Gründe:
I
Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 5.5.2017 bis zum 3.5.2018.
Die 1964 geborene Klägerin war bis August 2014 als Personalleiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Die Beklagte bewilligte
ihr auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 193,33 Euro Alg in Höhe von 58,67 Euro täglich für die Dauer von 286 Tagen
ab dem 18.8.2014 bis zum 2.6.2015 (Bewilligungsbescheid vom 29.8.2014 und Änderungsbescheid vom 16.9.2014). Nach der Teilnahme
an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung legte die Beklagte die Restanspruchsdauer für die Zeit ab 24.12.2014 auf 204
Tage (bis 17.7.2015) fest (Änderungsbescheid vom 10.11.2014). Nach Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit
ab dem 16.2.2015 durch die Klägerin hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom selben Tag auf (Aufhebungsbescheid
vom 16.2.2015). Vom 16.2. bis 15.8.2015 wurde die Klägerin von der Beklagten mit einem Gründungszuschuss gefördert (Bewilligungsbescheid
vom 24.4.2015). Sie war in dieser Zeit bei der Beklagten antragspflichtversichert.
Nach Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit meldete sich die Klägerin am 5.5.2017 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und
beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf Grundlage eines fiktiven Bemessungsentgelts von
79,33 Euro Alg in Höhe von 26,21 Euro täglich für die Dauer von 360 Tagen ab dem 5.5.2017 (Bewilligungsbescheid vom 28.6.2017).
Erläuternd teilte sie mit, dass das Alg fiktiv bemessen werden müsse, weil die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger
als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe (Schreiben vom 26.6.2017). Die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung
seien auf eine Beschäftigung im zuletzt ausgeübten Beruf als Personalleiterin zu konzentrieren. Für diese Tätigkeit sei eine
abgeschlossene Ausbildung erforderlich, sodass sie zur Qualifikationsgruppe 3 zähle. Den dagegen erhobenen Widerspruch der
Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.7.2017).
Die Beklagte hat während des Klageverfahren den täglichen Leistungsbetrag auf 31,30 Euro erhöht (Änderungsbescheid vom 13.9.2017).
Für die Beschäftigung als Personalleiterin sei ein Fachschulabschluss, Meisterbrief oder ein vergleichbarer Abschluss erforderlich.
Daher sei die Klägerin der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen. Bei der Berechnung des Alg sei damit ein Bemessungsentgelt in
Höhe von 99,17 Euro zugrunde zu legen (Schreiben vom 13.9.2017).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.4.2019). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 28.6.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2017
und des Änderungsbescheids vom 13.9.2017 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 5.5.2017 bis 3.5.2018 höheres Alg nach
einem Bemessungsentgelt in Höhe von 193,33 Euro zu gewähren (Urteil vom 19.2.2021). Zu Gunsten der Klägerin greife die Bestandsschutzregelung
des §
151 Abs
4 SGB III ein. Hierfür genüge es, wenn innerhalb des Zweijahreszeitraums ein Stammrecht auf Alg, also eine materielle Anspruchsberechtigung,
bestanden habe. Im Fall der Klägerin habe das (alte) Stammrecht auf Alg bis zur Erschöpfung der Restanspruchsdauer am 17.7.2015
und damit noch innerhalb des maßgebenden Zweijahreszeitraums vor der Entstehung des streitgegenständlichen Anspruchs am 5.5.2017
bestanden. Aufgrund des bestandskräftigen Änderungsbescheids vom 10.11.2014 stehe zwischen den Beteiligten bindend fest, dass
der Klägerin für die Zeit ab 24.12.2014 noch 204 Tage Alg in Höhe von 58,67 Euro täglich zugestanden hätten. Dieser Anspruch
sei von der Beklagten bis zum 15.2.2015 - also für weitere 52 Tage - erfüllt worden. Die danach verbliebene Restanspruchsdauer
von 152 Tagen sei in der Folgezeit nahtlos durch die Bewilligung eines Gründungszuschusses verbraucht worden. Die Dauer des
Anspruchs auf Alg mindere sich gemäß §
148 Abs
1 Nr
8 SGB III auch um die Anzahl von Tagen, für die ein Gründungszuschuss in der Höhe des zuletzt bezogenen Alg geleistet worden sei. Schon
diese Rechtsfolge, die ihre Rechtfertigung in der Vorschrift des §
94 Abs
1 SGB III finde, wonach als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet werde, den die Arbeitnehmerin oder
der Arbeitnehmer als Alg zuletzt bezogen habe, zuzüglich monatlich 300 Euro, spreche im Kontext des §
151 Abs
4 SGB III dafür, dem Bezug von Alg den Bezug von Gründungszuschuss in der Höhe des zuletzt bezogenen Alg gleichzustellen.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des §
151 Abs
4 SGB III. Allein das Bestehen eines Stammrechts stelle keinen Bezug von Alg im Sinne dieser Norm dar. Erforderlich sei auch, dass
die Anspruchsvoraussetzungen des §
137 Abs
1 SGB III innerhalb des maßgeblichen Zweijahreszeitraums vorgelegen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 2021 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil
des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 2019 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des LSG.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höheres Alg für den streitbefangenen
Zeitraum hat.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 28.6.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2017 (§
