Anspruch von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auf ein Versorgungsmanagement
Keine Berechtigung gesetzlicher Krankenkassen zur Durchführung von Programmen des Versorgungsmanagements in Kooperation mit
privaten Dritten ohne die Einbindung von Leistungserbringern
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über eine Aufsichtsmaßnahme der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt
(BVA).
Die klagende Ersatzkasse schloss 2003 mit der Firma L & B (im Folgenden: L & B) zwei Dienstleistungsverträge zur Planung und
Durchführung eines Versorgungsmanagements. Der eine Vertrag betrifft Versicherte der Klägerin mit bestimmten schwerwiegenden
Erkrankungen (ua Diabetes, Adipositas, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Osteoporose, koronare Herzerkrankung, transitorische
ischämische Attacke/Schlaganfall, Rückenschmerzen; "Detailvertrag zur Durchführung eines Versorgungsmanagements auf der Grundlage
von §
11 Abs
4 SGB V zum Rahmenvertrag vom 30.06.2003" - im Folgenden: Vertrag ProGesundheit - 18./22.9.2009). Die von L & B eingesetzten Mitarbeiter
nehmen erst Kontakt mit den Versicherten auf, nachdem diese ihre Teilnahme und Einwilligung schriftlich gegenüber der Klägerin
erklärt haben. Die Aufgaben von L & B umfassen ua die Feststellung des Bedarfs der Versicherten anhand der Daten der Klägerin
und von Gesprächen mit Teilnehmern und Leistungserbringern, eine Zuordnung der Versicherten zu Interventionsgruppen mit unterschiedlich
intensiver Betreuung sowie die Durchführung der Betreuung. Der andere Vertrag "Barmer GEK ProVita" (im Folgenden: Vertrag
ProVita; 20./26.4.2012) regelt die Zusammenarbeit bei der Durchführung eines "Fallmanagements" ("Planung, Organisation und
Begleitung ausgewählter Versicherungs- und Versorgungsfälle") für psychisch erkrankte Versicherte in zwei Modulen: Modul 1.3
erfasst ein Fallmanagement für arbeitsunfähig erkrankte Versicherte und stationäre Behandlungsfälle, Modul 3 ein individuelles
Fall- und Versorgungsmanagement für Versicherte mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen. Die Unterstützung von L & B
beinhaltet im Rahmen beider Module die Beratung und Analyse ua in Bezug auf Fallgruppen und Einzelfälle, auf Mechanismen und
Abläufe auf der Leistungserbringerseite und bei ausgewählten Leistungserbringern, außerdem die Organisation und Durchführung
von Fallkonferenzen. Aufgabe von L & B ist ua die "Sichtung der Leistungsdaten und Durchführung eines geeigneten Assessments
zur Feststellung des individuellen Bedarfs an einer Teilnahme an Modul 3" (3.2 Vertrag ProVita). Ergänzend hierzu schlossen
die Vertragspartner eine "Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 80 SGB X" (Anlage 5 des Vertrags ProVita). Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) beanstandete
die Programme ProGesundheit und ProVita wegen Verstoßes gegen §
284 Abs
1 SGB V (§ 81 Abs 2 SGB X iVm §
25 Abs
1 Bundesdatenschutzgesetz [BDSG]; 17.11.2015). Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass für die beiden Verträge eine Rechtsgrundlage fehle,
beriet die Klägerin (Schreiben vom 3.3. und 7.9.2015) und verpflichtete sie, die beiden Verträge unverzüglich zu kündigen
(Bescheid vom 30.12.2015). Das LSG hat die Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen: Der Klägerin fehle überwiegend die Sachkompetenz,
um die Vertragsleistungen als eigene Aufgabe zu erbringen. Insbesondere erfasse der Begriff des "Versorgungsmanagements" (vgl
§
11 Abs
4 SGB V) kein von der Krankenkasse (KK) verantwortetes versichertenindividuelles Beratungs- und Coaching-Programm bei bestimmten
kostenintensiven Erkrankungen (Urteil vom 27.3.2019).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von §
30 SGB IV, §
11 Abs
4 und §
197b SGB V sowie §
284 Abs
1 und
3 SGB V. Die Vertragsinhalte beträfen Leistungen des Versorgungsmanagements sowie rein interne Verwaltungsmaßnahmen. Dies seien keine
Kernaufgaben der KKn, die Datennutzung sei zulässig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. März 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember
2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Das LSG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Aufsichtsklage (§
54 Abs
3 SGG) gegen die Aufsichtsanordnung der beklagten Bundesrepublik Deutschland ist zulässig, aber unbegründet. Das LSG hat zu Recht
entschieden, dass die Beklagte rechtmäßig die Klägerin verpflichtete, die von ihr mit L & B abgeschlossenen Verträge ProGesundheit
und ProVita unverzüglich zu kündigen. Die Aufsichtsanordnung ist rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 2. bis 4.).
