Feststellung des maßgebenden Beitragssatzes aus Versorgungsbezügen durch die Krankenkasse
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von den Versorgungsbezügen der Klägerin Beiträge nach dem
vollen allgemeinen Beitragssatz zu erheben.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Rentnerin pflichtversichert. Sie bezieht neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
eine Versorgung nach dem
Beamtenversorgungsgesetz. Insofern wurde bis zum 31. Dezember 2003 nur der halbe Beitragssatz für die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung
zugrunde gelegt.
Nachdem der Versorgungsträger ab Januar 2004 die Beitragszahlung aus den Versorgungsbezügen unter Zugrundelegung des vollen
Beitragssatzes ermittelt hatte, beantragte die Klägerin unter dem 3. Februar 2004 einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Die
Beklagte teilte daraufhin in einem mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 16. Juni 2004 mit, nach der ab Januar
2004 geltenden Regelung würden auch die Beiträge der Klägerin aus ihren Versorgungsbezügen nach dem am 1. Juli des Vorjahres
geltenden allgemeinen Beitragssatz von 14,9 % berechnet und von der Zahlstelle abgeführt. Widerspruch, Klage und Berufung
der Klägerin sind jeweils erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004, Urteil des Sozialgerichts
>SG< Freiburg vom 16. Dezember 2004, Urteil des Landessozialgerichts >LSG< Baden-Württemberg vom 18. April 2005). Die Beklagte
habe das einfache Gesetzesrecht zutreffend angewandt. Ein Verfassungsverstoß liege nicht vor.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält §
248 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) für verfassungswidrig. Für ihre übergangslose Belastung mit dem vollen Beitrag fehle es an einem sachlichen Grund. Sie werde
gegenüber den sog Nur-Rentnern und Rentnern der Alterssicherung der Landwirte ungerechtfertigt belastet und könne sich der
zusätzlichen Entwertung ihrer Alterseinkünfte auch nicht durch den Wechsel in ein anderes System der Krankenversicherung entziehen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 2005, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Dezember
2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 aufzuheben
und die von der Klägerin zu tragenden Beiträge zur Krankenversicherung aus ihrem Versorgungsbezug in zutreffender Höhe festzustellen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 2005 - Az: L 11 KR 264/05 - als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin erweist sich teilweise als sachlich, im Übrigen im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung als
begründet.
Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG auch insofern bestätigt und die Berufung hiergegen zurückgewiesen, als dieses die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der
Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 abgewiesen hatte. Die Beklagte hat
sich dort im Ergebnis darauf beschränkt, den im Fall der Klägerin für die Bemessung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen ab
dem 1. Januar 2004 einschlägigen Beitragssatz festzustellen. Insofern ist die Anfechtungsklage statthaft, weil aus den genannten
Bescheiden und den Umständen ihres Erlasses für die Klägerin objektiv erkennbar war, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche,
der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung von der Beklagten gewollt war. Allein hierauf kommt es für den Charakter der Feststellung
als Verwaltungsakt und infolge dessen die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl Urteil des Senats vom 24. November
2005, B 12 KR 18/04 R, juris-Nr: KSRE021191514, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für die erhobene Klage besteht auch schon deshalb ein
Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin nach dem Umständen des Falles davon ausgehen musste, dass ihr die Festsetzung des
Beitragssatzes künftig als verbindlich entgegen gehalten werden würde. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte erweist
sich die Klage schließlich insofern auch als begründet. Soweit die Beklagte festgestellt hat, dass im Falle der Klägerin für
den streitigen Zeitraum ab dem 1. Januar 2004 der am 1. Juli 2003 geltende allgemeine Beitragssatz maßgeblich sein soll,
ist dies deshalb rechtwidrig, weil sie sich zu Unrecht auf ein einzelnes Element des Beitragstragungstatbestandes beschränkt
hat. Den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung wird in der Rechtsprechung des Senats seit langem auch ohne ausdrückliche
gesetzliche Ermächtigung "auf Grund der Natur der Sache" die Kompetenz zuerkannt, im Beitragsrecht Verwaltungsakte zu erlassen,
weil sie die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben nur erfüllen können, wenn ihnen hierzu finanzielle Mittel zur Verfügung
gestellt werden (vgl Urteil vom 2. Februar 1978, 12 RK 29/77, BSGE 45, 296, 299). Hierzu können sie auch gegenüber den Beziehern von Versorgungsbezügen zur Höhe der von diesen zwar zu tragenden, jedoch
von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge zu zahlenden Beiträge (§
256 Abs
1 Satz 1
SGB V) Verwaltungsakte erlassen (vgl bereits zum Recht der
Reichsversicherungsordnung Bundessozialgericht >BSG< vom 17. Oktober 1986, 12 RK 15/86, BSGE 60, 274, 275 f). Indes bedarf es auch insofern nur der Geltendmachung des sich für einen bestimmten Zeitraum jeweils konkret ergebenden
Betrages, nicht aber der verbindlichen Regelung einer einzelnen Größe zu seiner Bemessung wie des Beitragssatzes. Diesen konnte
und durfte die Beklagte daher nicht für sich zum Gegenstand eines "Verwaltungsaktes" machen.
Im Übrigen erweist sich die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung als begründet. Auf der Grundlage der bisher
vorliegenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat die konkrete Höhe der von der Klägerin ab 1. Januar 2004
aus ihren Versorgungsbezügen zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge (§
55 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz) nicht feststellen. Der Senat wäre andernfalls selbst zu einer Elementenfeststellung nach dem Vorbild des aufgehobenen Bescheides
der Beklagten gezwungen. Das Berufungsgericht wird die entsprechenden Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung nunmehr nachzuholen
haben. Hinsichtlich der dabei zu beachtenden Rechtslage verweist der Senat auf sein Urteil vom 24. August 2005 in der Streitsache
B 12 KR 29/04 R (SozR 4-2500 § 248 Nr 1).
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.