundlage der bescheinigten Verdienste während des BFD
abschließend Alg ab dem 17.9.2014 für 450 Kalendertage in Höhe von täglich 7,36 Euro (Änderungsbescheid vom 2.10.2014) und
wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2014). Zuvor hatte sie die Leistungsbewilligung
mit Wirkung ab dem 30.10.2014 wegen eines zu Unrecht angenommenen Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben
(Bescheid vom 27.10.2014), auf den Widerspruch des Klägers diesen Aufhebungsbescheid jedoch wieder zurückgenommen (Bescheid
vom 4.12.2014) und Alg ab dem 29.10.2014 in bisheriger Höhe bewilligt (Änderungsbescheid vom 4.12.2014).
Die auf höheres Alg gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.11.2015). Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des LSG vom 7.11.2017). Eine
fiktive Bemessung komme nicht in Betracht. Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit im Rahmen des BFD sei als versicherungspflichtige
Beschäftigung einzustufen und das gezahlte Taschengeld zuzüglich der weiteren Leistungen als Arbeitsentgelt anzusehen. Diese
habe der Kläger im Bemessungsrahmen für insgesamt 225 Tage bezogen, sodass es der Bemessung zugrunde zu legen sei. Eine Sonderbemessung
des Alg auf der Grundlage des §
344 Abs
2 SGB III komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht unmittelbar vor der Aufnahme des BFD am 15.7.2012 versicherungspflichtig gewesen
sei. Für die Ermittlung des Leistungsentgelts sei es unerheblich, ob Teile des im Bemessungszeitraum bezogenen Entgelts steuerfrei
gewesen seien.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §
344 Abs
2 SGB III iVm §
152 SGB III. Im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Unmittelbarkeit" iS von §
344 Abs
2 SGB III müsse sein gesamtes Erwerbsleben Berücksichtigung finden, sodass noch ein Bezug zu der vorhergehenden versicherungspflichtigen
Beschäftigung hergestellt werden könne. Außerdem habe im Rahmen der konkreten Berechnung des Alg kein Abzug für Lohnsteuer
erfolgen dürfen. Dies verletzte ihn in eigentumsgleichen Rechten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 7. November 2017 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für
das Saarland vom 23. November 2015 sowie den Bescheid vom 2. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.
Oktober 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitslosengeld auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung gemäß
§
152 SGB III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Das LSG hat ohne Verletzung von Bundesrecht (vgl §
162 SGG) die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf höheres Alg.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen allein der Bescheid der Beklagten vom 2.10.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014, durch den Alg abschließend bewilligt wurde. Der Bescheid über die
vorläufige Leistungsbewilligung vom 19.9.2014 ist im Widerspruchsverfahren durch diesen Bescheid ersetzt worden und hat sich
dadurch erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl nur BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 §
11 Nr 38 RdNr 13; Hengelhaupt in Hauck/Noftz,
SGB III, K §
328 RdNr 102,
200, Stand August 2018). Der Bewilligungsbescheid vom 2.10.2014 ist nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 4.12.2014 (Wiederbewilligung
von Alg für die Restanspruchsdauer), weil dieser trotz seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid in Anbetracht des Bewilligungsbescheids
vom 2.10.2014 nur eine wiederholende Verfügung ohne eigenen Regelungsgehalt darstellt. Wegen der Rücknahme des Aufhebungsbescheids
vom 27.10.2014 verbleibt es bei der ursprünglichen Leistungsbewilligung, über die der Bescheid vom 4.12.2014 nicht hinausgeht.
Gegen den Bescheid vom 2.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014 wendet sich der Kläger zutreffend
mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 und Abs
4 SGG). Er begehrt höhere Geldleistungen, was auch im Höhenstreit dem Grunde nach (§
130 Abs
1 Satz 1
SGG), also ohne exakte Bezifferung, zulässig ist (vgl zuletzt BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 8/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 10).