1. Der erkennende Senat kann in der Sache entscheiden, ohne L & B beizuladen. Als Prozesshindernis, das einer Sachentscheidung
des Senats entgegensteht, käme allein die (echte) notwendige Beiladung (vgl §
75 Abs
2 Alt 1
SGG) der L & B in Betracht. Sie setzt voraus, dass an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die
Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung über das streitige
Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (stRspr, vgl zB BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1, RdNr 11; BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 13; BSGE 120, 289 = SozR 4-2500 § 268 Nr 1, RdNr 23 mwN; BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 10). Eine Entscheidung greift in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar ein, wenn die
vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig
Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 13; BSGE 120, 289 = SozR 4-2500 § 268 Nr 1, RdNr 23 mwN; BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 10 mwN; Röhl in Zeihe/Hauck,
SGG, Stand März 2019, §
75 Anm 15a). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die betroffene Ausübung der Staatsaufsicht erschöpft sich regelmäßig
in der Wahrung der Gleichgewichtslage zwischen Staat und Selbstverwaltungskörperschaft; dagegen ist das Aufsichtsrecht nicht
dazu bestimmt, dem Individualinteresse Einzelner zu dienen (vgl BSGE 26, 237, 240 = SozR Nr 112 zu §
54 SGG D a 35 RS; BSGE 86, 126, 130 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 291 ff). Ein Dritter kann sich nicht gegen einen Bescheid der Aufsichtsbehörde wenden,
mit dem der KK ein bestimmtes Handeln abverlangt wird (stRspr, vgl zB BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 13; BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 13 ff, 17; BSGE 113, 114 = SozR 4-1500 §
54 Nr 33, RdNr 20; Engelhard in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl 2016, Stand 1.3.2016, §
87 RdNr 21 mwN). Die aufsichtsrechtliche Anordnung ist der Rechtssphäre der privatrechtlichen Vertragspartner vorgelagert (vgl
zum Vorstandsdienstvertrag BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5 RdNr 10 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 A 2/18 R - juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anspruchs auf Aufhebung der Verpflichtungsanordnung ist die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dies entspricht dem materiellen Recht (vgl zum methodischen Ansatz zB BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 11/18 R - juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137e Nr 2 vorgesehen; BSG SozR 4-4200 § 38 Nr 4 RdNr 16; BVerwGE 78, 243, 244 = juris RdNr 8; BVerwG Beschluss vom 22.2.2008 - 5 B 208/07 - juris RdNr 3 ff zu § 6 Abs 2 Satz 3 Bundesvertriebenengesetz [BVFG]). Für die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts ist es im Ergebnis nicht entscheidend, dass es sich bei der Klage
um eine reine Anfechtungsklage handelt. Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage
entspricht lediglich einer Faustregel mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen. Nach dieser Faustregel ist bei Anfechtungsklagen
grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 60 Nr 4 RdNr 11). Bestimmt das materielle Recht einen anderen maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, ist für die Anwendung der
Faustregel kein Raum (vgl BSG SozR 4-2500 § 137e Nr 2 RdNr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, mwN; BSGE 124, 266 = SozR 4-2500 § 95 Nr 33, RdNr 21; vgl auch zu Ausnahmen bei noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten oder solchen mit Dauerwirkung
BSGE 7, 129; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 13 ff; BSG SozR 4-1500 § 73 Nr 4 RdNr 17). Die Verpflichtungsanordnung der Beklagten könnte keinen Bestand haben, wenn sie nach dem zur Zeit der Entscheidung
des Revisionsgerichts geltenden Rechtszustand rechtswidrig wäre. Daran kann allein der Umstand nichts ändern, dass der Aufsichtsbehörde
hinsichtlich des Einschreitens gegen eine Rechtsverletzung ein Entschließungsermessen zukommt. Hat sich die Verpflichtungsanordnung
weder durch Zeitablauf noch auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 1 A 1/19 R - juris RdNr 13 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), richtet sich ihre Rechtmäßigkeit nach der Rechtslage
im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das von der Aufsichtsbehörde beanstandete Verhalten der KK (hier: Fortführung
der Verträge mit L & B) muss auch (noch) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das Recht verletzen (§
89 Abs
1 Satz 1
SGB IV). Zudem muss die KK mit dem beanstandeten Verhalten auch noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung allgemein
anerkannte, von den Aufsichtsbehörden zu beachtende Bewertungsmaßstäbe überschreiten.
3. Die Aufsichtsanordnung ist formell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für das aufsichtsrechtliche Einschreiten der Beklagten ist
§
89 SGB IV. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde zunächst
beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt (§
89 Abs
1 Satz 1
SGB IV). Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger
verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben (§
89 Abs
1 Satz 2
SGB IV).
Die Beklagte ist die für die Klägerin zuständige Aufsichtsbehörde (§
90 Abs
1 Satz 1
SGB IV), denn die Klägerin ist ein bundesunmittelbarer Versicherungsträger. Die Beklagte beachtete auch das gesetzlich vorgesehene,
zeitlich und in seiner Intensität abgestufte Verfahren (vgl BSG SozR 3-2400 § 89 Nr 4 S 12; BSG SozR 4-2400 § 89 Nr 2 RdNr 13 mwN). Sie erließ die angegriffene Aufsichtsanordnung erst nach mehrfachen Hinweisen, erfolglosen Aufforderungen
zur Beendigung des Vertrages und Beratung.
4. Die Aufsichtsanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte erließ die angefochtene Anordnung unter Beachtung des
aufsichtsrechtlichen Prüfmaßstabs (dazu a) wegen einer Rechtsverletzung (dazu b) ermessensfehlerfrei (dazu c).
a) Der Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde richtet sich nach den rechtlichen Vorgaben für das Verhalten des Versicherungsträgers,
das Gegenstand der Maßnahme ist (vgl BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 11 mwN). Gegenstand der angefochtenen Maßnahme sind in Kooperation mit einem privaten Dritten
initiierte Programme des Versorgungs- und Entlassmanagements (§
11 Abs
4 SGB V idF durch Art 1 Nr 2 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG] vom
16.7.2015, BGBl I 1211 mWv 23.7.2015; §
39 Abs
1a SGB V eingefügt durch Art 1 Nr 9 Buchst b GKV-VSG mWv 23.7.2015, zuletzt geändert durch Art 1 Nr 17 Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung [Terminservice-
und Versorgungsgesetz - TSVG] vom 6.5.2019, BGBl I 646 mWv 11.5.2019) für Versicherte der Klägerin mit bestimmten von der
Klägerin als schwerwiegend eingestuften Erkrankungen (Vertrag ProGesundheit) oder mit psychischen Erkrankungen (Vertrag ProVita).
Die Verträge sind von der Klägerin und L & B ersichtlich nicht als Modellvorhaben (§§
63 ff
SGB V) intendiert (zur Durchführung eines Patienten-ComplianceProgramms als Modellvorhaben vgl Rieß, NZS 2014, 12, 16). Dies folgt aus der ausdrücklichen Bezeichnung als Fall- bzw Versorgungsmanagement, aber auch aus der Konzeption der
Verträge. So ist insbesondere eine wissenschaftliche Begleitung oder Auswertung der Programme (§
65 SGB V) nicht vorgesehen. Auch eine zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse für Modellvorhaben noch erforderliche Verankerung der Programme
in der Satzung der Klägerin erfolgte nicht (vgl §
63 Abs
5 Satz 1
SGB V idF durch Art 1 Nr
11 Buchst a Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der GKV [GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG] vom 19.12.1998, BGBl
I 3853 mWv 1.1.1999, aufgehoben durch Art 1 Nr 22 Buchst b GKV-VSG mWv 23.7.2015). Auch eine Auftragsdatenverwaltung liegt
nicht vor (§ 80 SGB X). Die Aufgaben der L & B beschränken sich nicht auf eine reine Datenverarbeitung; vielmehr erfolgt zugleich eine Funktionsübertragung,
etwa in Form von Beratung der Versicherten (vgl hierzu Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3 unter Hinweis auf Entwurf der BReg eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes,
BT-Drucks 11/4306 S 43 Zu Artikel 1 [Bundesdatenschutzgesetz] Zu § 10).
