Sozialversicherungspflicht der steuerberatenden Tätigkeit eines Diplom-Betriebswirts für eine Steuerberatungsgesellschaft
Keine Befugnis der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund oder der Gerichte zur isolierten Feststellung des
(Nicht-)Bestehens von Beschäftigung als reines Element der mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbundenen Versicherungspflicht
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. als Buchführungshelfer
in der Zeit vom 27.2. bis zum 17.11.2014 (abhängig) beschäftigt war.
Der Kläger zu 1. (künftig: Kläger) ist Diplom-Betriebswirt und seit Mai 2009 für die Klägerin zu 2. (künftig: Klägerin) -
eine Steuerberatungsgesellschaft - als Buchführungshelfer tätig. Nach einem Hinweis des Finanzamts S vom 10.9.2013, wonach
der Kläger nicht zum Kreis der zur Steuerberatung berechtigten Personen gehöre und ihm Hilfeleistungen in Steuersachen - bis
auf die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge - verboten seien, schlossen die Kläger am 24.10.2013 rückwirkend zum 1.10.2013
einen Freien-Mitarbeiter-Vertrag (künftig: FMV). Danach konnte der Kläger von der Klägerin unterbeauftragt sowie mit steuerberatenden
Tätigkeiten für deren Mandanten betraut werden und übte seine Tätigkeit "weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und
beruflichen Verantwortung" der Klägerin aus (§ 1 Abs 2 und 3 FMV). Der Kläger betreute seine früheren Mandate weiter. Seine
Tätigkeiten rechnete er mit einem prozentualen Anteil der Steuerberatungsgebühr monatlich gegenüber der Klägerin ab. Seine
Einkünfte aus der Tätigkeit betrugen zwischen März und Oktober 2014 monatlich zwischen 330 und 400 Euro.
Auf den Statusfeststellungsantrag des Klägers stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass die Tätigkeit
des Klägers als Buchführungshelfer für die Klägerin seit 27.2.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt werde. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (Bescheide vom 24.2.2014 und 28.4.2014; Widerspruchsbescheide vom 8.7.2014).
Nach Verbindung der erhobenen Klagen hat das SG Kassel die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit
des Klägers für die Klägerin in der Zeit vom 27.2. bis zum 17.11.2014 um eine selbstständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit
gehandelt habe. Eine tatsächliche Weisungsgebundenheit habe nicht vorgelegen. Auch habe der Kläger ein nicht unerhebliches
unternehmerisches Risiko getragen (Urteil vom 13.5.2015). Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische LSG das Urteil
des SG abgeändert. Es hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers für
die Klägerin um eine in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung "nicht versicherungspflichtige
Beschäftigung" gehandelt habe. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei nach
den Regelungen des FMV weisungsabhängig und in die betriebliche Ordnung der Klägerin eingegliedert gewesen. Die vertragliche
Übernahme arbeitnehmeruntypischer Risiken führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger sei nur im Auftrag, unter der Aufsicht
und der Verantwortung der Klägerin und damit in Rahmen einer weisungsabhängigen Beschäftigung tätig gewesen. Allerdings bestehe
wegen Entgeltgeringfügigkeit keine Versicherungspflicht (Urteil vom 20.9.2018).
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen eine Verletzung von §
7 Abs
1 SGB IV. Das im FMV geregelte Weisungsrecht entspreche den steuerberatungsrechtlichen Vorgaben und betreffe nicht die von §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV erfassten arbeitsvertraglichen Weisungen. Tatsächlich sei der Kläger hinsichtlich Zeit, Ort und Umfang der Leistungserbringung
(weisungs-)frei gewesen. Er sei auch in die Arbeitsorganisation der Klägerin nicht eingegliedert gewesen, weil er eigenes
Arbeitsmaterial eingesetzt und mit dem Personal der Steuerkanzlei nicht zusammengearbeitet habe. Zudem habe er ein erhebliches
wirtschaftliches Risiko getragen, da sich ein Verlust von Mandanten auf seine Einkünfte ausgewirkt habe. Die vereinbarte Abrechnung
seiner Leistungen über die Klägerin sei steuerrechtlichen Gegebenheiten geschuldet gewesen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2018 insoweit aufzuheben, als das Urteil des Sozialgerichts
Kassel vom 13. Mai 2015 abgeändert und eine Beschäftigung festgestellt worden ist sowie die Berufung der Beklagten insgesamt
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Sie teilt die Statusbeurteilung des LSG. Hingegen überzeugten dessen Ausführungen zur Entgeltgeringfügigkeit nicht.
