Freiwillige Versicherung eines Mitglieds des Vorstands einer Aktiengesellschaft in der Arbeitslosenversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung versicherungspflichtig nach
dem Recht der Arbeitsförderung ist.
Der 1960 geborene Kläger war vom 1.1.1993 bis zum 31.7.2004 sozialversicherungspflichtig bzw beitragspflichtig beschäftigt.
Am 15.7.2004 schloss er mit der A. AG einen auf den Zeitraum vom 1.7.2004 bis 30.6.2007 befristeten Dienstvertrag über eine
Anstellung als Vorstand der Gesellschaft ab. Im Handelsregister war der Kläger bereits seit 21.1.2004 neben einem weiteren
Vorstand und seit dem 29.10.2004 als einziger Vorstand der Gesellschaft eingetragen. Durch Vertrag vom 27.1.2006 erwarb der
Kläger sämtliche Anteile an der A. AG unter Übertragung sämtlicher Aktien auf ihn.
Am 13.2.2006 beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit die freiwillige Weiterversicherung als Selbstständiger
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Mit Bescheid vom 7.4.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger nach §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III als Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft (AG) versicherungsfrei sei. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12.1.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt,
trotz Aufnahme einer mehr als 15 Wochenstunden umfassenden selbstständigen Tätigkeit spätestens mit dem Erwerb sämtlicher
Aktien der Gesellschaft durch Vertrag vom 27.1.2006 sei der Kläger aufgrund seiner Stellung als Vorstand einer AG nach §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III von der Versicherungspflicht nach dem
SGB III und vom Recht zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses auf Antrag nach §
28a SGB III ausgenommen gewesen. Der Ausschluss von Vorstandsmitgliedern von AGen entspreche einer langen Tradition in allen Zweigen
der Sozialversicherung sowie im
SGB III. Anhaltspunkte für eine Abkehr hiervon seien den Materialien zur Einführung der Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung
nicht zu entnehmen. Auch aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergäben sich keine entsprechenden Hinweise. Der Kläger könne
sich auch nicht auf die in §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III enthaltene Verweisung auf §
27 SGB III stützen. Sofern hierdurch ein Zugang zur Antragspflichtversicherung hätte eröffnet werden sollen, müsse dies für alle in
§
27 SGB III genannten Personengruppen gelten. Dies sei offensichtlich nicht gewollt gewesen. Gleichzeitig führe die vom Kläger angestrebte
Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten auch auf Vorstandsmitglieder von AGen zu einem nicht auflösbaren Widerspruch
zu §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III, wonach die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Zweiten Kapitels
SGB III entsprechend gelten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des §
28a Abs
1 SGB III. Bei dem Klammerzusatz in §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III handele es sich um eine bewusste Einbeziehung des in §
27 SGB III genannten Personenkreises einschließlich der Vorstandsmitglieder einer AG in den Kreis der zur Antragspflichtversicherung
nach §
28a SGB III Berechtigten. Der eindeutige und unmissverständliche Wortlaut sei der vom LSG vorgenommenen Auslegung nach anderen Gesichtspunkten
nicht zugänglich. Zudem sei die typisierende Betrachtungsweise, die dem Ausschluss von Vorständen von AGen von der Arbeitslosenversicherung
in §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III zugrunde liege, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, empirisch nicht fundiert und spätestens seit der
Gründung von kleineren AGen im Zuge der New Economy praktisch widerlegt. Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass er spätestens
mit der Übernahme der Aktienmehrheit selbstständig tätig sei. Als Selbstständiger falle er jedoch nicht mehr unter den Anwendungsbereich
des §
27 SGB III, der die Versicherungsfreiheit von Beschäftigten regele, was das LSG verkannt habe. Zudem erfasse §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III nach seinem Wortlaut nur Mitglieder eines Kollegialvorstandes einer AG, nicht jedoch einen Alleinvorstand. Da §
27 SGB III auf ihn nicht anwendbar sei, gebe es auch nicht den vom LSG angeführten Wertungswiderspruch zu §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III. Eine Berechtigung selbstständiger Vorstände von AGen zur Antragspflichtversicherung entspreche auch den gesetzgeberischen
Motiven, da diese sich in einer den Existenzgründern ähnlichen wirtschaftlich ungesicherten Position befänden. Gleichzeitig
habe der Gesetzgeber mit §
28a SGB III eine bewusste Ausnahme von der Versicherungsfreiheit nach §
27 SGB III schaffen wollen, die jedoch aufgrund der weiteren Zugangserfordernisse nach §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
1 und
2 SGB III nur für wenige Personen oder Personengruppen gelte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12.1.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.9.2007
sowie den Bescheid der Beklagten vom 7.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 aufzuheben und festzustellen,
dass der Kläger seit dem 13.2.2006 nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. §
27 SGB III gehe typisierend davon aus, dass Mitglieder des Vorstands einer AG grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigte seien.