Rechtlicher Prüfungsmaßstab ist, ob die Klägerin ermächtigt war, Versorgungs- und Entlassmanagementprogramme in der vertraglich
vereinbarten Form zu entwickeln, durchzuführen und Teilaufgaben auf L & B zu übertragen, ohne gegen Grundsätze der Datenverwendung
(§
284 SGB V) zu verstoßen. Dies gilt auch, soweit einzelne Bausteine des vertraglich geregelten Fall- oder Versorgungsmanagements anderen
Leistungen der GKV zugeordnet werden können, etwa Leistungen der Soziotherapie (§
37a SGB V), der Prävention und Gesundheitsförderung (§
20, §
20a SGB V; vgl aber zum Erfordernis einer Satzungsregelung §
20 Abs
1 Satz 1
SGB V), Patientenschulungsmaßnahmen (§
43 Abs
1 Nr
2 SGB V) oder der Beratung von Patienten (§
1 Satz 4
SGB V; §§
13 bis
15 SGB I; vgl hierzu etwa BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 §
13 Nr 15, RdNr 31). Entsprechendes gilt, soweit die Verträge begleitende oder vorbereitende Maßnahmen regeln wie Mitarbeiterschulungen,
die Erarbeitung von Beurteilungsparametern zur verbesserten Nachvollziehbarkeit des Krankheitsgeschehens oder die Entwicklung
von Konzepten zur Verbesserung der Prüfung von Leistungen und Leistungsorganisation oder zur Erstansprache und Gewinnung von
Versicherten und zur frühzeitigen Erkennung eines Beratungsbedarfs (Vertrag ProVita). Das vertraglich geregelte Versorgungs-
und Entlassmanagement ist in seiner Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen. Eine Beurteilung danach,
ob einzelne Maßnahmen in einem anderen Kontext, etwa dem Outsourcen von Mitarbeiterschulungen oder der Prüfung der Wirtschaftlichkeit
einer konkreten Leistung (zur Zulässigkeit der Datenerhebung und -speicherung zu diesem Zweck vgl §
284 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB V), rechtmäßig von der KK ergriffen werden dürfen, würde dem als Einheit konzipierten vertraglichen Management nicht gerecht.
Bei diesem sind zwar möglicherweise einzelne Maßnahmen verzichtbar, strukturell ist es jedoch auf das Ineinandergreifen der
verschiedenen, in den Verträgen geregelten Maßnahmen gerichtet. Dies gilt auch für Vorbereitungsmaßnahmen, die nicht losgelöst
von dem mit ihnen verfolgten Ziel beurteilt werden können. Darauf, ob die Vertragsparteien - wie im Vertrag ProVita - eine
salvatorische Klausel vereinbart haben, kommt es nicht an.
Die Klägerin hat als Sozialversicherungsträger ihre Aufgaben in eigener Verantwortung "im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen
für sie maßgeblichen Rechts" zu erfüllen (§
29 Abs
3 SGB IV). Im Rahmen der reinen Rechtsaufsicht (§
89 Abs
1 SGB IV) gebieten es der auch im Aufsichtsrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz maßvoller Ausübung der
Rechtsaufsicht der Aufsichtsbehörde, dem beaufsichtigten Versicherungsträger bei seiner Verwaltungstätigkeit insoweit einen
gewissen Bewertungsspielraum zu belassen, als dafür auch entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnet sind (vgl etwa zum Gebot
der Wirtschaftlichkeit sowie der Sparsamkeit im Haushaltswesen BSG SozR 4-2400 § 80 Nr 1 RdNr 23; BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 A 2/18 R - juris RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Die Beklagte verletzte mit dem Erlass der Aufsichtsanordnung nicht das Gebot einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht.
Es war rechtlich nicht vertretbar, dass die Klägerin die beiden Verträge fortführte und nicht unverzüglich kündigte. Die Klägerin
war nicht berechtigt, unter Einschaltung Dritter ohne die Einbindung von Leistungserbringern Programme des Versorgungsmanagements
durchzuführen. Der eindeutige Wortlaut der einschlägigen Vorschriften sieht im Einklang mit der Regelungssystematik nur eine
Unterstützung der betroffenen Leistungserbringer durch die KKn vor, mit denen entsprechende Verträge zu schließen sind (§
11 Abs
4 Satz 3 und
6; §
39 Abs
1a Satz 5 und 10
SGB V; vgl hierzu II 4. b) aa). Bei den Unterstützungs- und Beratungsleistungen handelt es sich um Kernaufgaben der KKn und der
GKV, die diese nicht auf Dritte übertragen dürfen (vgl §
197b Satz 2
SGB V, eingefügt durch Art 1 Nr 142 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG]
vom 26.3.2007, BGBl I 378 mWv 1.4.2007; Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 159 und hierzu BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 15; vgl unten II 4. b) bb). Soweit §
44 Abs
4 Satz 1
SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr
13 GKV-VSG mWv 23.7.2015) arbeitsunfähig erkrankten Versicherten mit Bezug von Krankengeld (Krg) einen Anspruch auf individuelle
Beratung und Hilfestellung durch die KK gewährt, kann sich die Klägerin hierauf als Rechtsgrundlage für die abgeschlossenen
Verträge nicht stützen. Eine Übertragung dieser Aufgaben an andere als die in §
35 SGB I genannten Stellen - und damit an private Dritte wie die L & B - ist gesetzlich ausgeschlossen (vgl §
44 Abs
4 Satz 4
SGB V und Entwurf der BReg eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 79 Zu Nr 13 [§ 44]). Zudem beanstandete die BfDI zu Recht (vgl hierzu
II 4. b) cc) die im Zusammenhang mit der Durchführung der beiden Programme stehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung
wegen Verstoßes gegen §
284 Abs
1 SGB V. Indem die Klägerin trotz dieser Beanstandung an den Verträgen ProGesundheit und ProVita festhielt, überschritt sie allgemein
anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
b) Die Klägerin durfte die Verträge über ein eigenes Versorgungsmanagement mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage weder abschließen
noch durchführen. Versicherungsträger dürfen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen
Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden (§
30 SGB IV). Die Regelungen des Versorgungs- und Entlassmanagements (§
11 Abs
4, §
39 Abs
1a SGB V) ermächtigen die KKn nicht, eigenständig ohne Einbeziehung der betroffenen Leistungserbringer Programme zur Optimierung der
Versorgung der Versicherten durchzuführen (dazu aa). Die Klägerin darf hierbei Leistungen zur Unterstützung ihrer Versicherten
innerhalb und außerhalb eines Versorgungsmanagements grundsätzlich nur selbst erbringen. Eine Übertragung auf private Dritte
wie L & B ist nicht zulässig (dazu bb). Die Klägerin missachtete mit den Programmen zudem die Anforderungen an den Schutz
der Sozialdaten ihrer Versicherten (dazu cc).