95 SGG) und idF des Änderungsbescheids vom 13.9.2017 (§
96 Abs
1 SGG). Gegen diese Bescheide wandte sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 und Abs
4 SGG).
2. a) Zu Recht sind die Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch
auf Alg für die Zeit vom 5.5.2017 bis 3.5.2018 hat. Die - auch in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 10 mwN) - Anspruchsvoraussetzungen für Alg liegen vor. Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit
setzt gemäß §
137 SGB III (anwendbar ist hier das
SGB III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011, BGBl I 2854) voraus, dass der Arbeitnehmer (1.) arbeitslos
ist, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Klägerin hat
sich zum 5.5.2017 persönlich arbeitslos gemeldet (§
141 SGB III) und ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG arbeitslos iS von §
138 SGB III gewesen.
Die Klägerin erfüllt auch die Anwartschaftszeit. Diese hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem
Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§
142 Abs
1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt in der hier maßgeblichen Fassung im Grundsatz zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung
aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§
143 Abs
1 SGB III aF). Danach verläuft die Rahmenfrist hier vom 5.5.2015 bis 4.5.2017. Die Klägerin stand in dieser Zeit aufgrund ihrer Antragspflichtversicherung
(§
28a SGB III) durchweg in einem Versicherungspflichtverhältnis.
b) Die Höhe des Alg bestimmt sich nach §
149 SGB III, wonach das Alg für Arbeitslose, abhängig davon, ob sie ein Kind iS des §
32 Abs
1,
3 bis
5 Einkommensteuergesetz (
EStG) haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) oder 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt)
beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§
150 Abs
1 SGB III). Das Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder
der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§
151 Abs
1 Satz 1
SGB III). Haben Arbeitslose aber innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg bezogen, ist Bemessungsentgelt
mindestens das Entgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist (§
151 Abs
4 SGB III).
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin und des LSG ist das Bemessungsentgelt im vorliegenden Fall nicht mindestens das Entgelt,
nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist. Die Voraussetzungen des §
151 Abs
4 SGB III liegen hier nicht vor, weil die Klägerin innerhalb des maßgeblichen Zweijahreszeitraums vor der Entstehung des Alg-Anspruchs
- hier also im Zeitraum vom 5.5.2015 bis 4.5.2017 - kein Alg bezogen hat. Ihr ist für diesen Zeitraum Alg nicht bewilligt
und ausgezahlt worden.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist §
151 Abs
4 SGB III zwar wegen dessen Sinn und Zweck auch dann anwendbar, wenn innerhalb des Zweijahreszeitraums lediglich die Voraussetzungen
für ein Stammrecht auf Alg bestanden haben, ohne dass es zur Auszahlung von Alg gekommen ist (BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 17 ff mwN). Indessen muss der Betroffene - insoweit bedarf die Rechtsprechung des Senats der
Konkretisierung - innerhalb des Zweijahreszeitraums zumindest an einem Tag arbeitslos gewesen sein (dazu unter (1)). Dies
war hier nicht der Fall (dazu unter (2)). Der Bezug des Gründungszuschusses ist unbeachtlich (dazu unter (3)).