Für eine Überprüfung im Einzelfall, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliege oder eine selbstständige Tätigkeit
bleibe daher kein Raum. Andernfalls wäre die gesonderte Regelung in §
27 SGB III nicht notwendig gewesen, da dann eine Abgrenzung der Tätigkeit ähnlich wie beim GmbH-Geschäftsführer erfolgen könne.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts
(SG) zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 7.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 ist rechtmäßig.
Der Kläger ist nicht nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.
1. Zutreffend hat der Kläger die Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung, dass seit dem 13.2.2006 Versicherungspflicht
nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht, verbunden (vgl Urteil des Senats vom 3.6.2009, B 12 AL 1/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterver sicherung nach §
28a Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB III (eingefügt mit Wirkung zum 1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) nach dem
Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift können Selbstständige auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis
begründen, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben.
Neben einem fristgerechten Antrag iS von §
28a Abs
2 Satz 2
SGB III und § 434j Abs
2 SGB III setzt die Weiterversicherung nach §
28a Abs
1 Satz 2
SGB III voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens 12 Monate sowie unmittelbar
vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach
den Vorschriften des Ersten Abschnitts des
SGB III gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder (in der seit 1.7.2008 geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes
vom 28.5.2008, BGBl I 874) eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte, ein Versicherungspflichtverhältnis oder einen
Leistungsbezug unterbrechende Beschäftigung ausgeübt hat (Nr 1 und Nr 2) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht nicht
besteht (Nr
3). §
28a Abs
2 Satz 1 und
2 SGB III und § 434j Abs
2 SGB III treffen Regelungen zum Beginn der Versicherungspflicht sowie zur Frist, innerhalb der der Antrag gestellt werden muss.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger in seiner Tätigkeit als Vorstand einer AG allerdings nicht bereits
nach §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III versicherungsfrei und von der Versicherungspflicht auf Antrag ausgeschlossen. Denn §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III ordnet allein die Versicherungsfreiheit von abhängig beschäftigten Vorständen einer AG an. Zwar geht das Gesetz von einer
regelmäßig vorliegenden abhängigen Beschäftigung aus (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f). Vorliegend hat das LSG jedoch zutreffend entschieden, dass der Kläger spätestens mit Übernahme
aller Anteile an der A. AG in seiner Tätigkeit als alleiniger Vorstand dieser AG im Antragszeitpunkt selbstständig und nicht
abhängig beschäftigt war.
b) Eine Versicherungspflicht des Klägers auf Antrag ist dennoch nicht eingetreten, weil nach §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit auf die Antragspflichtversicherung entsprechend anzuwenden sind. Diese entsprechende
Anwendung bedeutet, dass eine selbstständige Tätigkeit nicht versichert sein kann, wenn diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger
