Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen in der Krankenversicherung der Rentner
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse berechtigt ist, von den Versorgungsbezügen des Klägers seit
dem 1.1.2004 Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu erheben.
Der Kläger war zunächst bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Er bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Seit dem 1.4.2002 ist er pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Die Rente betrug im Juli 2003 865,87 Euro monatlich.
Daneben werden ihm Versorgungsbezüge als Beamter gezahlt, die im Dezember 2003 2.957,84 Euro monatlich betrugen.
Mit Bescheid vom 9.2.2004 teilte die Beklagte ihm mit, dass für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen seit dem
1.1.2004 nicht mehr der halbe Beitragssatz, sondern der volle allgemeine Beitragssatz maßgebend sei und dass auch die vom
Kläger zu zahlenden Beiträge zur Krankenversicherung ab 1.1.2004 nach ihrem ab 1.7. des Vorjahres geltenden allgemeinen Beitragssatz
von 13,6 vH ermittelt würden. Den ab 1.1.2004 aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Krankenversicherungsbetrag stellte sie
mit 364,41 Euro monatlich fest. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die Beitragserhebung nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz
beanstandete, wies sie zurück (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.6.2004). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 18.8.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
die Beklagte habe zutreffend gemäß §
248 SGB V idF des Art 1 Nr 148 Buchst a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], im
Folgenden: §
248 SGB V nF) die Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz berechnet. §
248 Satz 1
SGB V nF verstoße nicht gegen das
Grundgesetz (
GG).
Mit seiner vom SG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art
3 Abs
1, Art
2 Abs
1 und Art
20 GG. Er hält §
248 SGB V nF für verfassungswidrig und beruft sich ua auf eine Stellungnahme des Prof. Dr. H. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung
gegen das in der gesamten Sozialversicherung geltende Solidaritätsprinzip und damit gegen das Sozialstaatsund Rechtsstaatsprinzip
verstoßen. Durch die Verdoppelung der Beiträge aus Versorgungsbezügen habe er einen Paradigmenwechsel herbeigeführt und in
unerlaubter Weise Prinzipien der privaten Krankenversicherung auf die Pflichtversicherung der Rentner mit Versorgungsbezügen
übertragen. Art
2 Abs
1 GG sei verletzt, weil Versorgungsbezüge aus Tätigkeiten, die außerhalb des Sozialversicherungsrechtes ständen, nicht mehr nur
genauso, sondern nun doppelt so hoch wie Renteneinkünfte belastet würden. Auch läge ein Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG vor. Pflichtversicherte Rentner mit einer Rente hätten weniger Beiträge zu zahlen als Rentner, die insgesamt in gleicher
Höhe eine gesetzliche Rente und Versorgungsbezüge erhielten. Pflichtversicherte Rentner mit einem hohen Anteil an Versorgungsbezügen
würden insgesamt stärker belastet als Rentner mit nur einem geringen Anteil an Versorgungsbezügen.
Auch die Schlechterstellung im Vergleich zu Rentnern, die Leistungen aus der Altersversorgung der Landwirte erhalten, verletzte
Art
3 Abs
1 GG. In der übergangslosen Änderung der Rechtslage liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er sich
aus Art
20 Abs
3 GG ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.8.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9.2.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.6.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die vom Kläger zu tragenden Beiträge zur Krankenversicherung aus seinem Ruhegehalt
seit dem 1.1.2004 169,10 Euro betragen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Zutreffend hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden die aus den Versorgungsbezügen des Klägers von ihm zu zahlenden
Krankenversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung des vollen Beitragssatzes errechnet.
1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger kann eine verbindliche Entscheidung
über die von ihm zu tragenden Beiträge aus den Versorgungsbezügen nur durch eine Anfechtung des Bescheides der Beklagten und
eine Feststellungsklage erreichen.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.2004 ist rechtmäßig. Da die
Beklagte die Beiträge aus den Versorgungsbezügen des Klägers nicht von diesem selbst, sondern nur von der Zahlstelle fordern
darf (§
256 Abs
1 Satz 1
SGB V), hat sie im angefochtenen Bescheid zu Recht nur die Höhe der vom Kläger zu tragenden Beiträge betragsmäßig festgestellt
und den von ihr zugrunde gelegten Beitragssatz als Berechnungselement zur Begründung für die Höhe der Beitragsfestsetzung
angeführt. Die Pensionszahlungen aus der Beamtenversorgung des Klägers sind der Rente vergleichbare Einnahmen, die als Versorgungsbezüge
