Divergenz als Widerspruch im Rechtssatz
Falsche Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung
Kausalität eines Widerspruchs
1. Divergenz i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder
das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.
3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG von einer Entscheidung u.a. des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt.
4. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen
enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht,
und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann.
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger zu 1.
in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 1.2.1994 bis 31.12.2004 der Versicherungspflicht in allen Zweigen
der Sozialversicherung aufgrund (abhängiger) Beschäftigung unterlag.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.3.2014 ist in
entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Kläger berufen sich in der Beschwerdebegründung vom 4.8.2014 auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Auf Seite 3 der Beschwerdebegründung entnehmen die Kläger dem angefochtenen Urteil folgenden "Rechtssatz":
"Das Vorhandensein des Vetorechts ist im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend, da es zum einen angeblich nicht wirksam
sei und zum anderen angeblich keine 'positive Gestaltung' der streitigen GmbH ermögliche, was laut BSG notwendig wäre."
Diese Rechtsauffassung sei mit dem, die Urteile des BSG vom 29.8.2012 (BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - Juris) tragenden Rechtssatz unvereinbar, da dieser vielmehr auf eine umfassende Allgemeinbetrachtung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses,
auch unter Einbeziehung eines "Vetorechts", abstelle.
Damit legen die Kläger eine entscheidungserhebliche Abweichung nicht hinreichend dar. Entgegen den oben dargestellten Zulässigkeitsanforderungen
entnehmen die Kläger der angefochtenen Entscheidung keinen Rechtssatz, da sie im Kern allein auf die rechtliche Würdigung
des LSG "im vorliegenden Fall" abstellen. Erforderlich wäre aber die Herausarbeitung tragender abstrakter Rechtssätze, mithin
die Darlegung, dass das LSG Kriterien, die ein in §
160 Abs
2 Nr
2 SGG genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen und andere Maßstäbe entwickelt hat. Das unzulässige Abstellen auf die konkrete
rechtliche Würdigung setzt sich in der Beschwerdebegründung fort, indem die Kläger zB ausführen "In dem hier zu entscheidenden
Fall verhält es sich allerdings anders (...)" oder "Das Berufungsurteil hat die Tragweite und die Bedeutung dieser aus dem
Jahr 1994 stammenden Vetorechts Vereinbarung, in der als rechtlich zulässiges Minus eine Abstimmungsvereinbarung zulässigen
Inhaltes enthalten ist, grundsätzlich verkannt."
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Auf Seite 6 der Beschwerdebegründung führen die Kläger aus, die aufgeworfenen Rechtsfragen beträfen "im Übrigen keine res
judicata, so dass der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung" habe.
Damit erfüllen die Kläger die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn sie haben keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.