Beschäftigung - nach §§
27,
28 SGB III versicherungsfrei wäre.
aa) Nach §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III (§
28a Abs
2 Satz 3
SGB III in der seit 1.7.2008 geltenden Fassung durch Art 4 Nr 2 Buchst b des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts
über die Versicherungsfreiheit für Versicherungspflichtverhältnisse auf Antrag entsprechend. Dies verweist im Ersten Abschnitt
des Zweiten Kapitels des
SGB III auf die §§
27,
28 SGB III (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
28a RdNr 8, 11), die die Versicherungsfreiheit in bestimmten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Beschäftigungen anordnen
(vgl Schlegel in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
27 RdNr 2). "Entsprechend" zeigt dabei an, dass die hierdurch in Bezug genommenen §§
27,
28 SGB III ihrem Regelungsgehalt nach auf den nach §
28a Abs
1 SGB III grundsätzlich antragsberechtigten Personenkreis auch dann anzuwenden sein sollen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der
§§
27,
28 SGB III nicht vollständig erfüllt sind, zB weil es sich nicht um eine Beschäftigung handelt. Dies gilt etwa für die Ausübung einer
Tätigkeit während des Studiums, wenn eine Beschäftigung vergleichbaren Umfangs wegen des sogenannten Werkstudentenprivilegs
(§
27 Abs
4 Satz 1 Nr
2 SGB III) versicherungsfrei wäre, oder eine selbstständige Tätigkeit nach dem 65. Lebensjahr, weil auch eine abhängige Beschäftigung
nach Erreichen des Alters für die Regelaltersrente versicherungsfrei ist (§
28 Abs
1 Nr
1 SGB III). Ebenso wie §
4 Abs
3a Satz 1
SGB VI für die Antragspflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (hierzu BR-Drucks 496/95 S 45) stellt §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III für die Antragspflichtversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung klar, dass die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit
grundsätzlich nicht nur für die Versicherungspflichttatbestände gelten, bei denen die Versicherungspflicht ipso jure eintritt,
sondern auch für Versicherungspflichttatbestände, bei denen die Versicherungspflicht auf Antrag eintritt.
bb) Gleichzeitig bewirkt die in §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III angeordnete entsprechende Anwendung der §§
27,
28 SGB III für den Bereich der Antragspflichtversicherung bereits den Ausschluss von der Versicherungspflicht (auf Antrag) und nicht
nur - wie die direkte Anwendung der §§
27,
28 SGB III im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels
SGB III (hierzu Schlegel in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
27 RdNr 1 f) - die Befreiung von den mit der Versicherungspflicht verbundenen Rechten und Pflichten. Denn im Unterschied zur
Versicherungspflicht nach §§
25,
26 SGB III tritt die Versicherungspflicht nach §
28a SGB III nicht von Gesetzes wegen, sondern erst auf Antrag ein. Damit bedarf es anders als im direkten Anwendungsbereich der §§
27,
28 SGB III nicht der Befreiung von den Folgen einer bereits unabhängig vom Willen des Betroffenen bestehenden Versicherungspflicht.
Vielmehr genügt es, die Versicherungspflicht durch Negation der Antragsberechtigung erst gar nicht entstehen zu lassen, um
die bereits bestehende, dem Regelungszweck entsprechende Versicherungsfreiheit beizubehalten. Ein Interesse der nach §
28a Abs
1 Satz 1
SGB III grundsätzlich Antragsberechtigten, entsprechend der Konzeption der §§
25 bis
28 SGB III zunächst zur Pflichtversicherung zugelassen, dann aber von deren Folgen befreit zu werden, ist nicht erkennbar.
cc) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III herzuleiten, den die Revision in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellt. Danach gilt: "Voraussetzung der Versicherungspflicht
auf Antrag ist, ... dass Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht". Entgegen dem Vorbringen des Klägers
kann dem Wortlaut keineswegs eindeutig und jede andere Auslegung ausschließend entnommen werden, dass über den Verweis auf
§
27 SGB III das Recht zur Antragspflichtversicherung auch auf den nach dieser Vorschrift versicherungsfreien Personenkreis, jedenfalls
aber auf die Vorstände von AGen ausgedehnt werden sollte. Vielmehr handelt es sich bereits nach dem Wortlaut des §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III um eine Ausschlussnorm, die im Sinne einer Subsidiaritätsklausel (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
28a RdNr 7) den Ausschluss des Rechts zur Antragspflichtversicherung beim Vorliegen anderweitiger Versicherungspflicht und gerade
nicht die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten zum Gegenstand hat.