iS von § 226 Abs 1 Satz 1 Nr
3 und §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
1 Halbsatz 1
SGB V nach §
237 SGB V zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers zählen.
Die Festsetzung des vom Kläger zu tragenden Beitrags aus den Versorgungsbezügen unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen
Beitragssatzes beruht auf §
248 Satz 1
SGB V idF des Art 1 Nr 148 Buchst a GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: §
248 Satz 1
SGB V nF). Danach gilt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am 1.7. geltende
allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Nach den Feststellungen des SG ist der Kläger versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Gegen die rechnerische Ermittlung des Beitrags aus den von
der Beklagten zugrunde gelegten Versorgungsbezügen in Anwendung dieser Vorschriften und unter Beachtung des satzungsmäßigen
allgemeinen Beitragssatzes der Beklagten hat der Kläger Einwände nicht erhoben. Nicht erheblich für die Feststellung des ab
1.1.2004 von dem Kläger zu tragenden Beitrages ist die Änderung von §
248 Satz 1
SGB V durch Art 4 Nr 13a Buchst a des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21.3.2005 (BGBl I 818) mit Wirkung zum 1.4.2005, wonach nunmehr
für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der nach §
247 Abs
1 SGB V geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse gilt.
Die Erhebung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983 beitragspflichtige
Einnahmen (vgl § 180 Abs 5 bis 8
RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1.12.1981, BGBl I 1205). Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen (vgl
Urteile des Senats vom 24.8.2005, B 12 KR 29/04 R, SozR 4-2500 § 248 Nr 1, vom 10.5.2006, ua B 12 KR 5/05 R, USK 2006-25, B 12 KR 7/05 R, WzS 2007, 155, und B 12 KR 21/05 R, WzS 2007, 155, und vom 13.6.2007, B 12 KR 18/06 R, USK 2007-12) ausgeführt hat, ist er nicht davon überzeugt, dass §
248 SGB V nF verfassungswidrig ist, soweit mit der Anordnung des vollen allgemeinen Beitragssatzes eine Verdoppelung der Beiträge aus
den Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Es hat ausgeführt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast auf Versorgungsbezüge
nichts ändere, wenn die Belastung von Versorgungsbeziehern im Einzelfall aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am
individuellen Alterseinkommen höher sei, und hat dies auch für den Fall angenommen, dass die Zahlung der Versorgungsbezüge
auf einem Beamtenverhältnis beruht. Er hat auch weder eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig
versicherten Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG angenommen, soweit nach §
248 Satz 2
SGB V für Versorgungsbezüge iS von §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB V, dh Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine
Beitragssatz gilt. Weiter hat er weder die Eigentumsgarantie des Art
14 Abs
1 GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art
2 Abs
1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
hat in seinem Beschluss vom 28.2.2008 (1 BvR 2137/06, DVBl 2008, 645) die Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats vom 10.5.2006 (B 12 KR 3/05 R, WzS 2007, 154, B 12 KR 5/05 R, aaO, B 12 KR 7/05 R, aaO, B 12 KR 9/05 R, WzS 2007, 153, B 12 KR 13/05 R, WzS 2007, 153) nicht zur Entscheidung angenommen. Auch die Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit einer
Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (Urteil des Senats vom 13.6.2007, B 12 KR 18/06 R, USK 2007-12) hat das BVerfG nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 7.4.2008, 1 BvR 2325/07).
In diesen Entscheidungen hat es §
248 Satz 1
SGB V nF als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG vereinbar angesehen. Einen Verstoß gegen Art
2 Abs
1 GG hat es verneint und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn
die Versorgungsbezüge ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachten. Schließlich hat es auch mit Beschluss
vom 28.5.2008 (1 BvR 2257/06) die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 16.5.2006 (B 12 KR 6/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 7) nicht zur Entscheidung angenommen. Dieses Urteil betraf die Verdoppelung der Beitragslast für beamtenrechtliche
Versorgungsbezüge durch Aufhebung von §
240 Abs
3a SGB V. Das BVerfG hat insbesondere einen Verstoß gegen Art
33 Abs
5 GG verneint, soweit nunmehr bei Versicherungspflichtigen und freiwillig Versicherten hinsichtlich der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge
ausnahmslos der volle Beitragssatz gilt. Es ist weder ersichtlich noch macht die Revision geltend, dass im Falle des Klägers
Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten.
13 Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.