aa) Die Regelungen des Versorgungs- und Entlassmanagements erfassen thematisch die von der Klägerin mit L & B vereinbarten
Maßnahmen (dazu [1]). Sie ermächtigen die Klägerin jedoch nicht, solche Programme als eigene unter Einschaltung privater Dritter
durchzuführen (dazu [2]).
(1) Der Anspruch auf Versorgungsmanagement und auf Entlassmanagement umfasst thematisch die in den Verträgen ProGesundheit
und ProVita vereinbarten Maßnahmen, auch soweit die im Vertrag ProVita als "Fallmanagement" bezeichnete "Planung, Organisation
und Begleitung ausgewählter Versicherungs- und Versorgungsfälle" (vgl Nr
2 des Vertrages ProVita) betroffen ist. Nach §
11 Abs
4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen
Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung (Satz 1). Die betroffenen Leistungserbringer
sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen
(Satz 2). Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den KKn zu unterstützen (Satz 3). In das Versorgungsmanagement sind die
Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach §
7a SGB XI zu gewährleisten (Satz 4). Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung
und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen (Satz 5). Soweit in Verträgen nach §
140a SGB V nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern
der GKV und mit Leistungserbringern nach dem
SGB XI sowie mit den Pflegekassen zu regeln (Satz 6). Der Gesetzgeber des GKV-WSG wollte mit der Einfügung des §
11 Abs
4 SGB V insbesondere "Schnittstellenprobleme beim Übergang von Versicherten in die verschiedenen Versorgungsbereiche" bewältigen.
Die Vorstellung des Gesetzgebers war es dabei, im Interesse der Versicherten (Versorgungskontinuität, Entlastung der Versicherten
und ihrer Angehörigen) und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einen "reibungslosen Übergang" zu ermöglichen, um
namentlich Pflegebedürftigkeit oder eine baldige stationäre Wiedereinweisung zu vermeiden (vgl Begründung des Gesetz gewordenen
Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Art 1 Nr 7 GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 96 f Zu Nr 7 [§ 11] Zu Buchst a).
Die Regelungen des Entlassmanagements im Rahmen des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung (§
39 Abs
1a SGB V) verfolgen denselben Regelungszweck wie §
11 Abs
4 SGB V. Die Einfügung dieser Regelungen in §
39 SGB V (zunächst als Satz 4 bis 6 in §
39 Abs
1 SGB V durch Art 1 Nr 8 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Versorgungsstrukturgesetz
- GKV-VStG] vom 22.12.2011, BGBl I 2983, mWv 1.1.2012, aufgehoben mWv 23.7.2015 durch Art 1 Nr
9 Buchst a GKV-VSG) wollte das mit §
11 Abs 4
SGB V verfolgte Ziel unterstreichen und in seiner Durchsetzungsmöglichkeit verstärken. Der Gesetzgeber reagierte damit auf den
Umstand, dass §
11 Abs
4 SGB V "nicht in dem gewünschten Umfang umgesetzt und genutzt" wurde; nicht alle Krankenhäuser boten ein Versorgungsmanagement iS
eines Entlassmanagements an (vgl Begründung zu Art 1 Nr 8 des GKV-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 S 55). Nichts anderes gilt angesichts fortbestehender Umsetzungsdefizite für die Ersetzung der
Regelungen in §
39 Abs
1 Satz 4 bis 6
SGB V durch §
39 Abs
1a SGB V (vgl Entwurf der BReg eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 76 Zu Nr
9 [§ 39]; zur entsprechenden Anwendung des §
39 Abs
1a SGB V im Bereich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vgl §
40 Abs
2 Satz 4
SGB V eingefügt durch Art 1 Nr
10 Buchst b Doppelbuchst bb GKV-VSG mWv 23.7.2015; jetzt Satz 6 gemäß Art 7 Nr 6 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals
[Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG] vom 11.12.2018, BGBl I 2394 mWv 1.1.2019; vgl BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 18, 21). Der Anspruch auf Versorgungsmanagement erweitert den Anspruch auf Krankenbehandlung
um eine Nebenleistung. Die Regelung des Entlassmanagements konzipiert den Anspruch "als unmittelbare(n) Bestandteil des Anspruchs
auf Krankenhausbehandlung in §
39 SGB V" (vgl Begründung zu Art 1 Nr 8 des GKV-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 S 55; ebenso, Begründung zu Art 1 Nr 9 des GKV-VSG-Entwurfs, BT-Drucks 18/4095 S 76 und BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 21). Die Regelungen des Versorgungs- und Entlassmanagements erweitern dagegen den Behandlungsanspruch
nicht über die in dem Management liegende Dienstleistung hinaus (vgl BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 13).