In der Sache hat das LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf höheres Alg hat. Zwar liegen die - auch
in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 8/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 12) - Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg dem Grunde nach vor. Der
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit setzt gemäß §
137 SGB III (anwendbar ist hier das
SGB III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011
- BGBl I 2854) voraus, dass Arbeitnehmer (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
(3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Kläger hat sich zum 17.9.2014 arbeitslos gemeldet (§
141 SGB III) und ist nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG - trotz gesundheitlicher Einschränkungen -
arbeitslos iS von §
138 SGB III gewesen.
Der Kläger erfüllt auch die Anwartschaftszeit, denn er hat innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren beginnend mit dem Tag
vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg - dh im Zeitraum 17.9.2012 bis 16.9.2014 - mindestens
zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden (§
142 Abs
1 SGB III iVm §
143 Abs
1 SGB III). Vom 17.9.2012 bis 29.4.2013 stand er in einem Dienstverhältnis nach dem BFDG und erhielt Geldleistungen. Ein solches Dienstverhältnis ist vom Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung umfasst und einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung iS von §
25 Abs
1 Satz 1
SGB III gleichgestellt. Dies hat der Senat für eine Tätigkeit in einem freiwilligen sozialen Jahr (FSJ), das zunächst im Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) geregelt war und ab 1.6.2008 (zusammen mit dem freiwilligen ökologischen Jahr) im Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG)
geregelt ist, bereits entschieden und sich dabei auf Wortlaut und Systematik der Regelungen zur Versicherungspflicht in der
Arbeitslosenversicherung sowie auf den Gesetzeszweck des FSJG bzw JFDG gestützt (BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 1/16 R - BSGE 122, 271 = SozR 4-4300 § 131 Nr 8, RdNr 17 ff). Für den BFD, der ergänzend zu den Diensten nach dem JFDG nach dem Wegfall des Zivildienstes
zum 1.7.2011 eingeführt wurde und im Wesentlichen die gleichen Ziele verfolgt, gilt nichts anderes (so bereits BSG vom 12.12.2017 - B 11 AL 26/16 R - SozR 4-4300 § 44 Nr 1 RdNr 22 f). Der Gesetzgeber nennt die Dienste nach dem JFDG und dem BFDG in den anwendbaren Bestimmungen des
SGB III stets nebeneinander. Im Übrigen finden auf den BFD die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen entsprechende Anwendung,
die für die Jugendfreiwilligendienste nach dem JFDG gelten, soweit keine ausdrückliche sozialversicherungsrechtliche Regelung
vorhanden ist (§ 13 Abs 2 Satz 1 BFDG).
Im weiteren Verlauf der Rahmenfrist vom 30.4.2013 bis 16.9.2014 war der Kläger gemäß §
26 Abs
2 Nr
1 SGB III ebenfalls versicherungspflichtig, weil er im unmittelbaren Anschluss an die Versicherungspflicht durch den BFD Krankengeld
bzw Übergangsgeld während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bezogen hat.
Doch steht dem Kläger kein höheres Alg zu als täglich 7,36 Euro. Diesen Betrag hat die Beklagte, ausgehend von einem täglichen
Bemessungsentgelt von 15,70 Euro und einem Leistungsentgelt von 10,98 Euro, zutreffend ermittelt. Die Bemessung des Alg richtet
sich nach §
149 Nr 1
SGB III, wonach das Alg für Arbeitslose, die - wie der Kläger - mindestens ein Kind iS des §
32 Abs
1,
3 bis
5 EStG haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt
ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Gemäß §
150 Abs
1 Satz 1
SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem
letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§
150 Abs
1 Satz 2
SGB III, §
137 Abs
2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird ua dann auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch
auf Arbeitsentgelt enthält (§
150 Abs
3 Satz 1 Nr
1 SGB III).
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, denn der Kläger hat in dem einjährigen
Bemessungsrahmen vom 17.9.2013 bis 16.9.2014 kein Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich Lohnersatzleistungen wegen seiner
Erkrankung bezogen. Im zweijährigen Bemessungsrahmen vom 17.9.2012 bis 16.9.2014 hat er dagegen in der Zeit vom 17.9.2012
bis 29.4.2013, also für mehr als 150 Tage, im Rahmen des BFD Geldleistungen des Trägers erhalten, die - ebenso wie Leistungen,
die Rahmen eines FSJ erbracht werden (ausführlich dazu BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 1/16 R - BSGE 122, 271 = SozR 4-4300 § 131 Nr 8, RdNr 27 ff) - als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sind.
Entgegen der Auffassung des Klägers können die Zeiten des BFD nicht außer Betracht bleiben, was - mangels eines Bemessungszeitraums
von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt - eine fiktive Bemessung nach §
152 Abs
1 Satz 1
SGB III zur Folge hätte. Nach §
150 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB III bleiben Zeiten einer Beschäftigung als Freiwillige oder Freiwilliger im Sinne des JFDG oder des BFDG nur außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach §
344 Abs
2 SGB III bestimmt. §
344 Abs
2 Satz 1
SGB III sieht vor, dass für Personen, die unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis einen Freiwilligendienst im Sinne
des JFDG oder des BFDG leisten, als beitragspflichtige Einnahme ein Arbeitsentgelt in Höhe der monatlichen Bezugsgröße gilt. Dies gilt auch, wenn
der JFD oder der BFD nach einer Unterbrechung, die sechs Monate nicht überschreitet, fortgesetzt wird (§
344 Abs
2 Satz 2
SGB III).