(1) Ein Stammrecht auf Alg zeichnet sich dadurch aus, dass es zwar (noch) nicht dazu berechtigt, eine bestimmte Leistung -
ggf vollstreckbar - beanspruchen zu können, es begründet aber einen zu einem subjektiven Recht verfestigten Besitzstand, wenn
alle gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bei seiner Entstehung vorgelegen haben (BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 15 mwN). Bereits mit dem Entstehen eines Stammrechts wird ein Sozialrechtsverhältnis zwischen
dem Leistungsberechtigten und dem Sozialleistungsträger begründet, das Grundlage verschiedener Rechte und Pflichten bzw Obliegenheiten
auch unabhängig von konkreten Leistungsansprüchen ist. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Arbeitslosengeld bezogen"
in §
151 Abs
4 SGB III ist aber erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts auch innerhalb des Zweijahreszeitraums
zumindest für einen Tag bestanden haben.
Das genannte Urteil des Senats betraf den Fall eines Stammrechts mit fehlendem Leistungsanspruch aufgrund des Ruhens des Anspruchs
auf Alg trotz bestehender Arbeitslosigkeit. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass während des Ruhens gleichwohl Rechte und
Pflichten, etwa das Recht des Arbeitslosen auf Förderung aus dem Vermittlungsbudget (§
44 SGB III) oder auf Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§
45 SGB III) bestehen, und dass dem ua die Pflicht bzw Obliegenheit gegenübersteht, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen
oder sich nach Maßgabe des §
309 SGB III melden zu müssen (BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 15).
Die Entscheidung des Senats bezog sich also auf eine Konstellation, in der innerhalb des Zweijahreszeitraums - zumindest für
einen Tag - Arbeitslosigkeit als ein Element für das ursprüngliche Entstehen des Stammrechts vorgelegen hat. Dies ist auch
erforderlich, um von der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Arbeitslosengeld bezogen" iS des §
151 Abs
4 SGB III ausgehen zu können. Ließe man hierfür das bloße Entstehen eines Stammrechts bereits vor Beginn des Zweijahreszeitraums ausreichen,
unabhängig davon, ob dessen Entstehungsvoraussetzungen auch im maßgeblichen Zweijahreszeitraum (weiterhin) erfüllt sind, würde
dies zu einem Bestandsschutz über einen deutlich längeren Zeitraum führen. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren zu Recht
beispielhaft darauf hingewiesen, dass sich, wenn sich einer nur einmonatigen Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung von 70 Monaten
anschließt, im Falle der daraufhin eintretenden Arbeitslosigkeit wegen des Erlöschens des Stammrechts (erst) nach vier Jahren
(§
161 Abs
2 SGB III) das Alg sonst nach einer fast sechs Jahre zuvor beendeten Beschäftigung richtete. Ein solches Verständnis würde die von
§
151 Abs
4 SGB III bewirkte Rechtsfolge nicht nur von dem dort normierten Zweijahreszeitraum entkoppeln, sondern sogar auch den von §
161 Abs
2 SGB III geregelten Vierjahreszeitraum für die Geltendmachung eines Alg-Anspruchs seit dessen Entstehung und den von §
147 Abs
4 SGB III geregelten Fünfjahreszeitraum für die Verlängerung der Anspruchsdauer bei Entstehung eines neuen Anspruchs übersteigen.
Ein solches Ergebnis ließe sich auch nicht mehr mit dem Sinn und Zweck des §
151 Abs
4 SGB III rechtfertigen. §
151 Abs
4 SGB III entspricht dem bis zum 31.3.2012 geltenden §
131 Abs
4 SGB III. Jene Vorschrift ist zum 1.1.2014 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl
I 2848) eingefügt worden und geht auf §
133 Abs
1 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24.3.1997 (BGBl I 594) zurück. Die damals vorgenommene Ergänzung der Bemessungsvorschriften
um eine Bestandsschutzregelung ist damit begründet worden, dass Arbeitslose, die ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme
einer Beschäftigung beenden, in der sie ein geringeres Entgelt erzielen, als es der Bemessung des Alg zugrunde lag, vor Nachteilen
bei erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden sollten; zudem sollten Hemmnisse, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben
entgegenstehen könnten, beseitigt werden (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 18.6.1996,
BT-Drucks 13/4941, S 178). Diese Zielsetzung, Arbeitslose zu motivieren, auch eine ggf geringer entlohnte Beschäftigung anzunehmen,
ohne bei erneuter Arbeitslosigkeit innerhalb von zwei Jahren nur einen geringeren Alg-Anspruch zu haben, setzt voraus, dass
der Betroffene innerhalb dieser zwei Jahre zumindest für einen Tag arbeitslos war.
