Krankenversicherung
Grundsatzrüge
Nicht mehr klärungsbedürftige Rechtsfrage
Substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten streitigen Begriffen
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und
über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
2. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sodass eine weitere Klärung oder
Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist.
3. Die gebotene substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten, streitigen Begriffen erfordert,
dass der Beschwerdeführer ausführt, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht
hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend
- Systematik erfolgt.
4. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift
hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die
hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind.
Gründe:
I
Der Kläger, Träger eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte den bei der beklagten Krankenkasse
(KK) versicherten M (im Folgenden: Versicherter) vollstationär (6. bis 10.7.2009), überwiegend (bis 9.7.2009) auf einer speziellen
Schlaganfallabteilung (Stroke Unit). Er kodierte ua den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-981.1 (Neurologische
Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden) nach dem 2009 geltenden OPS und berechnete hierfür ausgehend
von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2009 [DRG]) B70B (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten
Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung oder ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls,
mehr als 72 Stunden, mit komplizierter intrakranieller Blutung) 7493,88 Euro (Rechnung vom 20.7.2009). Die Beklagte beglich
den Rechnungsbetrag, rechnete jedoch später in Höhe von 2821,88 Euro gegen andere Forderungen des Klägers auf (12.1.2010).
Die Behandlung sei lediglich mit der DRG B70D (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis
72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, ohne systemische Thrombolyse, mehr als ein Belegungstag; 4672 Euro) zu vergüten.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.2.2014). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Der Kläger könne für
die streitige Krankenhausbehandlung nur OPS 8-981.0 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mindestens
24 bis höchstens 72 Stunden) kodieren, so dass die DRG B70D angesteuert werde. Der Versicherte habe sich in der Nacht vom
7.7. auf den 8.7.2009 mehrfach zu Toilettenbesuchen vom Monitoring abgekabelt und damit das Monitoring unterbrochen. Die sachlichen
Mindestmerkmale einer neurologischen Komplexbehandlung des Schlaganfalls seien damit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt
gewesen (Urteil vom 25.1.2017).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Der Kläger richtet sein Vorbringen hieran nicht aus.
Der Kläger formuliert als Rechtsfragen:
a. "Ist die kurzfristige Unterbrechung des Monitorings im Rahmen neurologischer Komplexbehandlungen des Schlaganfalls zum
selbständigen Toilettengang nach den Vorgaben des OPS-Katalogs eine kodierfeindliche Unterbrechung des Mindesterfordernisses
des 24-Stunden-Monitorings?"
b. "Sind unter den Begriff 'Behandlung' als Voraussetzung für die zulässige Unterbrechung des 24-Stunden-Monitorings im Rahmen
der neurologischen Komplexbehandlungen im OPS-Katalog auch Grundpflegeverrichtungen, wie z.B. die Anleitung zum selbständigen
Toilettengang, zu subsumieren?"
a) Soweit es die erste Frage betrifft, lässt der Senat offen, ob ihr eine klare, über den Einzelfall hinausweisende Rechtsfrage
zu entnehmen ist oder - eingekleidet in eine abstrakt-generelle Fragestellung - nur die Frage nach der vergütungsrechtlichen
Bewertung eines konkret individuellen Sachverhalts, ob also die Beklagte nur die Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung rügt.
Letzteres ist kein zulässiger Prüfungsgegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger legt jedenfalls den Klärungsbedarf
der Rechtsfrage nicht dar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sodass eine weitere Klärung oder
Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - Juris RdNr 7 mwN). Die gebotene substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten, streitigen Begriffen
erfordert, dass der Beschwerdeführer ausführt, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch
das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach
Wortlaut und - ergänzend - Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden
vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen
Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind. So liegt es regelmäßig
bei der Auslegung des OPS (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17 f, dort speziell zur Auslegung von medizinischen Begriffen). Nach OPS 8-981 darf das Monitoring (im Falle von
OPS 8-981.1 mehr als 72 Stunden) nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen oder Behandlungen unterbrochen werden. Der
Kläger trägt nichts dazu vor, warum es klärungsbedürftig sein soll, dass eine Unterbrechung des Monitoring aus anderen Gründen
eine Kodierung von OPS 8-981.1 nicht ausschließt. Insoweit behauptet der Kläger selbst nicht, dass der Gang zur Toilette und
die Verrichtung der Notdurft für sich genommen eine spezielle Untersuchung oder Behandlung sein könnten.
b) Hinsichtlich der zweiten Frage, zeigt der Kläger schon deren Entscheidungserheblichkeit nicht auf. Er beachtet nicht, dass
eine Rechtsfrage vom Revisionsgericht nur dann beantwortet werden kann, wenn sie sich ihm auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen
der Vorinstanz stellt. Ob eine Rechtsfrage klärungsfähig ist, hängt davon ab, ob das Revisionsgericht über die betreffende
Frage konkret sachlich entscheiden kann (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 7 S 22 f; BSG Beschluss vom 24.6.1998 - B 9 VG 2/98 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.2.2017 - B 1 KR 91/16 B - Juris RdNr 9; ebenso zB Pietzner/Buchheister in Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, Stand: Juni 2016, §
132 RdNr 44). Es genügt nicht, dass die bloße Möglichkeit besteht, dass die formulierte Rechtsfrage nach Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht aufgrund weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann. Es ist nicht Aufgabe
des Revisionsgerichts, über eine abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden, deren Bedeutung für den konkreten Rechtsstreit (noch)
nicht feststeht (vgl zu dem Ganzen BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - Juris RdNr 8 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Kläger hätte dementsprechend darlegen müssen, dass das
LSG festgestellt hat, dass es sich bei den Toilettengängen des Versicherten in der Nacht vom 7.7 auf den 8.7.2009 um eine
"Anleitung zum selbständigen Toilettengang" gehandelt hat, weil diese "auf ärztliche Anweisung oder als Teil des Behandlungsplans"
erfolgten. Daran fehlt es.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.