Hier liegt kein Fall des §
344 Abs
2 SGB III vor, denn der Kläger hat den BFD nicht unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis geleistet. Der Senat hat den
Begriff "unmittelbar" in §
26 Abs
2 SGB III - der Regelung zur Versicherungspflicht bei Bezug bestimmter Lohnersatzleistungen - schutzzweckorientiert, also nicht schematisch
im Sinne einer bestimmten Zeitspanne ausgelegt (BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 3/16 R - BSGE 122, 279 = SozR 4-4300 § 26 Nr 8, RdNr 18 ff; BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 4/16 R - RdNr 19 ff). Auch unter Anwendung dieser Grundsätze auf §
344 Abs
2 SGB III ist es ausgeschlossen, hier noch von einem unmittelbaren Anschluss auszugehen. Denn es besteht eine Lücke von mehr als 18
Monaten zwischen dem letzten Versicherungspflichtverhältnis im Dezember 2010 nach §
28a SGB III und der Aufnahme des BFD am 15.7.2012.
Nach einer Unterbrechung von dieser Dauer ist jeder zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Anknüpfungspunkten,
welcher allein eine Unmittelbarkeit zu begründen vermag, ausgeschlossen. Dies folgt bereits aus §
344 Abs
2 Satz 2
SGB III. Nach den Gesetzesmaterialien soll durch diese Regelung "sichergestellt werden, dass nach Unterbrechungen des Jugendfreiwilligendienstes
von jeweils bis zu sechs Monaten Dauer die Sonderregelung weiter zur Anwendung kommt. Bei längeren Unterbrechungen ... verliert
dagegen das vor Beginn des Jugendfreiwilligendienstes stehende Versicherungspflichtverhältnis an Bedeutung und die Situation
ist der eines Freiwilligen vergleichbar, der vor Beginn seines Jugendfreiwilligendienstes nicht versicherungspflichtig war"
(BT-Drucks 16/6519 S 17). Dem ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber solche Unterbrechungen von mehr als sechs Monaten nicht
mehr als anschlusswahrend wertet.
In systematischer Hinsicht ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer Unterbrechung zwischen zwei Versicherungspflichttatbeständen
von mehr als einem Jahr der frühere Zeitraum schon nicht mehr zur Begründung einer Anwartschaftszeit als Voraussetzung des
Alg-Anspruchs dem Grunde nach führen könnte. Wegen der Begrenzung der Rahmenfrist auf zwei Jahre, in der eine Anwartschaftszeit
von einem Jahr erfüllt sein muss, führt eine Unterbrechung von mehr als einem Jahr nämlich stets zum Verlust der früheren
Anwartschaftszeit (vgl Söhngen in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
143 RdNr 22, Stand April 2014). Es wäre nicht stimmig, wenn Unterbrechungen von mehr als einem Jahr dem Anspruch auf Alg dem
Grunde nach entgegenstehen, aber einen Zusammenhang mit Vorteilen bei der Ermittlung der Leistungshöhe vermitteln könnten.
Aus der dargestellten Ausgestaltung der Anwartschaftszeit als sogenannte "fließende Anwartschaft" ergibt sich im Übrigen,
entgegen der Auffassung des Klägers, dass gerade nicht das gesamte Erwerbsleben bei der Begründung und Berechnung eines Anspruchs
auf Alg Berücksichtigung findet, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre (vgl zuletzt BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 8/17 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 26).
Für die Bemessung des vom Kläger zu beanspruchenden Alg waren somit die im Bemessungszeitraum erzielten und vollständig abgerechneten
tatsächlichen Leistungen für den BFD als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Auch insoweit gilt nichts anderes, als für Leistungen,
die im Rahmen eines FSJ erbracht werden (vgl dazu BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 1/16 R - BSGE 122, 271 = SozR 4-4300 § 131 Nr 8, RdNr 27 ff). Wie die Beklagte zu Recht ausführt, sind nur die Entgeltabrechnungszeiträume zu berücksichtigen,
die vollständig im Bemessungsrahmen liegen (vgl BSG vom 8.7.2009 - B 11 AL 14/08 R - SozR 4-4300 §
130 Nr 6 RdNr 21; Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
150 RdNr 52, Stand Januar 2014), hier also nur die Zeiträume vom 1.10.2012 bis 29.4.2013, nicht aber der September 2012. Ausweislich
der vom LSG in Bezug genommenen Arbeitsbescheinigung hat der Kläger für Oktober und November 2012 jeweils 445 Euro, für Dezember
2012 595 Euro, für Januar 2013 wiederum 445 Euro, für Februar und März 2013 jeweils 466 Euro und für April 2013 450,47 Euro
erhalten. Es ergibt sich danach ein Entgelt im Bemessungsrahmen von 3312,47 Euro, das an 211 Tagen erzielt worden ist, mithin
ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 15,70 Euro.