Die im Urteil des Senats vom 7.5.2019 geäußerten Bedenken, dass es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG nur schwer vereinbar wäre, jemanden, der bereits ein Stammrecht erworben hat, schlechter zu stellen als jemanden, dem aus
diesem Stammrecht, wenn auch nur für einen Tag, Alg ausgezahlt wurde (BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 22), bestehen in der vorliegenden Konstellation nicht. Der Senat hatte die Bedenken damit begründet,
dass ein Sachgrund für diese Ungleichbehandlung kaum ersichtlich sei, denn ein Arbeitsloser, dessen Leistungsanspruch ruhe,
sei den gleichen Obliegenheiten unterworfen, wie ein Arbeitsloser, der Leistungen beziehe. Liegt aber - wie hier - die Arbeitslosigkeit
nicht (mehr) vor, bestehen für den Betroffenen gerade keine Obliegenheiten als Arbeitsloser mehr.
Der durch das frühere Stammrecht entstandene Besitzstandsschutz erschöpft sich in der vorliegenden Konstellation in der Regelung
des §
147 Abs
4 SGB III, wonach sich die Dauer des neuen Anspruchs um die Restdauer des erloschenen Anspruchs - in den Grenzen der Höchstanspruchsdauer
- verlängert. §
147 Abs
4 SGB III verlangt nach seinem Wortlaut - anders als §
151 Abs
4 SGB III - gerade keinen vorherigen Bezug von Alg und erstreckt den Besitzstandsschutz hinsichtlich der Dauer auf einen Fünfjahreszeitraum,
sodass ein Gleichlauf der Rechtsfolgen von §
151 Abs
4 SGB III und §
147 Abs
4 SGB III schon deswegen nicht erreicht werden kann. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber den Besitzstand hinsichtlich
der Anspruchsdauer stärker schützen wollte als den Besitzstand hinsichtlich der Anspruchshöhe. Daher hält der Senat an den
mit Blick auf den Besitzstandschutz hinsichtlich der Dauer formulierten systematischen Erwägungen zu §
151 Abs
4 SGB III (BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R - SozR 4-4300 § 151 Nr 2 RdNr 23) nicht fest.
(2) An einer Arbeitslosigkeit der Klägerin im maßgebenden Zweijahreszeitraum fehlte es im vorliegenden Fall. Zwar war ein
Stammrecht der Klägerin am 18.8.2014 entstanden. Die Klägerin hat sich zum 18.8.2014 arbeitslos gemeldet, Alg beantragt, erfüllte
die Anwartschaftszeit und war auch arbeitslos. Es lagen damit alle Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bei
Arbeitslosigkeit ab dem 18.8.2014 mit einer Restanspruchsdauer von 204 Tagen ab dem 24.12.2014 vor (also bis zum 17.7.2015),
was sich aus den entsprechenden Bescheiden der Beklagten (zuletzt Bescheid vom 10.11.2014) ergibt. Allerdings endete die Arbeitslosigkeit
der Klägerin aufgrund der Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit am 16.2.2015; die Bewilligung von Alg wurde
daher mit Wirkung vom selben Tag aufgehoben (Bescheid vom 16.2.2015).
Aufgrund der Antragspflichtversicherung nach §
28a SGB III vom 16.2.2015 bis zum 4.5.2017 und der erneuten Arbeitslosigkeit ab dem 5.5.2017 entstand am 5.5.2017 ein neuer Anspruch
und damit ein neues Stammrecht der Klägerin auf Alg, das gemäß §
161 Abs
1 Nr
1 SGB III zum Erlöschen des alten Stammrechts führte. Im für die Anwendung des §
151 Abs
4 SGB III maßgeblichen Zweijahreszeitraum (5.5.2015 bis 4.5.2017) war die Klägerin indes nicht mehr arbeitslos, sodass ein Element
für das Entstehen des alten Stammrechts bereits zuvor - am 16.2.2015 - weggefallen war. Der Anspruch auf Alg ruhte also nicht
lediglich, sondern es bestand bereits dem Grunde nach mangels Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf Alg.