Entgegen der Interpretation des Klägers bezieht sich §
28a Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III auch nicht auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, sondern auf eine "anderweitige" Tätigkeit oder
Beschäftigung, aufgrund derer keine Versicherungspflicht bestehen darf. Bezöge sich diese Vorschrift stattdessen auf die zur
Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, hätte sie keinen Anwendungsbereich. Denn die Tätigkeiten bzw Beschäftigungen
der Fallgruppen des §
28a Abs
1 Satz 1
SGB III begründen gerade keine Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften des
SGB III, weshalb die Begründung von Versicherungspflicht auf Antrag überhaupt erst notwendig ist. Im Rahmen dieser Auslegung kommt
dem zunächst schwer verständlichen (vgl Timme in Hauck/Noftz,
SGB III, §
28a RdNr 28) Verweis auf §§
26,
27 SGB III eine klarstellende Funktion zu: Er verdeutlicht, dass nicht nur die allgemeine Versicherungspflicht Beschäftigter nach §
24 Abs
1 Alt 1
SGB III iVm §
25 SGB III, sondern auch die sonstige Versicherungspflicht nach §
26 SGB III und auch eine Beschäftigung, die grundsätzlich Versicherungspflicht begründet, aber nach §
27 SGB III versicherungsfrei ist, die Antragspflichtversicherung ausschließt.
dd) Der Ausschluss von selbstständigen Vorstandsmitgliedern einer deutschen AG von der Antragspflichtversicherung verstößt
nicht gegen höherrangiges Recht. Soweit der Kläger geltend macht, die dem Ausschluss von Vorständen von AGen von der Versicherungspflicht
nach dem Recht der Arbeitsförderung zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert
seien, sei empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren AGen im Zuge der New Economy praktisch
widerlegt, rügt er sinngemäß eine Verletzung des Art
3 Abs
1 GG. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art
2 Abs
1 GG ist jedoch geklärt, dass es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer
sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen
will und wen diese erfassen soll. Die Einbeziehung in die Versicherung darf nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit
ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen (vgl Urteil des Senats vom 15.7.2009, B 12 KR 14/08 R, mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 7 Nr 1 vorgesehen). Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär
an der Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten ausrichten (BVerfG, Beschluss vom 8.4.1987, 1 BvR 564/84 ua, BVerfGE 75, 78, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142), ist aber dennoch im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art
3 Abs
1 GG bereits nicht gehalten, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen (BVerfG,
Urteil vom 1.7.1998, 2 BvR 441/90 ua, BVerfGE 98, 169). Erst recht ist er grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen nicht abhängig Beschäftigter
- hier selbstständiger AG-Vorstände und anderer Selbstständiger - gezwungen.
Im Rahmen einer solchen typisierenden Betrachtung der Schutzbedürftigkeit liegt der Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern
einer AG nach §
27 Abs
1 Nr
5 SGB III - wie bei der Vorgängernorm § 3 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen
Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung - und die Arbeitslosenversicherung - entbehrlich erscheinen (vgl
BSG, Urteil vom 22.11.1973, 12/3 RK 20/71, BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG, unter Hinweis auf das Urteil vom 18.9.1973, 12 RK 5/73, BSGE 36, 164, 167 = SozR Nr 23 zu §3 AVG; zur Regelungsgeschichte Urteil vom 27.2.2008, B 12 KR 23/06 R, BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3 RdNr 21 mwN). Aufgrund dieser typisierenden Betrachtung stand es dem Gesetzgeber offen, das Recht
zur Pflichtversicherung auf Antrag nach §
28a Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB III mit Hilfe der Erstreckungsklausel des §
28a Abs
2 Satz 4
SGB III auf Existenzgründer (zu dieser Zielgruppe BT-Drucks 15/1515 S 78 zu Nr 20) zu beschränken, die nicht über die mit der Stellung
als Vorstandsmitglied einer AG typischerweise verbundene wirtschaftliche Absicherung verfügen oder aus einem anderen Grund
im Falle einer Beschäftigung versicherungsfrei wären. Soweit der Gesetzgeber bisher auf die Entstehung finanzschwacher "kleiner"
AGen nicht reagiert hat, kann sich der Senat vorliegend nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung,
das geltende Recht laufend im Auge zu behalten und zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erforderlichenfalls den tatsächlichen
Entwicklungen anzupassen (vgl zB BVerfGE 90, 226, 238 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6; BSG, Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18), nicht hinreichend nachgekommen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.