Dieses tägliche Bemessungsentgelt ist nach §
153 Abs
1 Satz 1
SGB III um pauschalierte Abzüge zu vermindern. Abzüge sind gemäß §
153 Abs
1 Satz 2
SGB III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgelts (Nr 1), die Lohnsteuer, die sich nach dem vom Bundesministerium
der Finanzen aufgrund des §
51 Abs
4 Nr
1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach §
39b Abs
2 Satz 5 Nr
3 Buchst a bis c
EStG zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (Nr 2) und der Solidaritätszuschlag (Nr 3).
Nach Abzug der Sozialversicherungspauschale in Höhe von 3,30 Euro (21 % von 15,70 Euro) ergibt sich zunächst ein Betrag in
Höhe von 12,40 Euro. Bei der Berechnung der Abzüge nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 und
3 SGB III für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer
zustehen, nicht zu berücksichtigen (§
153 Abs
1 Satz 3 Nr
1 SGB III). Das nach dieser Maßgabe zu ermittelnde Leistungsentgelt ist damit kein dem individuellen Nettoentgelt entsprechender Betrag,
sondern ein mittels einer pauschalierenden Berechnung gefundener Wert (vgl nur Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
153 RdNr 40 ff, Stand Januar 2017). Weitere als die enumerativ aufgeführten Abzüge vom Bemessungsentgelt sind - entgegen der
Auffassung des Klägers - unzulässig. Insbesondere ist es deshalb unerheblich, ob Teile des im Bemessungszeitraum bezogenen
Entgelts steuerfrei sind (hier etwa nach §
3 Nr 5 f
EStG), denn diese Steuerfreiheit steht gerade nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zu. Durchgreifende verfassungsrechtliche
Bedenken gegenüber dieser aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgesehenen Pauschalierung bestehen nicht (vgl nur BVerfG
vom 23.10.2007 - 1 BvR 2089/07 - SozR 4-4300 § 133 Nr 5 RdNr 6, mwN).
Zutreffend hat die Beklagte danach - unter Anwendung ihres Berechnungsprogramms - einen weiteren Abzug für Lohnsteuer unter
Berücksichtigung des als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildeten Faktors nach §§
39 f
EStG in Höhe von 1,42 Euro vorgenommen. Dem lag die nach §
153 Abs
2 Satz 1
SGB III zu berücksichtigende zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, für den Kläger gebildete Lohnsteuerklasse
V zugrunde. Ein weiterer Abzug für den Solidaritätszuschlag gemäß §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III iVm §
4 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (vorliegend 5,5 % von 1,42 Euro = 0,0781 Euro) erfolgte nicht, weil die Beklagte den sich
ergebenden Betrag auf 0 abgerundet hat. Damit errechnet sich ein Leistungsentgelt von 10,98 Euro (12,40 Euro abzüglich 1,42
Euro).
Ob die Überprüfung des mathematischen Wegs zur Ermittlung des Abzugsbetrags für Lohnsteuer tatsächlich in der Regel die Einholung
eines Sachverständigengutachtens erfordert (so BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 23/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 16; BSG vom 26.11.2015 - B 11 AL 2/15 R - RdNr 19) kann dahinstehen. Denn die Prüfungspflicht bei einem Grundurteil im Höhenstreit ist in Bagatellfällen begrenzt,
weil für die sich aus der mathematischen Umsetzung möglicherweise ergebenden geringfügig unterschiedlichen Beträge das positive
Grundurteil nicht vorgesehen ist (so BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 23/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 16).
Bei einem Leistungsentgelt von täglich 10,98 Euro errechnet sich unter Berücksichtigung des dem Kläger zustehenden erhöhten
Leistungssatzes (67 %) ein täglicher Leistungssatz von 7,36 Euro, den die Beklagte auch gezahlt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.