Das Gesetz enthält allerdings keine Definition eines Versorgungsmanagements. Dieses beinhaltet schon begrifflich ("Management"),
dass der gesamte Behandlungsbedarf eines Versicherten in seinem Ablauf von anderer Seite verwaltet ("gemanagt"), dh organisiert
und verantwortlich geleitet wird (vgl Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand April 2019, §
11 RdNr 60, 60j; vgl auch Zawade, Versorgungsmanagement und Entlassmanagement, 2016, 47 ff). Erfasst werden grundsätzlich alle
Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, sicherzustellen, dass die Versorgung, auf die der Versicherte Anspruch hat, den Versicherten
auch tatsächlich erreicht und wirksam wird. Der Versicherte wird - mit seiner notwendigen Einwilligung (§
11 Abs
4 Satz 5
SGB V) - über die medizinisch gebotenen Interventionen und Schritte informiert und innerhalb dieser geführt und begleitet (vgl
Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand April 2019, §
11 RdNr 60). Dabei ist der Anspruch auf Versorgungsmanagement schon nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ("insbesondere")
nicht auf Dienstleistungen zur Erleichterung des Übergangs in die verschiedenen Versorgungsbereiche beschränkt. Er erfasst
auch Maßnahmen innerhalb eines Versorgungsbereichs, etwa im Rahmen der Arzneimittel-Compliance (vgl zu Letzterem Rieß, NZS
2014, 12; ebenso Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand April 2019, §
11 RdNr 60a; aA Zawade, Versorgungsmanagement und Entlassmanagement, 2016, 48 ff).
Die Mittel des Versorgungsmanagements gehen über die reine Information und Beratung des Versicherten hinaus (zu eng insofern
Joussen in BeckOK Sozialrecht,
SGB V, 54. Ed, Stand 1.9.2019, §
11 RdNr 14b). Erforderlich ist neben der Analyse der dem Versicherten zur Verfügung stehenden Ressourcen (etwa Fähigkeit zum
Selbstmanagement, Hilfe durch Angehörige) und der aus den individuellen Versorgungsbedürfnissen des Versicherten resultierenden
Maßnahmen die Abstimmung des individuellen Hilfe- und Koordinierungsbedarfs mit allen an der medizinischen Betreuung Beteiligten
(vgl insofern den Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung - Pflege-Weiterentwicklungsgesetz,
BT-Drucks 16/7439 S 95 Zu Nr 3 [§ 11] zur Rolle des Case Managers im Krankenhaus). Darüber hinaus kann das Versorgungsmanagement
auch Maßnahmen umfassen, welche die Umsetzung der als erforderlich erkannten Behandlungsschritte sicherstellen, insbesondere
die erforderliche Compliance des Versicherten, etwa durch Motivation des Patienten (vgl hierzu etwa §
43 Abs
2 Satz 2
SGB V eingefügt durch Art 1 Nr
33 Buchst b Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz - GMG] vom 14.11.2003,
BGBl I 2190 mWv 1.1.2004 zu sozialmedizinischen Nachsorgemaßnahmen für chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder) oder Ausstellung
eines Medikationsplans (vgl § 7 Abs 3 Satz 4 und 5 des Rahmenvertrags über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung
nach Krankenhausbehandlung - Rahmenvertrag Entlassmanagement - idF der 2. Änderungsvereinbarung vom 12.12.2018 iVm §
31a SGB V eingefügt durch Art 1 Nr 2 Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen - E-Health-Gesetz vom 21.12.2015, BGBl
I 2408 mWv 29.12.2015, jetzt idF durch Art 1 Nr 13 TSVG vom 6.5.2019, BGBl I 646 mWv 11.5.2019).
(2) Die Klägerin ist jedoch nicht berechtigt, eigenständig ein Programm des Versorgungsmanagements unter Einschaltung Dritter
ohne Einbeziehung betroffener Leistungserbringer durchzuführen.
Der Anspruch der Versicherten auf ein Versorgungsmanagement richtet sich als Nebenleistung zum eigentlichen Behandlungsanspruch
gegen die KK (vgl BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 21 zum Entlassmanagement; Entwurf der BReg eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 76: "Das mit
Einwilligung des Versicherten durchzuführende Entlassmanagement bleibt Teil der Krankenhausbehandlung", der allerdings dann
missverständlich formuliert: "Der Anspruch des Versicherten richtet sich weiter gegen das Krankenhaus"; ebenso Becker/Kingreen
in Becker/Kingreen,
SGB V, 6. Aufl 2018, §
11 RdNr 34, die von "Gewährleistungsanspruch" sprechen; Makoski, jurisPR-MedizinR 1/2016, Anm 4; Rieß NZS 2014, 12, 15; Wahl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, Stand 1.1.2016, §
39 RdNr 101; Wiegand in Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner,
SGB V, 3. Aufl 2018, §
11 RdNr 32; aA Braun, GesR 2015, 518, 519; Joussen in BeckOK Sozialrecht,
SGB V, 54. Ed, Stand 1.9.2019, §
11 RdNr 14b; Plagemann, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, Stand 1.4.2019, §
11 RdNr 33). Die KK erfüllt den Anspruch jedoch nicht selbst - etwa durch eigene Mitarbeiter -, sondern mittels der beteiligten
Leistungserbringer. Dies folgt aus Wortlaut und Regelungssystem. Schon nach dem Wortlaut des §
11 Abs
4 SGB V sorgen die betroffenen Leistungserbringer für eine sachgerechte Anschlussversorgung (Satz 2). Die Aufgabe der KK besteht
darin, sie "zur Erfüllung dieser Aufgabe (...) zu unterstützen" (Satz 3). Zudem tragen die KKn zur Erfüllung des Krankenbehandlungsanspruchs
nach §
2 Abs
1 Satz 1, Abs
2 SGB V die Strukturverantwortung für die Verfügbarkeit adäquater Behandlungskapazitäten der Leistungserbringer, soweit nicht der
Sicherstellungsauftrag abgelöst ist (vgl zum Grundsatz BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 20 mwN).
