Kostenerstattungsanspruch für eine brustvergrößernde Operation bei Transsexualität in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität,
die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung
und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007),
lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie
als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007
und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin
vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung
über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem
effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung
scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei
Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten
sei (Urteil vom 11.2.2011).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §
13 Abs
3 S 1 Alt 2 und §
27 Abs
1 S 1
SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen
werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin
vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten
Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§
170 Abs
2 S 1
SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend
gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP
und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und
-erstattungsanspruchs aus §
13 Abs
3 S 1 Alt 2
SGB V (anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b
SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat
die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden,
sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung
ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, §
13 SGB V RdNr 233 ff): Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung,
Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame)
Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre
MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung
- MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der
Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).
1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf
die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007
ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen.
Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet.
In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen.
Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller
mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl
BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich
erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging
es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.
Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte
nach §
27 Abs
1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung
ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern
(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen
und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz
schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).
a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach §
27 Abs
1 S 1
SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit,
deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich
nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus
- als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren
Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich
sein (dazu cc).
aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit
iS von §
27 Abs
1 S 1
SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg
Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.
Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle
leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen
Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen
Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer,
Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM
Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische
und Verhaltensstörungen [F00-F99]). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt
zu werden".
Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit
an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 §
27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das
SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer
Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen
erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl §
116b Abs
1 S 2 Nr
2 Buchst i
SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Versorgungsstrukturgesetz
- GKV-VStG] vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 [Teil 2 Fehlbildungen] Nr 9 der
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses [GBA] über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach §
116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am
31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des §
116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach §
116b Abs
3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr
88 S 10177).
bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt
über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem
Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung
reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische,
ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker,
in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).
Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung
und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von §
27 Abs
1 S 1
SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht
in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.
Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit
psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen
oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet
- gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich
eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).
Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit
seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand
der medizinischen Erkenntnisse (§
2 Abs
1 S 3, §
28 Abs
1 S 1
SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen
Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen
verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung
eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.
Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden
Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und
geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben §
27 Abs
1 S 1
SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand,
bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts
eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).
Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art
2 Abs
1 und Art
2 Abs
2 iVm Art
1 Abs
1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären (vgl BVerfGE
128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen.
Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an
die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der
damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen,
dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen
verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit
seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten
(BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß
gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits
BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild
des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und §
116b Abs
1 S 2 Nr
2 Buchst i
SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).
cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden
Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende
Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in §
27 Abs
1 S 1
SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen
oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst
von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).
b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine
MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§
27 Abs
1 S 1
SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr
unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr
unter Einbeziehung der Wertungen des §
116b Abs
1 S 2 Nr
2 Buchst i
SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung (vgl dazu Hauck, NZS 2007,
461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche
Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne
abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).
aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich
objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen,
den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende
Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.
Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht
nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für
transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden
operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das
Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen
Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.
Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach §
27 Abs
1 S 1
SGB V iVm §
2 Abs
1 S 3, §
2 Abs
4, §
12 Abs
1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend
ist, um das angestrebte, in §
27 Abs
1 S 1
SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen
Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert
ist.
In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen
Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse
stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE
128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich,
im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer
MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern
sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.
Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG
zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht
Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden
Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.
bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende
Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs
wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht
psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen
ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte,
auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.
c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass
die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.
Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch
das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie
durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund
einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe
A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen
(vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428).
Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern
und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.
Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art
3 Abs
1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen
Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).
Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch
auf eine MAP ausschließt.
2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten
MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf
gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP.
Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst
beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die
selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier
indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.
Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte
Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich
fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses
nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus
mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK
rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen
Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen,
dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem
Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken.
Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem,
die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche
Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem
die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.
Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht
die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige
Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich
aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit
des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung
gewährt.
Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer
MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein
auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl,
Stand: 1.1.2012, §
13 SGB V RdNr 260 f).
b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und
droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten
in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).
aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin
und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen
umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel
nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320)
oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.
(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine
ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch
Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient -
wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit
dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen
Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des
Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde
Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet.
Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen
Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.
(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen.
Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz (Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen [KHEntgG] vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären
und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze [KHG] vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs
2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in §
67 Abgabenordnung (hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang
der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h.
.de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. - ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§
134,
138 BGB - grundsätzlich frei (vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).
Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des
Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden (vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG (vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).
Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG (hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an
öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen
selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern
und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen
vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil
sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als
die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert
(vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern,
Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).
(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach §
138 Abs
2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß §
138 Abs
1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB
BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§
108 Nr 3
SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden
Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung
und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. .de). Die von
der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern
und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.
bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§
13 Abs
3 S 1
SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des §
44 SGB I vor (vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE
76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur
Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, §
13 SGB V RdNr 275 f).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.