Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Bezeichnung des Verfahrensmangels einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung
Außerachtlassung von Beweisfeststellungen von Sachverständigen und behandelnden Ärzten
Gründe:
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, sie mit einer beidseitigen Mammareduktionsplastik
zu versorgen, bei der Beklagten und dem SG erfolglos geblieben. Das LSG hat ihre Berufung zurückgewiesen, die sie wegen Selbstbeschaffung der Leistung auf Zahlung von
2900 Euro gerichtet hat: Sie habe die Voraussetzungen für die begehrte Versorgung nicht erfüllt. Sie habe an keiner Krankheit
gelitten, für die im Rechtssinne eine stationäre Mammareduktionsplastik notwendig gewesen sei. Weder habe eine Funktionsbeeinträchtigung
der Brüste noch eine Entstellung vorgelegen noch ein hinreichender Grund für eine mittelbare Krankenbehandlung (Urteil vom
15.2.2017).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG - hierzu 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG - hierzu 2.).
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.
a) Die Klägerin rügt, das LSG habe den Wertungsrahmen verlassen, der durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung eröffnet
sei. Es habe einseitig Beweisfeststellungen des Sachverständigen und der behandelnden Ärzte außer Acht gelassen und sei so
zu einem falschen und nicht hinnehmbaren Ergebnis gekommen. Es habe seine Entscheidung auf Schlussfolgerungen gestützt, die
der Sachverständige nicht gezogen habe. Die Klägerin beachtet nicht, dass ein Verfahrensmangel nach der dargelegten ausdrücklichen
gesetzlichen Anordnung nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gestützt werden
kann (vgl auch BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 7). Dies gilt selbst dann, wenn offensichtliche Widersprüche zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage
des Sachverständigen vorliegen (BSG Beschluss vom 8.10.1992 - 13 BJ 89/92 - Juris RdNr 5; Hauck in Zeihe/Hauck,
SGG, Stand April 2017, §
160 Anm 23 mwN). Die Beschwerdeführerin kann die gesetzliche Beschränkung der Verfahrensrüge auch nicht dadurch erfolgreich umgehen,
dass sie die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung zusätzlich als eine Verletzung des Willkürverbots bezeichnet (vgl BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 6). Der erkennende Senat muss nicht weiter vertiefen, inwieweit von der Klägerin behauptete Widersprüche zwischen
der Urteilsbegründung des LSG und den Ausführungen des gehörten Sachverständigen tatsächlich bestehen.
b) Soweit die Klägerin mit ihrer Darlegung, das LSG nehme "keine Beweiswürdigung vor, sondern stellt das Ergebnis des Sachverständigen
verzerrend dar", sinngemäß das Fehlen von Entscheidungsgründen rügen will, legt sie deren Fehlen nicht schlüssig dar. Zwar
sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl §
128 Abs
1 S 2
SGG). Die Klägerin trägt aber selbst nicht vor, dass das LSG die Beweisergebnisse nicht gewürdigt hat, sondern kritisiert, dass
das LSG sie nach ihrer Auffassung hätte abweichend würdigen müssen. Entscheidungsgründe fehlen nicht bereits dann, wenn die
Gründe (vermeintlich) sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (stRspr, vgl zB BSG SozR Nr 79 zu §
128 SGG; BSG Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 7). Infolgedessen legt eine Beschwerdebegründung das Fehlen von Gründen nicht schlüssig dar, wenn sie lediglich
geltend macht, das LSG hätte weitere, konkret benannte rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte behandeln müssen. Im Kern
greift sie damit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Richtigkeit der Entscheidung an. Solches Vorbringen
reicht nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG Beschluss vom 8.2.2006 - B 1 KR 65/05 B - Juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 7). So liegt es hier. Die Klägerin erläutert die (vermeintlich) fehlerhafte Beweiswürdigung lediglich umfänglich.
c) Die Klägerin rügt auch nicht zulässig, die Tatsachenfeststellung des LSG sei unvollständig. Wer sich auf eine Verletzung
der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des
LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden
Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 5). Hierzu gehört die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin benennt bereits keinen Beweisantrag.
2. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin formuliert bereits keine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung. Sie wirft vielmehr die Fragen
auf, ob die bei ihr diagnostizierte Mammahyperplasie beidseits eine Krankheit darstelle und daher ein Anspruch auf die Erbringung
der Krankenhausleistung bestehe. Sie rügt damit die fehlerhafte Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Die möglicherweise
fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall kann indes nicht zur Zulassung der Revision führen, denn die Revision dient nicht
- wie schon die enumerative Aufzählung der Zulassungsgründe in §
160 Abs
2 SGG zeigt - einer allgemeinen Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Auch wenn man die Fragen sinngemäß als allgemein gestellt auslegen wollte, legt die Klägerin nicht hinreichend in
Auseinandersetzung mit der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rspr des BSG dar, wieso unter Berücksichtigung der nach vorstehenden Darlegungen (vgl oben, unter II.1.) bindenden Feststellungen des
LSG (vgl §
163 SGG) Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren bestehen könnte.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.