Das Regelungssystem unterstreicht dieses Ergebnis: Das
SGB V regelt unter Einbeziehung der weiteren Normen des SGB die leistungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen KKn, Versicherten
und Leistungserbringern abschließend (BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8, RdNr 11). Der Versicherte hat im Rahmen der Krankenbehandlung Anspruch auf Behandlung grundsätzlich
nur bei zugelassenen Leistungserbringern nach Maßgabe eines abgeschlossenen Leistungskatalogs. Die KKn gewähren medizinische
Sach- und Dienstleistungen, soweit sie nicht ausnahmsweise Eigeneinrichtungen betreiben (vgl zB §
132a Abs
4 Satz 15, §
140 SGB V; zur Stellung von Eigeneinrichtungen als Leistungserbringer vgl BSG SozR 4-2500 § 140 Nr 1 RdNr 11), nicht unmittelbar in Natur, sondern bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche
der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften
des Vierten Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl §
2 Abs
2 Satz 3
SGB V idF durch Art 4 Nr
1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor §
2 Abs
2 Satz 2
SGB V; vgl zum Ganzen BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 §
28 Nr 8, RdNr 12; BSGE 124, 1 = SozR 4-2500 § 27 Nr 29, RdNr 9; BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10, RdNr 13; BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1, RdNr 11; BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 KR 34/18 R - juris RdNr 20, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN). Die Versicherten können sich aus der Vielzahl von
zugelassenen Leistungserbringern, die die KKn verfügbar halten, den gewünschten Therapeuten frei auswählen, um sich von ihm
behandeln zu lassen (§
76 Abs
1 Satz 1
SGB V idF durch Art 6 Nr
17 PflegeWeiterentwicklungsgesetz, BGBl I 874 mWv 1.7.2008; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 29; BSGE 126, 79 = SozR 4-2500 § 39 Nr 30, RdNr 24 f zur Inanspruchnahme von Krankenhäusern; BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8, RdNr 12). Die KKn ihrerseits müssen sich zur Erfüllung ihrer Versorgungspflichten gegenüber den
Versicherten grundsätzlich der zugelassenen Leistungserbringer bedienen (§
2 Abs
2 Satz 1 und
3 SGB V). Ohne gesetzliche Grundlage ist es ihnen verwehrt, den Versicherten in Konkurrenz zur Leistungsgewährung durch zugelassene
Leistungserbringer eigene Leistungsangebote zu unterbreiten (vgl insoweit zB §
140 Abs
2 SGB V zur Errichtung neuer Eigeneinrichtungen durch die KKn sowie BGHZ 82, 375 = NJW 1982, 2117 - Selbstabgabestellen für Brillen). Für den Anspruch auf Versorgungs- und Entlassmanagement beschränkt das Gesetz die Zuständigkeit
der KKn auf die Unterstützung der betroffenen Leistungserbringer und den Abschluss von Verträgen mit diesen (§ 11 Abs 4 Satz
3 und
6, §
39 Abs
1a Satz 5 Halbsatz 1 und Satz 10
SGB V; BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 §
39 Nr 26, RdNr 20 f; Makoski, jurisPR-MedizinR 1/2016, Anm 4; Rieß NZS 2014, 12, 15; Wahl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, Stand 1.1.2016, §
39 RdNr 101).
bb) Soweit die von der Klägerin vertraglich vereinbarten Maßnahmen als thematisch zulässige Leistungen im Rahmen eines von
Leistungserbringern durchzuführenden Versorgungs- und Entlassmanagements in Betracht kommen (vgl etwa §
11 Abs
4 SGB V, §
39 Abs
1a SGB V), fehlt es der Klägerin an der Befugnis, private Dritte in den Prozess einzuschalten.
Als zulässige Unterstützungsleistungen der KKn im Versorgungsprozess kommen im Rahmen eines Versorgungs- und Entlassmanagements
beispielsweise neben der zeitgerechten Bearbeitung von Anträgen, um eine (genehmigungspflichtige) Anschlussversorgung sicherzustellen,
die Information und Beratung der Versicherten in Betracht (zum Anspruch vgl etwa §§
13 bis
15 SGB I und zB BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 §
36 Nr 2, RdNr 36; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 §
13 Nr
15, RdNr
31 mwN; vgl auch §
44 Abs
4 Satz 1
SGB V idF durch Art 1 Nr
13 GKV-VSG vom 16.7.2015, BGBl I 1211 mWv 23.7.2015; zur Auswahl der für eine Beratung und Hilfestellung in Betracht kommenden
Versicherten vgl §
284 Abs
1 Satz 1 Nr
16 SGB V), ebenso auch zB die Information der das Versorgungs- und Entlassmanagement ausführenden Leistungserbringer über die vorhandene
Ausstattung des Versicherten, um seinen konkreten Bedarf festzustellen. Die Klägerin beruft sich insoweit darauf, dass Teilbereiche
der Verträge ProGesundheit und ProVita als zulässige Beratungs- und Hilfeleistungen zu qualifizieren seien. So stelle etwa
der erste Teil des Moduls 1.3. des Vertrags ProVita ein zulässiges "Krg-Fallmanagement" nach §
44 Abs
4 SGB V dar.
Die Klägerin lässt indes mit den beanstandeten Verträgen ProGesundheit und ProVita, auch soweit diese grundsätzlich zulässige
Beratungs- und Hilfeleistungen einer KK erfassen, ihr obliegende Aufgaben nicht zulässig durch Dritte wahrnehmen (§
197b SGB V; §
44 Abs
4 Satz 4
SGB V). KKn können die ihnen obliegenden Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit deren Zustimmung wahrnehmen
lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen
Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden (vgl §
197b Satz 1
SGB V). Wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht in Auftrag gegeben werden (§
197b Satz 2
SGB V). Eine Regelung, die solche Aufgaben auf private Dritte überträgt, wäre ihrer Art nach nicht genehmigungsfähig. Sie beträfe
nämlich die Leistungsgewährung an Versicherte, eine Kernaufgabe der KKn und der GKV (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drucks 16/3100 S 159;
zum Ganzen BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 15; vgl BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8, RdNr 24). Zu diesen Kernaufgaben zählen gerade auch die auf eine bessere Versorgung der Versicherten
gerichteten Beratungs- und Hilfeleistungen, sei es nach allgemeinen Vorschriften, sei es zur Unterstützung der Leistungserbringer
bei einem Versorgungsmanagement oder selbsttätig im Rahmen des §
44 Abs
4 SGB V (zur Beratung vgl Bloch in Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner,
SGB V, 3. Aufl 2018, §
197b RdNr 5; Peters in Kasseler Komm, Stand August 2019, §
197b SGB V RdNr 4; aA wohl Thüsing/Pötters, SGb 2013, 320, 323, die allerdings nur von Unterstützung der KK durch Dritte bei der Beratung von Versicherten sprechen). Darauf, ob die
Wahrnehmung der Aufgaben durch den Dritten wirtschaftlicher wäre oder im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen läge und
Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden (§
197b Satz 1
SGB V), kommt es damit nicht an. Ohne Belang ist auch, dass die Vertragsparteien selbst die von L & B durchzuführenden Leistungen
als "Unterstützung" oder "Unterstützungsleistung" qualifizieren, welche nicht Aufgaben umfassten, die zum Kernbereich einer
KK gehören (vgl Vertrag ProVita Nr 3 Leistungen von L & B; Nr 3.4 Nicht erfasste Leistungen). Die Leistungsbeschreibung umfasst
tatsächlich ua die Erstellung individueller Versorgungs- und Hilfepläne für Versicherte sowie die Durchführung eines Assessments
zur Feststellung des individuellen Bedarfs an einer Teilnahme im Modul 3. Auch im Rahmen des Moduls 1.3 gehört zu den Aufgaben
von L & B nicht nur die Beratung und Analyse in Bezug auf Fallgruppen, sondern auch auf konkrete Einzelfälle. Ebenso ist die
"Organisation und Durchführung von Fallkonferenzen" und die "gemeinsame Betrachtung von Leistungsfällen" vorgesehen (vgl Vertrag
ProVita Nr 3.2 Leistungen in den Modulen 1.3 und 3). Damit wird einem privaten Dritten ein erheblicher Einfluss auf die Fallbearbeitung
der KK, einer ihrer Kernaufgabe, eingeräumt.
