Anspruch auf Kindergeld und Kinderzuschlag; Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland
Gründe:
I
Der 1940 geborene Kläger lebt in Paraguay mit seiner 1983 geborenen paraguayischen Lebensgefährtin und seiner 2006 geborenen
Tochter, die wie er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, in einem Haushalt zusammen. Er begehrt von der Beklagten die
Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) für seine Tochter.
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die auf die Gewährung des Kinderzuschlags seit November 2006 gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid
vom 10. Juli 2008). Der Kläger habe schon deshalb keinen Anspruch auf den Kinderzuschlag, weil dieser nur erwerbsfähigen Personen
im Sinne des Rechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nicht aber Rentnern wie dem Kläger zustehe. Dies ergebe sich bereits
aus der Systematik des § 6a
BKGG, der wiederholt auf Normen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) verweise. Im Übrigen könne er den Kinderzuschlag auch
deshalb nicht beanspruchen, weil die Gewährung des Kinderzuschlags nach § 6a
BKGG von einem Anspruch auf Kindergeld nach dem
BKGG oder dem
Einkommensteuergesetz abhänge, der Kläger aber keinen Kindergeldanspruch für seine Tochter habe. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die
Berufung des Klägers unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom 5. Februar
2009).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend
und rügt, dass das LSG durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG dessen Begründung kritiklos übernommen habe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung
zu. Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegt nur vor, wenn die abstrakte Rechtsfrage einerseits der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, weil sie höchstrichterlich
noch nicht entschieden ist und sich die Antwort auch sonst nicht ohne weiteres (zB unmittelbar aus dem Gesetz) ergibt (Klärungsbedürftigkeit),
wenn die Klärung andererseits in einem Revisionsverfahren insbesondere deshalb erwartet werden kann, weil die aufgeworfene
Rechtsfrage im zugrunde liegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich ist (Klärungsfähigkeit) und wenn die Rechtsfrage schließlich
über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen sind bei keiner der aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllt.
Die vom Kläger aufgeworfene - hier sinngemäß zusammengefasste - Frage, ob es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art
3 Abs
1 Grundgesetz) verstößt, dass Kinder, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, bei der Kindergeldberechnung
nur dann berücksichtigt werden, wenn sie von Berechtigten nach § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG (Entwicklungshelfer und Missionare nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift) oder nach § 1 Abs 1 Nr 3
BKGG (Beamte, die im Rahmen beamtenrechtlicher Bestimmungen eine bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene Tätigkeit
ausüben) in ihren Haushalt aufgenommen worden sind (§ 2 Abs 5
BKGG), hat mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung. Unabhängig von einer höchstrichterlichen Klärung ist
eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung so gut wie unbestritten ist (BSG, SozR 1500 § 160
Nr 17) bzw die Antwort von vornherein außer Zweifel steht (stRspr seit BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 §
160a Nr 4; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
160 RdNr 8a mwN). So liegen die Dinge hier.
Die Befugnis des Gesetzgebers, die Gewährung einer steuerfinanzierten Sozialleistung wie dem Kindergeld dem Territorialitätsprinzip
folgend grundsätzlich davon abhängig zu machen, ob das dadurch geförderte Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
im Inland hat, steht außer Zweifel; verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz bestehen insoweit nicht
(vgl Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Mai 2009 - III B 209/08). Soweit das
BKGG gleichwohl ausnahmsweise bestimmten Personengruppen, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, Kindergeldansprüche
für Kinder zuerkennt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben, besteht für die Ungleichbehandlung
gegenüber (sonstigen) Deutschen im Ausland offensichtlich eine hinreichende sachliche Rechtfertigung. Die Personengruppen
des § 1 Abs 1 Nr 2 und 3
BKGG werden - anders als der Kläger dies meint - nicht deswegen privilegiert, weil sie "gezwungen" sind, Dienst im Ausland zu
leisten, sondern weil sie im staatlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland entsandt (vgl LSG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 21. Januar 2005 - L 13 KG 13/04) und trotz ihres (typischerweise vorübergehenden) Auslandsaufenthalts in einer Weise mit dem deutschen Arbeits-, Dienst-
und Sozialrechtssystem verbunden sind, die eine Kindergeldzahlung angemessen erscheinen lässt (BT-Drucks 13/1558 S 163; vgl
auch Seewald/Felix, Kindergeldrecht, Stand: Juli 2008, § 1
BKGG RdNr 3). Die Vereinbarkeit dieser Differenzierung mit dem Gleichheitssatz wird - soweit ersichtlich - weder im Schrifttum
noch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung in Zweifel gezogen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen aaO).
Der sinngemäß gestellten Frage, ob den Kinderzuschlag nach § 6a
BKGG nur Personen beanspruchen können, die als erwerbsfähige Hilfebedürftige (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben, nicht aber solche
Personen, die wegen der Vollendung des 65. Lebensjahrs und wegen des Bezugs einer Altersrente von Leistungen nach dem SGB
II ausgeschlossen sind, kam damit keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der - die angegriffenen Entscheidungen selbstständig
tragende - Ausschluss des Klägers vom Kindergeld steht bereits einem Anspruch auf den Kinderzuschlag nach § 6a
BKGG entgegen. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob der Anspruch auf Kinderzuschlag von der grundsätzlichen Zugehörigkeit
des Anspruchstellers zum Leistungssystem des SGB II abhängig ist (vgl dazu Schnell in Estelmann, SGB II, Stand: September
2009, § 6a
BKGG RdNr 52; Schwitzky in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, Anh zu § 12a RdNr 24, jeweils mwN), ist damit nicht entscheidungserheblich
und in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Soweit der Kläger geltend macht, dass das LSG die Entscheidung des SG kritiklos übernommen habe, ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil der Kläger damit weder die grundsätzliche Bedeutung
dargelegt, noch insbesondere einen Verfahrensmangel bezeichnet hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Er hat nicht dargelegt, warum das LSG im vorliegenden Falle nicht nach §
153 Abs
2 SGG hätte verfahren dürfen und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem vermeintlichen Mangel beruhen kann (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Da die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg bleibt, war auch der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe abzulehnen (§
73a SGG iVm §§
114 f
Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.