Die Beigeladene zu 3. teilt die Rechtsauffassung der Beklagten. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
II
Die allein von den Klägern eingelegte zulässige Revision ist nur zum Teil erfolgreich. Das LSG hat prozessual zu Unrecht eine
nicht versicherungspflichtige "Beschäftigung" festgestellt (dazu 1.). Insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben, auch
wenn das Berufungsgericht in der Sache zutreffend von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen ist (dazu 2.). Die Revision
war indes zurückzuweisen, soweit darüber hinaus die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Feststellung einer selbstständigen
Tätigkeit begehrt wurde (dazu 3.). Nur hinsichtlich des streitigen Status sind die Kläger noch beschwert und war aufgrund
des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags noch zu entscheiden. Nicht mehr Gegenstand ist hingegen das Nichtbestehen
von Versicherungspflicht. Die Beklagte hat die vorinstanzliche Aufhebung ihrer die Versicherungspflicht feststellenden Verwaltungsakte
nicht mit der Revision angefochten.
1. Hinsichtlich der Feststellung des LSG, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers für die Klägerin um eine Beschäftigung
gehandelt habe, hat die Revision - allein aus formalen Gründen - Erfolg (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG).
Gegenstand einer Statusfeststellung nach §
7a SGB IV ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Versicherungspflicht. Das Vorliegen
einer Beschäftigung iS von §
7 Abs
1 SGB IV ist, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht iS von §
25 Abs
1 Satz 1
SGB III, §
5 Abs
1 Nr
1 SGB V sowie §
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI und §
20 Abs
1 Satz 1 und
2 Nr
1 SGB XI (hier idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 [BGBl I 926]) und damit nur ein Element der
mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbundenen Feststellung von Versicherungspflicht. Demzufolge sind weder die Deutsche Rentenversicherung
Bund als "Clearingstelle" noch die Gerichte befugt, im Rahmen von §
7a SGB IV isoliert das Vorliegen von Beschäftigung festzustellen. Dies hat der Senat im Rahmen seiner Rechtsprechung zur so genannten
unselbstständigen Elementenfeststellung (vgl BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34 RdNr 15; grundlegend BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, LS und RdNr 11 ff) wiederholt entschieden und zuletzt in seinem Urteil vom 26.2.2019 (B 12 R 8/18 R - juris und SGb 2020, 192) bekräftigt. Daran hält er weiterhin fest. Der Senat weist aber erneut darauf hin, dass für ein zulässiges Begehren auf Feststellung
von Beschäftigung ein Bedürfnis bestehen dürfte, dem durch eine aktuell offenbar konkret beabsichtigte gesetzliche Neuregelung
Rechnung getragen werden soll.
Nach gegenwärtiger Rechtslage war das LSG daher nicht berechtigt, das Vorliegen von Beschäftigung (isoliert) festzustellen.
Die mit einer Anfechtungsklage gegen den im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakt kombinierte
Feststellungsklage kann nicht weiter gehen als das mit einem solchen Verwaltungsakt feststellungsfähige Rechtsverhältnis.
Unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe (vgl hierzu BSG Urteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 3/15 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 31 RdNr 11 mwN) hat das LSG mit seiner Feststellung im Tenor, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers
um eine "nicht versicherungspflichtige Beschäftigung" gehandelt habe, aber (unzulässig) eine verbindliche Entscheidung über
ein bloßes Tatbestandsmerkmal der Versicherungspflicht getroffen. Es hat den Begriff "Beschäftigung" nicht nur als Begründungselement
der Versicherungspflicht (mit)genannt oder ihn untechnisch bzw synonym zum Begriff "Tätigkeit" verwendet.