Auch §
44 Abs
4 Satz 4
SGB V ermächtigt nicht, ein Versorgungsmanagement in Kooperation mit einem privaten Dritten wie hier der L & B zu unterhalten.
Grundsätzlich haben die KKn die Aufgabe der individuellen Beratung und Hilfestellung (§
44 Abs
4 Satz 1
SGB V) selbst wahrzunehmen. Die KKn dürfen diese Aufgaben lediglich an die in §
35 SGB I genannten Stellen, also ua Leistungsträger und Verbände von Leistungsträgern, übertragen (§
44 Abs
4 Satz 4
SGB V). Diese Regelung erlaubt als abschließende Sonderregelung in Abweichung von §
197b SGB V ausnahmsweise eine Übertragung von Kernaufgaben der KKn auf bestimmte öffentlich-rechtliche Stellen; eine Übertragung an
private Dritte ist ausgeschlossen (vgl Entwurf der BReg eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 79 Zu Nr 13 [§ 44]). Dabei kommt
es auch hier auf eine Gesamtschau der Verträge an: Ob einzelne Maßnahmen, insbesondere solche, die die Klägerin nach den vertraglichen
Vereinbarungen nicht auf L &B überträgt, sondern selbst vornimmt (etwa die Auswahl und Ansprache der für eine Fallkonferenz
in Frage kommenden arbeitsunfähig erkrankten Versicherten im Rahmen des Vertrags ProGesundheit), nach §
44 Abs
4 SGB V zulässig durchgeführt werden dürfen, ist ohne Belang.
Die Regelung des §
197b SGB V ließe es dagegen zu, wenn KKn externe Expertise von privaten Dritten in Anspruch nehmen, um - noch im Vorfeld konkreter Patientenkontakte
- auf der Grundlage der bei ihnen vorhandenen Daten Versorgungsmodelle für bestimmte Patientengruppen zu entwickeln (vgl etwa
Nr 2.1.2 Modul 3 Abs 4 3. Spiegelstrich Vertrag ProVita), die dann in einem zweiten Schritt dem individuellen Versorgungs-
und Hilfebedarf angepasst werden können (vgl hierzu Weatherly/Knetsch in Weatherly, Versorgungsmanagement in der Praxis des
Deutschen Gesundheitswesens, 2017, 12). Die Erarbeitung solcher Modelle bewegt sich noch nicht auf der Ebene der Versorgung
des individuellen Patienten und ist - bei Einhaltung der Anforderungen an den Schutz der Sozialdaten (vgl §
197b Satz 1
SGB V: "Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden") - grundsätzlich übertragbar. §
197b SGB V enthält selbst keine Ermächtigung zu einer Datenübermittlung an Dritte (Schneider-Danwitz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, Stand 1.1.2016, §
197b RdNr 21).
cc) Indem die Klägerin die Verträge ProGesundheit und ProVita nicht kündigte, sondern fortführte, verstieß sie auch gegen
nationales Recht zum Schutz der Sozialdaten ihrer Versicherten (dazu [1]). Sie verstieß zugleich gegen die Datenschutzgrundverordnung ([DSGVO] Verordnung [EU] 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen
bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl L 119 vom 4.5.2016, Satz 1; L 314 vom 22.11.2016, S 72; dazu [2]).
(1)
SGB I, SGB X und
SGB V regeln den Schutz von Sozialdaten grundsätzlich gleichrangig vorbehaltlich ausdrücklich davon abweichender spezialgesetzlicher
Kollisionsregeln (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 15). §
35 Abs
2 Satz 1
SGB I (idF durch Art 19 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) bestimmt: Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des SGB regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die DSGVO unmittelbar gilt (vgl dazu unten [2]). Ein Rückgriff auf das
BDSG ist nur zulässig, wenn das SGB oder die DSGVO dies vorsehen (Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 449, 451 f; Hauck in Hennig,
SGG, Stand September 2019, § 119 RdNr 9). Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des
SGB V (§§
276,
284,
301 SGB V). Nach Abs 1 Satz 1 des § 67a SGB X (idF durch Art 24 Nr 2 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) ist das Erheben von Sozialdaten durch in §
35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach dem SGB erforderlich
ist. Dies gilt nach § 67a Abs 1 Satz 2 SGB X auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten iS des Art 9 Abs 1 DSGVO, insbesondere also für Gesundheitsdaten. § 67b Abs 1 Satz 1 SGB X (idF durch Art 24 Nr 2 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) erlaubt die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung,
Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Dies gilt nach § 67b Abs 1 Satz 2 SGB X auch für die besonderen Kategorien personenbezogener Daten iS des Art 9 Abs 1 DSGVO (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 40/17 R - juris RdNr 23 f, zur Veröffentlichung in SozR 4-7650 Abs 9 Nr 1 vorgesehen; vgl auch BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 31/17 R - juris RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Das bereichsspezifische Datenschutzrecht steht jedoch
einer Vereinbarung und Durchführung von Verträgen mit den in den Verträgen ProGesundheit und ProVita vereinbarten Inhalten
entgegen.
