Sozialversicherungsbeitragspflicht für einen Geschäftsführer einer GmbH
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gründe
I
In dem den Nichtzulassungsbeschwerden zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Sozialversicherungspflicht
des Klägers zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 2. in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im Zeitraum vom 1.10.1995 bis 28.12.1998.
Die Klägerin zu 2. ist eine GmbH, an welcher der Kläger zu 1. in dem genannten Zeitraum 40 vH des Stammkapitals hielt, seine
Schwester ebenfalls 40 vH und seine Mutter 20 vH. Die Gesellschafter fassten ihre Beschlüsse nach dem Gesellschaftsvertrag
mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Für seine Geschäftsführertätigkeit erhielt der Kläger zu 1. ua ein festes
Monatsgehalt, hatte Anspruch auf Erstattung von Reisekosten, bezahlten Jahresurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Für einzelne Geschäfte bedurfte er der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung; im Übrigen war er alleinvertretungsberechtigt
und von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit.
Mit Bescheiden vom 28.11.2016 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger zu 1. diese Tätigkeit im streitigen Zeitraum im Rahmen
eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach
dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Er habe in dem nach arbeitsvertragstypischen Regelungen
vereinbarten Geschäftsführerverhältnis nicht kraft seines Anteils am Stammkapital der GmbH maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft
ausüben können. Erst nach dem Tod der Mutter habe er aufgrund Erbfolge ab 29.12.1998 über 50 vH der Gesellschaftsanteile verfügt
und sei daher nicht mehr versicherungspflichtig gewesen.
Widersprüche, Klagen und Berufungen der Kläger sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheide vom 24.7.2017, Gerichtsbescheid vom 1.6.2018, Urteil vom 19.2.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Bescheide der als Einzugsstelle entscheidungsbefugten Beklagten seien rechtmäßig.
Maßgeblich für die Zuordnung einer Tätigkeit zur abhängigen Beschäftigung sei das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich
nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen im Einzelfall bestimme. Bei einem GmbH-Geschäftsführer
sei der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliches
Abgrenzungskriterium. Ein Geschäftsführer, der nicht als Mehrheitsgesellschafter am Kapital beteiligt sei, sei grundsätzlich
abhängig beschäftigt und könne ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger angesehen werden, wenn er exakt 50 vH der Anteile
am Stammkapital halte oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte"
oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt sei. Der Kläger zu 1. habe kraft
seines Kapitalanteils nicht über solche rechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten verfügt, ihm sei keine Sperrminorität eingeräumt
gewesen und die sogenannte "Kopf und Seele-Rechtsprechung" habe das BSG ausdrücklich aufgegeben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden.
II
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des LSG sind als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Kläger haben den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und auch einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
1. Die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung
des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene
Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in
der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung
zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen
begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht
den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Den Darlegungen kann schon nicht entnommen werden, zu welchem Urteil eine
Divergenz vorliegen soll. Während zunächst ausgeführt ist, die Entscheidung des LSG weiche "von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes"
ab, ist dann von "einem" - nicht näher bezeichneten - Urteil des BSG die Rede. Zitiert werden lediglich die Entscheidung des BSG vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - sowie die Entscheidung des BVerfG vom 17.7.2013 - 1 BvR 2540/12, ohne aber diesbezüglich eine Divergenz darzustellen. Es werden weder sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt noch dargelegt,
dass das LSG die Rechtsprechung des BSG oder die des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte.
Die Behauptung, bei dem unstreitigen Sachverhalt seien dem Kläger zu 1. keine Weisungen erteilt worden und Weisungen hätten
ihm auch nicht erteilt werden können, wird ohne jeden rechtlichen Anknüpfungspunkt in den Raum gestellt und kann die Darlegungsanforderungen
an den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllen. Gerügt wird damit allenfalls eine vermeintliche Unrichtigkeit der Entscheidung
des LSG; ein Widerspruch im Grundsätzlichen kann dem nicht entnommen werden.
Gleiches gilt bezüglich der Darlegungen zu den Ausführungen des BVerfG zum rechtlichen Gehör. Das LSG hat sich in der angefochtenen
Entscheidung mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gar nicht befasst, sodass deshalb eine Divergenz nicht nur von vornherein
ausscheidet; auch die Darlegungen in der Beschwerdebegründung beziehen sich lediglich darauf, dass das LSG diesen Grundsatz
nicht beachtet habe. Das allein kann aber eine Divergenz nicht begründen, es müsste vielmehr dargelegt werden, dass das LSG
zum Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich abweichende Kriterien aufgestellt habe.
2. Sofern die Kläger mit ihren Ausführungen zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs einen Verfahrensmangel
iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG rügen sollten, genügt der Vortrag auch insofern nicht den Anforderungen an eine hinreichende Beschwerdebegründung. Die nach
§
160a Abs
2 Satz 3
SGG erforderliche Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert in der Beschwerdebegründung die substantiierte Angabe der Tatsachen,
aus denen sich der Mangel ergeben soll. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert
bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das Beschwerdegericht
allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend
gemachten Verfahrensmangel beruht (BSG Beschluss vom 23.9.2013 - B 10 ÜG 12/13 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16 ff mwN).
Wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt, muss grundsätzlich vorgetragen werden, welchen erheblichen Vortrag das
Gericht nicht zur Kenntnis genommen hat oder welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern das Urteil darauf beruhen
kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 GG, §§
62,
128 Abs 2
SGG) soll ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Es ist
erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht
nachgekommen ist (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis nimmt und in
seine Erwägungen einbezieht (BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 7).
Aus der Beschwerdebegründung wird schon nicht deutlich, welchen "Sachverhaltsvortrag" das LSG unberücksichtigt gelassen haben
könnte. Soweit sich dieser Vortrag auf die Frage bezieht, ob dem Kläger zu 1. (rechtliche verbindliche) Weisungen erteilt
werden konnten, ist dies eine Rechtsfrage, die der Bewertung der Gerichte unterliegt. Um eine Tatsache handelt es sich lediglich
bei der Frage, ob ihm tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Es sind aber keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergeben
könnte, dass das LSG den diesbezüglichen Vortrag der Klägerseite nicht zur Kenntnis genommen und nicht in seine Beurteilung
mit einbezogen hätte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.