2. An der Entscheidung ändert nichts, dass der Kläger zur Überzeugung des Senats tatsächlich in seiner Tätigkeit für die Klägerin
beschäftigt war.
Nach den - von den Klägern nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen
des LSG zum FMV unterlag der Kläger in seiner Tätigkeit einem Weisungsrecht der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Kläger
sind berufsrechtliche - hier steuerberatungsrechtliche - Weisungsrechte nicht vom Begriff der "Weisungen" iS von §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV ausgenommen (zu den Auswirkungen des Berufsrechts auf die Maßstäbe zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer
selbstständigen Tätigkeit vgl BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - [Steuerberater] zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die auf alle Arbeitnehmer anwendbare Vorschrift des § 106 Satz 1 iVm § 6 Abs 2 GewO regelt als Weisungsrecht des Arbeitsgebers, dass jener Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher
bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines
anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Mit diesem Direktionsrecht kann der Arbeitgeber
primär die jeweils konkret zu leistende Arbeit und die Art und Weise ihrer Erbringung festlegen (vgl BAG Urteil vom 19.5.2010
- 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296 RdNr 14; Dörner in Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts 15. Aufl 2020, Kap 1 RdNr 663; Lampke in
Kunz/Henssler/Brand/Nebeling, Praxis des Arbeitsrechts, 6. Aufl 2018, § 21 RdNr 502). Dem steht nicht entgegen, dass die Weisungsrechte
möglicherweise berufsrechtlich vorgegeben waren. Denn bei der Gesamtabwägung sind auch solche Umstände zu berücksichtigen,
die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben sind oder auf sonstige Weise "in
der Natur der Sache" liegen (vgl hierzu BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 R 16/19 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Unabhängig hiervon war der Kläger in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert.
Er war lediglich im Wege einer "Unterbeauftragung" tätig (§ 1 Abs 2 FMV). Indem er prozentual an den von der Klägerin den
Mandanten in Rechnung gestellten Gebühren partizipierte (§ 3 Abs 1 FMV), war er in deren Abrechnungsstruktur eingebunden.
Der Kläger konnte nicht konkret aufwandsbezogen gegenüber der Klägerin, zB nach Stunden, abrechnen. Angesichts dieser Weisungsunterworfenheit
und Eingliederung des Klägers fallen Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit nicht entscheidend ins Gewicht. Die Freiheit
bei Ort und Zeit der Tätigkeit spricht in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbstständigkeit. Es kommt nicht darauf
an, dass die Klägerin das ihr zustehende Weisungsrecht faktisch nicht ausgeübt hat. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes
und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich
in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände
nicht zu vereinbaren (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 15 mwN). Ein die Selbstständigkeit bedingendes unternehmerisches Risiko bestand nicht. Der
Verlust von Mandaten berührt die Vergütung der zuvor vom Kläger erbrachten Tätigkeiten nicht. Eine Ausdehnung seiner Geschäftstätigkeit
als Ausfluss unternehmerischer Entscheidungen war immer von einem mit der Klägerin zustande gekommenen Mandatsverhältnis abhängig.
3. Unbegründet ist die Revision, soweit die Kläger zugleich die Aufhebung der mit der Feststellung der Beschäftigung einhergehenden
Änderung des SG-Urteils hinsichtlich der Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit begehren. Auch das SG war aus den oben dargelegten Gründen (siehe unter 1.) hierzu nicht befugt. Eine in Statusfeststellungsverfahren neben der
Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt erhobene Feststellungsklage kann - wie bereits ausgeführt - nur das (Nicht-)Vorliegen
von Versicherungspflicht, nicht aber das Vorliegen von Selbstständigkeit oder Beschäftigung zum Gegenstand haben. Daher war
die insoweit eingelegte Berufung der Beklagten nicht zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.