Gemäß §
284 Abs
1 Satz 1
SGB V dürfen KKn Sozialdaten für Zwecke der GKV nur erheben und speichern, soweit diese für eine der in den Nr 1 bis 18 abschließend
genannten Zwecke erforderlich sind. Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten dürfen nur für
die Zwecke der Aufgaben nach Abs 1 in dem jeweils erforderlichen Umfang verarbeitet und genutzt werden, für andere Zwecke,
soweit dies durch Rechtsvorschriften des SGB angeordnet oder erlaubt ist (§
284 Abs
3 Satz 1
SGB V).
Die Klägerin kann sich nach dem oben Gesagten (vgl II 4. b) aa) [2]) nicht stützen auf §
284 Abs
1 Satz 1 Nr
13,
15 SGB V (ua Durchführung des Versorgungsmanagements nach §
11 Abs
4 SGB V; Durchführung des Entlassmanagements nach §
39 Abs
1a SGB V). Auch §
284 Abs
1 Satz 1 Nr
16 SGB V (Auswahl von Versicherten für Maßnahmen nach §
44 Abs
4 Satz 1
SGB V sowie deren Durchführung) deckt nicht die Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung rechtmäßig erhobener Sozialdaten der Versicherten,
wenn die Maßnahmen nicht von der KK selbst, sondern in unzulässiger Kooperation mit einem privaten Dritten durchgeführt werden.
Entsprechendes gilt, soweit einzelne Maßnahmen der Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte
(§
284 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB V), der Abrechnung mit den Leistungserbringern, einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung
(§
284 Abs
1 Satz 1 Nr
8 SGB V), der Abrechnung mit anderen Leistungsträgern (§
284 Abs
1 Satz 1 Nr
10 SGB V) oder einer anderen Ziffer zugeordnet werden kann.
(2) Die Klägerin kann sich für die vertraglich vereinbarten Kooperationen auch nicht mit Erfolg auf die Regelungen der DSGVO stützen. Die Klägerin hat nach dem unter (1) Gesagten für die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Daten ihrer Versicherten
im Zusammenhang mit ihrer Kooperation mit L & B keine nationale Rechtsgrundlage (§§ 67a Abs 1 Satz 1 und 2, 67b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X, §
284 SGB V). Diese ist auch nach der DSGVO unzulässig.
Die DSGVO ist mit Wirkung vom 25.5.2018 mit unmittelbarer Wirkung in Kraft getreten (vgl Art 99 Abs 2 DSGVO; BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 40/17 R - juris RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR 4-7650 Abs 9 Nr 1 vorgesehen; BSG Urteil vom 27.6.2018 - B 6 KA 27/17 R - juris RdNr 42, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 295 Nr 4 vorgesehen; Bieresborn, NZS 2017, 887 und 888; Freund/Shagdar, SGb 2018, 195; Hauck in Hennig,
SGG, Stand September 2019, §
119 RdNr 9). Sie ist zeitlich einschlägig, da maßgeblich die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist
(vgl oben II. 2.).
Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallenden Tätigkeiten finden die DSGVO und das SGB entsprechende Anwendung, soweit im SGB oder einem anderen Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist (vgl §
35 Abs
2 Satz 2
SGB I). Es bedarf im Hinblick auf diese Auffangregelung keiner Vertiefung, ob die DSGVO unmittelbar für den Streit um die erlassene Aufsichtsanordnung gilt (vgl hierzu im Einzelnen BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 40/17 R - juris RdNr 29 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-7650 Art 9 Nr 1 vorgesehen; BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 31/17 R - juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Art 9 Abs 2 Buchst h DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten) gestattet die grundsätzlich untersagte Verarbeitung von Gesundheitsdaten
(zum Begriff vgl Art 4 Nr 15 DSGVO), sofern diese "für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder der Arbeitsmedizin, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des
Beschäftigten, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich oder für
die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts
eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs (...) erforderlich" ist, wenn
die in Art 9 Abs 3 DSGVO genannten Bedingungen und Garantien beachtet werden (Verarbeitung durch bzw unter Verantwortung von Fachpersonal, das einem
Berufsgeheimnis unterliegt, oder durch eine andere Person, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht einer Geheimhaltungspflicht
unterliegt). Ergänzend sind für Gesundheitsdaten die im innerstaatlichen Recht zusätzlich statuierten Bedingungen und Beschränkungen
zu beachten (Art 9 Abs 4 DSGVO).
c) Die Beklagte übte das ihr eingeräumte Ermessen rechtmäßig aus, gegen die zutreffend festgestellte Rechtsverletzung einzuschreiten
(§
89 Abs
1 Satz 2
SGB IV). Sie traf - formal hinreichend begründet (§ 35 Abs 1 SGB X) - eine Ermessensentscheidung, hielt dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ein und machte von ihrem Ermessen in einer
dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch.
Die Beklagte übte ihr Entschließungsermessens rechtmäßig aus, die Klägerin zu verpflichten, die Verträge mit L & B zu kündigen.
Die Begründung entspricht dem Zweck des Ermessens. Zu Recht führte die Beklagte aus, dass die Dienstleistungsverträge zur
Durchführung der Programme ProGesundheit und ProVita einer Rechtsgrundlage entbehren, dass die Klägerin selbst nicht berechtigt
sei, ein entsprechendes Versorgungsmanagement durchzuführen, dass die Klägerin wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten
ausgliedere (§
197b SGB V) und den Datenschutz missachte (§
284 SGB V). Der Erlass des Verpflichtungsbescheides war notwendig und auch verhältnismäßig, um die Rechtsverletzung abzustellen, insbesondere
um Versichertenrechte zu wahren und eine Beeinträchtigung der Rechtsposition anderer KKn im Wettbewerb auszuschließen. Der
Beklagten stand auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Denn die Klägerin ließ alle Hinweise der Beklagten auf rechtskonforme
Gestaltungsmöglichkeiten im aufsichtsrechtlichen Beratungsverfahren außer Acht. Die Beklagte musste sich nicht auf eine Verpflichtung
zur Anpassung der Verträge beschränken. Sie sind in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Es ist Sache der Vertragsparteien zu entscheiden,
ob und in welchem Umfang sie ihre Zusammenarbeit in rechtmäßiger Form fortsetzen wollen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 4 Nr 2, § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.