(3) Dass die Klägerin innerhalb des Zweijahreszeitraums vor der Entstehung des neuen Anspruchs am 5.5.2017 einen Gründungszuschuss
der Beklagten bezogen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Bezug eines Gründungszuschusses stellt keinen Bezug von Alg
dar und ist diesem auch nicht gleichzusetzen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.11.2010 - L 12 AL 153/10 - juris RdNr 59; Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, §
151 RdNr 79, Stand Juni 2021).
§
151 Abs
4 SGB III stellt ausdrücklich auf den Bezug von Alg ab. Insofern steht bereits die Wortlautgrenze (vgl dazu nur BSG vom 3.11.2021 - B 11 AL 2/21 R - RdNr 18 mwN - zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 §
131a Nr
1 vorgesehen) einer Auslegung entgegen, nach der §
151 Abs
4 SGB III auch den Bezug eines Gründungszuschusses umfasst.
Auch die Erwägungen, die das BSG veranlasst haben, §
133 Abs
1 SGB III, die Vorgängervorschrift des §
151 Abs
4 SGB III, auf das Unterhaltsgeld nach §
153 SGB III in der vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (aF) entsprechend anzuwenden (BSG vom 13.9.2006 - B 11a AL 33/05 R - SozR 4-4300 § 133 Nr 4 RdNr 17 ff), greifen hier nicht durch. Einer Übertragung dieser
Erwägungen steht bereits die unterschiedliche kategoriale Zuordnung der verschiedenen Leistungen entgegen. Das Unterhaltsgeld
war wie das Alg (§§
117 ff
SGB III aF) eine Entgeltersatzleistung und im entsprechenden Abschnitt geregelt (§§
116 ff
SGB III aF); seit dem 1.1.2005 ist an die Stelle des Unterhaltsgelds das Alg bei beruflicher Weiterbildung gemäß §
136 Abs
1 Nr
2, §
144 SGB III getreten, wodurch der Gesetzgeber auch die terminologische Unterscheidung aufgegeben hat. Der Gründungszuschuss ist hingegen
eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung, wie sich aus dessen Verortung im Vierten Kapitel ergibt. Hieran ändert sich nichts
durch §
148 Abs
1 Nr
8 SGB III, wonach sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen mindert, für die ein Gründungszuschuss in der Höhe des
zuletzt bezogenen Alg geleistet worden ist. Diese Norm betrifft wiederum nur die Frage der Anspruchsdauer, nicht aber die
- vom Gesetzgeber differenziert geregelte - Anspruchshöhe. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - ebenso wie mit §
94 Abs
1 SGB III - eine bereichsspezifische Regelung über den Zusammenhang zwischen Alg-Anspruch und Gründungszuschuss getroffen; in §
151 Abs
4 SGB III hat er den Bezug eines Gründungszuschusses aber gerade nicht in den Normtext aufgenommen.
Eine andere Sichtweise würde im Übrigen auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung von Beziehern eines Gründungszuschusses
gegenüber Personen führen, die eine selbständige Tätigkeit ohne Unterstützung durch einen Gründungszuschuss beginnen oder
eine abhängige Beschäftigung aufnehmen.
bb) Der Senat kann aber nicht entscheiden, ob die Klägerin aus anderen Gründen einen Anspruch auf höheres Alg hat.
Da §
151 Abs
4 SGB III nicht zu Gunsten der Klägerin eingreift und ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt
innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden kann, ist gemäß §
152 Abs
1 Satz 1
SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die Klägerin gemäß §
152 Abs
2 Satz 1
SGB III der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich
ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für sie in erster Linie zu erstrecken hat. Der Senat kann nicht
entscheiden, ob die Klägerin der Qualifikationsgruppe 1 - statt der Qualifikationsgruppe 2 - zuzuordnen wäre. Dies ist in
mehreren Schritten zu prüfen und hängt zunächst davon ab, auf welche Tätigkeiten sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit in erster Linie zu erstrecken haben (1. Prüfungsschritt) und erst dann davon, welche berufliche Qualifikation hierfür
erforderlich ist (2. Prüfungsschritt, näher zum Ganzen BSG vom 4.7.2012 - B 11 AL 21/11 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 8 RdNr 15 ff). Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen
getroffen, die es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen hat.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.